Etwa 1,3 Millionen Auszubildende durchlaufen derzeit eine duale Berufsausbildung, in der praktisches Lernen im Betrieb durch Fachunterricht an der Berufsschule ergänzt wird. Dieses von Arbeitgebern, Gewerkschaften und Staat gemeinsam verantwortete Modell gilt als Rückgrat der deutschen Wirtschaft und steht dabei ebenso für hohe Ausbildungsqualität wie eine im internationalen Vergleich geringe Jugendarbeitslosigkeit. Nicht zuletzt wird der dualen Ausbildung eine starke soziale Integrationskraft nachgesagt, denn mit ihrer hohen Praxisorientierung bietet sie traditionell auch jenen eine Chance, die die Schule früh verlassen. Daneben hat sich insbesondere für die Gesundheits-, Erziehungs- und Sozialberufe eine schulische Berufsausbildung in öffentlicher Verantwortung etabliert. Sie stand lange im Schatten der dualen Ausbildung, doch haben gerade die sogenannten Schulberufe durch die Folgen des demografischen Wandels sowie den Ausbau der frühkindlichen Bildung stark an Bedeutung gewonnen.
Dritte Säule der beruflichen Bildung ist der sogenannte Übergangsbereich. Mit seinen vielfältigen Angeboten zur Berufsvorbereitung, Qualifizierung und Verbesserung von Schulabschlüssen ist er ein öffentlich finanziertes Auffangbecken für junge Menschen ohne Ausbildungsplatz. In den 1970er Jahren als Provisorium geschaffen, ist er aus der Berufsbildung nicht mehr wegzudenken, steht aber auch in der Kritik. Denn was der Verbesserung von Ausbildungschancen dienen soll, entpuppt sich mitunter als Warteschleife ohne Anschlussperspektive. Die Existenz des Übergangsbereichs verweist auf Probleme, die das Berufsbildungssystem schon länger begleiten: Die Integrationskraft der dualen Ausbildung lässt nach. Junge Menschen mit niedriger schulischer Vorbildung finden immer seltener einen Ausbildungsplatz. Insbesondere Bewerber mit Migrationshintergrund haben es auf dem Ausbildungsmarkt schwer. Zugleich bleiben trotz drohendem Fachkräftemangel Jahr für Jahr unzählige Ausbildungsplätze unbesetzt.
Hinzu kommt: Die Rekrutierungsbasis der Berufsausbildung schrumpft. Demografisch bedingt gibt es in Deutschland weniger junge Menschen und von diesen entscheidet sich ein immer größerer Teil für ein Studium und nicht für eine Ausbildung. Globalisierung, Digitalisierung und der Wandel zur Dienstleistungsgesellschaft verändern die Arbeitswelt. In vielen Berufsfeldern werden neue Kompetenzen relevant, etwa vertiefte Fremdsprachenkenntnisse, Abstraktionsfähigkeit oder die Fähigkeit zum selbstgesteuerten Lernen. Sie werden in Deutschland vor allem in der höheren Allgemeinbildung erworben und lassen sich gerade in der dualen Ausbildung bisher nur schwer verankern. Klar ist: die Berufsausbildung in Deutschland bedarf einer Modernisierung und steht dabei vor schwierigen Fragen: Wie kann die duale Ausbildung auch künftig den wirtschaftlichen Anforderungen genügen? Unter welchen Bedingungen kann sie für Abiturienten eine vielversprechende Alternative sein? Wodurch kann ihre Integrationsfunktion gestärkt werden, gerade auch im Sinne der inklusiven Bildung? Und wie kann die schulische Berufsausbildung mit ihren gesellschaftlich so bedeutsamen Berufsfeldern attraktiver werden? Welche Brücken zur Hochschule lassen sich bauen? Wie wird das deutsche Berufsbildungssystem fit für die Zukunft?