Aus europäischer Perspektive beginnt die Geschichte des Datenschutzes und des
Wenn man die historische Perspektive jedoch nicht auf das Ende des 20. Jahrhunderts verengt und vielleicht auch ein wenig in die Zukunft zu schauen versucht, dann relativiert sich der europäisch-amerikanische Konflikt in zweifacher Hinsicht: Der Konflikt überschattet nicht mehr die über manche Strecke gemeinsame Entwicklung. Die ganz großen
Die (Vor-)Geschichte des Datenschutzes
Auch wenn der Begriff "Datenschutz" nicht viel älter ist als 1970
In Europa hatte es bereits seit dem 16. Jahrhundert eine durchaus schwerfällige Debatte über einen vom Individuum her gedachten informationellen Schutz gegeben. Wichtiger Ausgangspunkt war hier der französische Jurist Hugo Donellus (1527–1591), der das römischrechtliche "alterum non laedere“ (lat., „Du sollst anderen nicht schaden“) auch auf die Ehre anwandte
Wie weit diese europäische Idee direkten oder indirekten Einfluss auf den für das US-amerikanische Recht bahnbrechenden Aufsatz von Samuel D. Warren und Louis D. Brandeis über ein "Right to Privacy“ (1890)
Amerika als Taktgeber der Diskussion
Der moderne und immer umfassender zuständige Leistungs- und Abgabenstaat nach 1945 stützte sich zunehmend auf Datenverarbeitungssysteme. Datensätze wurden über Personenkennzeichen organisiert, vor allem beim Meldewesen, in den Personalverwaltungen des öffentlichen Diensts, bei den Sozialversicherungen und beim Militär. Die Vereinigten Staaten als die auch technologische Führungsmacht nach dem Zweiten Weltkrieg sahen sich als erste Gesellschaft mit den Fragen der Informationsverarbeitung und der Digitalisierung konfrontiert.
Wichtige Wegmarke der politischen und publizistischen Auseinandersetzung war die Präsidentschaftswahl von
Mit etwas zeitlichem Versatz und durchaus mit einem Seitenblick auf die USA kam die Debatte dann um das Jahr 1970 in Europa und Deutschland an. Die Technikeuphorie der frühen Nachkriegsjahre wich Vorbehalten gegenüber "dem Computer“, sicherlich auch verstärkt durch die noch frische Diktaturerfahrung. Wie auch in den USA kristallisierte sich dies in Deutschland an Plänen zu einer Bundesdatenbank und der Einführung einer bundeseinheitlichen Personenkennziffer (PKZ), die unter den Regierungen Kiesinger und Brandt verfolgt wurden
Erste Datenschutzgesetze markieren Endpunkt der gemeinsamen Entwicklung
Das
Äußerlich festmachen lässt sich die nun folgende Spaltung der Datenschutzkonzepte innerhalb der westlichen Welt am Regelungsansatz der Datenverarbeitung durch die Wirtschaft, der sogenannte nichtöffentliche Bereich. Während das US-amerikanische Recht hier einen nur sektoriellen und punktuellen Regelungsansatz (Fair Credit Reporting Act von 1970; Right to Financial Privacy Act von 1978; Electronic Communications Privacy Act von 1986; Video Privacy Protection Act von 1988; Childrens’s Online Privacy Protection Act von 1998; Telephone Records and Privacy Protection Act von 2006) wählte, setzte sich in Europa eine umfassende Erstreckung des Datenschutzrechts auf Unternehmen durch (Bundesdatenschutzgesetz von 1977; EG-Datenschutzrichtlinie 95/46/EG von 1995). Dieses umfassende Regelungsmodell liegt auch der
Eine unterschiedliche datenschutzrechtliche Behandlung von Staat und Wirtschaft kann damit begründet werden, dass der (Rechts-)Staat besonderen Bindungen unterliegen muss, während private Wirtschaftsunternehmen sich auf Freiheitsrechte aus der Verfassung berufen können. Allerdings haben aus Sicht der Individuen, deren Daten verarbeitet werden, große Unternehmen eine mit dem Staat durchaus vergleichbare
Würde- und freiheitsbasierter Ansatz
In der Fachdebatte wird der Unterschied der Datenschutzkonzepte zwischen Europa und den USA mit einem würdebasierten ("dignity-based“) Ansatz in Kontinentaleuropa und einem freiheitsbasierten ("freedom-based“) Datenschutz in den USA erklärt
Dieser Unterschied ist in der gegenwärtigen transatlantischen Datenschutzdebatte so relevant geworden, weil er sich in der Anbieter- und Marktstruktur für Internetdienstleistungen verstärkt. Der flexiblere und tendenziell anbieterfreundliche Datenschutzansatz in den USA begünstigt die Anbieter der heute für den Markt wesentlichen Internetdienstleistungen, die fast ausschließlich aus den USA kommen. In Europa gibt es keine nennenswerten Anbieter von Internetdienstleistungen (für Verbraucherinnen und Verbraucher), so dass aus europäischer Sicht unsere betroffenenbegünstigende Sicht vorzugswürdig ist. Insoweit muss die Diskussion um die Datenschutzabkommen zwischen der EU und den USA, Safe Harbor und Privacy Shield, sowie über die Geltung der EU-Datenschutz-Grundverordnung auf US-Internetunternehmen vor allem auch als Auseinandersetzung zwischen zwei auf dem Gebiet der Internet- und Datendienste unterschiedlich strukturierten Wirtschaftsblöcken verstanden werden.
Bei allen Unterschieden und unterschiedlichen Folgerungen aus dem freiheits- und dem würdebasierten Ansatz im Datenschutz haben europäische und US-amerikanische Privatheitsvorstellungen doch gemein, dass sie vom Einzelnen als Individuum her denken, eben entweder von seiner Freiheit her oder von seiner Würde. Dieser gemeinsame Ausgangspunkt wird sicher künftig wieder stärker in das Bewusstsein geraten, wenn wir uns mit dem Erstarken asiatischer und afrikanischer Digital- und Datenunternehmen auch mit den dortigen Privatheitsvorstellungen auseinandersetzen müssen. Diese sind viel weniger vom Einzelnen, sondern von der Gruppe (Familie, Firma, Ethnie oder Volk) her konzipiert. In den Diensten und Produkten von dort werden die dortigen gesellschaftlichen Vorstellungen ebenso einprogrammiert sein wie dies gegenwärtig bei den US-Diensten der Fall ist – und wie es bei erfolgreichen europäischen Produkten ebenfalls der Fall wäre. Es wird dann nicht mehr um den innerwestlichen Konflikt zwischen Würde und Freiheit gehen, sondern um die Rolle des Individuums in der Datenwelt überhaupt.