Herr Egeler, wann beginnen bei Ihnen die Vorbereitungen für die Bundestagswahl 2013?
Das Gesetz verlangt, dass die Wahlkreiskommission innerhalb von 15 Monaten nach Beginn der Wahlperiode Vorschläge zur Änderung der Wahlkreise unterbreitet. Das sind 32 Monate vor der nächsten Wahl. Ich bin also als Vorsitzender dieser Wahlkreiskommission mit der anstehenden Wahl schon eine ganze Weile befasst.
Was sind die wichtigsten Vorbereitungen?
Ich bin als Bundeswahlleiter auch Vorsitzender des Bundeswahlausschusses. Hier ist unsere wichtigste Aufgabe, über die Zulassung der Parteien zur anstehenden Wahl zu entscheiden.
Wovon hängt es ab, ob eine Partei zugelassen wird?
Insbesondere davon, ob der Bundeswahlausschuss in Bezug auf die konkrete politische Vereinigung ihre Parteieigenschaft anerkennt. Es gibt einige Grundsätze, die im Parteiengesetz geregelt sind: Hiernach müssen die politischen Vereinigungen auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen und an der Vertretung des Volkes im Bundestag mitwirken wollen. Zudem muss sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse die Gewähr dafür bieten, dass sie diese Zielsetzung ernsthaft verfolgt. Hierbei zählt zum Beispiel, dass sie eine bestimmte Anzahl von Mitgliedern haben und öffentlich aktiv sind.
61,8 Millionen Menschen sind diesmal zur Wahl aufgerufen. Wie viele davon sind Erstwähler?
Es sind etwa drei Millionen junge Menschen, die das erste Mal an einer Bundestagswahl teilnehmen können.
Die Zahl der Briefwähler ist in den letzten Jahren stetig gestiegen. Was, glauben Sie, ist der Grund dafür?
Wir beobachten seit den 50er-Jahren, dass die Zahl der Briefwähler steigt. In den 60er-Jahren waren es etwa sieben Prozent, 2009 waren es 21 Prozent. Einen Grund für die Zunahme liefert das Wahlrecht selber. Früher musste man wichtige Gründe nennen, warum man an der Urnenwahl nicht teilnimmt. Seit der letzten Bundestagswahl ist diese Begründungspflicht weggefallen. Und immer mehr Menschen müssen am Sonntag arbeiten. 2011 arbeiteten 15 Prozent der Erwerbstätigen regelmäßig sonntags, 1991 waren es noch zehn Prozent.
Vielleicht wollen die Menschen auch länger nachdenken?
Mag sein. Aber bei der Briefwahl fehlt ein wichtiges Element der Wahl: die Öffentlichkeit. Wenn man zuhause wählt, findet das unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, da sind alle Szenarien möglich. Deshalb ist die öffentliche Wahl für mich die zu bevorzugende Art der Stimmabgabe, weil sie kontrolliert und öffentlich stattfindet und weil man den Wahlakt in der Kabine nicht beeinflussen kann.
Andererseits sinkt seit Jahren die Wahlbeteiligung – wie sehen Sie diese Entwicklung?
2009 lag die Beteiligung bei 70,8 Prozent. Das ist im Vergleich zu anderen EU-Staaten relativ gut. Aber 30 Prozent, die nicht zur Wahl gehen, sind doch eine beachtliche Zahl. 1972 hatten wir noch eine Wahlbeteiligung von 91 Prozent. Seither ist sie deutlich zurückgegangen. Es ist bedauerlich, dass der Wille zu wählen so deutlich nachgelassen hat.
Wie kann man politikferne bzw. politikmüde Bürger erreichen?
Wichtig ist, dass der Bürger das Gewicht seiner Stimme kennenlernt. Das kann man gut ausprobieren auf der kommunalen Ebene. Hier hat man als Bürger die Möglichkeit, sich bei verschiedenen Themen einzubringen. Wenn ich mitmache, kann ich mit meiner Stimme mitsteuern. Das Bewusstsein, dass das möglich ist, muss man übertragen auf die höhere Ebene der Landtags- oder Bundestagswahl.
Auch Journalisten suchen nach Wegen, die Bürger zur Wahl zu bewegen.
Ich glaube, dass die Medien einen entscheidenden Einfluss darauf haben, wie die Bürger die Verhältnisse bewerten, wie sie sich identifizieren und welche Möglichkeiten sie haben. Es ist eine Daueraufgabe für Politik und Medien, die Bürger für den politischen Prozess zu interessieren. Bürger werden vor Ort politisiert. Dort ist die beste Möglichkeit, ihnen das Gefühl zu geben, dass die eigene Stimme zählt.
Wahlen sind ja auch ein Kostenfaktor. Was gibt der Staat für die Bundestagswahl aus?
Wir haben für 2009 etwa 66,8 Millionen Euro gezahlt. Das ist das, was der Bund den Ländern und Gemeinden erstattet. Das deckt nicht alle Kosten ab, sondern lediglich die Versendung der Wahlbenachrichtigungen und Briefwahlunterlagen und die Aufwandsentschädigungen der Wahlhelfer. Aber eine Kommune hat noch weitere Kosten, muss Wahllokale anmieten, reinigen etc. Aber man sollte eine demokratische Wahl nicht an den Kosten festmachen.
Das neue Wahlrecht soll für mehr Ausgleich und Gerechtigkeit sorgen. Sehen Sie das so?
Unser Wahlsystem ist eine personalisierte Verhältniswahl. Das bisherige Verfahren zur Verteilung von Sitzen hat ein Ergebnis produziert, das die Erfolgswertgleichheit der Stimmen verzerrt hat. Deswegen werden jetzt über Ausgleichsmandate die Verhältnisse gemäß dem Anteil der Zweitstimmen wieder hergestellt.
Kritiker befürchten eine Aufblähung des Bundestags. Ist diese Sorge berechtigt?
Der Bundestag kann größer werden. Um wie viel, das hängt davon ab, wie die Verhältnisse der Wahl dann konkret sind, wie viele Überhangmandate es gibt, wie viele Parteien sich beteiligen. Ob das zu viel ist, muss politisch bewertet werden. Aber der Gesetzgeber hätte ja die Möglichkeit, bei der nächsten Wahl beispielsweise die Zahl der Wahlkreise zu reduzieren.
Es gibt bereits den Vorschlag, die Zahl der Wahlkreise zu verringern. Warum wird das nicht gemacht?
Die Zahl von 299 Wahlkreisen ist im Gesetz festgelegt. Die Wahlkreiskommission kann das nicht ändern. Sie prüft lediglich, ob das Stimmengewicht in den Wahlkreisen gleich verteilt ist. Dann macht sie dem Bundestag Vorschläge, wie man die Wahlkreise neu zuschneiden kann, um wieder gleiche Verhältnisse im Bundesgebiet herzustellen, damit ein gewählter Abgeordneter möglichst überall von dem gleichen Stimmenanteil gewählt wird.
Erwarten Sie nach der Bundestagswahl 2013 eine grundlegende Reform des Wahlrechts?
Sicher ist: Das Bundeswahlgesetz ist von Wahl zu Wahl immer geändert worden. Insofern erwarte ich, dass auch beim nächsten Mal das Gesetz wieder angepasst wird. Ob daraus eine Reform wird, kann ich schwer einschätzen.
Immer wieder wird über Vorab-Veröffentlichungen des Wahlergebnisses diskutiert, zum Beispiel über Twitter. Wie sehen Sie das?
Das Bundeswahlgesetz sagt klar, dass die Vorab-Veröffentlichung von Ergebnissen unter Strafe steht, weil dies das Wahlverhalten beeinflussen könnte. Was Sie konkret ansprechen, sind Vorabveröffentlichungen von Ergebnissen der so genannten Exit-Polls. Die Wahlforschungsinstitute befragen direkt nach der Stimmabgabe die Bürger in ausgesuchten Wahllokalen, damit sie um 18 Uhr eine möglichst treffsichere Prognose haben. Wenn man das vorab veröffentlichen würde, stünde das unter Strafe. Aber den Instituten, die mit Exit-Polls arbeiten, ist das bewusst. Das, was wir beim letzten Mal auf Twitter hatten, waren Tweets mit angeblichen Ergebnissen. Aber am Ende waren das einfach Wichtigtuer, die wild über den Wahlausgang spekuliert hatten und damit Aufmerksamkeit erregen wollten.
Wo und wann wählen Sie selber?
Ich sitze am Wahlsonntag im Reichstag und versuche, die Wahl schnell, elegant und ohne Störungen durchzuführen. Deswegen kann ich nicht in meiner Heimatgemeinde zur Wahl gehen. Deshalb mache ich das, was ich vorhin als zweitbeste Lösung bezeichnet habe, nämlich Briefwahl.
Interview: Robert Domes
Roderich Egeler ist seit August 2008 Präsident des Statistischen Bundesamtes und als solcher mit dem Amt des Bundeswahlleiters betraut. Er ist für die Durchführung von Bundestags- und Europawahlen verantwortlich. Egeler, Jahrgang 1950, ist Volkswirt. Er war bis 1992 im Bundesamt für Zivilschutz, danach Referent im Haushaltsreferat des Bundesinnenministeriums. Anschließend leitete er das Beschaffungsamt des BMI.
Homepage: Externer Link: www.bundeswahlleiter.de
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