In den letzten 30 Jahren ist die Popularität von Privatschulen stark gestiegen. Die Anzahl an Privatschulen hat sich bundesweit von 3232 im Schuljahr 1992/1993 (6,1 Prozent aller Schulen) auf 5855 im Schuljahr 2020/2021 (14,4 Prozent aller Schulen) fast verdoppelt (Destatis, 2021). Eltern entscheiden sich für Privatschulen, weil sie den Wunsch haben, ihren Kindern eine bessere Bildung zu ermöglichen (Schwarz u.a., 2018). Dass Privatschulen allerdings zu besseren Leistungen bei den Schüler:innen führen, ist keineswegs erwiesen.
Zunächst sei erwähnt, dass Lehrkräfte an öffentlichen ebenso wie an privaten Schulen ein wissenschaftliches Studium absolviert haben müssen und die Lehrpläne, die von den einzelnen Bundesländern vorgegeben werden, an privaten und öffentlichen Schulen gleichermaßen gelten. Dennoch erzielen Kinder an Privatschulen bei Schulleistungsstudien wie den IQB-Bildungstrends oft bessere Ergebnisse als Kinder an öffentlichen Schulen (Hoffmann u.a., 2019). Statistische Analysen lassen aber auch darauf schließen, dass diese Kompetenzunterschiede vor allem auf individuelle Hintergrundmerkmale der Schüler:innen und die Zusammensetzung der Schüler:innenschaft zurückzuführen sind und nicht auf bessere pädagogische Konzepte, bessere Lehrer:innen oder bessere Unterrichtsqualität an Privatschulen (Hoffmann u.a., 2019; Lipowsky u.a., 2018). Ausschlaggebend ist vielmehr, dass der Besuch von Privatschulen sozial selektiv erfolgt (Görlitz u.a., 2018): Es sind vor allem Eltern aus einem eher privilegierten sozialen Milieu, die sich für eine Privatschule entscheiden. Folglich haben Schüler:innen auf Privatschulen überproportional häufig Eltern mit höherem Bildungsgrad, höherem sozioökonomischen Status und seltener eine Zuwanderungsgeschichte. Wenn die Eltern aufgrund ihrer eigenen Bildungsnähe ihren Kindern ein hohes Bildungsbewusstsein vermitteln, sie bei der Erledigung schulischer Aufgaben unterstützen und über genug finanzielle Ressourcen verfügen, um die Kompetenzen ihrer Kinder auch außerschulisch etwa mit Nachhilfe oder Auslandsaufenthalten zu fördern, haben diese Schüler:innen von Beginn ihrer Schulzeit an bessere Lernvoraussetzungen. Zudem ist davon auszugehen, dass sogenannte Kompositionseffekte, also Effekte der sozialen Zusammensetzung der Schulklasse, an Privatschulen förderlichere Lernbedingungen schaffen (Hoffmann u.a., 2019). Ist der Anteil der Schüler:innen aus bildungsnahen Familien in einer Schulklasse hoch, wirkt sich dies aufgrund weniger Unterrichtsstörungen und zügigem Fortschreiten mit dem Lernstoff positiv auf die Lernmotivation und Leistungsentwicklung aller Mitschüler:innen aus. Nach statistischer Kontrolle individueller Hintergrundmerkmale und der Zusammensetzung von Schulklassen – wenn man also ausschließlich Kinder mit ähnlichen sozialen Hintergrundmerkmalen an öffentlichen und privaten Schulen vergleicht – sind die Leistungsunterschiede zwischen den Kindern an privaten und öffentlichen Schulen deutlich geringer (Hoffmann u.a., 2019) oder verschwinden sogar ganz (Lipowsky u.a., 2018). Schlussendlich sind die besseren Leistungen von Schüler:innen auf Privatschulen nicht darauf zurückzuführen, dass diese Schulen besser sind. Vielmehr kommen Privatschüler:innen zu einem größeren Teil aus vergleichsweise privilegierten sozialen Verhältnissen und bringen typischerweise besonders förderliche Lernvoraussetzungen mit, so dass an diesen Schulen ein vergleichsweise günstiges Lernklima entsteht.
Artikel 7 des deutschen Grundgesetzes gewährleistet das Recht zur Errichtung von Privatschulen, stellt diese jedoch explizit unter den Vorbehalt, dass dadurch „eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird“. Führt man sich die systematischen Unterschiede in der sozialen Zusammensetzung der Schüler:innenschaft an öffentlichen und privaten Schulen vor Auge, liegt eine solche Sonderung jedoch auf der Hand. Jenseits der Frage, ob Privatschulen besser sind oder nicht, birgt die derzeitige Entwicklung hin zu mehr Privatschulen daher die Gefahr, die soziale Spaltung unserer Gesellschaft zu verstärken (Helbig u.a., 2017).