Die Gymnasialbeteiligung ist in der Bildungsforschung, neben anderen Aspekten wie etwa den zu einem bestimmten Zeitpunkt erreichten fachlichen Kompetenzen, den Abiturienten- oder auch Studienanfängerquoten, ein wichtiges Maß, um den Bildungserfolg von Heranwachsenden verschiedener sozialer Gruppen miteinander zu vergleichen. Denn obgleich das Abitur heute auch an integrierten Schulformen erlangt werden kann, ist die Chance, es zu erreichen am Gymnasium nach wie vor am höchsten. Diese Grafik zeigt anhand von Daten aus den PISA-Studien, wie sich die Gymnasialbeteiligung von 15-Jährigen mit und ohne Zuwanderungshintergrund unterscheidet und wie sich dies im Zeitverlauf verändert hat. Da die Gruppe der Schülerinnen und Schüler mit Zuwanderungsgeschichten in sich ausgesprochen vielfältig ist, werden in den PISA-Erhebungen drei Untergruppen unterschieden: Die Gruppe der „Ersten Generation“ umfasst Schülerinnen und Schüler, die im Ausland geboren sind. In die Gruppe „Zweite Generation“ fallen in Deutschland geborene Schülerinnen und Schüler, deren Eltern aus dem Ausland zugewandert sind. Von dieser Gruppe wird schließlich eine dritte abgegrenzt: Schülerinnen und Schüler, die ein deutsches und ein im Ausland geborenes Elternteil haben.
Wie die Grafik zeigt, fällt der Anteil der 15-Jährigen, die ein Gymnasium besuchen, in der Gruppe der Schülerinnen und Schüler ohne Zuwanderungsgeschichte zu beiden hier betrachteten Zeitpunkten deutlich höher aus als in den genannten Vergleichsgruppen (2015: 38,7 Prozent; 2022: 44 Prozent). Betrachtet man die 15-Jährigen, die eine Zuwanderungsgeschichte haben, so fällt die Gymnasialbeteiligung in der „Ersten Generation“ mit Abstand am niedrigsten aus: In dieser Gruppe besuchten im Jahr 2022 lediglich 15,9 Prozent ein Gymnasium, 2015 waren es 17,7 Prozent. In der „Zweiten Generation“ liegt die Gymnasialbeteiligung dann schon deutlich höher: In dieser Gruppe besuchten im Jahr 2022 35 Prozent der 15-Jährigen ein Gymnasium, was gegenüber 2015 (25,7 Prozent) einen beträchtlichen Zuwachs bedeutet. In der Gruppe der Jugendlichen mit nur einem im Ausland geborenen Elternteil lag die Gymnasialbeteiligung im Jahr 2015 bei 31 Prozent und damit noch einmal merklich höher als unter den Jugendlichen der Zweiten Generation. Dieser Unterschied hat sich jüngst jedoch eingeebnet – im Jahr 2022 lag die Gymnasialbeteiligung in diesen beiden Gruppen mehr oder weniger gleich auf (34,7 gegenüber 35 Prozent).
Diese Zahlen machen deutlich: Schülerinnen und Schüler mit Zuwanderungsgeschichte haben in Deutschland durchweg geringere Chancen, ein Gymnasium zu besuchen, als ihre Peers ohne Zuwanderungsgeschichte. Unverkennbar ist aber auch: Die Chance auf einen Gymnasialbesuch stellt sich unter den Jugendlichen, die einen Zuwanderungshintergrund haben, je nach Familiengeschichte höchst ungleich dar – pauschale Aussagen über den Bildungserfolg „der“ Jugendlichen mit Zuwanderungshintergrund führen also notwendig in die Irre. Die bei PISA gebildeten Untergruppen sind insofern eine sinnvolle Annäherung. Letztlich aber handelt es sich auch hier noch um recht grobe Unterscheidungen, denn hinter den für die jeweiligen Gruppen ausgewiesenen Durchschnittswerten stehen ohne Zweifel erhebliche gruppenspezifische Unterschiede. Dies sei hier nur einmal an der Kategorie „Erste Generation“ verdeutlicht. In diese Kategorie fallen beispielsweise jugendliche Kriegsflüchtlinge, aber eben auch Jugendliche, deren Eltern als hochqualifizierte Arbeitsmigranten und -migrantinnen etwa aus Indien oder den USA nach Deutschland gekommen sind. Auch die anderen hier betrachteten Gruppen weisen mit Blick etwa auf Herkunftsländer, kulturelle Prägungen oder sozioökonomischen Status eine erhebliche Heterogenität auf.
Worauf genau sich die hier ausgewiesenen Veränderungen der Gymnasialbeteiligung der einzelnen Gruppen zwischen 2015 und 2022 zurückführen lässt, ist gerade auch wegen dieser Heterogenität schwer zu bestimmen. Einerseits hat sich der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die ein Gymnasium besuchen, in den zurückliegenden Jahren in Deutschland insgesamt erhöht und dies dürfte sich in der ein oder anderen Weise in (fast) allen Gruppen bemerkbar machen. Andererseits hat sich mit der Zeit aber eben auch die Zusammensetzung der einzelnen Gruppen verändert und auch dies schlägt sich unweigerlich in den Durchschnittswerten nieder. In der Gruppe der „Ersten Generation“ beispielsweise sind im Jahr 2022 mit Sicherheit mehr Jugendliche mit Fluchterfahrung vertreten als 2015. Denn in den Folgejahren verstärkte sich die Fluchtmigration aus arabischen Ländern, insbesondere aus Syrien. Geflüchtete aus der Ukraine dürften in die PISA-Erhebung, die im Frühjahr 2022 stattfand, noch nicht eingegangen sein.