Erklärung des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Willy Brandt, auf einer Sondersitzung des Abgeordnetenhauses am 13. August 1961 | Deutsche Teilung - Deutsche Einheit | bpb.de

Erklärung des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Willy Brandt, auf einer Sondersitzung des Abgeordnetenhauses am 13. August 1961

Willy Brandt

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In einer scharfen Rede von historischer Bedeutung bezog Willy Brandt als Regierender Bügermeister von Berlin im August 1961 Stellung zum Mauerbau. Den Machthabern der DDR warf er vor, "[...] ihre eigene Bevölkerung einzusperren".

Berlins Regierender Bürgermeister, Willy Brandt, hält am 16. August 1961 eine Rede vor dem Schöneberger Rathaus, in der er den Bau der Berliner Mauer scharf verurteilt.
Berlins Regierender Bürgermeister, Willy Brandt, hält am 16. August 1961 eine Rede vor dem Schöneberger Rathaus, in der er den Bau der Berliner Mauer scharf verurteilt. (© AP)

Auszüge

Die vom Ulbricht-Regime auf Anforderung der Warschauer-Paktstaaten verfügten und eingeleiteten Maßnahmen zur Abriegelung der Sowjetzone und des Sowjetsektors von Westberlin sind ein empörendes Unrecht. Sie bedeuten, daß mitten durch Berlin nicht nur eine Art Staatsgrenze, sondern die Sperrwand eines Konzentrationslagers gezogen wird. Mit Billigung der Ostblockstaaten verschärft das Ulbricht-Regime die Lage um Berlin und setzt sich erneut über rechtliche Bindungen und Gebote der Menschlichkeit hinweg. Der Senat von Berlin erhebt vor aller Welt Anklage gegen die widerrechtlichen und unmenschlichen Maßnahmen der Spalter Deutschlands, der Bedrücker Ost-Berlins und der Bedroher West-Berlins. [...].

Was können wir tun, was hat der Senat getan? Der Senat ist heute früh zu einer Sondersitzung zusammengetreten. Er hat alle erforderlichen Maßnahmen eingeleitet. Wir haben uns unverzüglich mit den Herren Kommandanten unserer Schutzmächte in Verbindung gesetzt. Dabei habe ich sie darum ersucht, im Gebiete ihrer eigenen Verantwortung tätig zu werden und ihren Regierungen vorzuschlagen, daß energische Schritte gegenüber der Regierung der Sowjetunion unternommen werden. Die Westmächte müssen unserer Meinung nach darauf bestehen, daß die rechtswidrigen Maßnahmen rückgängig gemacht werden und die Freizügigkeit wiederhergestellt wird. Es kann nicht meine Aufgabe sein, den Entscheidungen der für unsere Sicherheit verantwortlichen Regierungen vorzugreifen. Aber ich spreche sicherlich im Sinne dieses Hohen Hauses und im Namen der gesamten Berliner Bevölkerung, wenn ich der Meinung Ausdruck gebe, daß es mit bloßen Protesten nicht sein Bewenden haben sollte. Die Maßnahmen des Zonenregimes richten sich in erster Linie gegen die Deutschen im sowjetischen Machtbereich. Aber soweit wir hier in Westberlin davon betroffen sind, sind wir nicht weniger betroffen als die drei Westmächte. Ich begrüße die Anwesenheit der Herren Kommandanten bei der heutigen Sitzung des Abgeordnetenhauses ganz besonders, nicht nur, weil damit der Rechtsstatus und die Verantwortlichkeit in unserer Stadt unterstrichen wird, sondern weil damit dokumentiert wird, daß wir Freunde haben, die wissen, daß wir in einem Boot sitzen. In Wahrheit hat das kommunistische Regime in den letzten 48 Stunden das Eingeständnis dafür geliefert, daß es selbst Schuld ist an der Flucht von Deutschen nach Deutschland. Eine Clique, die sich Regierung nennt, muß versuchen, ihre eigene Bevölkerung einzusperren. Die Betonpfeiler, der Stacheldraht, die Todesstreifen, die Wachtürme und die Maschinenpistolen, das sind die Kennzeichen eines Konzentrationslagers. Es wird keinen Bestand haben. Wir werden in Zukunft noch sehr viel mehr Menschen als früher nach Berlin bringen, aus allen Teilen der Welt, damit sie die kalte, die nackte, die brutale Wirklichkeit eines Systems sehen können, das den Menschen das Paradies auf Erden versprochen hat. [...]

Quelle: Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung
Externer Link: www.willy-brandt.de

Fussnoten

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