Bildungsmonitoring und das Ziel der Qualitätsverbesserung
Die erste PISA-Studie aus dem Jahr 2000 ist insbesondere deshalb so bekannt, weil sie einen "Schock" verursachte: Die Studie zeigte, dass im Vergleich der OECD-Staaten 15-jährige Schülerinnen und Schüler in Deutschland in den Bereichen Mathematik, Naturwissenschaften und Lesen nur über unterdurchschnittliche Kompetenzen verfügen. Zudem wurde deutlich, dass Bildungschancen in Deutschland besonders stark von der sozialen Herkunft der Lernenden abhängen. Gerade Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen Elternhäusern können daher ihre Hoffnungen auf ein gutes, selbstbestimmtes Leben nur begrenzt erfüllen. Angesichts dieser Ergebnisse ging es Bildungspolitikerinnen und -politikern in den Folgejahren darum, mehr über die Ursachen dieser Probleme zu erfahren und geeignete Strategien zu finden, um die Probleme anzugehen. Zu diesem Zweck beschloss die Kultusministerkonferenz (KMK) im Jahr 2006 die sogenannte Gesamtstrategie zum Bildungsmonitoring.
Gesamtstrategie zum Bildungsmonitoring
Nach der Veröffentlichung einer Reihe von überraschend negativen Ergebnissen nationaler und internationaler Schulleistungsvergleichsuntersuchungen haben sich die Kultusminister aller Bundesländer dazu entschieden, die Leistungsfähigkeit des Bildungssystems dauerhaft und systematisch zu beobachten und zu verbessern.
Zu diesem Zweck wurde die Gesamtstrategie zum Bildungsmonitoring verabschiedet. Sie besteht aus einem Bündel von vier Werkzeugen, mit denen das Bildungssystem fortan beobachtet werden soll. Dazu gehört
die Teilnahme an internationalen Schulleistungsuntersuchungen wie PISA,
die Durchführung von nationalen, bundesländervergleichenden Schulleistungsuntersuchungen, die überprüfen, ob in ausgewählten Fächern die sogenannten Bildungsstandards erreicht wurden, inwieweit also bei den Schülerinnen und Schülern einer Klassenstufe die für das jeweilige Fach erwarteten Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse vorliegen,
die flächendeckende Durchführung von Vergleichsarbeiten, um mit diesen Ergebnissen die Leistungen einzelner Schulen und Klassen miteinander zu vergleichen und
die Veröffentlichung zahlreicher Informationen über den Zustand des Bildungssystems in einem alle zwei Jahre erscheinenden Nationalen Bildungsbericht.
Mit dem Bildungsmonitoring sollen vielfältige Informationen über das Bildungssystem gesammelt werden. Die gewonnenen Informationen sollen dabei helfen, die Ergebnisse von Bildungsprozessen in der Schule und in anderen Bildungsinstitutionen zu ermitteln (z.B. über die Messung von Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler). Sie sollen die politisch Verantwortlichen aber auch darin unterstützen, gezielt bildungspolitische und pädagogische Maßnahmen auf den Weg zu bringen, mit denen die Qualität des Bildungssystems gesichert und verbessert werden kann (z.B. durch Veränderungen in der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern oder durch Verankerung von Förderprogrammen z.B. zur Sprachförderung).
Hintergründe des Bildungsmonitorings: Von der Input- zur Outputsteuerung
Das systematische Messen und Vergleichen von Bildungsergebnissen mag heute fast selbstverständlich erscheinen, ist es doch längst Teil der bildungspolitischen Normalität geworden. 2006 aber markierte die Gesamtstrategie zum Bildungsmonitoring einen deutlichen Wechsel in der Art und Weise, wie das Bildungssystem "gesteuert" wird. Mit der Gesamtstrategie wurden die Methoden und Mittel verändert, auf die Politikerinnen und Politiker zurückgreifen, um wichtige Ziele im Bildungssystem zu erreichen: Über viele Jahrzehnte wurde Bildungspolitik im Wesentlichen als Verwaltungsaufgabe verstanden. Die wichtigste Stellschraube, um politische Zielsetzungen zu erreichen, war dabei der sogenannte Input – das also, was staatliche Entscheidungsträger in das Bildungssystem "hineingeben", etwa in Form von Lehrplänen, Personalressourcen oder Bildungsausgaben.
Das schlechte Abschneiden deutscher Schülerinnen und Schüler bei internationalen Vergleichsuntersuchungen wie PISA stellte nun nicht allein die Qualität des deutschen Bildungssystems infrage, sondern auch die Wirksamkeit dieser Input-Steuerung. Schließlich war es der Politik mit den althergebrachten Methoden und Mitteln offenbar nicht gelungen, wichtige Ziele wie Qualität und Chancengleichheit zu erreichen.
Vor eben diesem Hintergrund entstand die Gesamtstrategie zum Bildungsmonitoring. Sie ist Ausdruck einer neuen Herangehensweise an die politische Steuerung des Bildungssystems und kann als Meilenstein auf dem Weg zur sogenannten Output-Steuerung verstanden werden: Die Bildungspolitik orientiert sich dabei verstärkt an Konzepten und Methoden, die traditionell vor allem im privaten Sektor, etwa in großen Unternehmen, verbreitet sind, zunehmend aber auch im öffentlichen Sektor angewendet werden, z.B. in Krankenhäusern oder Arbeitsämtern (den heutigen Arbeitsagenturen). Man spricht in diesem Zusammenhang von New Public Management (NPM, zu Deutsch: Neue Steuerung oder auch Neue Verwaltung) (siehe
Neben vielen Befürwortern dieser wissens- und evidenzbasierten Strategie des Bildungsmonitorings gibt es auch Stimmen, die den Nutzen dieser Beobachtungen und Bewertungen skeptisch beurteilen. Und beide Seiten haben für ihre Auffassung gute Gründe. Zunächst zu den Argumenten der Befürworter.
Argumente und Positionen von Befürwortern des Bildungsmonitorings
Befürworter des Bildungsmonitorings, wie Akteure aus Bildungspolitik und -verwaltung, aber auch viele Bildungsforscherinnen und -forscher, argumentieren, dass nur auf der Grundlage genauer Informationen über die erreichten Ergebnisse von (schulischen) Bildungsprozessen sinnvolle Maßnahmen ergriffen und die Qualität des Bildungssystems insgesamt verbessert werden können. Um das Kompetenzniveau der Schülerschaft zu heben und Bildungsungleichheiten zu mindern, sei es zunächst einmal erforderlich, verlässliche Auskünfte über die Verteilung von Kompetenzen in der Schülerschaft zu erhalten und die Ursachen für ungleich verteilte Kompetenzen zu ergründen. Tatsächlich sind wir heute durch das Bildungsmonitoring über die in unserem Bildungssystem erzielten Lernergebnisse sehr gut informiert. Auch über Problemlagen liegt viel Wissen vor, etwa über die Zahl derjenigen, die nur elementare Lesekompetenzen besitzen, über das Ausmaß sozialer Auslese oder geschlechtsspezifischer Bildungsungleichheiten. Ohne diese Informationen könnten bildungspolitische Maßnahmen ihr Ziel verfehlen. Unter Umständen würde dann viel Geld für etwas ausgegeben, das sich im Nachhinein als unwirksam erweist. Nur auf der Basis von präzisen und verlässlichen Daten und Fakten, so wird argumentiert, lassen sich zielgerichtete Förderprogramme für bestimmte Schülergruppen entwerfen, statt großflächige Maßnahmen zu ergreifen, deren Umsetzung kostspielig und deren Erfolg ungewiss ist.
Entsprechend wird auf die vielen detaillierten und auch im Längsschnitt (d.h. im Zeitverlauf wiederholt erhobenen) verfügbaren Daten verwiesen, die aus dem Bildungsmonitoring hervorgegangen sind. Mit deren Hilfe können Veränderungen im Bildungssystem beobachtet und Rückschlüsse auf die Wirkung eingeleiteter Reformen gezogen werden. Dabei wird es als ein großes Verdienst des systematischen und kontinuierlichen Monitorings betrachtet, dass heute weit mehr Informationen über die Ergebnisse der Bildungsbemühungen von Lehrerinnen und Lehrern, Schülerinnen und Schülern sowie die Rahmenbedingungen, unter denen diese stattfinden (z.B. hinsichtlich der Lehrpläne, der Ausstattung von Schulen, dem Personalschlüssel), vorliegen als noch vor 15 Jahren. Denn inzwischen können sich Bildungspolitikerinnen und -politiker bei ihren Entscheidungen nicht mehr "nur" auf politische Überzeugungen stützen, sondern sie müssen sich verstärkt auch mit Daten und Fakten auseinandersetzen. Der bloße Glaube, die Hoffnung oder der Wille, dass die avisierten bildungspolitischen Maßnahmen geeignet sind, um erkannte Problemlagen im Bildungssystem zu beheben und bessere Ergebnisse herbeizuführen, reicht für komplexe und langwierige Reformen nicht aus.
Mit den inzwischen weiterentwickelten Tests zur Kompetenzdiagnostik liegen Verfahren vor, mit denen Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten der Kinder verlässlich überprüft und sogar international verglichen werden können. Solche Vergleiche können auch dazu beitragen, ansonsten ungesehene Veränderungsmöglichkeiten zu erschließen und zu diskutieren. Nicht zuletzt tragen das Bildungsmonitoring und die öffentliche Berichterstattung über dessen Ergebnisse dazu bei, dass sich auch die Öffentlichkeit zumindest potenziell ein Bild vom Zustand des Bildungssystems, einzelner Bildungseinrichtungen und von der Wirksamkeit politischer Entscheidungen machen kann.
Argumente und Positionen von Kritikern des Bildungsmonitorings
All dem stimmen grundsätzlich zwar auch die meisten derjenigen zu, die Bedenken gegen das Bildungsmonitoring hegen, wie kritische Erziehungswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, darunter vor allem Bildungstheoretikerinnen und -theoretiker. Sie teilen das grundlegende Ziel der Befürworter, qualitativ hochwertige Bildungsangebote zu gewährleisten und den Zugang zu Bildung für alle Menschen gleichermaßen sicherzustellen. Sie weisen aber darauf hin, dass die Ausrichtung des Bildungsmonitorings auf eine bestimmte Form von Ergebnissen von Bildungsprozessen, nämlich ausgewählte fachliche Kompetenzen, nur einen sehr kleinen Ausschnitt dessen zeigen kann, was in einer Bildungsbiografie alles gelernt wurde und was einen umfassend "gebildeten Menschen" ausmacht. Vieles, was nicht zahlenförmig kommuniziert werden kann, falle unter den Tisch – etwa die Entwicklung einer eigenständigen Persönlichkeit mit breitem Wissen und vielfältigen Interessen, Neugier, Sinn für Musisch-Ästhetisches, die Bereitschaft, sich in der eigenen Sicht auf die Welt irritieren zu lassen oder einmal erworbenes Wissen zu hinterfragen. Befürchtet wird, dass sich Lehrerinnen und Lehrer vorrangig darauf konzentrieren könnten, ihre Schülerschaft vor allem in jenen Bereichen zu fördern, die mit verschiedenen Tests beim Bildungsmonitoring erfasst werden. Dies könnte zu einer schleichenden Abwertung dessen führen, was über die unmittelbaren Fachinhalte hinaus für wichtig gehalten wird (z.B. Persönlichkeitsentwicklung, soziale Kompetenzen) – und zwar ohne dass darüber eine öffentliche Auseinandersetzung stattgefunden hätte, wie es in einem demokratischen Gemeinwesen in derart wichtigen Fragen üblich ist.
Des Weiteren werden Bedenken darüber geäußert, wie aussagekräftig eigentlich die Informationen sind, die man im Rahmen einer solchen Dauerbeobachtung des Bildungssystems erhält. So ist bekannt, dass Menschen in ungewohnten und daher Unsicherheit und Ängste auslösenden (Kontroll-)Situationen – zu denen für Schulen und Lehrkräfte sicherlich auch die Durchführung von Vergleichsarbeiten, Schulinspektionen oder Kompetenztests gezählt werden kann – mitunter Strategien entwickeln, um die eingesetzten Messinstrumente "auszutricksen". Bisweilen werden Mittel und Wege gefunden, um möglichst gut mit den Erwartungen der Beobachter übereinzustimmen und so die Unsicherheit zu mindern, die die Furcht vor negativen Konsequenzen bei erwartungswidrigen Ergebnissen auslösen kann. Aus den USA, wo Bildungsmonitoring schon viel länger betrieben wird als hierzulande, wird speziell für den Bildungsbereich darüber berichtet, dass Lehrkräfte ihre Schülerinnen und Schüler gezielt auf die Testfragen vorbereiten ("Teaching to the Test"). Einzelne Schulen würden leistungsschwache Schülerinnen und Schüler gar nicht erst an Schulleistungstests teilnehmen lassen, damit die Testergebnisse der Schule positiver ausfallen.
Und nicht zuletzt werden negative Auswirkungen des Bildungsmonitorings auf die Bildungsforschung selbst erwartet. So befürchten einige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass die Bildungsforschung ihre Unabhängigkeit verlieren und zu einem "verlängerten Arm" der Bildungspolitik werden könnte. Gerade in Zeiten eines steigenden Drucks, Forschungsgelder von Dritten einzuwerben, avanciere die Bildungspolitik auch durch das Bildungsmonitoring zu einem wichtigen und finanzstarken Auftraggeber von Forschungsprojekten. Dies wiederum berge die Gefahr, dass sich die Forschung mehr und mehr auf solche Fragestellungen konzentriere, deren Antworten für politische und administrative Entscheidungsträger nützlich sein können. Die dem Bildungsmonitoring zugewandte "Empirische Bildungsforschung" hat in den Bildungswissenschaften im letzten Jahrzehnt stark an Einfluss gewonnen. Kritiker befürchten nun, dass dies zulasten anderer Forschungsrichtungen gehe. Bildungsforscherinnen und -forscher, die sich mit Fragen beschäftigen, die keinen unmittelbar erkennbaren Nutzen für politische Steuerungszwecke versprechen, hätten in der Folge geringere Chancen, sich wissenschaftlich zu etablieren und im Wettbewerb um Professuren konkurrenzfähig zu sein.
Trotz dieser Argumente stellen aber auch die meisten Skeptiker das mit großem Aufwand betriebene Bildungsmonitoring keineswegs grundsätzlich infrage. Vielmehr warnen sie vor Risiken und unbeabsichtigten Folgen, die es durch wohlüberlegte Strategien zu vermeiden gelte. Wichtig erscheinen ferner zwei das Monitoring begleitende Themen: (1) der Umgang mit den vielfältigen Daten (z.B. über individuelle Schülerleistungen, zur Abhängigkeit der Schülerleistungen vom sozialen Hintergrund, zusammengefasste Daten über die Leistungen von Schulen) und (2) das Vertrauen in das Bildungssystem angesichts seiner dauerhaften Beobachtung. Beide Themen sollen im Folgenden kurz besprochen werden.
Umgang mit den Informationen aus dem Bildungsmonitoring
Wie kann mit den aus dem Bildungsmonitoring hervorgebrachten Daten so umgegangen werden, dass Lehrerinnen und Lehrer, Eltern, Bildungspolitikerinnen und -politiker oder Menschen in der Bildungsverwaltung tatsächlich sinnvolle Schlüsse und wirkungsvolle Maßnahmen daraus ableiten und diese auch umsetzen können? Mittlerweile wird nämlich von namhaften Bildungsforscherinnen und -forschern darauf hingewiesen, dass angesichts der vielen Inspektionen, Vergleichsarbeiten, Unterrichtsstudien usw. regelrechte "Datenfriedhöfe" entstehen. Das Wissen über den sinnvollen Umgang mit Daten hält nicht mit ihrer Produktion Schritt (Terhart 2002). An dieser Problematik wird in der Bildungsforschung bereits lange gearbeitet. So wird zum Beispiel der Frage nachgegangen, wie Informationen so aufbereitet und an Betroffene und Entscheidungsträgerinnen und -träger zurückgemeldet werden können, dass sie diese zur Kenntnis nehmen, gezielt nutzen und tatsächlich Maßnahmen daraus ableiten können. Dieser sogenannten Rückmelde- und Transferforschung (z.B. Nickolaus/Gräsel 2006; Diemer/Hartung-Beck/Kuper 2013) geht es um die Möglichkeiten der Kommunikation von wissenschaftlichen Ergebnissen. Wie lassen sich Reformideen von Entwicklungs- in Anwendungskontexte übertragen? Wie kann sichergestellt werden, dass Befunde von Praktikerinnen und Praktikern nachvollzogen und tatsächlich in die Schulentwicklung eingespeist werden können? Hier bestehen nach Auffassung nahezu aller Beteiligten noch erhebliche Defizite – aus der Feststellung von Problemen folgt eben keineswegs automatisch ihre Lösung (siehe
Monitoring und Vertrauen – ein Widerspruch?
Unterschiedliche Studien zeigen, dass das Vertrauen in das Bildungssystem (und andere gesellschaftstragende Institutionen) seit einigen Jahren zurückgeht: So wurde 2004 in einer repräsentativen Studie ermittelt, dass fast die Hälfte der Bevölkerung Schulen oder dem Bildungssystem viel oder sehr viel Vertrauen entgegenbringt (Schupp/Wagner 2004). Wenige Jahre nach Einführung des Bildungsmonitorings wurde in einer anderen, ebenfalls repräsentativen Befragung festgestellt, dass nur ein Viertel der Bevölkerung dem Bildungssystem vertraut (ipsos 2010).
Einige Forscherinnen und Forscher gehen davon aus, dass unter anderem die Medien an diesem Vertrauensrückgang beteiligt sind. Oftmals würden besonders solche Monitoring-Ergebnisse, die den Erwartungen an die Leistungsfähigkeit des Bildungssystems nicht entsprechen, einseitig und teilweise auch verzerrend dargestellt. Erwartungswidrige Ergebnisse werden dann wie Skandale und die Befunde quasi als Enthüllung kommuniziert. Das offenbar sinkende Vertrauen erscheint zunächst plausibel. Trotz zahlreicher Maßnahmen, die den offenkundigen Leistungs- und Gerechtigkeitsproblemen des Schulwesens entgegenwirken sollen, sind keine schnellen und durchgreifenden Erfolge sichtbar. Zudem erscheinen die vielen parallel, teils hastig durchgeführten Reformen nicht immer vollständig durchdacht. Teilweise haben sie unerwünschte Nebenwirkungen, wie etwa beim Hin und Her rund um das acht- oder neunjährige Gymnasium, in Berichten über Überlastungen bei Schülerinnen und Schülern und bei Lehrerinnen und Lehrern oder in Berichten über die versehentliche Veröffentlichung sensibler Daten deutlich wird. Dadurch kann der Eindruck entstehen, dass das ja immerhin öffentlich finanzierte Bildungssystem seinen Aufgaben nicht gut genug nachkommt. Werden aber die Erwartungen an das Bildungssystem oder genauer: an einzelne Bildungsorganisationen immer wieder enttäuscht, kann dies zu einem dauerhaften Rückgang des Vertrauens gegenüber dem Bildungssystem führen. Problematisch ist dies besonders deshalb, weil im Bildungsbereich langwierige und kostspielige Reformen durchgeführt werden, die gerade das Vertrauen derer brauchen, die von den Reformen unmittelbar als Lernende oder Lehrende oder mittelbar als Steuerzahlerinnen und -zahler betroffen sind.
Im Vorhinein ist nie sicher, ob die Ziele solcher Veränderungsprozesse auch wirklich erreicht werden können, denn die Wirkung von Eingriffen in so komplexe Systeme wie das Bildungssystem lassen sich selbst unter den günstigsten Voraussetzungen nicht hundertprozentig vorhersagen. Daher ist es wichtig, die Umsetzung und den Erfolg von Maßnahmen systematisch zu beobachten und darüber zu berichten. Eine solche Transparenz kann gerade auch dazu führen, dass Vertrauen aufgebaut wird. Das Vertrauen in den (späteren) Erfolg von Reformen und auch die systematische Beobachtung ihrer Umsetzung ist deshalb unerlässlich, damit die Reformen von Beginn an von den Betroffenen akzeptiert und unterstützt werden. Fehlt das Vertrauen, kann es zu einer Ablehnung von angestrebten Veränderungen kommen. Eine solch negative Grundhaltung in der Bevölkerung könnte die Handlungsspielräume der Politik empfindlich einschränken, schlimmstenfalls gar einer aus pädagogischer Sicht wünschenswerten Weiterentwicklung des Bildungssystems im Wege stehen. Wenn das Bildungsmonitoring oder bestimmte Formen desselben eine Vertrauenskrise des Bildungssystems herbeiführen oder verstärken, unterminieren sie damit womöglich ihren eigenen Zweck, nämlich den, die Schulentwicklung zu unterstützen.
Aus dieser Sicht ist sicherlich eine weiterhin zu diskutierende Frage, wie viel und welches Wissen über Bildung erforderlich ist. Wie kann dieses Wissen von den verschiedenen Beteiligten produktiv genutzt werden, um Bildungsungleichheiten nachhaltig zu reduzieren und eine insgesamt höhere Qualität im Bildungssystem zu erzielen? Auf diese Fragen gilt es, schlüssige Antworten zu finden.