1. Wie haben Sie den Herbst 1989 erlebt?
Ich saß vor dem Fernseher und da wurde das Kinderprogramm unterbrochen. Und dann sagte die Nachrichtensprecherin, dass Erich Honecker nicht mehr Staatsratsvorsitzender ist. Und damit ging es ja eigentlich los. Dann ging alles Schlag auf Schlag. Und dann kamen die Montagsdemos. Es war alles sehr aufregend. Ich glaube, noch im selben Herbst – oder Winter war´s dann schon – sind wir in Bayern, in Kulmbach, gewesen. Das erste Mal. Wir sind früh morgens, noch mitten in der Nacht, losgefahren. Wir waren müde. Viel spannender war für mich, als meine Eltern das erste Mal im Westen waren. Wir haben einen Betrieb zu Hause und ich kam aus der Schule und die waren nicht mehr da. Und da war eigentlich meine größte Sorge, dass sie nicht wieder kommen, was dann wird. Das war für mich viel spannender und aufregender, als dass ich dann dort war.
2. Was hat sich nach dem Ende der DDR für Sie verändert?
Vieles. Also, über meine Eltern hat sich viel verändert. Meine Möglichkeiten für´s Studium haben sich verändert. Das war, glaube ich, sehr wichtig für mich, dass ich vielleicht nicht hätte auf's EOS gehen können, obwohl ich es gewollt hätte, was ich jetzt konnte. Ich habe jetzt Politik studiert, was ich sicherlich auch in einem anderen Rahmen konnte, als ich es zu DDR-Zeiten gekonnt hätte. Und es ist alles offener und freier. Ich habe viele nette Menschen kennengelernt.
3. Wie haben Sie sich 1989 die Zukunft vorgestellt?
Das weiß ich ehrlich gesagt nicht, weil, mein Zukunftsradius war damals, glaube ich, sehr beschränkt. Also, wichtig war, dass ich mein Abitur machen kann, das wusste ich sehr früh, und dass ich studieren kann. Und dass es uns zu Hause allen gut geht. Aber groß für die gesamte Zukunft hatte ich keine direkten Pläne, was ich erwartet habe. Aber Angst hatte ich, das weiß ich.
4. Welche Erinnerung an die DDR ist für Sie die wichtigste?
Es gibt verschiedenes: Die Pioniernachmittage, das Altstoffesammeln, die Ferienlager. Ich glaube, das ist das, was alle als schön empfunden haben: Diese relativ unbeschwerte Kindheit, die man da verbracht hat. Trotz dem Zwang, der dazu gehörte. Aber insgesamt eine schöne Kindheit, eine sehr schöne. Und schön war auch der Zusammenhalt. Wenn man es jetzt rückblickend betrachtet und sich die Jugend von heute anguckt, dann hat man den Eindruck, wir waren nicht so schlimm, wie die heute sind. Aber das denkt, glaube ich, auch jeder.
5. Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Für meine persönliche? Ja, dass mein Projekt gut läuft, weil ich das seit 1. Mai mache. Meine erste richtige Arbeit ist das. Dass das gut läuft, dass ich dafür mehr Menschen für Politik interessieren kann, weil es mich interessiert und weil es wichtig ist. Gesundheit, Frieden, ein bißchen politische Bewegung in die richtige Richtung. Das war es schon.
Juni 2004