Das Schulwesen der DDR brachte alle Lernenden unter die Norm kollektiver, ideologisch indoktrinierender Erziehung. Von der Kindergartengruppe über das nahezu mit den Mitgliedern der einheitlichen Kinder- und Jugendorganisation identische Klassenkollektiv bis hin zur Seminargruppe an den Hoch- und Fachschulen oder den Lehraktiven in der Berufsausbildung – wohl nirgends sonst in der Welt war gemeinsames Lernen staatlich perfekter organisiert und vereinnahmt als in der DDR.
Erste Gestaltungsideen für eine Schule gemeinsamen Lernens sind vor allem mit der nach 1900 erhobenen Forderung nach einer Standes- und Klassenunterschiede überbrückenden "Einheitsschule" verbunden, die als "allgemeine Volksschule" alle Schulpflichtigen acht, sechs oder zumindest vier Jahre besuchen sollten. Politisch realisieren ließ sich eine solche Schule in den Jahren der Weimarer Republik lediglich als "Grundschule". Damit entfielen zwar die bislang den Volksschulbesuch vermeidbar machenden Gymnasialvorschulen, doch mit diverser sozialer und pädagogischer Problematik behaftet standen nach vierjähriger Grundschuldauer Selektions- und Bildungswegentscheidungen noch immer früh und zuungunsten jener Kinder an, die häusliche Bildungsumsorgung nur wenig tragen konnte (Geißler 2013, 412ff.). Die Frage, wie und auf welchem Weg die Bildungschancen dieser die Mehrheit der Schulbesucher ausmachenden Kinder auch schulsystemisch verbessert werden konnten, stand im Raum.
Struktur
Unmittelbar nach Kriegsende nutzte die in der Sowjetischen Besatzungszone politisch maßgebend werdende SED die Gunst der Stunde, um 1946 an die Stelle des bislang ab Klasse 5 typengegliederten Schulwesens eine obligatorische achtklassige "Grundschule" zu setzen (Geißler 2017). Sie sollte mit einer über das Niveau der früheren "Volksschule" hinausführenden Verfachlichung und Fächerung des Unterrichts eine "grundlegende Allgemeinbildung" bieten, die allen Lernenden bis zur Klasse 8 die Übergangsmöglichkeit zur vierjährigen abiturberechtigten "Oberschule" sicherte. Nach Gründung der DDR 1949 setzte im Oberschulzugang eine massive Bevorteilung von "Arbeiter-und-Bauern-Kindern" ein, auch deshalb, weil die SED-Führung in diesen die künftigen Träger radikaler Gesellschaftsveränderung sah. Erst mit dem allmählichen Entstehen einer staatstragenden "sozialistischen Intelligenz" in den 1960er-Jahren wurde der Zugang zum Abitur – bei scharf am planwirtschaftlichen Fachkräftebedarf orientierten Zulassungsquoten von ca. zehn Prozent für die Erweiterte Oberschule und Fünf Prozent für die Berufsausbildung mit Abitur – weniger von der sozialen Herkunft abhängig. Unabdingbare Voraussetzung für die "Delegierung" waren sehr gute, wenn nicht ausgezeichnete Schulleistungen, dazu wie bisher die durch Mitgliedschaften und Funktionen bezeugte politische Aktivität sowie die Angabe eines im Staatsinteresse liegenden Berufswunsches wie "Offizier" oder "Lehrerin". Hinzu kam, dass der Abiturzugang zugunsten einer insgesamt möglichst gleichstarken Geschlechterpräsentation reguliert wurde.
Diese Pflichtschule für alle wurde seit den 1960er-Jahren unter Einschluss des bisherigen "Landschulwesens" schrittweise zur "allgemeinbildenden zehnklassigen polytechnischen Oberschule" (POS) mit anschließender zum Abitur führender "erweiterten Oberschule" (EOS) und der doppelqualifizierenden "Berufsausbildung mit Abitur" (BmA) ausgebaut. Der Verlängerung der im allgemeinbildenden Schulwesen zu verbringenden Pflichtschulzeit entsprach die Verkürzungen von Berufsausbildungszeiten ebenso wie die später begonnene Umstellung der studienvorbereitenden EOS von einem vierjährigen auf einen nur noch zwei Jahre umfassenden Bildungsgang. Diese Entwicklung war im Wesentlichen zu Beginn der 1980er-Jahre abgeschlossen. Da er qualitativ höhere Bildung vermittelte als die vormalige Grundschule, hatte der neue Schultyp die Kurzbezeichnung "Oberschule" erhalten.
Die POS war nicht eine, sondern die gemeinsame Schule für alle. In ihr kamen, gebunden an den jeweiligen Schulbezirk und seine sozialräumlichen Eigenheiten, alle Kinder und Jugendlichen zusammen. Anders als die etwa zeitgleich in Westdeutschland entstandenen "Gesamtschulen" war sie nicht Teil einer Struktur, sondern allumfassende, voll integrierte und konkurrenzlose Staatsschule. Sie kannte keine nach Kursen und Schwerpunktsetzungen angelegte innere Differenzierung oder jahrgangsübergreifende Formen der Unterrichtsorganisation. Bis zur an mündliche und schriftliche Prüfungen gebundenen "Mittleren Reife" und der auf das junge Erwachsenenalter vertagten Entscheidung über weitere Bildungswege blieben ihre Klassen erhalten, ohne dass die Eltern schulsystemische Rangordnungen zu bedenken hatten und ihre Kinder solche erlebten. Dabei vollzog sich gemeinsames Lernen zunehmend in Schulgebäuden vergleichbarer Größe. Diese waren im ländlichen Raum bei ausgebautem Schulnetz häufig einzügig, ansonsten mit 500 bis 600 Plätzen meist zweizügig, wohnortnah und mit ca. 40 bis 50 Lehrpersonen, 20 bis 30 Klassen zu jeweils etwa 25 Schülern überschaubar und einschließlich des Horts gut zu administrieren. Wie auch sonst in der Schulwelt war "Inklusion" kein Thema, vielmehr wurde mit dem Ziel der "Integration" ein differenziertes "Hilfs- und Sonderschulwesen" (Waterkamp 1987, 152ff.) aufgebaut, das zuletzt etwa drei Prozent der Schulpflichtigen erfasste.
Allgemeinbildungskonzept
Bezogen auf die Lehrpläne, die von den Lehrpersonen unbedingt einzuhalten waren, bildeten in der POS die Klassenstufen 1 bis 3 die "Unterstufe", die Klassen 7 bis 10 die "Oberstufe", die Klassen dazwischen die "Mittelstufe". Klasse 4 zählte nach der Systematik der Lehrerausbildung und dem Lehrereinsatz zwar zur Unterstufe, wurde aber zunehmend als "Übergangsklasse" gestaltet. In ihr sollten in Vorbereitung auf den mit der 5. Klasse voll einsetzenden Fachunterricht die in den ersten drei Schuljahren erworbenen Kenntnisse systematisiert, gefestigt und erweitert werden, um so hinsichtlich der Methoden und Inhalte des Unterrichts einen abrupten Bruch im Übergang zum Fachunterricht zu vermeiden. Zwischen 1964 und 1972 wurden über die gesamte Fächerpalette und alle Jahrgangsstufen von POS und EOS neue, später überarbeitete, aufeinander abgestimmte Lehrpläne eingeführt. Die Schullehrbücher und auch diverse Handreichungen für den Fachlehrer, die "Unterrichtshilfen", ordneten sich dem zu. Direktoren, Fachberater und Schulinspektoren achten nach ihren Möglichkeiten darauf, dass die Vorgaben eingehalten wurden und in deren Sinne an allen Schulen weitestmöglich "einheitlich handelnde Pädagogenkollektive" tätig waren. Untrennbar mit der staaterzieherischen Intention verbundenes Schulziel war eine zeitgemäß betont an den "wissenschaftlich-technischen Fortschritt" gehaltene Allgemeinbildung. Die markanteste inhaltliche Änderung am Schulkonzept war der polytechnische Unterricht. Er sollte über die wissenschaftlich-theoretischen Bezüge hinaus eine produktiv-praktische Verbindung mit der Arbeitswelt herstellen, die "Erziehung mit der Produktion" verbinden und den "erzieherischen Einfluss der Arbeiterklasse" stärken.
Lernniveaus
Die Lehrpläne der Grundschule und danach auch der POS waren von der Überzeugung getragen, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse in der DDR bei den Schulkindern zu einer "höheren Reife in physischer und psychischer Hinsicht" geführt hätten und die Lernenden somit auch höheren Anforderungen als früher gerecht werden könnten (Pädagogische Enzyklopädie 1963, 984). Eine Stütze fand dieser Optimismus vor allem seit den 1970er-Jahren durch den fast von allen Drei- bis Sechsjährigen frequentierten Kindergarten, der weithin einen fließenden Übergang zum Schulunterricht ermöglichte. In der Unterstufe trug der kaum weniger stark genutzte Schulhort wesentlich zur Förderung schulleistungsschwächerer Kinder bei. Hinzu kam der mittlerweile erreichte Ausbildungsstand der Lehrpersonen und die insgesamt hohe Verlässlichkeit der Schule, eine Verlässlichkeit, die erfolgreiches Lernen ebenso begünstigte wie die im Vergleich zu früher inzwischen schulisch umfassender gebildete Elternschaft.
Gleichwohl gab es Spannungen zwischen den ambitionierten unterrichtsinhaltlichen Vorgaben und dem, was die Schule, die Lernenden, auch was Lehrer*innen und Eltern tatsächlich leisteten und leisten konnten. Das bedingte zuletzt in den 1980er-Jahren das Bemühen, den Unterricht unter "Beseitigung theoretischer Überhöhungen" auf "grundlegendes Wissen und Können" zu konzentrieren. Die Schülertätigkeit sollte sich stärker auf das Problemlösen, das Erörtern und Argumentieren richten. Tätigkeitskonzepte aber, mit denen ein Verlust an wesentlichen Lehrplaninhalten drohte, sollten dabei unbedingt ausgeschlossen bleiben. Gewisse Wirkungen zeigte eine Strategie, die sich auf die bessere Förderung von Lernenden im unteren Leistungsspektrum (Döbert/Geißler 2000, 85ff.) und überhaupt auf die "Subjektposition" der Schulpflichtigen richtete. Das "Sitzenbleiben" wurde über die Jahre durch neue Versetzungs- und Bewertungspraxis und gewisse Entlastungen in den Lehrplänen auf eine Quote nahe ein Prozent reduziert, sodass einschließlich der Besucher von "Hilf- und Sonderschulen" und von Heimen zuletzt nur noch etwa 13 Prozent des Einschulungsjahrgangs das Ziel der 10. Klasse nicht erreichten (Köhler 2008).
Unterrichtsgestaltung
Soweit "bewusst geplante methodische Vielfalt" gewahrt blieb, stand der didaktische Aufbau der jeweiligen Unterrichtsstunde den Lehrpersonen frei. So waren überall auch Lehrpersonen zu erleben, die den Unterricht ansprechend, abwechslungsreich, problemhaft gestalten. Dennoch blieb es in Distanz zu schon Ende der 1940er-Jahre verworfenen reformpädagogischen Ansätzen insgesamt bei eher traditionellen Unterrichtsverfahren. Formen eines projektförmig ausgreifenden Unterrichts konnten sich nicht entfalten. Jedoch führte die Schule mit Anfängen schon in den 1950er-Jahren eine Vielzahl von Interessenzirkeln und Arbeitsgemeinschaften ein, die sich als Nachmittagsangebote zugleich dem Konzept "ganztägiger Bildung und Erziehung" zuordneten. Hinzu kamen Schülerwettbewerbe und republikweite "Olympiaden" in einzelnen Fachbereichen. Außerschulische Einrichtungen, "Pionierhäuser" und Betriebe erweiterten die Angebotspalette von Tätigkeits- und Lernmöglichkeiten.
In den 1970er-Jahren setzte als Nachmittagsangebot mit zwei Wochenstunden für die Klassen 9 und 10 der POS die Einführung von zuletzt insgesamt 22 fakultativen "Arbeitsgemeinschaften nach Rahmenprogramm" (AGR) ein, deren Besuch Vorteile bei der Bewerbung für die EOS bringen konnte. Zwar wurde noch im Juni 1989 angekündigt, die AGR auf die Klassen 7 und 8 auszuweiten; ereignisbedingt gab es dazu aber keine Gelegenheit mehr. Diversen Spezialschulen und Spezialklassen, so die des "erweiterten Russischunterrichts" ab Klasse 3, richteten sich auf besondere Leistungsförderung. Mehr als jede fünfte EOS führte Klassen mit verstärktem neusprachlichem, teils auch altsprachlichem Unterricht oder solche zur Vorbereitung auf das Musiklehrerstudium. Auch durch "Spezialistenlager" während der Sommerferien fand eine individuelle bzw. in Lerngruppen organisierte Spitzenförderung statt.
Kollektiverziehung
An den POS bestand etwa seit Ende der 1950er-Jahre weitgehend die Identität von Schulklasse und Pioniergruppe und die Dominanz des "Klassenleiters" auch in "Pionierfragen". Zu den organisatorischen Eigenheiten des "Klassenkollektivs" gehörte die in den Klassen 5 bis 8 seit den 1960er-Jahren in Anlehnung an das sowjetische Vorbild (Neuner 1956; Akademie 1961; Schniggenfittig 1970) weithin üblich gewordene Untergliederung in "Brigaden". In diesen sollte durch Übernahme von "Lernpatenschaften" Lernunterstützung erzeugt werden. Die "Brigadeleiter" hatten das Brigadeheft zu führen, sich der Erledigung der Hausaufgaben zu vergewissern und zu Stundenbeginn das Bereitliegen der Unterrichtsmaterialien sicherzustellen, sodass der betreffenden Lehrperson durch das führende Mitglied der Pioniergruppe die Unterrichtsbereitschaft der Klassen "gemeldet" werden konnte. In formaler Verantwortung der Pioniergruppe fanden auf Klassenbasis unter der Regie der klassenleitenden Lehrperson "Lernkonferenzen" (Geißler 1996, 232ff.) statt. Für das gemeinsame Lernen brachten sie wenig. Mehr als Schülerinnen waren es Schüler, die wegen ihres "Betragens" oder wenig darstellbarer Lernanstrengungen halber zur "Rechenschaft" gezogen, damit beschämt und kaum stimuliert wurden. Das Verfahren bestärkte zudem die im "Pionierkollektiv" gegebene, von den Lernenden im täglichen Umgang informell aber durchaus auch gebrochene Hierarchisierung des Klassenkollektivs.
Gemeinsames Lernen in den neuen Bundesländern
Mit der Einmündung der POS in den bundesdeutschen Rechtsraum ab September 1991 kamen Gestaltungsideen von basisdemokratischen Gruppen, Empfehlungen diverser Arbeitsgruppen, des parteienübergreifenden "Zentralen Runden Tisches" der DDR (Rabe 2012), Vorschläge auch von Kirchenvertretern oder seitens neu entstandener politischer Parteien in ihrer ursprünglichen Form kaum zum Tragen. Nach den landesgesetzlichen Regelungen der fünf neuen, mit Ausnahme Brandenburgs CDU-geführten Flächenländer wurde die Schülerschaft wieder auf verschiedene Schulformen teils auch privater Trägerschaft exkludierend aufgeteilt. Das entsprach der Programmatik der regierenden Parteien und hielt sich – ganz im Rahmen des noch immer gültigen Hamburger Abkommens von 1965 – an die Gegebenheiten der alten Bundesrepublik. Bedient wurden mit dieser Entscheidung alle Eltern, die sich anders als in der DDR zugelassen einen breiten Zugang zum Abitur wünschten. Hinzu kam die mit der Einrichtung von Gymnasien verbundene Hoffnung von Lehrpersonen, an sozialem Status und Selbstverwirklichungsmöglichkeiten gewinnen zu können. Zwar war in der ostdeutschen Bevölkerung über das Gymnasium wenig Konkretes bekannt, aber die traditionsreiche Schulform war zumindest im historischen Bewusstsein geblieben. Auf die Gesamtschule traf das nicht zu, aber diese bot sich dem vorgängigen System dann doch als strukturell verwandt an. Es war unter einem sozialdemokratischen Ministerpräsidenten einzig das Land Brandenburg, gelegentlich "die kleine DDR genannt", das neben dem Gymnasium auch die Gesamtschule einführte. Im Sekundarschulbereich kam es ansonsten schließlich durchgängig zu strukturellen Lösungen, mit denen Hauptschule und Realschule sich nicht als eigenständige Schulform etablierten. Ausschlaggebend dafür waren politische, demografische, finanzielle und räumliche Gegebenheiten. Es entstanden neben dem Gymnasium stattdessen "Regel-, Ober- oder Regionalschulen" genannte Einrichtungen, an denen der jeweilige Abschluss erreicht werden konnte. Mit Ausnahme Sachsens, das bei schulpolitisch ungebrochener Kontinuität neben dem Gymnasium einzig die sogenannte "Oberschule" normierte, gehören zur "Schullandschaft" mittlerweile überall auch integrierte oder als Schulen mit mehreren Bildungsgängen kooperierte Gesamtschulen mit Inklusion. Gemeinsames Lernen ist Sache von Einzelschulen, nicht die eines integrierten Gesamtsystems, wie es Schulreformer spätestens seit Beginn des 20. Jahrhunderts variantenreich vor Augen hatten.