Die "friedliche Revolution" in der DDR war nicht allein ein Aufbegehren gegen das bestehende politische System. Dass sich die zunächst auf einzelne Gruppen von Bürgerrechtlern beschränkten Proteste gegen die gefälschten Kommunalwahlen vom 7. Mai 1989 binnen eines halben Jahres zu einer wahren Massenbewegung verwandelten, hatte ganz entscheidend auch mit der verbreiteten Unzufriedenheit über die wirtschaftlichen Verhältnissen zu tun: Versorgungsmängel nicht nur bei Wohnungen oder Kraftfahrzeugen, sondern selbst bei eher alltäglichen Waren wie zum Beispiel Kaffee oder modischer Kleidung waren allgegenwärtig. Der desolate Zustand von Infrastruktur, Wohnungswesen und Umwelt war für jeden sichtbar und auch der Verschleiß der Produktionskapazitäten nicht mehr zu übersehen.
Auch der Staatsführung war dies durchaus bekannt. Die Staatliche Plankommission stellte in einem internen Papier im Oktober 1989 fest, dass die DDR seit langem über ihre Verhältnisse gelebt habe und kurz vor der Zahlungsunfähigkeit stehe: "Allein ein Stoppen der Verschuldung würde im Jahre 1990 eine Senkung des Lebensstandards um 25-30 Prozent erfordern und die DDR unregierbar machen", so die drastische Schlussfolgerung. Durchaus folgerichtig wurden die Mängel der zentralen Planwirtschaft als Hauptursache hierfür benannt und grundlegende Reformen angemahnt, insbesondere eine stärkere Dezentralisierung wirtschaftlicher Entscheidungen und die Nutzung von Gewinnanreizen auf betrieblicher Ebene. "Insgesamt geht es um die Entwicklung einer an den Marktbedingungen orientierten sozialistischen Planwirtschaft bei optimaler Ausgestaltung des demokratischen Zentralismus, wo jede Frage dort entschieden wird, wo die dafür nötige, größere Kompetenz vorhanden ist", so die entscheidende Passage in dem zitierten Papier der Plankommission. Zu einer solchen grundlegenden Reform kam es dann jedoch nicht mehr: Innerhalb nur weniger Monate lösten sich nicht nur die Regierung, sondern auch das politische System, die bestehende Wirtschaftsordnung und schließlich der Staat selbst auf. Nur ein knappes Jahr nach den Massenprotesten des Jahres 1989 war Deutschland wiedervereinigt.
Die DDR war zu diesem Zeitpunkt wirtschaftlich gesehen am Ende. Nach der Öffnung der Grenzen sahen sich die bislang geschützten DDR-Betriebe zudem dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt. Nicht die Einführung der Marktwirtschaft und die Umstände der Vereinigung waren also der Grund dafür, dass es nach dem Mauerfall binnen kurzer Zeit zu einem weitgehenden Zusammenbruch der bestehenden Unternehmen kam. Sicherlich sind angesichts fehlender Erfahrungen mit dem Umbau einer Zentralverwaltungswirtschaft in eine Marktwirtschaft in Teilbereichen Fehler gemacht worden, etwa bei der politisch motivierten Bestimmung des Umtauschkurses zwischen Ost-Mark und D-Mark, der weitgehenden Übertragung westlicher Rechtsvorschriften auf den Osten oder der Festlegung auf das Prinzip "Rückgabe vor Entschädigung" bei der Reprivatisierung enteigneten Eigentums.
Der Zusammenbruch der DDR-Wirtschaft wäre aber auch nicht zu vermeiden gewesen, hätte man alles richtig gemacht. Angesichts einer insbesondere bei der älteren Bevölkerung in Ostdeutschland verbreiteten Verklärung der Verhältnisse in der DDR kann dies nicht deutlich genug betont werden. Auch wenn es noch viele Probleme in Ostdeutschland gibt, kann die wirtschaftliche Entwicklung seit der Vereinigung im großen und ganzen als Erfolgsgeschichte betrachtet werden. Dies wird trotz aller Kritik von der großen Mehrheit der ostdeutschen Bevölkerung auch so anerkannt; eine Rückkehr zu sozialistischen Verhältnissen jedenfalls wird nur von wenigen gefordert.
Dennoch: Der Einbruch der Wirtschaft unmittelbar nach der "Wende" war schmerzhaft. Schätzungen zufolge lag die Wirtschaftsleistung in Ostdeutschland im Frühjahr 1991 um rund 35 Prozent niedriger als ein Jahr zuvor. Aber schon im Verlauf des Jahres 1991 begann ein rasanter Aufholprozess. Mit der Gründung neuer Unternehmen, dem Aufbau moderner Produktionsstätten durch auswärtige Investoren und der Sanierung und Privatisierung ehemaliger DDR-Betriebe, erhöhte sich das (preisbereinigte) Bruttoinlandsprodukt in den Jahren 1991 bis 1995 um insgesamt 50 Prozent (vgl. Abbildung 1). Getragen wurde das Wachstum insbesondere vom Baugewerbe, das vom hohen Nachholbedarf bei der Verkehrsinfrastruktur und im Wohnungswesen profitieren konnte. In der Industrie kam der Aufschwung hingegen erst zeitverzögert in Gang, da der Aufbau neuer Produktionskapazitäten mehr Zeit benötigte.
Gegenläufig war hingegen die Entwicklung am Arbeitsmarkt: Da in den neuen, moderneren Produktionsanlagen deutlich weniger Personal benötigt wurde als zuvor, nahm die Zahl der Erwerbstätigen stark ab, während die Arbeitslosigkeit massiv anstieg. Hinzu kam eine nicht an der Leistungsfähigkeit der Betriebe orientierte Lohnpolitik einerseits und der notwendige Personalabbau in systemnahen Bereichen wie Polizei, Militär und Staatssicherheit. Bereits 1992 lag die Arbeitslosenquote trotz aller arbeitsmarktpolitischen Gegenmaßnahmen in den neuen Ländern bei rund 15 Prozent.; Rechnet man die so genannte verdeckte Arbeitslosigkeit zum Beispiel durch öffentliche Arbeitsbeschaffungs- und Fortbildungsmaßnahmen hinzu, war sogar ein Drittel aller Erwerbspersonen ohne reguläre Beschäftigung. Trotz leichter Erfolge beim Abbau der Arbeitslosigkeit hat sich hieran auch bis 1995 nichts Grundlegendes geändert.
Nach 1995 hat sich der sogenannte "Aufbau Ost" nur noch mit abgeschwächtem Tempo fortgesetzt. Das jahresdurchschnittliche Wachstum des (preisbereinigten) Bruttoinlandsprodukts
betrug zwischen 1995 und 2008 nur noch 1,6 Prozent. Die gesamtwirtschaftliche Produktion war zuletzt um 23 Prozent höher als Mitte der 1990er Jahre. Grund für das abgeschwächte Wachstum war zum einen die einsetzende Strukturbereinigung im Baugewerbe: Anfänglich aufgebaute Produktionskapazitäten waren aufgrund der nachlassenden Nachfrage nicht länger ausgelastet. Eine Rolle spielte aber auch, dass mit dem Ende der Privatisierungstätigkeit der Treuhandanstalt die Investitionstätigkeit auswärtiger Unternehmen in den neuen Ländern nachließ. Auch die Beschäftigungssituation hat sich aus diesen Gründen nicht grundlegend gebessert. Bei rückläufigem Arbeitsangebot ist die Unterbeschäftigungsquote, die das tatsächlich vorhandene Arbeitsplatzdefizit auf dem ersten Arbeitsmarkt ausweist, zwar auf 16 Prozent im Jahr 2008 zurückgegangen, die offiziell ausgewiesene Arbeitslosenquote ist mit 13 Prozent aber immer noch doppelt so hoch wie in Westdeutschland.
Die Industrie hat sich indes auch in den letzten Jahren weiterhin positiv entwickelt. Das Produktionsniveau in diesem Wirtschaftsbereich lag im Jahr 2008 rund zweieinhalb Mal so hoch wie im Jahr 1995. Hier wurden in den letzten Jahren sogar wieder neue Arbeitsplätze geschaffen. Vor allem in "neuen" Branchen wie der Photovoltaik oder der optoelektronischen Industrie haben sich wettbewerbsfähige ökonomische Entwicklungskerne herausgebildet, die zunehmend auch der regionalen Wirtschaftsentwicklung Impulse verleihen. So können Städte wie Dresden und Jena – bedeutende Standorte dieser Branchen – entgegen dem ostdeutschen Trend Wanderungsgewinne erzielen, was wiederum auch zu günstigen Wachstumsperspektiven für die lokale Wirtschaft führt.
Eine bedeutsame Rolle beim Aufbau Ost spielte von Anfang an die Politik. Neben der Erneuerung und Erweiterung der Infrastruktur (insbesondere im Verkehrsbereich) wurden mit hohem finanziellem Einsatz private Investitionen gefördert: Für Existenzgründer wurde Kapital bereitgestellt und die Modernisierung der Produktpalette in bestehenden Unternehmen wurde insbesondere mit Hilfen für Forschung und Entwicklung unterstützt. Darüber hinaus waren die neuen Länder von Anfang an gleichberechtigt in die sozialen Sicherungssysteme einbezogen. Dies hatte insbesondere in der Arbeitslosen- und Rentenversicherung hohe Ausgaben zur Folge.
Aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit und den dadurch nur geringen Beitragseinnahmen konnten die Leistungen der Sozialsysteme jedoch nur durch Ausgleichszahlungen aus den westdeutschen Zweigen dieser Versicherungen bzw. dem Bundeshaushalt aufgebracht werden. Hinzu kamen Zahlungen im Rahmen des bundesstaatlichen Finanzausgleichs zur Kompensation geringer Steuereinnahmen. Diese sogenannten "Transferleistungen" für die neuen Länder (ohne Berlin) beliefen sich Schätzungen zufolge im Zeitraum 1991 bis 2005 auf knapp 900 Milliarden Euro (netto), wobei der größte Teil auf Sozialausgaben entfällt. Derzeit wird noch immer rund ein Fünftel der inländischen Nachfrage in Ostdeutschland (Öffentlicher und Privater Verbrauch sowie Investitionen) durch Mittel finanziert, die den neuen Ländern aus Westdeutschland zufließen. Dies zeigt, dass die wirtschaftliche Entwicklung in Ostdeutschland noch längst nicht als "selbsttragend" angesehen werden kann.
Über die wirtschaftliche Situation herrscht in Ostdeutschland vielfach Unzufriedenheit. Gründe dafür sind auch der nach wie vor bestehende Einkommensrückstand gegenüber dem Westen und die als schlecht empfundenen Beschäftigungschancen. Viele Menschen in Ostdeutschland fühlen sich daher ungerecht und wie "Bürger zweiter Klasse" behandelt. Teilweise erscheint dies verständlich, denn nach wie vor liegt das Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt in den neuen Ländern nur bei 68 Prozent und die Arbeitsproduktivität nur bei 77 Prozent des westdeutschen Durchschnittswertes (Ost- und Westdeutschland jeweils ohne Berlin).
Dies ist freilich vor allem auf unterschiedliche Wirtschaftsstrukturen in Ost- und Westdeutschland zurückzuführen: Großunternehmen wie im Westen gibt es in den neuen Ländern kaum, die meisten Firmen weisen nur eine sehr geringe Größe auf und sind deswegen kaum in der Lage, höhere Löhne zu zahlen. Zudem fehlt es an Firmenzentralen mit einer hohen Präsenz einkommensstarker Tätigkeiten, beispielsweise in Forschung und Entwicklung. Schließlich ist die Industrie und der unternehmensnahe Dienstleistungssektor – Branchen, die typischerweise günstige Einkommensperspektiven für die Menschen bieten – in Ostdeutschland schwächer vertreten als in Westdeutschland; deutlich stärker sind hingegen die haushaltsnahen Dienstleistungen, bei denen im Regelfall nur geringe Löhne gezahlt werden. Und schließlich ist auch die hohe Arbeitslosigkeit nicht nur auf einen Mangel an Arbeitsplätzen, also eine unzureichende Arbeitsnachfrage zurückzuführen, sondern zum Teil auch auf die traditionell hohe Erwerbsbeteiligung in den neuen Ländern, also ein höheres Arbeitsangebot.
Um einen Ausgleich zu schaffen, wären also in Ostdeutschland institutionelle Rahmenbedingungen erforderlich, die eine höhere Arbeitsintensität in der Produktion ermöglichen, was aber eben nicht der Fall ist. Insoweit ist die vermeintliche Benachteiligung des Ostens zu einem guten Teil die Folge struktureller Defizite als Spätwirkung der Teilung Deutschlands. Und schließlich: Auch wenn die verfügbaren Einkommen je Einwohner nur bei rund 78 Prozent des westdeutschen Niveaus liegen, ist zu beachten, dass auch das allgemeine Preisniveau in den neuen Ländern noch immer etwas niedriger liegt (insbesondere infolge der niedrigeren Mieten), so dass sich die Einkommen in realer Betrachtung durchaus schon weit angeglichen haben.
Gleichwohl: Nicht zu verkennen ist, dass der "Aufbau Ost" in den vergangenen Jahren nur noch schleppend vorangekommen ist und dass auch für die Zukunft nicht mit einer deutlichen Verbesserung der Situation gerechnet werden kann. Grund hierfür sind vor allem die Herausforderungen, die aus der demographischen Entwicklung resultieren: Von 1989 bis heute hat sich die Bevölkerung in den ostdeutschen Flächenländern um rund 14 Prozent reduziert. Alle Prognosen deuten darauf hin, dass sich dieser Prozess auch in Zukunft fortsetzen wird – für das Jahr 2020 wird nochmals mit einer um rund 10 Prozent niedrigeren Bevölkerungszahl gerechnet. Grund hierfür ist nicht nur die Abwanderung insbesondere jüngerer und zumeist gut qualifizierter Menschen, sondern in noch stärkerem Maße der starke Geburtenrückgang nach der Vereinigung.
Die schrumpfende und zugleich stark alternde Bevölkerung macht es zunehmend schwieriger, ein hohes Wirtschaftswachstum zu erreichen, weil damit ein zusätzlicher Mangel an Fachkräften verbunden sein wird. Insbesondere wirtschaftlich wenig attraktive, peripher gelegene Regionen in den neuen Ländern dürften hiervon betroffen sein. Ostdeutsche Ballungszentren wie zum Beispiel das Umland von Berlin, Dresden oder auch Jena weisen hingegen zum Teil durchaus günstige Zukunftsperspektiven auf. Man muss sich daher wohl an den Gedanken gewöhnen, dass Ostdeutschland nicht nur dauerhaft eine strukturschwache Region in Deutschland bleiben wird, sondern auch daran, dass die regionalen Differenzierungen in den neuen Ländern künftig stark zunehmen werden. Dies stellt die Politik vor die Aufgabe, mit besonderen Konzepten den Aufbau Ost weiter zu unterstützen.