Wenn nicht ausreichend Plätze für die Kinderbetreuung bereitgestellt werden oder die angebotenen Plätze für die Eltern zu hohe Kosten verursachen, bleibt manchen Kindern der Zugang zu frühpädagogischen Angeboten verwehrt. Aber auch Aspekte wie die Haltung der pädagogischen Fachkräfte gegenüber Kindern aus benachteiligten Lebenslagen, kulturell bedingte Vorbehalte bei Familien mit Migrationshintergrund oder auch sprachliche Hürden können Zugangsbarrieren verursachen. In der öffentlichen Debatte zur Nutzung von Kita wird darüber hinaus der Haltung von Eltern gegenüber früher Kinderbetreuung eine große Rolle zugeschrieben.
Oft wird hier der Bereich der frühkindlichen Bildung als ein Markt betrachtet, dessen Inanspruchnahme (und Nichtinanspruchnahme) auf einem bewussten Entscheidungsprozess seitens der Eltern beruht. Dies stellt insofern eine verkürzte Sichtweise dar, als insbesondere die Entscheidungsprozesse von weniger privilegierten, sozioökonomisch benachteiligten Familien von wirtschaftlichen und kulturellen Ressourcen wesentlich beeinflusst werden. Die Frage über welches monatliche Einkommen die Familie verfügt und wie viel davon für die Kosten einer außerfamilialen Betreuung aufgebracht werden müssen, kann eine erhebliche Rolle spielen. Bildungssoziologen wie Diane Reay und Stephen Ball (1997) geben zu bedenken, dass weniger privilegierte Eltern nicht über die gleichen Entscheidungsmöglichkeiten verfügen wie in der Regel ökonomisch privilegiertere Eltern aus der Mittelschicht. Damit geraten institutionelle Rahmenbedingungen im System bzw. der Regulierung des Systems frühkindlicher Bildung und Betreuung in den Blick, die zu einer Ungleichheit im Zugang zu frühkindlichen Bildungsangeboten führen können. Mit institutionellen Rahmenbedingungen sind Faktoren, wie die Regelung von Elternbeiträgen oder die Verfügbarkeit von qualitativ-hochwertigen frühkindlichen Bildungseinrichtungen in benachteiligten Stadtteilen gemeint. Aber auch subtilere Faktoren, ob und auf welche Weise in einem Land überhaupt über bestehende Betreuungsangebote informiert wird oder welche Kriterien für die Platzvergabe und Wartelistenregelungen gelten, spielen eine entscheidende Rolle für die Zugänglichkeit von frühkindlicher Bildung (Eurydice 2009).
Elternbeiträge als Zugangsbarriere
Während der Besuch einer Schule in der Regel kostenfrei ist, fallen für frühkindliche Bildungs- und Betreuungsangebote mitunter hohe Kosten an (z.B. Elternbeiträge für die Kita, Essensgeld und zusätzlich anfallende Kosten für Materialien, Ausflüge etc.). Dies gilt vor allem in Systemen, in denen frühkindliche Bildungs- und Betreuungsangebote primär über den privatwirtschaftlichen Sektor bereitgestellt werden. Geringe oder gar keine öffentlichen Zuschüsse haben dann umso höhere private Beiträge von Familien zur Folge. Diese können gerade sozial benachteiligte Familien davon abhalten, frühkindliche Angebote zu nutzen, und sie stattdessen auf Betreuungslösungen innerhalb der Familie ausweichen lassen. Um sicherzustellen, dass eine professionelle außerfamiliäre Kinderbetreuung tatsächlich allen Familien gleichermaßen offensteht, muss der Staat sie aus öffentlichen Mitteln soweit bezuschussen, dass sich auch Geringverdiener einen Betreuungsplatz leisten können. Im internationalen Vergleich werden häufig skandinavische Länder wie Schweden und Dänemark als positive Beispiele angeführt: Aufgrund einer relativ hohen öffentlichen Förderung Interner Link: (mehr dazu hier), erheben diese Länder relativ niedrige Elterngebühren, die wiederum eine hohe Beteiligung über alle sozialen Schichten und Altersgruppen hinweg begünstigt (Bennett 2012).
Ähnlich wie in den skandinavischen Ländern werden die Angebote frühkindlicher Bildung und Betreuung auch in Deutschland in einem öffentlich geförderten System organisiert, in dem jedes Kind ab Vollendung des ersten Lebensjahres einen rechtlichen Anspruch auf einen Betreuungsplatz hat (Hogrebe 2016, S. 6 f.). Ein solcher "universeller Rechtsanspruch" ist eine der wichtigsten politischen Maßnahmen für den Abbau von Zugangsbarrieren und die Gewährleistung, dass nicht nur Kinder aus privilegierten Haushalten von frühkindlicher Bildung profitieren (Oberhuemer 2014). Davon unabhängig müssen Eltern hierzulande für die Nutzung der Bildungs- und Betreuungsangebote aber vielerorts auch Elternbeiträge zahlen. Im Vergleich mit anderen europäischen Ländern fallen die Kosten für Eltern in Deutschland allerdings eher niedrig aus (Lloyd/Penn 2013). Dies liegt zum einen daran, dass das Kinderbetreuungssystem stark subventioniert ist. Der Staat finanziert also einen erheblichen Teil der Gesamtkosten, sodass die Eltern für die Betreuung ihrer Kinder nicht allein aufkommen müssen. Zum anderen werden die Elternbeiträge in den meisten Bundesländern sozialverträglich gestaffelt: Familien mit einem niedrigen Haushaltseinkommen zahlen einen relativ geringen Beitrag oder sind von den Kosten vollständig freigestellt (Stahl 2015, S. 3). Berechnungen der OECD zeigen, dass eine Familie mit zwei Kindern, die unter drei Jahren und in Vollzeitbetreuung sind, in Deutschland durchschnittlich 10,5 Prozent ihres Gesamteinkommens für Kinderbetreuung ausgibt (Abb. 1).
Abbildung 1 macht deutlich, dass sich die Kosten der Kinderbetreuung im internationalen Vergleich sehr stark unterscheiden. Die Ursachen dafür lassen sich exemplarisch anhand von Kanada und Schweden erläutern. In Schweden sind Elternbeiträge, ähnlich wie in den meisten deutschen Bundesländern, einkommensabhängig gestaffelt. Darüber hinaus ist eine maximale Grenze der Elternbeiträge festgelegt, die für die Betreuung des ersten Kindes 3 Prozent des Familieneinkommens beträgt. Die obere Grenze der Elternbeiträge für das zweite Kind liegt bei 2 Prozent, die für das dritte Kind bei 1 Prozent und für jedes weitere Kind entfallen die Betreuungsgebühren komplett (Skolverket 2007). Diese progressive Regelung hat entscheidend dazu beigetragen, dass fast alle Kinder, unabhängig vom Einkommen und Wohnort der Eltern, an frühkindlichen Bildungs- und Betreuungsangeboten teilnehmen können (Skolverket 2014). Im starken Kontrast dazu stehen z. B. die Betreuungsgebühren im britischen und kanadischen System, die jeweils zu den höchsten der 35 OECD-Mitgliedstaaten zählen (OECD 2017). Im Fall von Kanada liegt dies daran, dass die frühkindlichen Bildungs- und Betreuungsangebote vor allem von privat-gewerblichen Trägern bereitgestellt werden, während staatlich finanzierte Betreuungsangebote nur von Armut betroffenen Kindern zustehen. Aufgrund der fehlenden öffentlichen Förderung fallen für Eltern sehr hohe Betreuungskosten an, für die sie – sofern sie nicht als bedürftig gelten – privat aufkommen müssen. Daher können sich viele Familien, insbesondere jene mit einem durchschnittlichen Einkommen, professionelle Betreuungsangebote nicht leisten und müssen auf familiäre Betreuungslösungen zurückgreifen (Japel/Friendly 2018).
Einer weiteren Studie der OECD (2015) zufolge, sind Bildungs- und Betreuungsangebote für die breite Mehrheit der Bevölkerung generell dann zugänglich, wenn Eltern durchschnittlich weniger als 10 Prozent des Haushaltseinkommens für die Kinderbetreuung ausgegeben müssen. Belaufen sich die Kosten hingegen auf 10 bis 30 Prozent des durchschnittlichen Einkommens, gelten die Betreuungsangebote für sozial benachteiligte Eltern, wie etwa Alleinerziehende und Geringverdiener, als unerschwinglich. In Kanada, Irland, Großbritannien oder den USA sind frühpädagogische Angebote sogar für einen Großteil der Familien nicht zugänglich, da sie Kosten von durchschnittlich deutlich über 30 Prozent des familiären Haushaltseinkommens verursachen (OECD 2017).
Zugangsbarrieren in Deutschland
Auch wenn Deutschland im internationalen Vergleich hinsichtlich der Kosten frühkindlicher Bildungs- und Betreuungsangebote durchaus gut abschneidet, bestehen hierzulande dennoch weiterhin starke regionale Unterschiede im Zugang zu frühpädagogischen Angeboten (ausführlich dazu Scholz et al. 2018). Neben fehlenden Betreuungsplätze, vor allem aufgrund steigender elterlicher Bedarfe und einer steigenden Geburtenrate, bildet die ungleiche Gestaltung von Elternbeiträgen bzw. der in den letzten Jahren vielerorts ausgeweiteten Beitragsfreiheit ein zentrales Problem (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2018).
Innerdeutsche Differenzen der Elternbeiträge
Damit alle Familien die gleiche Chance haben, frühkindliche Bildungsangebote für ihre Kinder zu nutzen, richtet sich die Höhe der Kitagebühren hierzulande in der Regel nach der wirtschaftlichen Situation der Familien. Diese "soziale Staffelung" der Kosten ist jedoch nur bedingt erfolgreich darin, tatsächlich gleichen Zugang für alle Kinder zu gewährleisten. Denn faktisch kommt dem Wohnort einer Familie für die Höhe der Elternbeiträge mitunter größere Bedeutung zu als ihre finanzielle Situation: Familien mit den gleichen sozialen Merkmalen sind je nach Wohnort mit sehr unterschiedlichen finanziellen Belastungen für die Betreuung ihrer Kinder konfrontiert (Meiner-Teubner 2014). Diese regionalen Unterschiede haben viel damit zu tun, wie die Zuständigkeiten für die frühkindliche Bildung in Deutschland geregelt sind. So werden die Kosten für Betreuungsplätze eben nicht zentral, etwa durch das Familienministerium, vorgegeben. Sie werden größtenteils von den "Trägern der Kindertagesbetreuung" (siehe Infobox im Abschnitt Der Einfluss von Trägerstrukturen auf den Zugang zur Kita) festgelegt und richten sich nach Kriterien, die vom jeweiligen Jugendamtsbezirk entsprechend örtlicher Bedingungen aufgestellt werden. Beispiele dafür, weshalb die Jugendamtsbezirke zu so unterschiedlichen Kriterien kommen, sind Aspekte wie die vor Ort bestehenden Finanzierungs- und Förderbedingungen bis hin zu den geltenden Tarifvereinbarungen und deren Übersetzung durch die örtlich ansässigen Träger.
Die Finanzierungsanteile, die Eltern übernehmen müssen, variieren bundesweit zwischen 7 und 22 Prozent der Kosten eines Kinderbetreuungsplatzes (Bock-Famulla at al- 2017). Somit gibt es innerhalb Deutschlands Regionen, die sich aufgrund geringer Elternbeiträge durch eine hohe Zugänglichkeit zur Kindertagesbetreuung auszeichnen, und solche, in denen die Betreuungssituation und der Zugang für Kinder aus weniger privilegierten sozialen Verhältnissen schwierig ist. Einkommensschwache und kinderreiche Familien werden darüber hinaus durch Nebenkosten, die von der sozialen Staffelung ausgeschlossen sind (Mittagsverpflegung, Bastelutensilien, Feste etc.), unverhältnismäßig höher belastet (Meiner-Teuber 2014).
Kriterien zur Vergabe von Betreuungsplätzen
Nach wie vor besteht in Deutschland gemessen an den Elternwünschen ein Mangel an Betreuungsplätzen, und zwar vor allem für Kinder zwischen dem ersten und zweiten Lebensjahr. Dies ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass der Ausbau an Betreuungsangeboten für Kinder dieser Altersgruppe in Deutschland erst seit der Verabschiedung des Tagesbetreuungsausbaugesetzes (2005) und des Kinderförderungsgesetzes (2008) forciert wurde (mehr dazu hier). Zugleich wurde mit der Verabschiedung des Rechtsanspruches politisch eine ganz andere Tragweite hinsichtlich der Notwendigkeit Plätze zu schaffen, erreicht (Scholz et al. 2018). Trotz des bestehenden Rechtanspruchs für alle Kinder ab einem Jahr ist es gängige Praxis in den Kommunen, die oft knappen Betreuungsplätze bevorzugt an Kinder von Alleinerziehenden und Kinder, deren Eltern beide erwerbstätig sind, zu vergeben (Oberhuemer 2014). Gerade die Bevorzugung von Doppelverdiener-Haushalten birgt das Risiko, dass gerade sozial privilegierte Gruppen am stärksten von Angeboten der Kindertagesbetreuung profitieren. Damit stellt der rechtliche Anspruch auf einen Kita-Platz zwar eine wichtige Voraussetzung für einen universellen Zugang aller Kinder dar. Die derzeitige Praxis zeigt jedoch eindrücklich, dass er bei weiterhin fehlenden Betreuungsplätzen keine Garantie dafür ist, dass tatsächlich alle Kinder gleichermaßen Zugang zu den Angeboten der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung haben. In Deutschland liegt die Verantwortung für die Vergabe von Plätzen vorwiegend im Ermessen von Trägern und einzelnen Einrichtungen. Für mehr Transparenz und eine größere soziale Durchmischung von Kindern könnten zentrale Vergabeverfahren von Betreuungsplätzen sorgen. Zwar finden in manchen Kommunen solche Verfahren bereits Anwendung, aber eine flächendeckende oder breitere Ausweitung ist derzeit nicht zu beobachten.
In Schweden ist die zentrale Vergabe der Betreuungsplätze wiederum ein etabliertes Vorgehen: Hier verfügen Kinder über eine persönliche nationale Identifikationsnummer, die die Eltern den Kommunen zusammen mit fünf von ihnen bevorzugten Einrichtungen mitteilen. Auf Basis dieser Informationen werden die Plätze anonym verteilt. Zwar verhindert auch dieses Verfahren nicht, dass die sozialräumlichen Bedingungen des Kitastandorts sich in der sozialen Zusammensetzung der Kita-Gruppen widerspiegeln und damit Benachteiligungen u.a. hinsichtlich der verfügbaren Qualität der Angebote entstehen. Jedoch wird der Einfluss von anderen ungleichheitsrelevanten Merkmalen wie z.B. Religionszugehörigkeit, Migrationshintergrund, sozioökonomischem Status und Berufstätigkeit der Eltern auf die Platzvergabe nachweislich verringert (Garvis/Lunneblad 2018).
Der Einfluss von Trägerstrukturen auf den Zugang zur Kita
Auch die "Trägerlandschaft" eines Kita-Systems, die Art und Weise also, wie und von welchen Anbietern die Bereitstellung von Betreuungsplätzen in einem Land organisiert ist, beeinflusst die Chancengleichheit beim Zugang zu frühkindlicher Bildung. So ist entscheidend, ob Kindertageseinrichtungen vom Staat, von gemeinnützigen Organisationen, von privatwirtschaftlichen Initiativen oder einer irgendwie gearteten Mischung dieser Träger unterhalten werden. Internationale Studien zum angloamerikanischen Raum weisen darauf hin, dass Unterschiede in der Qualität frühkindlicher Betreuung umso stärker ausfallen, wenn die Trägerlandschaft hauptsächlich "marktförmig" organisiert ist, die Kinderbetreuung also vor allem von gewerblichen Anbietern bereitgestellt wird. Dies birgt insofern das Risiko, einen ungleichen Zugang zu guter Kita-Qualität zu verfestigen, als sich wohlhabende Familien gerade in stark privatgewerblich ausgerichteten Betreuungssystemen "gute" Qualität "kaufen" können, während finanzschwache Eltern weniger finanziellen Handlungsspielraum haben und sich daher häufig mit schlechterer Qualität begnügen (müssen) (Lloyd/Penn 2013).
Für Deutschland ist die privatgewerbliche Trägerschaft von Angeboten der Kindertagesbetreuung ein neues und bisher noch "untypisches Phänomen" (Ernst et al. 2014, S. 373). Mit einem Anteil von nur knapp 3 Prozent spielen die teuren Angebote von gewerblichen Anbietern in Deutschland eine eher untergeordnete Rolle (Cloos/Richter 2017). Gleichwohl wurde in den letzten Jahren auch in Deutschland vermehrt diskutiert, ob eine gemischte Trägerlandschaft aus staatlich geförderten und gewerblichen Trägern einem flächendeckenderen Betreuungsangebot zugutekommen könnte. Dieses Argument ist vor allem darin begründet, dass trotz des rasanten Ausbaus von Betreuungsplätzen, der Bedarf für Kinderbetreuung derzeit noch nicht gedeckt ist. Bisher hält Deutschland jedoch an einer gemeinwohlorientierten Trägerlandschaft fest, die vor allem aus privaten, nicht gewerblichen Trägern besteht (Riedel 2011, S. 107, siehe Infobox).
Träger der Kindertagesbetreuung
Plätze in der Kindertagesbetreuung werden in Deutschland über sogenannte Trägerschaften angeboten. Dabei wird zwischen öffentlichen und freien Trägern der Kinder- und Jugendhilfe unterschieden: Öffentliche Träger sind staatliche Verwaltungseinrichtungen (z.B. Jugendämter oder Landesjugendämter), freie Träger sind häufig eingetragene oder nicht eingetragene Vereine, Verbände, Organisationen, Gesellschaften oder Unternehmen. Bei den freien Trägern unterscheidet man zwischen privat-gemeinnützigen und privat-nichtgemeinnützigen Trägern.
Auf kommunaler Ebene übernimmt das Jugendamt die öffentliche Trägerschaft. Als überörtliche öffentliche Träger, die die Aufsicht über die Träger von Tageseinrichtungen haben, schreibt das Kinder- und Jugendhilfegesetz die Landesjugendämter vor (vgl. § 69 SGB VIII).
Zu den freien bzw. privat-gemeinnützigen Trägern zählen vor allem Kirchen-, Wohlfahrts- und Jugendverbände. Insbesondere in Westdeutschland sind auch Elterninitiativen oder Elternvereine als freie Träger tätig. Die Motive der Eltern für die Gründung einer solchen selbstverwalteten Einrichtung sind unterschiedlich und reichen von fehlenden Kinderbetreuungsangeboten über Unzufriedenheit mit dem bestehenden Angebot bis hin zu dem Wunsch, dieses Angebot aktiv mitzugestalten. Privat-nichtgemeinnützige Organisationen sind unter den freien Trägern der Kindertagesbetreuung in der Minderheit.
Quelle: Externer Link: https://www.dji.de/ueber-uns/projekte/projekte/internationales-zentrum-fruehkindliche-bildung-betreuung-und-erziehung-icec/bundesdeutsches-kita-system.html
Dennoch lassen sich auch in Deutschland Ungleichheiten beim Zugang zu frühkindlichen Betreuungsangeboten beobachten, die mit der Trägerlandschaft zusammenhängen. So zeigt die Erziehungswissenschaftlerin Nina Hogrebe (2016) am Beispiel katholischer Kindertageseinrichtungen im nordrhein-westfälischen Münster, dass eine Verteilung der Kinder nach Konfession auch hierzulande ein Problem sein kann: Da in diesen kirchlichen Einrichtungen die christliche Religionszugehörigkeit ein wichtiges Aufnahmekriterium ist, hatten andersgläubige Kinder – die überwiegend aus Familien mit Migrationshintergrund kommen – dort kaum Chancen auf einen Betreuungsplatz. Besonders betroffen von der Nicht-Aufnahme waren dabei Familien mit türkischen Wurzeln, die in Deutschland die größte Gruppe mit Migrationshintergrund darstellen. Da kirchliche Träger nicht nur in Münster, sondern in der deutschen Kita-Landschaft insgesamt eine bedeutende Rolle spielen, ist Hogrebes Befund für das gesamte Bundesgebiet relevant. Allerdings zeigt sich die selektive Aufnahmepraxis der Studie zufolge besonders für katholische Einrichtungen, während in Kitas mit evangelischer Trägerschaft keine größeren Unterschiede bezüglich der Aufnahme von Kindern mit anderer Religionszugehörigkeit und Migrationshintergrund festzustellen sind. Begründet sind diese Unterschiede in der Aufnahme von bestimmten Gruppen von Kindern darin, dass Träger eine hohe Selbstbestimmung in Bezug auf Auswahlkriterien haben. Ähnlich kommt die Bertelsmann Stiftung (2018) anhand von Beispielen aus drei Städten zu dem Befund, dass die städtischen Kitas überdurchschnittlich viele Kinder aus Armutslagen und mit Migrantenanteil aufnehmen, wohingegen Einrichtungen von konfessionellen Trägern deutlich seltener von diesen Gruppen von Kindern besucht werden.
An diesem Beispiel wird das Spannungsverhältnis zwischen dem bestehenden Rechtsanspruch, der den gleichen Zugang für alle Kinder sicherstellen soll, und der vor Ort angewendeten Vergabepraxis, die häufig bestimmte Eltern bevorzugt bzw. benachteiligt, sichtbar. Die Vergabepraxis von Kitaplätzen wird offensichtlich nicht nur durch das Verhältnis von Angebot und Nachfrage beeinflusst. Auch der jeweilige Hintergrund eines Trägers, sei er konfessionell oder auch privat-gewerblich, prägt das Vorgehen bei der Platzvergabe und kann damit zu Ungleichheiten im Zugang führen.
Doppelte Benachteiligung bestimmter Kindergruppen
Frühpädagogischen Angeboten wird eine wesentliche Rolle darin zugeschrieben, sozial ungleich verteilte Bildungschancen von Kindern frühzeitig auszugleichen: So liefern verschiedene Studien Hinweise darauf, dass sozial benachteiligte Kinder von einer Teilnahme an frühkindlicher Bildung besonders profitieren. Eine entscheidende Voraussetzung dafür ist jedoch eine hohe Qualität der Bildungs- und Betreuungsangebote. Nur wenn der Austausch und die Kommunikation zwischen Fachkraft und Kind feinfühlig und reflektiert ist, wenn die Fachkräfte ausreichend qualifiziert und erfahren sind, wenn anregungsreiches Bastel-, Spiel- und Lernmaterial zur Verfügung stehen und die Rahmenbedingungen für die pädagogische Arbeit angemessen sind (etwa eine überschaubare Gruppengröße), lassen sich tatsächlich positive Einflüsse auf die Entwicklung der Kinder ausmachen (Anders 2013; Keys et al. 2013). Verschiedene Untersuchungen zeigen jedoch, dass gerade Kinder aus sozial benachteiligten Familien seltener und meist erst in höherem Alter Angebote der Kindertagesbetreuung in Anspruch nehmen. Je jünger die Kinder, desto ausgeprägter ist der Zusammenhang zwischen sozioökonomischem Hintergrund der Familie und Inanspruchnahme von Plätzen in der Kindertagesbetreuung. Jonas Jessen und Kolleg*innen zeigen auf Basis der SOEP-Daten sogar, dass diese Nutzungsunterschiede in den letzten Jahren – trotz Angebotsausbau – weiter zugenommen haben (vgl. Jessen et al. 2018).
Ähnliche Muster der sozial ungleichen Nutzung weisen Studien auch mit Blick auf die Qualität frühkindlicher Bildungsangebote nach: Kinder aus weniger privilegierten sozialen Verhältnissen haben insgesamt schlechtere Chancen, eine qualitativ hochwertige Kindertageseinrichtung zu besuchen als Kinder aus gut situierten Elternhäusern. Vor allem Kinder mit Migrationshintergrund besuchen nachweislich häufiger Einrichtungen mit niedrigerer pädagogischer Qualität (Becker/Schober 2017; Tietze et al. 2013). Diese schlechtere Qualität zeichnet sich dann u.a. durch größere Gruppen, geringer qualifiziertes und/oder zu wenig Personal sowie eine eher geringere finanzielle Ressourcenausstattung aus. Somit zeigten sich die Qualitätsunterschiede sowohl hinsichtlich einer geringeren Interner Link: Strukturqualität (Tietze et al. 2013) als auch einer geringeren Interner Link: Prozessqualität (Kuger/Kluczniok 2008; Lehrl 2014).
Für diese Ungleichheiten im Zugang sowie der Nutzung qualitativ hochwertiger Einrichtungen gibt es unterschiedliche Ursachen, die teils auf einfache Ausschlussmechanismen wie höhere Kosten für die Eltern zurückzuführen sind. Dies ist jedoch nicht die alleinige Ursache. So weisen Kindertageseinrichtungen in Deutschland eine Tendenz zur "sozialen Segregation" auf, das heißt, sie sind mit Blick auf die soziale und ethnische Herkunft der Kinder häufig nur wenig durchmischt, eher treffen sich in einer Kindertageseinrichtung Kinder, die überwiegend einen ähnlichen sozialen Hintergrund haben (Becker/Schober 2017). Je nach Einrichtung, so legen es die Regionalanalysen von Nina Hogrebe offen, beträgt der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund und aus Familien mit niedrigerem sozioökonomischem Status zwischen null und 70 Prozent (Hogrebe 2016, S. 11). Kinder mit Migrationshintergrund oder aus sozial benachteiligten Familien besuchen also vielfach Kitas, an denen auch ein Großteil der anderen Kinder einen Migrationshintergrund hat und/oder einer sozial benachteiligten Familie entstammt. Umgekehrt bleiben Kinder von höher gebildeten und sozial bessergestellten Eltern in der Kita vielfach unter sich. Ihre Eltern sind eher in der Lage, viel Zeit und Mühe in die Wahl einer qualitativ-hochwertigen Kita zu investieren (BMFSFJ 2013). Eine kürzlich Studie der Bertelsmann Stiftung (2018) legt zum Beispiel offen, dass privilegierte Eltern über zeitliche und finanzielle Ressourcen verfügen, die es ihnen eher erlauben, weite Anfahrten zu einer qualitativ guten Kita in Kauf zu nehmen.
Die sozial ungleiche Nutzung von qualitativ hochwertigen Kitas verschärft somit bereits bestehende Bildungsungleichheiten: Kinder, die durch ihr Elternhaus ohnehin privilegiert sind, kommen tendenziell öfter in ein pädagogisches Setting, das sehr entwicklungsförderlich ist und sich so positiv auf die weitere Bildungslaufbahn auswirkt. Hingegen besuchen diejenigen Kinder, deren Benachteiligungen durch frühkindliche Bildung ja gerade reduziert werden sollen, häufiger Einrichtungen von schlechterer Qualität, deren Einfluss auf die weitere Bildungslaufbahn entsprechend fragwürdig ist (Riedel 2016, S. 7). Von einer Kompensation ungleicher Bildungschancen kann also vielerorts nicht die Rede sein.
Die beschriebenen Problemlagen finden sich nicht nur in Deutschland. Obwohl es nur wenige international vergleichende Studien gibt, deuten die bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisse darauf hin, dass dies auch länderübergreifend gilt (Bennett 2012; European Commission, EACEA, Eurydice & Eurostat 2014).
Fazit
Der Abbau bestehender Zugangsbarrieren ist eine wichtige Aufgabe, um allen Kindern die Teilhabe an frühkindlicher Bildung und Betreuung zu ermöglichen. Initiativen, wie das Programm "Kita Einstieg" des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, liefern hier erste Ansätze. Mit niedrigschwelligen Angeboten (z.B. niedrigschwellige Bildungsberatung in verschiedenen Sprachen, mobile Kinderstätten, offene Spielkreise etc.) versucht es, benachteiligten Kindern und Familien den ersten Schritt in das Kita-System zu erleichtern. Die Nachhaltigkeit eines solchen Programms zeigt sich dann, wenn die dort entwickelten Ansätze eine systematische Ausweitung erfahren und damit Bestandteil des "Regelangebotes" werden.
Aufgrund der Komplexität von Problemlagen, die sich bei Fragen einer wirksamen Überwindung von Zugangsbarrieren stellen, bedarf es einer Initiative auf allen Ebenen des Systems frühkindlicher Bildung, Betreuung und Erziehung. Das bedeutet, die verantwortlichen Akteure von Bund, Ländern und Kommunen sind gemeinsam gefordert. Neben dem Ausbau des Betreuungsangebots, um die stetig steigende Nachfrage zu decken, wird derzeit politisch intensiv über eine Umgestaltung oder gar Abschaffung von Kita-Gebühren diskutiert. Hier sinnvolle Lösungsansätze zu entwickeln, ist eine zentrale Herausforderung, die unweigerlich mit der Frage verbunden ist, inwiefern sich Bezahlbarkeit und gute Qualität gleichzeitig verwirklichen lassen. Beides sind notwendige Voraussetzungen für die Verbesserung von Zugangschancen und Bildungsteilhabe für alle Kinder.