Dass die Chancen auf eine erfolgreiche Bildungskarriere stark davon abhängen, in welcher sozialen Lage die Schüler:innen aufwachsen, ist nicht erst seit der PISA-Studie 2001 bekannt. Um dem entgegenzuwirken, wurden über die Jahre verschiedene sozial- und bildungspolitische Programme aufgelegt und manche Strukturen im Bildungssystem verändert. Durchschlagende Erfolge sind damit bisher jedoch nicht erreicht worden. Zwar wird das Ziel, Bildungsungleichheiten abzubauen, quer durch das politische Spektrum geteilt. Welche Mittel und Wege dafür aber die richtigen sind, ist politisch mitunter sehr umstritten. Doch wie stehen Bürger:innen zu verschiedenen bildungspolitischen Reform-Ansätzen? Welchen stimmen sie zu, welchen stehen sie eher skeptisch gegenüber? Antworten darauf liefert eine repräsentative Meinungsumfrage zur Bildungspolitik, die das ifo-Institut für Wirtschaftsforschung im Rahmen des sogenannten „ifo-Bildungsbarometers“ 2019 durchführte. Hier wurden Erwachsene ab 18 Jahren dazu befragt, inwieweit sie konkrete Reformvorhaben zur Verminderung von Bildungsungleichheiten befürworten.
Sehr große Zustimmung erfährt unter den Befragten der Ansatz, den Kindergartenbesuch für alle Kinder ab 4 Jahre kostenfrei zu stellen. Diesem Vorschlag stimmen insgesamt 78 Prozent dieser Erwachsenen zu, wobei gut die Hälfte von ihnen sogar „sehr dafür“ ist. Nur etwa jede zehnte Person spricht sich gegen eine kostenfreie Kita für die entsprechende Altersgruppe aus (11 Prozent „sehr“ und „eher dagegen“). Immerhin 67 Prozent der Befragten befürworten darüber hinaus, dass der Kindergartenbesuch ab dem vierten Lebensjahr verpflichtend sein sollte. Hier ist allerdings auch die Ablehnung erheblich größer: jede fünfte Person spricht sich gegen diese Maßnahme aus. Vergleichsweise große Zustimmung gibt es für eine sich stärker nach dem sozialen Bedarf richtende Verteilung öffentlicher Mittel. Eine deutliche Mehrheit der Erwachsenen (71 Prozent „sehr“ und „eher dafür“) meint, dass der Staat für Kinder aus sozial benachteiligten Familien mehr Geld bereitstellen sollte, wobei der Anteil der Menschen, die sich „eher dafür“ aussprechen, überwiegt (50 Prozent).
Mit Blick auf den Bereich Schule sind die Befragten mit deutlicher Mehrheit dafür, Lehrkräften an benachteiligten Schulen ein höheres Gehalt zu zahlen (64 Prozent „sehr“ und „eher dafür“). Ein ähnliches Maß an Zustimmung erfährt der Vorschlag, Schüler:innen statt nach der 4. Klasse erst nach der 6. Klasse auf die verschiedenen Bildungsgänge aufzuteilen (61 Prozent „sehr“ und „eher dafür“). Eine klare Mehrheit findet sich zudem für verbindliche Ganztagsschulen, in denen alle Kinder täglich gemeinsam bis 15 Uhr lernen (58 Prozent „sehr“ und „eher dafür“). In diesem Punkt gibt es allerdings auch eine vergleichsweise große Gruppe von skeptischen Erwachsenen: Während sich mit Blick auf die zuvor genannten Themen jeweils nur etwa ein Fünftel der Befragten ablehnend äußert, ist es hier gut ein Drittel der Befragten (30 Prozent) „sehr“ und „eher dagegen“. Geschlechterspezifische Maßnahmen zum Abbau von Bildungsungleichheiten werden von den Befragten mehrheitlich kritisch gesehen. Weder der Vorschlag einer gezielten Förderung von Mädchen im Fach Mathematik (25 Prozent „sehr“ und eher dafür“) noch eine gezielte Förderung von Jungen im Bereich Lesen (29 Prozent „sehr“ und „eher dafür“) findet unter ihnen große Unterstützung. Zugleich ist bei diesen Vorschlägen aber auch der Anteil der Unentschlossenen am größten: Etwa jede fünfte befragte Person kann sich nicht entscheiden, ob sie eine gesonderte Förderung in Mathe (19 Prozent) bzw. Lesen (22 Prozent) für sinnvoll hält oder nicht.
Besonders polarisierend erscheint schließlich das Thema Inklusion. In der Frage, ob Kinder mit und ohne Lernschwächen an Regelschulen gemeinsam lernen sollten, stehen sich zwei in etwa gleich große Gruppen gegenüber: 44 Prozent der Befragten sind „sehr“ und „eher dafür“, 41 Prozent „sehr“ oder „eher dagegen“.