Ziemlich genau sechs Jahre ist es her, da entschlossen sich die Universität zu Köln und der Arzneimittelhersteller Bayer zu einer engen Zusammenarbeit. Vereinbart wurde eine Kooperation, bei der das Pharma-Unternehmen Geld überweist: für die Krebsforschung und für die Ausbildung von Doktoranden. Zwar ist Bildung in Deutschland Staatsaufgabe, die allermeisten Universitäten und Fachhochschulen sind deshalb öffentlich finanziert. Doch immer öfter nehmen die Hochschulen auch private Gelder an – um die Forschung, aber auch die Ausbildung der Nachwuchsakademiker zu finanzieren.
Drittmittel heißen diese Überweisungen, auf die die Hochschulen nicht verzichten wollen. So wie im Fall der Uni Köln: Jährlich bekomme die Hochschule von Bayer einen niedrigen sechsstelligen Euro-Betrag, sagt Uni-Sprecher Patrick Honecker – viel mehr will er allerdings nicht verraten. "Das ist eine sogenannte preferred partnership, das heißt: Wir haben mit Bayer Leverkusen eine Kooperationsvereinbarung, wo zum Beispiel eine gemeinsame Graduiertenschule betrieben wird. Es geht darum, dass man zum einen natürlich auf Interna von Bayer zurückgreift, auf der anderen Seite natürlich auch wissenschaftlich gemeinsam geforscht wird. Letztendlich ist in diesem Rahmenvertrag geregelt, wie diese Art der Zusammenarbeit organisiert wird."
Wem gehören die Forschungsergebnisse?
Doch worum geht es bei dieser "preferred partnership" genau? Was wird konkret erforscht? Wem gehören die Forschungsergebnisse, die ja in staatlich finanzierten Labors entstehen? Zu diesen Fragen schweigt die Universität. Und mit dieser strikten Informationspolitik ist sie nicht alleine: Kaum eine Hochschule in Deutschland legt komplett offen, welches Unternehmen wie viel Geld für welche Dienstleistung oder Kooperation bezahlt.
Dabei wird unternehmensfinanzierte Forschung immer wichtiger. Der Stifterverband für die deutsche Wissenschaft schätzt, dass es aktuell deutschlandweit rund 1.000 Stiftungslehrstühle an Hochschulen gibt: Professoren, die nicht vom Staat, sondern von Firmen bezahlt werden – was die Frage aufwirft, wie viel Einfluss sich die Geldgeber damit auf die Inhalte der Forschung und der Lehre sichern. Eine Frage, die Kritiker auch im Kölner Fall stellen. Wie stark hat sich die Universität tatsächlich von dem Pharmakonzern abhängig gemacht? Patrick Schnepper engagiert sich als Studentenvertreter im AStA der Kölner Universität. "Uns ist das schon lange ein Dorn im Auge, also auch unser Studierendenparlament hat da schon verschiedene Resolutionen beschlossen – wir würden halt einfach gerne wissen: Was macht Bayer an der Uni? Was macht die Uni für Bayer? Wie läuft das Ganze? Mit Wissenschaftsfreiheit hat das so in dem Sinne für uns erst mal nix zu tun, da müsste es transparent dargelegt werden. Wir wissen schlichtweg einfach nicht, was wir davon halten sollen. Wir wissen ja nicht, was gemacht wird."
Sogar eine Klage auf Auskunft vor dem Verwaltungsgericht hatte der AStA zusammen mit anderen Organisationen angestrengt – vergeblich. Die Richter entschieden, dass die Universität die Vertragsdetails sehr wohl geheim halten darf. Dabei hatte sogar der NRW-Datenschutzbeauftragte Ulrich Lepper in einer Stellungnahme gefordert, dass Kooperationsverträge zwischen Hochschulen und der Industrie offen gelegt werden sollen. In der Stellungnahme heißt es: "Die Freiheit von Forschung und Wissenschaft lebt von einer offenen Diskussion; Geheimhaltung engt diese Freiheiten ein. Einer verborgenen Einflussnahme auf Forschungsgegenstände, Forschungsergebnisse und auf deren Veröffentlichung kann nur durch eine konsequente Politik der Offenheit begegnet werden."
6,3 Milliarden Euro Drittmittel
Doch bisher fehlen diese konsequenten Regelungen – obwohl die Hochschulen längst flächendeckend auf die externen Finanzmittel aus der Wirtschaft angewiesen sind. Ohne die 6,3 Milliarden Euro, die die deutschen Unis und Fachhochschulen im Jahr 2011 als Drittmittel einwarben, wäre der Betrieb der Hochschulen gar nicht mehr möglich. Andere Quellen sprechen sogar von deutlich über zehn Milliarden Euro pro Jahr, die deutsche Unternehmen in die Auftragsforschung stecken. Mittlerweile kommt damit durchschnittlich jeder vierte Euro in den Uni-Haushalten aus Drittmitteln – externe Geldgeber werden an den Hochschulen also immer wichtiger.
Einige Beispiele
An der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt heißt der größte Hörsaal seit 2011 "WAREMA Renkhoff Aula", benannt nach einem großen mittelständischen Sonnenschutz-Hersteller.
An der RWTH, der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen, sponsert ein Energieversorger das "E.ON Energy Research Center". Innerhalb von zehn Jahren stellt das Unternehmen dafür 40 Millionen Euro zur Verfügung.
An der Universität zu Köln finanziert E.ON zusammen mit RWE seit 2009 ein "Energiewirtschaftliches Institut". Die beiden Konzerne und das Land Nordrhein-Westfalen haben hier innerhalb von fünf Jahren zwölf Millionen Euro investiert.
An der Ludwig-Maximilians-Universität München wird das "Zentrum für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht" von einer Stiftung finanziert, die von Arbeitgeberverbänden getragen wird.
Einfluss auf die Forschung?
Fest steht: Ohne Drittmittel könnten viele Forschungsprojekte gar nicht umgesetzt werden. Unklar ist jedoch, ob damit auch die Finanziers aus der Wirtschaft immer mehr Einfluss auf die Forschung nehmen, wie es die Kritiker befürchten. Die Antwort auf diese Frage könnte ein Blick in die Verträge zwischen Unis und Geldgebern bieten – doch oft genug weigern sich die Hochschulen, solche Vereinbarungen offen zu legen.
Der deutsche Ableger der Anti-Korruptions-Organisation "Transparency International", der studentische Dachverband "freier Zusammenschluss der StudentInnenschaften" und die Tageszeitung "taz" haben deshalb vor zwei Jahren das Online-Portal "hochschulwatch.de" ins Leben gerufen. Auf der Internetseite sollen möglichst alle Kooperationen der fast 400 deutschen Hochschulen mit Unternehmen öffentlich gemacht werden.
Werbepausen in den Vorlesungen?
Erik Marquardt studiert Chemie und Politik in Berlin und gehört zu den Initiatoren von hochschulwatch.de. Es sind Vorgänge wie die Einrichtung eines "Aldi-Süd-Hörsaals" an der Fachhochschule Würzburg, die den Studenten empören. Ein Grund für sein Engagement bei hochschulwatch.de. "Man muss sich auch da fragen: Warum macht Aldi das? Aldi möchte sozusagen den Markt der Studierenden erschließen, möchte die Kaufinteressen wecken, und ich möchte eigentlich nicht immer zur Mensa gehen, dann noch einen Handyvertrag in die Hand bekommen, dann noch ein Angebot vielleicht für ein neues Bankkonto, im Aldi-Süd-Hörsaal studieren und am Ende – das ist ja gar nicht mehr so weit weg, wenn man das weiterdenkt – noch eine Vorlesung hören, die durch zwei fünfminütige Werbepausen unterbrochen ist."
Drittmittel-Kooperationen wie die zwischen Aldi und der FH in Würzburg werden deshalb auf der Seite hochschulwatch.de gesammelt und veröffentlicht. Angewiesen ist man dabei auch auf Hinweise von Hochschul-Mitarbeitern, die diese Kooperationen gegebenenfalls auch anonym melden können. Vor der Veröffentlichung werden diese Meldungen dann noch von Rechercheuren der "taz" kontrolliert. Die Anonymität, sagt Erik Marquardt, sei dabei ein wichtiges Element. Denn niemand, der die geheimen Verträge transparent mache, solle berufliche Nachteile fürchten müssen. "Wir glauben, dass es eigentlich relativ viele Probleme momentan an den Hochschulen gibt und relativ wenig Möglichkeiten, sich da zu artikulieren – für Studierende vielleicht noch mehr als für Mitarbeiter in Projekten, die dann feststellen, dass es dort maßgebliche Probleme gibt, sie aber in ihrem Arbeitsvertrag stehen haben, dass sie eigentlich nicht darüber reden dürfen."
Eine internationale Debatte
Das Projekt Externer Link: hochschulwatch zielt zwar nur auf die deutsche Hochschullandschaft, doch die Debatte um die Bedeutung der Drittmittel wird derzeit international geführt. Nicht wenige Wissenschaftspolitiker fordern, das finanzielle Engagement der Wirtschaft an den Hochschulen sogar noch voranzutreiben – um damit mutmaßlich den Staat von Ausgaben für die Universitäten zu entlasten. Besonders weit geht in dieser Hinsicht England: Der britische Wissenschaftsminister David Willets will Drittmittel nicht nur für Forschungsprojekte, sondern auch für den ganz normalen Studienbetrieb der Unis. "Es gibt doch einen klaren Trend bei der Hochschulfinanzierung: weg vom Staat, hin zum Einzelnen und zu den Unternehmen. Über Studiengebühren als Beitrag haben wir schon sehr viel diskutiert, aber über die Rolle der Unternehmen nur sehr wenig. Wir müssen darüber reden, welches Ausbildungsniveau die Arbeitgeber von den Universitätsabsolventen erwarten – und wie sie zur Finanzierung beitragen."
Universität als Dienstleister der Unternehmen
Die Universität gewissermaßen als fast hundertprozentiger Dienstleister der Unternehmen – eine Haltung, die in der deutschen Hochschullandschaft wohl noch für Befremden sorgt. Einen unzulässigen Eingriff in die Freiheit von Lehre und Forschung kann David Willets in seiner Forderung dennoch nicht erkennen. Im Gegenteil. "Natürlich wäre es gut, wenn Unternehmen sich hier stärker beteiligen, als Arbeitgeber finanzieren sie ja jetzt schon die Unis durch ihre Steuern mit. Aber ich möchte sie auch überzeugen, sich mehr im Sponsoring der Universitäten zu engagieren und etwa bestimmte Seminare anzubieten. Wir bewegen uns ja auf ein immer freieres Hochschulsystem zu – und da passt so etwas einfach hinein."
NRW fordert mehr Transparenz
Freie Hand also für die Hochschulen im europäischen Hochschulraum, wenn sie sich um Gelder aus der Wirtschaft bemühen? Auf keinen Fall, sagt Svenja Schulze, nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerin. Die SPD-Politikerin hat in der vergangenen Woche, pünktlich zum Beginn des Sommersemesters an den Universitäten, im Düsseldorfer Landtag ihren Entwurf für ein neues Hochschulgesetz eingebracht. Dafür hat sie im Vorfeld heftige Kritik einstecken müssen – unter anderem wegen ihrer Forderung, dass Hochschulen offenlegen sollen, von wem sie ihre Drittmittel erhalten. Svenja Schulze: "Es ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit! Das sind zum überwiegenden Teil öffentliche Mittel, die als Drittmittel an die Hochschulen gehen, also als projektbezogene Mittel. Natürlich muss es über diese Mittel Transparenz geben. Wenn es EU-Mittel sind, ist das heute auch schon sehr transparent. Wir wollen jetzt, dass die Hochschulen das in geeigneter Weise jeweils veröffentlichen. Und deutlich machen, was sie auch an solchen Projektmitteln eben bekommen."
Im Gesetzentwurf ist das so formuliert, dass die Hochschulen den Veröffentlichungszeitpunkt weitgehend selbst bestimmen können – mit gutem Grund, sagt Svenja Schulze. "Wenn man ein langes Projekt hat über 15 Jahre, in den Geisteswissenschaften, dann ist man vielleicht froh, das am Anfang veröffentlichen zu können. Wenn es um ein Industrieprojekt geht, wo es auch um Konkurrenzen geht und um schwierige Sachen, die das Betriebsgeheimnis berühren, möchte man es vielleicht gar nicht veröffentlichen – das muss jeweils die Hochschule entscheiden."
Hochschulen gegen Offenlegung
Die Idee hinter dieser Transparenzregel: Nur wenn öffentlich bekannt ist, wer einer Uni oder Fachhochschule Geld zur Verfügung gestellt hat, kann auch beurteilt werden, ob es dabei möglicherweise zu Interessenkollisionen kommt – oder ob es dazu bereits gekommen ist. Doch bei Hochschulvertretern kommt dieser Wunsch nach Transparenz ganz anders an. Bernhard Kempen ist Präsident des Deutschen Hochschulverbands, der Standesorganisation der Universitätsprofessoren. Die nordrhein-westfälischen Gesetzespläne findet er empörend. "Das Gesetz, und das ist das, was mich wirklich erbost an der Sache, ist – dieses Gesetz wird geprägt durch eine Art Misstrauens-Grundduktus. Misstrauen gegenüber den Universitäten und ihren Angehörigen, dass wir unseren Job nicht gut machen, dass wir faul sind, uns wird an allen Ecken und Enden nur mit Misstrauen - und das heißt dann auch: mit kleinlicher bürokratischer Kontrolle – begegnet. Das haben wir nicht verdient."
Kleinliche bürokratische Kontrolle der professoralen Arbeit? NRW-Wissenschaftsministerin Svenja Schulze hält dagegen. "Vor allen Dingen die Wortwahl ist bemerkenswert. Ich finde schon, dass da auch einige mit ungewöhnlicher Schärfe in diese Debatte hineingegangen sind. Es bleibt dabei: Wir brauchen ein Hochschulzukunftsgesetz, es geht um die Anforderungen der Zukunft – da gehört Transparenz dazu, da gehört gute Arbeit dazu, mehr Demokratie an den Hochschulen, die wir da nach vorne bringen wollen – das sind alles Anforderungen, die fast niemand bestreitet."
Bernhard Kempen pocht dagegen auf die Autonomie und Freiheit der Hochschulen. Die wüssten selbst, welche Drittmittel-Einwerbungen ethisch vertretbar seien und welche nicht. Andere Bundesländer hätten das auch längst akzeptiert. "Da könnte man auf andere Landesgesetze verweisen, etwa auf das bayerische, das baden-württembergische – um mal nur zwei aus der Südschiene zu nennen. Die sind da deutlich liberaler; die haben da deutlich mehr Vertrauen in die Leistungsfähigkeit ihrer Universitäten. Und auch darein, dass dort alles nach Recht und Gesetz zugeht."
Veröffentlichung mit Verzögerung
Auch Elmar Weiler verfolgt die aktuelle Drittmittel-Debatte mit großer Aufmerksamkeit. Grundsätzlich habe er auch gar nichts gegen Transparenz, sagt der Rektor der Bochumer Ruhr-Universität. Er will diese Regeln aber sehr frei auslegen dürfen. So könne er sich vorstellen, die Einzelheiten zur Finanzierung von Forschungsprojekten im Nachhinein und mit erheblichem zeitlichen Abstand zu veröffentlichen – wenn alle Verwertungsrechte durch die beteiligten Unternehmen und Forscher ausgeschöpft seien. "Das kann aber noch ein paar Jahre dann dauern. Aber prinzipiell sind wir natürlich nicht gegen Transparenz. Aber man muss eben naturgemäß die verschiedenen schutzwürdigen Rechte von Geldgebern auch berücksichtigen."
Einwände, die auch NRW-Wissenschaftsministerin Svenja Schulze nachvollziehen kann. Und die sie im neuen Hochschulgesetz auch berücksichtigt habe. "Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Die Frage ist jetzt immer, zu welchem Zeitpunkt und wann müssen sie es öffentlich machen? Das kann nur jede einzelne Hochschule entscheiden. Und genau das steht im Gesetz: dass sie in geeigneter Weise deutlich machen sollen, was sie an Drittmitteln haben."
Strenge Vorgaben abschreckend?
Doch was bedeutet nun "geeignete Weise"? Der Bochumer Rektor Elmar Weiler fürchtet, dass Geldgeber aus der Wirtschaft mit zu strengen Vorgaben verschreckt werden könnten. Aus seiner Sicht ein hohes Risiko, denn der Anteil der Drittmittel am Gesamtetat sei nicht zu unterschätzen.
Warum aber konnten die Drittmittel für die Etats der Unis und Fachhochschulen überhaupt so bedeutend werden? Das liegt nach Ansicht vieler Hochschul-Akteure auch daran, dass zwar die Studentenzahlen seit Jahrzehnten kontinuierlich steigen, die Ausstattung der Hochschulen mit öffentlichen Geldern da aber nicht mitgehalten hat. Diese sogenannte Grundfinanzierung sei zu niedrig, sagt Elmar Weiler: "Die Grundfinanzierung ist natürlich relativ zu den Studierendenzahlen zurückgegangen. Also, ganz deutlich zurückgegangen. Sodass wir da sicherlich, was den Landeszuschusshaushalt betrifft, schon eine relativ angespannte Situation haben. Denn das erste Bestreben muss ja natürlich mal sein, die Studierenden gut auszubilden. Und wenn man sehr viele Studierende hat, die Gelder abnehmen, dann wird das zunehmend ein Problem."
Mehr Praxis dank Kooperationen
Das allerdings sei ein Argument, das in der Debatte um das finanzielle Engagement von Unternehmen in Lehre und Forschung nur von untergeordneter Bedeutung sei, sagt der Bochumer Rektor. Für viel wichtiger hält Weiler, "dass die Expertise der Hochschulen im grundlagenwissenschaftlichen Bereich immer zur Anwendung gebracht werden soll. Damit ermöglichen wir es vielen Studierenden, auch Doktoranden und Doktorandinnen, sich im Bereich von anwendungsorientierter Forschung an konkreten Projekten – nicht so theoretisch, sondern wirklich an konkreten Projekten - schulen können. Und das verbessert auch die Chancen unserer Leute auf dem Arbeitsmarkt."
Doch das ist eben nur die eine Seite der engen Verzahnung zwischen Hochschulen und Unternehmen. Die andere ruft Studentenvertreter Erik Marquardt von der Internetplattform hochschulwatch.de in Erinnerung. Er sieht im steigenden finanziellen Einfluss der Industrie eine immer stärkere Bedrohung des freien akademischen Diskurses. "Das ist dann zum Beispiel so, dass T-Mobile relativ viel an der Uni Frankfurt investiert; die Institute für Ostasienwissenschaften an der Uni Göttingen von der chinesischen Regierung finanziert werden, also die Erweiterung dort; oder der Fall an der TU Berlin zum Beispiel, dass die Deutsche Bank sich in einem Kooperationsvertrag mit der HU und der TU relativ weit reichende Rechte, was die Berufung von Professorinnen und Professoren angeht, gesichert hat – aber auch die Veröffentlichungsrechte an den Forschungsergebnissen zum Beispiel."
Insbesondere der Berliner Fall hatte vor zwei Jahren für Aufsehen gesorgt: Erst durch die Indiskretion eines Professors kam heraus, dass die Deutsche Bank den Universitäten ein "Institut für Finanzmathematik" gesponsert hatte. Die Gegenleistung war nicht nur ein Mitspracherecht bei der Ernennung von Professoren an diesem Institut, sondern auch bei der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen. Unerwünschte Forschungsresultate hätten damit von der Bank blockiert werden können. Die Empörung war so groß, dass die Kooperation inzwischen beendet wurde.
Trend zur unternehmerischen Hochschule
Doch solche Fälle hält der frühere Staatssekretär im NRW-Wissenschaftsministerium, Wolfgang Lieb, nur für die Spitze des Eisbergs. Der Trend zur unternehmerischen Hochschule, wie er in den letzten zehn oder 15 Jahren verfolgt wurde, sei gefährlich, warnt Wolfgang Lieb, der mittlerweile die kritische Internetplattform Nachdenkseiten betreibt. Wenn heutige Uni-Vertreter und Wissenschaftspolitiker über Hochschulen sprechen, gehe es normalerweise nicht mehr um Erkenntnis, Wahrheitssuche oder die Freiheit der Wissenschaft. "Wie aus einem Redenschreib-Generator, bis zum Überdruss, tauchen immer wieder folgende Stichworte auf: Wettbewerb, Autonomie, Exzellenz, Internationalität, effektives Management, Wirtschaftlichkeit, zusätzliche Finanzierungsquellen angesichts knapper öffentlicher Kassen, selbstverständlich darf Marketing nicht fehlen."
"Dadurch," so Wolfgang Lieb, "habe sich bereits das gesamte Selbstverständnis der Universitäten und Fachhochschulen geändert. (...) Die Qualität einer Hochschule bestimmt sich nicht mehr aus ihrer wissenschaftlichen Anerkennung innerhalb der scientific community, sondern in der unternehmerischen Hochschule erweist sich die Qualität in der Konkurrenz mit ihresgleichen. Die Qualität der Forschung lässt sich aus der erfolgreichen Konkurrenz um Marktanteile bei den Forschungsmitteln, nämlich der Höhe der Drittmitteleinwerbung – also an handfestem Kapital messen."
Konkurrenz um Geldgeber
Mit anderen Worten: Der Beste ist, wer die meisten Geldgeber in der Wirtschaft findet. Damit aber, sagt Wolfgang Lieb, habe sich die Hochschule verkauft. Der Bochumer Uni-Rektor Elmar Weiler weist diese fundamentale Kritik zurück: Eingeworbene Drittmittel, argumentiert er, kommen nicht nur den Forschern, sondern vor allem auch den Studierenden zugute. "Also, wenn wir rein auf Grundlagenforschung gehen würden, dann wären unsere Absolventen lange nicht so interessant für Arbeitgeber in der Wirtschaft."
Klar ist aber auch: Wenn Hochschulleitungen um die Zusammenarbeit mit einzelnen Geldgebern aus der Wirtschaft ein großes Geheimnis machen, dann bereiten sie erst den Boden für Misstrauen und Zweifel.
Zuerst erschienen auf: deutschlandfunk.de, Beitrag vom 17.04.2014 (Externer Link: http://www.deutschlandfunk.de/drittmittel-an-hochschulen-zwischen-freigeist-und.724.de.html?dram:article_id=283064)