Wo erreichen Schüler*innen die höchsten Kompetenzen? Welches Land hat die meisten Schulabbrecher:innen? Ländervergleiche sind beliebt, scheinen sie doch Aufschluss darüber zu geben, wie sich die Schulsysteme der Länder unterscheiden, wo die Schulpolitik alles im Griff hat und wo eher nicht. Aber Vorsicht: Nicht selten spiegelt sich in den Zahlen, die wir vergleichen, gar nicht so sehr die spezifische Schulpolitik eines Landes oder die Qualität seiner Schulen, sondern vor allem auch die soziale Realität wider, unter der Schulen im jeweiligen Bundesland arbeiten. Dass Bildung und soziale Herkunft hierzulande eng verkoppelt sind, Kinder aus sozial benachteiligten Familien in der Schule weniger erfolgreich sind und Schulen mit einem hohen Anteil benachteiligter Schüler:innen besonderes herausgefordert sind – all dies ist allgemein bekannt. Dass sich diese soziale Problematik aber auch in Bundesländerunterschiede übersetzt, weil diese sich in ihrer Sozialstruktur eben unterscheiden, wird hingegen oft übersehen. Dabei ist es im Prinzip ganz logisch: Wenn der Bildungserfolg junger Menschen stark von ihrer sozialen Herkunft abhängt, ist erwartbar, dass Länder, in denen ein vergleichsweise hoher Anteil der Kinder in Armut und prekären Lebensverhältnissen aufwächst, in Leistungsvergleichen weniger gute Ergebnisse haben als Länder, in denen soziale Problemlagen weniger stark zu Buche schlagen. Kurzum: Nicht nur die Schulpolitik und pädagogische Qualität, auch die Sozialstruktur eines Landes schlägt sich in den Bildungsergebnissen nieder.
Diese Länderkarte zeigt einen in diesem Zusammenhang zentralen Ausschnitt der Sozialstruktur, nämlich den Anteil der Personen im jeweiligen Bundesland, die über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der deutschen Bevölkerung verfügen und somit nach EU-Definition als armutsgefährdet gelten. Es wird deutlich: Das Armutsrisiko unterscheidet sich mitunter stark zwischen den Bundesländern. Der mit Abstand höchste Anteil armutsgefährdeter Personen findet sich in Bremen, wo mehr als jede:r Vierte von einem Einkommen unterhalb des soziokulturellen Existenzminimums lebt. In Bayern (12,6 Prozent) und Baden-Württemberg (13,9 Prozent), den Ländern mit dem bundesweit geringsten Armutsrisiko, liegt der entsprechende Bevölkerungsanteil kaum halb so hoch. Entsprechend sind in Armutsverhältnissen aufwachsende Schüler:innen hier natürlich weit weniger präsent. Auch Brandenburg und Schleswig-Holstein weisen mit Armutsgefährdungsquoten von 14,5 bzw. 15 Prozent eine im Vergleich noch etwas vorteilhaftere Sozialstruktur auf. Demgegenüber ergibt sich für die übrigen Bundesländer ein recht einheitliches Bild. Zwar gibt es auch hier in Sachen Armutsgefährdung noch nennenswerte Differenzen – zwischen dem Saarland und Berlin z. B. liegen immerhin noch 3,5 Prozentpunkte. Insgesamt aber bewegen sich die Armutsgefährdungsquoten in diesen elf Ländern sämtlich relativ nah (plus/minus maximal 2 Prozentpunkte) am gesamtdeutschen Mittelwert von 17,6 Prozent.
Selbstverständlich gibt es auch in sozialstrukturell vergleichsweise begünstigten Ländern Regionen und Schulen, in denen sich soziale Probleme ballen. Aber es sind eben deutlich weniger als in einem Land wie Bremen oder Berlin, so dass sich soziale Schieflagen in Schulleistungsdaten, die sich auf das Land als Ganzes beziehen, natürlich auch weniger deutlich niederschlagen. Daher sollte man sich bei Bundesländervergleichen immer auch die Frage stellen: Inwieweit kommt hier möglicherweise auch die Sozialstruktur der Länder zum Ausdruck? Wenn man diese Perspektive einnimmt, sieht man Dinge mit anderen Augen. Stellt man dem Faktor Sozialstruktur in Rechnung, dürfte sich z. B. eher erschließen, warum gerade Bremen und Berlin in Ländervergleichen regelmäßig das Schlusslicht bilden, etwa im Hinblick auf die Mathekompetenzen von Neuntklässler:innen (siehe Grafik "