Hier werden die Zugangschancen zu verschiedenen Berufen sowie Geschlechterunterschiede in der Berufswahl thematisiert. Auch der Übergang von der Schule in Ausbildung wird genauer betrachtet, vor allem für Personen mit geringer schulischer Vorbildung gestaltet er sich häufig schwierig.
Augenoptik, Mediengestaltung, Zweiradmechanik – Berufe von A bis Z
Eine berufliche Ausbildung dauert in Deutschland zwischen zwei und dreieinhalb Jahren, je nach angestrebtem Beruf. In Deutschland gibt es aktuell 327 staatlich anerkannte duale Ausbildungsberufe (Stand Dezember 2015). Für jeden dieser Berufe existiert eine deutschlandweit gültige Ausbildungsordnung, in der gemäß § 5 des BBiG bzw. § 26 der HwO folgende Punkte geregelt sind:
Ausbildungsordnung gemäß § 5 des BBiG bzw. § 26 der HwO
"… 1. die Bezeichnung des Ausbildungsberufes, der anerkannt wird [Ergänzung in HwO: sie kann von der Gewerbebezeichnung abweichen, muss jedoch inhaltlich von der Gewerbebezeichnung abgedeckt sein], 2. die Ausbildungsdauer; sie soll nicht mehr als drei und nicht weniger als zwei Jahre betragen, 3. die beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten, die mindestens Gegenstand der Berufsausbildung sind (Ausbildungsberufsbild), 4. eine Anleitung zur sachlichen und zeitlichen Gliederung der Vermittlung der beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten (Ausbildungsrahmenplan), 5. die Prüfungsanforderungen."
Externer Link: Hier zum Beispiel die Ausbildungsordnung für die Berufsausbildung zum Kraftfahrzeugmechatroniker
Der angestrebte Beruf ist in der deutschen Berufsausbildung in mehrerlei Hinsicht von hoher Relevanz. So unterscheiden sich die Zugangschancen je nach Ausbildungsberuf erheblich, und zwar nicht nur aufgrund der Angebots-Nachfrage-Relationen (siehe dazu den Beitrag zum Interner Link: Ausbildungsstellenmarkt). Berufe sind auch nur mehr oder weniger offen für Personen mit niedrigen Schulabschlüssen. Zwar besteht im dualen System – anders als in der vollzeitschulischen Berufsausbildung, die i.d.R. einen mittleren Schulabschluss voraussetzt – rein formal keine Zugangsvoraussetzung. Doch zeigen sich faktisch deutliche Unterschiede hinsichtlich der Vorbildung der Auszubildenden in den verschiedenen Ausbildungsberufen des dualen Systems. Während beispielsweise Jugendliche mit Hauptschulabschluss in den Berufen Bäcker/in (64 %), Friseur/in (61 %), Maurer/in (64 %) mehr als die Hälfte aller Auszubildenden ausmachen, haben in den Berufen Veranstaltungskaufmann/-kauffrau (74 %), Immobilienkaufmann/-kauffrau (72 %) und Bankkaufmann/-kauffrau (71 %) fast drei Viertel aller Auszubildenden sogar eine Studienberechtigung, also Abitur oder Fachabitur. In diesen Ausbildungsberufen haben Personen mit Hauptschulabschluss also kaum eine Chance, einen Ausbildungsplatz zu bekommen; selbst Bewerber mit Mittlerer Reife erhalten hier nicht ohne Weiteres Zugang.
Außerdem dominieren in vielen Ausbildungsberufen entweder Männer oder Frauen. Hier spricht man von "geschlechtsspezifischer beruflicher Segregation". Betrachtet man die 20 häufigsten Ausbildungsberufe, finden sich deutliche (und über die Zeit relativ stabile) Geschlechterunterschiede in der Berufswahl (Tabelle 1). Die beiden am häufigsten von Männern begonnenen Ausbildungsberufe sind Kraftfahrzeugmechatroniker und Elektroniker; bei den Frauen sind dies die Kauffrau für Büromanagement sowie die Medizinische Fachangestellte. Frauen konzentrieren sich zudem stärker auf bestimmte Berufe: Rund 70 Prozent von ihnen belegen die häufigsten 20 Ausbildungsberufe, bei den Männern sind es rund 56 Prozent. Unterschiede in der Berufswahl sind auch für spätere Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen mitverantwortlich, denn viele der typischen Frauenberufe sind schlechter bezahlt als die typischen Männerberufe.
Tabelle 1: Die 20 häufigsten dualen Ausbildungsberufe von Männern und Frauen, Deutschland 2015
Häufigste Ausbildungsberufe von Männern
Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge von Männern in %
Häufigste Ausbildungsberufe von Frauen
Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge von Frauen in %
1
Kraftfahrzeugmechatroniker
6,3
Kauffrau für Büromanagement (inkl. Vorgänger)
10,3
2
Elektroniker
4,0
Medizinische Fachangestellte
6,9
3
Kaufmann im Einzelhandel
3,9
Verkäuferin
6,8
4
Industriemechaniker
3,9
Kauffrau im Einzelhandel
6,7
5
Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik
Im Jahr 2015 begannen gemäß Daten der Schulstatistik 694.198 Personen eine "vollqualifizierende" (d.h. eine zu einem regulären beruflichen Abschluss führende) Berufsausbildung, davon 480.674 eine duale Berufsausbildung und 204.175 eine vollzeitschulische Berufsausbildung. Die (vollzeit-)schulische Berufsausbildung ist die zweite in Deutschland praktizierte Form der Berufsausbildung, die primär die Bereiche Gesundheit, Pflege und verschiedene Assistenzberufe abdeckt (Feller 2004; Zöller 2015). Anders als die duale Ausbildung ist die vollzeitschulische Ausbildung nicht Bundes-, sondern Ländersache – denn die Vollzeitberufsschulen fallen so wie die allgemeinbildenden Schulen auch unter die Kulturhoheit der Länder. Ferner wird in der vollzeitschulischen Ausbildung keine Ausbildungsvergütung gezahlt, vielmehr müssen von den Schülerinnen und Schülern oftmals hohe Gebühren entrichtet werden.
Der Übergang von der allgemeinbildenden Schule in die Berufsausbildung gelingt aber nicht immer direkt. Viele Schulabgänger münden zunächst in den sogenannten Übergangsbereich (siehe Infobox) und durchlaufen teilweise sogar mehrere Maßnahmen, bevor (wenn überhaupt) der Zugang zu einer vollqualifizierenden Ausbildung gelingt. Maßnahmen wie das Berufsgrundbildungsjahr, das Berufsvorbereitungsjahr oder die berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme der Bundesagentur für Arbeit sollen den Schulabgängern eine berufliche Orientierung geben und/oder die Möglichkeit, einen (höheren) Schulabschluss zu erlangen.
Übergangsbereich
Der Begriff "Übergangsbereich" ist ein Sammelbegriff für eine Vielzahl berufsvorbereitender Maßnahmen für Jugendliche, die nach Verlassen der Schule keinen Ausbildungsplatz finden. Die oft einjährigen Qualifizierungsangebote werden überwiegend von Schulabgängern mit Hauptschulabschluss oder ohne Abschluss besucht und sollen deren "Ausbildungsreife" fördern, damit sie anschließend bessere Chancen auf einen Ausbildungsplatz haben. So bieten verschiedene Träger Maßnahmen an, um die berufliche Orientierung der Jugendlichen zu unterstützen, ihre persönlichen Kompetenzen zu stärken, ihre Allgemeinbildung zu verbessern und/oder Schulabschlüsse nachzuholen. Allerdings wird kritisiert, dass die Angebote sehr uneinheitlich sind und daher kaum von einem System gesprochen werden kann. Da die Angebote zu keinem regulären Berufsabschluss führen und die Jugendlichen, die sie absolvieren, häufig trotzdem keinen Ausbildungsplatz finden, sehen Kritiker zudem die Gefahr unproduktiver "Warteschleifen".
Der Übergangsbereich ist insbesondere in Zeiten fehlender Ausbildungsplätze stark gewachsen und diente auch dazu, Jugendliche ohne Ausbildungsstelle mit einer "Maßnahme" zu versorgen, auch diejenigen, bei denen durchaus eine Ausbildungsreife vorlag. Zwar ist die Anzahl derjenigen, die in eine Maßnahme des Übergangsbereichs einmünden, im vergangenen Jahrzehnt deutlich gesunken, doch sind es im Jahr 2015 noch immer 270.783 Personen.
Abbildung 1 zeigt, wie sich die Anfängerinnen und Anfänger der verschiedenen Bereiche (Duales System, schulische Berufsausbildung, Übergangsbereich) hinsichtlich ihrer Vorbildung unterscheiden. Es wird deutlich, dass sich im Übergangsbereich vor allem Personen ohne Schulabschluss oder mit Hauptschulabschluss befinden, mehr als zwei Drittel aller Anfängerinnen und Anfänger fallen in diese Kategorie. Der größte Anteil der Auszubildenden in den vollqualifizierenden Berufsausbildungsgängen verfügt über einen mittleren Schulabschluss und ein erheblicher Teil über ein (Fach-)Abitur. In beiden Ausbildungstypen beträgt der Anteil von Personen mit allgemeiner oder Fachhochschulreife mehr als 20 Prozent. Einige von ihnen beginnen die duale Berufsausbildung im Rahmen eines dualen Studiums oder absolvieren sowohl ein Studium als auch eine Berufsausbildung, ein Großteil dieser Gruppe verzichtet jedoch trotz Studienberechtigung auf ein Studium.
Prof. Dr. Christian Ebner, geb. 1978, ist BIBB-Stiftungsjuniorprofessor für Soziologie, insbesondere Soziologische Berufsforschung an der Universität zu Köln.
Alexandra Uhly
Dr. Alexandra Uhly, geb. 1967, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Bundesinstitut für Berufsbildung, insbesondere Berufsbildungsstatistik, indikatorengestützte Bildungsberichterstattung, Berufsbildungsforschung.
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