Was wäre ein ideales Bildungssystem? Wie wäre es beschaffen und welche Merkmale müsste es erfüllen? Eine im Auftrag der Deutschen Telekom Stiftung durchgeführte Umfrage, in der etwa 1.200 Personen ab 16 Jahren um ihre Einschätzung gebeten wurden, gibt Aufschluss, wie die Menschen in Deutschland darüber denken. Die an der Umfrage Teilnehmenden wurden anhand verschiedener Merkmale (etwa nach Alter, Geschlecht, Region, Wohnortgröße, Berufsgruppe, Familienstand) so ausgewählt, dass sie – wie in solchen Befragungen üblich – einen Querschnitt der Bevölkerung ab 16 Jahren abbilden und daher für diese repräsentativ sind. Ihre Aussagen sind also verallgemeinerbar und lassen sich somit als Meinungsbild der entsprechenden Gesamtbevölkerung ab 16 Jahren in Deutschland verstehen.
Die Teilnehmenden erhielten die in der Grafik abgebildete Liste und wurden zunächst gefragt, welche dieser Merkmale sie persönlich für unabdingbar halten. Ginge es nach etwas mehr als 9 von 10 Befragten (91 Prozent), dann würde ein ideales Bildungssystem vor allem gleiche Bildungschancen für alle Kinder bieten. Mit etwas Abstand folgen für Dreiviertel der über 16-Jährigen konkrete Bildungsziele, die ein gutes Bildungssystem erfüllen sollte – beispielsweise also, dass möglichst viele Kinder und Jugendliche einen Schulabschluss machen (77 Prozent), dass Allgemeinbildung vermittelt wird (76 Prozent) und dass Menschen gut auf das Berufsleben vorbereitet werden (73 Prozent). Immer noch gut zwei Drittel setzen auf die Vermittlung von kritischem Denken und selbständigem Arbeiten (65 Prozent), etwas weniger von ihnen sehen die Vermittlung von MINT-Kompetenzen (Mathematik, Naturwissenschaften, Technik) als unabdingbares Ziel an (57 Prozent). Was für rund 8 von 10 Befragten zudem nicht fehlen darf, ist eine gute Ausstattung des Bildungssystems, und zwar bezogen auf ausgebildetes Fachpersonal (81 Prozent) und Lehrmittel (80 Prozent), aber auch Technik und digitale Infrastruktur (79 Prozent) sowie – bei 7 von 10 Befragten – Lehrkräfte, die sich mit beidem auskennen (71 Prozent). Im Mittelfeld der Wunschliste findet sich eine deutliche Mehrheit der Befragten, für die ein guter baulicher Zustand der Schulen (72 Prozent) zentral ist. Fast ebenso hohen Zuspruch als Qualitätsmerkmal des idealen Bildungssystems erfährt eine bundesweite Einheitlichkeit von Bildungsstandards wie z.B. Bildungsabschlüssen (70 Prozent).
Wenn es um die Förderung von Kindern und Jugendlichen geht, dann sehen die meisten Befragten den Abbau sprachlicher Barrieren als wichtiges Systemmerkmal an: Dreiviertel der über 16-Jährigen hält verpflichtende Sprachkurse für ausländische Kinder für entscheidend (75 Prozent), mit einigem Abstand folgen die individuelle Förderung nach Begabung (62 Prozent) sowie die Unterstützung von Kindern aus sozial schwachen Familien (60 Prozent). Der Kapazität des Bildungswesens, ausländische Kinder und Jugendliche zu integrieren, schreibt mit 56 Prozent ebenso eine klare Mehrheit zentrale Bedeutung zu. Nur in einem der aufgelisteten Merkmale sehen weniger als die Hälfte der Befragten eine besondere Notwendigkeit für ein ideales Bildungssystem, nämlich das verpflichtende Vorschul- bzw. Kitajahr (44 Prozent).
Nach dem Gedankenspiel zum idealen Bildungssystem wurden die Teilnehmenden zur Einschätzung der gegenwärtigen Bildungssituation in Deutschland befragt, also welche der zuvor genannten Merkmale ihrer Ansicht nach im deutschen Bildungssystem tatsächlich verwirklicht sind. Hier fällt das Urteil insgesamt nüchtern aus: Bei keinem der Merkmale auf der Liste ist eine Mehrheit der Befragten der Ansicht, dass es auf das deutsche Bildungssystem zutreffe. Die größte Zustimmung findet mit weniger als einem Drittel (29 Prozent) noch die Aussage, dass im deutschen Bildungssystem Allgemeinwissen vermittelt wird. Eine gute Vorbereitung auf das Berufsleben sehen hingegen nur 11 Prozent verwirklicht. Etwa ein Viertel der Befragten bejaht, dass alle Kinder in Deutschland gleiche Bildungschancen haben (24 Prozent), möglichst viele Kinder und Jugendliche hierzulande einen Schulabschluss machen (24 Prozent) und es gut ausgebildetes Fachpersonal im Bildungswesen gibt (23 Prozent). Nur etwas weniger als jede fünfte Person meint, dass es dem Bildungssystem gelingt, MINT-Kompetenzen zu vermitteln (19 Prozent) und ausländische Kinder und Jugendlich zu integrieren (19 Prozent). Kritisches Denken und selbständiges Arbeiten zu fördern, sehen nur 13 Prozent der Befragten hierzulande verwirklicht. Gerade noch etwa jede 10. Person würde behaupten, dass Schulgebäude in einem guten Zustand (11 Prozent), Bildungseinrichtungen technisch und digital gut ausgestattet sind (11 Prozent), dass sich Lehrkräfte mit Technik und digitalen Medien gut auskennen (10 Prozent), oder dass die pädagogischen Berufe attraktiv sind (10 Prozent). Eine ebenso hohe Skepsis zeigt sich bei den Befragten mit Blick auf die tatsächliche Förderung von Kindern und Jugendlichen: Lediglich 11 Prozent sehen die besondere Unterstützung von Kindern aus sozial schwachen Familien als gegeben, noch weniger die individuelle Förderung nach Begabung (8 Prozent). Am geringsten fällt die Zustimmung mit Blick auf die Einheitlichkeit von Bildungsabschlüssen im Bundesgebiet aus: Das sehen nur 5 Prozent der Befragten so, 95 Prozent nicht.