Über Stärken und Schwächen des dualen Ausbildungssystems wird seit Längerem kontrovers diskutiert. Einerseits gilt es als das Rückgrat der deutschen Wirtschaft: Die Fachkräfteausbildung gewährleistet hohe Produktqualität und Erfolg im Export. Angesichts der im internationalen Vergleich geringen Jugendarbeitslosigkeit, die man auf das duale System zurückführt, gilt es zudem als "Exportschlager" für andere Staaten (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2015; Euler 2013).
Rückzug der Betriebe?
Andererseits sinken tendenziell die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge und die Ausbildungsbetriebsquote. Letzteres könnte zum Ausdruck bringen, dass sich die Betriebe langsam aus der Ausbildung zurückziehen. Der Rückgang der betrieblichen Ausbildungsplätze des dualen Systems wird nicht nur auf die sinkende Schulabgängerzahl, die höhere Studierneigung oder Passungsprobleme am Ausbildungsstellenmarkt zurückgeführt (siehe auch
Veränderte Gegebenheiten in der Beschäftigung
Soll das duale Ausbildungssystem für die Wirtschaft attraktiv bleiben, muss es Jugendlichen auch ökonomisch relevante Kompetenzen vermitteln. Das bedeutet, dass sich die duale Berufsausbildung fortwährend an Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt anpassen muss. Solche Entwicklungen sind etwa erstens der Wandel der Berufsstruktur: während die Nachfrage nach Erwerbstätigen im Produktionssektor tendenziell abnimmt, steigt der Bedarf an Beschäftigten im Dienstleistungssektor. Das duale Ausbildungssystem muss entsprechend neue zukunftsweisende Ausbildungsberufe ausbilden und dafür ggf. neue zeitgemäße Berufsbilder entwickeln. Zweitens verändern sich die Anforderungen und Technologien auf dem Arbeitsmarkt: Der zunehmende Einsatz von Computern, Informations- und Kommunikationstechnologien muss sich auch in den Ausbildungsordnungen und zu vermittelnden Kompetenzen widerspiegeln. An grundlegenden Fähigkeiten werden logisches Denken, Analyse- und Problemlösefähigkeiten immer bedeutsamer. Drittens ist die Globalisierung zu nennen: Es zeigt sich eine zunehmende Vernetzung zwischen Ländern und es findet ein reger Austausch von Gütern, Kapital, Wissen und Arbeitskräften statt. Kommunikative Fähigkeiten und Fremdsprachenkenntnisse werden damit hoch bedeutsam. Viertens sinkt die Halbwertszeit von Wissen: Das einmal Gelernte kann nicht das gesamte Berufsleben produktiv im Unternehmen eingesetzt werden. Ausbildung muss folglich auch die Fähigkeit vermitteln, sich im Laufe des Lebens regelmäßig weiterzubilden (Lernen zu Lernen).
Konkurrenz der akademischen Bildung
Will sich die duale Berufsausbildung in Zukunft weiter behaupten, muss sie zudem für junge Menschen attraktiv bleiben. So schrumpfen infolge des Geburtenrückgangs der Anteil der jüngeren Menschen an der Gesamtbevölkerung und damit auch die Rekrutierungsbasis der Betriebe für die duale Ausbildung. Mit den
Nachwuchssicherung für die berufliche Ausbildung
Die Entwicklung der Wertorientierungen und Karrierepläne junger Menschen geraten damit ebenfalls in den Blick.
Obgleich also dem Berufsbildungssystem aus gesamtwirtschaftlicher Sicht nach wie vor große Bedeutung beigemessen wird, scheint die duale Ausbildung aus Perspektive der einzelnen Bildungsteilnehmer gegenüber alternativen Bildungswegen an Attraktivität eingebüßt zu haben. Deshalb wurden unterschiedliche Initiativen zur Attraktivitätssteigerung und zur Sicherung einer ausreichenden Zahl an Bewerbern für die duale Berufsausbildung eingeleitet, darunter etwa der Ausbau der Berufsorientierung, Imagekampagnen, Unterstützung von Klein- und Mittelbetrieben bei der passgenauen Rekrutierung von Auszubildenden, die Gewinnung von Studienabbrechern für die duale Berufsausbildung, die Stärkung der Durchlässigkeit zwischen Berufs- und Hochschulausbildung oder der Ausbau der Förderung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in der dualen Berufsausbildung (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2015). Zudem sollten mehr ältere Menschen für eine Ausbildung (Umschulung/Fortbildung) im dualen System gewonnen werden. Eine Ausbildung genügt oft nicht mehr ein Leben lang. Auch in späteren Lebensabschnitten sollte es leicht möglich werden, einen neuen Beruf zu erlernen – etwa weil man sich neu orientieren will oder muss, wenn die Arbeitsmarktchancen in bestimmten Berufen schlechter geworden sind oder man einen bestimmten Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann.
Stark spezialisierte Ausbildungsberufe
Die duale Ausbildung mit ihren über 300 Ausbildungsberufen ist teils stark spezialisiert. Dies kann einen späteren Berufswechsel selbst in einen verwandten Beruf stark erschweren. Bestehende Initiativen arbeiten daran, Berufsausbildungen inhaltlich etwas breiter zu gestalten (etwa durch "Berufsfamilien mit gemeinsamen Kernkompetenzen"), damit auch die so ausgebildeten Fachkräfte vielfältiger eingesetzt werden und sich im Verlauf des weiteren Lebens bei Bedarf spezialisieren können – ganz im Sinne eines lebensbegleitenden Lernens.
Fazit
Letztlich hat das duale System der Berufsausbildung Stärken und Schwächen, die auch je nach ökonomischer Situation und technologischer Entwicklung unterschiedlich stark zu Buche schlagen. Insbesondere wird es darauf ankommen, vorteilhafte Elemente des deutschen Berufsausbildungssystems zu erhalten und zugleich eine ausreichende Flexibilität und Anpassung an moderne Entwicklungen zu ermöglichen.