Die Güte eines Bildungssystems wird nicht nur an seinen Leistungen, sondern auch an seinen Erträgen gemessen. Unterschieden wird hierbei zwischen privaten (individuelle Bildungsrenditen), staatlichen (fiskalische Renditen) und sozialen Erträgen (Nutzen für die Allgemeinheit). Private Erträge lassen sich neben dem Einkommen (aktueller Lohn, Lebenseinkommen, Renten) an den Arbeitsmarktchancen (Arbeitssuche, Beschäftigung, Arbeitslosigkeit, etc.), an den qualifikationsbezogenen Attributen des Arbeitsplatzes (qualifikationsadäquate Beschäftigung, Autonomie der beruflichen Tätigkeit, Aufstiegsmöglichkeiten, Weiterbildung, Beschäftigungssicherheit, etc.) und an weiteren Faktoren wie Zufriedenheit oder Mobilität bemessen.
Staatliche Erträge, mit denen allerdings die staatlichen Bildungsausgaben zu verrechnen wären, sind höheres Steueraufkommen sowie geringere Belastungen rechts- und wohlfahrtsstaatlicher Systeme, wenn beispielsweise Beschaffungskriminalität zur Bestreitung des Lebensunterhalts infolge hoher und langandauernder Erwerbsbeteiligung auf niedrigem Niveau gehalten werden kann oder wenn die Sozialversicherungssysteme wegen einer hinreichend großen Zahl legal beschäftigter Beitragszahler funktionieren.
Als soziale Erträge sind u. a. eine positive wirtschaftliche Entwicklung, eine bessere Befriedigung des aktuellen und zukünftigen Bedarfs an qualifizierten Arbeitskräften sowie bewussteres Gesundheitsverhalten, größeres gesellschaftliches Engagement und geringere Kriminalität zu betrachten.
Im Allgemeinen gilt, dass Investitionen in Bildung mit Vorteilen bei individuellen Einkommen und – über den Lebenslauf betrachtet – mit relativ hohen Renten und privilegierter Lebensführung und -gestaltung einhergehen. Ebenso übersteigt der Nutzen von Bildung für den Staat und die Allgemeinheit die enormen Kosten, die eine Generation für die Investition in die Bildung nachwachsender Generationen aufbringen muss. Investitionen in Bildung "lohnen" sich also für Staat, Wirtschaft und Einzelpersonen gleichermaßen.
Erwartete und unerwartete Folgen der Bildungsexpansion
Die Bildungsexpansion der letzten Jahrzehnte ist auch im Zusammenhang mit der Bedeutung des gesellschaftlichen Bildungsniveaus für wirtschaftliches Wachstum, technischen Fortschritt und individuellen Wohlstand zu sehen. Generell wird angenommen, dass Bildung als Humankapital zum Wirtschaftswachstum beiträgt, weil höher gebildete Arbeitskräfte produktiver sind. Bildung wird als eine wichtige Voraussetzung für eine nachhaltige nationale wirtschaftlichen Entwicklung und die Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland im internationalen Wettbewerb definiert.
Die empirischen Belege hierfür sind jedoch keineswegs eindeutig. Zwar scheint eine höhere Bildungsbeteiligung in der Bevölkerung zu einem stärkeren Wirtschaftswachstum beizutragen. In Deutschland sind für die Allgemeinheit die Erträge für Bildung – zum Beispiel auch gemessen am Steueraufkommen der besser gebildeten Gruppen – höher als die Kosten, die der Staat bzw. die Gesellschaft für die Finanzierung der Bildung nachwachsender Generationen aufbringen muss. Jedoch ist dieser Zusammenhang nicht notwendig und hängt wesentlich von Rahmenbedingungen wie der institutionellen Kopplung des Bildungs- an das Beschäftigungssystem und der Struktur des Arbeitsmarktes ab.
Unbestritten ist auch, dass die Bildungsexpansion und damit auch ihre positiven Wirkungen ihrerseits von der wirtschaftlichen Entwicklung eines Landes und seinem Wohlstand selbst abhängen. Im Folgenden werden einige ausgewählte und empirisch gut belegte Zusammenhänge von Bildung und deren Erträgen beschrieben und wie sie sich im Zuge der Bildungsexpansion gewandelt haben. Insgesamt aber ist das Wissen über diese Zusammenhänge noch vergleichsweise gering.
Bildung und Beschäftigung: Die höheren Bildungsrenditen für Akademiker
Es ist unbestritten, dass der Bildungsstand die individuellen Erwerbs- und Berufsmöglichkeiten und damit andere Lebenschancen am nachhaltigsten beeinflusst. Je besser Individuen ausgebildet sind, desto höher ist ihr Einkommen, und je größer der Anteil höher Qualifizierter an der Bevölkerung ist, desto verbreiteter ist der individuelle Wohlstand. Doch es ist nicht eindeutig geklärt, in welchem Maße sich das höhere Einkommen besser Qualifizierter ihrer höheren Produktivität verdankt oder inwieweit die Signalwirkung von Bildungsabschlüssen gewünschte Attribute wie Anpassung, Disziplin oder Sozialverhalten fördert, die dann eine bessere Bezahlung zur Folge haben.
Gut belegt ist, dass sich mit dem gestiegenen Bildungsstand die individuellen Bildungserträge verändert haben. Es kam bislang nicht zur Entwertung von Bildung als Folge von Bildungsinflation, auch wenn sich die Verwertungschancen der Bildungsabschlüsse bezüglich des Einkommens etwas verringert haben. Die relativen Abstände zwischen den verschiedenen Bildungsgruppen blieben bei den Anfangseinkommen stabil, scheinen sich aber trotz sinkender Einkommenszuwächse für alle Bildungsgruppen über die Berufserfahrung und für die Lebenseinkommen zu vergrößern. Hochschulabsolventen verdienen immer noch deutlich mehr als Nichtakademiker und haben bei relativ geringen Risiken, arbeitslos zu werden, ein beruflich relativ sicheres wie vorteilhaftes Erwerbsleben. Wenn die Renditen für Erwerbstätige ohne und mit mittlerem Ausbildungsabschluss bei 100 % liegen, so betragen sie für die Hochschulabsolventen 160 %. Auch bei ungünstigen wirtschaftlichen Entwicklungen sind besser gebildete Personen im Vorteil: So sind die durchschnittlichen Bildungsrenditen bis Ende der 1990er-Jahre gesunken, um danach wieder anzusteigen, wobei über die Zeit der Geschlechterunterschied in den relativen Bildungserträgen verschwunden sein dürfte. Denn die Bildungsexpansion hat auch entscheidend zur Erwerbsbeteiligung und Einkommenschancen von immer besser qualifizierten Frauen beigetragen. Trotzdem aber erzielen Frauen bei gleicher Ausbildung, bei gleicher Tätigkeit und gleicher Leistung immer noch im Durchschnitt ein fast ein Viertel geringeres Einkommen als Männer.
Die engere Kopplung des Bildungs- an das Beschäftigungssystem und die Zunahme der Erwerbstätigkeit von Frauen
Weil in der Nachkriegszeit und nicht zuletzt als Folge der Bildungsexpansion die Kopplung von Bildungs- und Beschäftigungssystem enger geworden ist, hängen auch die Berufschancen immer mehr vom jeweiligen Bildungsniveau ab. Statt zu einer Bildungsinflation kam es eher zu einer bildungsbezogenen Schließung von Arbeitsplätzen mit positiven Attributen wie Einkommen, Prestige, Arbeitsbedingungen, Karrieremöglichkeiten, Arbeitslosigkeitsrisiken, etc. Für Arbeitsplätze mit mittlerem und insbesondere höherem Anforderungsniveau, die in den letzten Jahrzehnten im Dienstleistungs- und Verwaltungsbereich gegenüber den Produktionsberufen zahlenmäßig angestiegen sind, hat die Bedeutung von Bildung besonders deutlich zugenommen. Die Transformation der Berufsstruktur hin zur Dienstleistungsökonomie sowie die Zunahme bildungsintensiver Tätigkeiten hat die Nachfrage nach bereits qualifizierten Arbeitskräften erhöht. Davon haben insbesondere immer besser ausgebildete Frauen profitiert, deren Erwerbsbeteiligung und Integration in den Arbeitsmarkt im Zusammenspiel von Bildungsexpansion und Expansion des Wohlfahrtsstaates von Geburtsjahrgang zu Geburtsjahrgang deutlich angestiegen ist. Auch die Heirat und – in einem etwas geringeren Maße – die Familienbildung stellen schon lange keine unüberwindbaren Hürden mehr für besser qualifizierte Frauen dar, berufstätig zu werden und zu bleiben.
Allerdings haben sich strukturelle Unterschiede in der Erwerbsbeteiligung zwischen Männern und Frauen nicht aufgelöst. In allen Qualifikationsgruppen ist bei Frauen der Anteil von Nichterwerbspersonen doppelt so hoch wie bei den Männern. Gemessen am gesellschaftlichen Ansehen des Berufs haben für Berufsanfänger die Abstände zwischen den Bildungsgruppen zugenommen und die Erträge der Berufseinsteiger lassen sich am besten – und besser als vor oder kurz nach 1945 – durch ihren Bildungsabschluss erklären. Die gleichzeitig abnehmende Zahl von Jobs mit einfacher Tätigkeit, die nach Anlernen ausgeübt werden können, hat zu verschärften Arbeitsmarktproblemen von gering Qualifizierten oder Ausbildungslosen geführt. Das Risiko, arbeitslos zu werden, hat sich für die Gruppe der "Bildungsarmen" deutlich verschärft. Während im Jahre 2008 bei einer mittleren Arbeitslosigkeit von 10 % die Arbeitslosenquote für Hochschulabsolventen bei 4 bis 5 Prozent und für Erwerbspersonen mit einem mittleren Abschluss bei 10 % lag, betrug sie für Ausbildungslose etwa 22 %. Bildungsarme werden durch die bildungsbezogene Verdrängung vom Ausbildungs- und Arbeitsmarkt stigmatisiert und von Wohlstand und Wohlfahrt ausgeschlossen (Solga 2005).
Die Bedeutung der Bildungszertifikate für Arbeitsmarkterfolge ist – trotz befürchteter, aber de facto nicht eingetretener "Bildungsinflation" im Sinne einer Überproduktion von Akademikern – nicht gesunken, sondern gestiegen. Dabei führt die Höherqualifizierung der Berufsstruktur zu Umschichtungen in der Sozialstruktur, bei der die Arbeiterschichten zugunsten der Mittelschichten mit Dienstleistungs- und Verwaltungsberufen schrumpfen. Die bildungsbezogene Schließung des Arbeitsmarkts koppelt Bildung, Beruf und Einkommen aneinander und lässt soziale Ungleichheit trotz Bildungsexpansion andauern.
Kognitive und politische Mobilisierung durch Bildung
Von der Bildungsexpansion erhoffte man sich auch eine kognitive Mobilisierung – ein wachsendes intellektuelles Potential, gesellschaftliche und alltägliche Vorgaben zu verstehen und mit ihnen umzugehen – in der Bevölkerung. Eine höhere Bildung bedeutet höhere individuelle Fähigkeiten der Informationsverarbeitung und Problemlösung, stärkere Handlungskompetenzen und damit verbesserte Teilhabe- und Gestaltungsmöglichkeiten in vielen Lebensbereichen. Sie sollte auf kollektiver Ebene ein Element langfristigen gesellschaftlichen Wandels sein. Gemessen an den Intelligenz- und Schulleistungen hat die Bildungsexpansion zu positiven Entwicklungen beigetragen. Beispielsweise ist der Anteil derjenigen gestiegen, die eine oder mehrere Fremdsprachen beherrschen. Auch in anderen Bereichen des öffentlichen Lebens gibt es Hinweise für positive Folgen der Bildungsexpansion, vor allem die zunehmende Akzeptanz kultureller, sozialer oder ethnischer Minderheiten, die abnehmende Akzeptanz der sozialen Ungleichheit zwischen den Geschlechtern oder die zunehmende Toleranz kultureller Verschiedenheit.
In Bezug auf die politische Mobilisierung ist festzuhalten, dass die habituelle Parteiidentifikation gesunken und das individuelle Wahlverhalten stärker reflektiert wird. Ausgänge von politischen Wahlen sind damit für die Parteien unberechenbarer geworden. Träger einer politischen Mobilisierung oder auch "partizipatorischen Revolution", die unter anderem neue, unkonventionelle politische Partizipationsformen sowie eine kritischere Haltung gegenüber politischen Parteien hervorgebracht hat, sind die jüngeren besser gebildeten Generationen. Auch im manifesten politischen Partizipationsverhalten zeigen sich bildungsspezifische Veränderungen: Bei höher Gebildeten ist eine deutliche Zunahme unkonventionellen politischen Engagements (Demonstration, Hausbesetzung, Mitwirkung an Bürgerinitiative oder sozialer Bewegung, etc.) festzustellen. Die besser Gebildeten sind auch politisch interessierter, aber hierbei schwinden in der Abfolge von Geburtskohorten distinktive Bildungseffekte durch Überlagerung anderer Prozesse wie etwa verändertes Medienangebot und Mediennutzung (Hadjar/Becker 2006).
Der Zusammenhang von Bildung und Werthaltungen bzw. Einstellungen gegenüber Migranten
Die Bildungsexpansion hat auch zum Wertewandel hin zum Postmaterialismus (Einstellung einzelner Personen oder ganzer Bevölkerungsgruppen mit Streben nach Frieden, Freiheit, Demokratie, Umweltschutz, Selbstverwirklichung, etc.) beigetragen. Nicht die jeweils jüngeren Generationen per se sind die Träger des Wertewandels, sondern vielmehr die höher Gebildeten unter ihnen (Hadjar 2006). Die Bildungsexpansion hat in Zusammenspiel mit anderen Einflussfaktoren und Entwicklungen (z. B. gestiegener Wohlstand, Zunahme von Auslandsreisen, Zunahme von Kontakten mit Personen aus anderen Kulturkreisen, etc.) Fremdenfeindlichkeit in den letzten 20 Jahren deutlich zurückgehen lassen. Doch die Formel: "Je mehr Bildung, desto geringer die Fremdenfeindlichkeit" gilt nicht generell, wie Erhebungen in den jüngsten Geburtsjahrgängen zeigen (Rippl 2006). Offensichtlich kann ein verändertes politisches Klimas die normalerweise positive Wirkung von Bildung auch aufheben oder gar umkehren. Wenn der Fremdenfeindlichkeit entgegen gesteuert werden soll, sind Investitionen in Bildung also notwendig, aber offenkundig nicht hinreichend. Doch generell bleibt festzuhalten, dass die zunehmende Bedeutung postmaterialistischer Werthaltungen bei den jüngeren Geburtsjahrgängen sowie gestiegene Möglichkeiten für Kontakte mit "Fremden" über die Bildungsexpansion vermittelt sind und zur Verhinderung und zum Abbau von Fremdenfeindlichkeit in jüngeren Generationen beitragen.
Bildung und Demographie
Es besteht auch ein enger Zusammenhang zwischen Bildungsexpansion und Lebenserwartung. Zum einen sind gesündere Personen mit höherer Lebenserwartung leistungsfähiger und können daher eher eine höhere Bildung erwerben. Doch das spielt eine viel geringere Rolle als die (umgekehrten) Auswirkungen der Bildung auf gesundheitsbewusste Lebensweisen: Besser Gebildete verfügen über das Wissen, wie sie ihr Leben und das ihrer Kinder und anderer Familienangehörigen gesund gestalten können, und über finanzielle Spielräume für gesundes Leben (Prävention und Kuration). Höher Gebildete haben nicht zuletzt aufgrund ihrer besseren finanziellen Möglichkeiten einen besseren Zugang zu einer wirksamen Gesundheitsversorgung als gering gebildete Bevölkerungsschichten.
Die Bildungsexpansion hat sich schließlich auch auf die Fertilität und die Chancen auf dem Partnerschaft- und Heiratsmarkt ausgewirkt. Familienbildungsprozesse verzögern sich im Lebenslauf sowohl wegen der längeren Verweildauer in der Ausbildung als auch infolge der Höherqualifikation selbst sowie wegen der gestiegenen Frauenerwerbstätigkeit (vgl. Kapitel "Bevölkerung" und Kapitel "Familie"). So sinken in der Abfolge von Geburtsjahrgängen die Heiratsraten, aber das Heiratsalter und das Alter bei Geburt des ersten Kindes steigt mit der Höherqualifikation der aufeinander folgenden Geburtskohorten, wobei die Unterschiede zwischen den jüngeren Geburtsjahrgängen in den letzten Jahren zusehends abgenommen haben. Besonders bei höher gebildeten Frauen ist bei den jüngeren Geburtsjahrgängen die Wahrscheinlichkeit gestiegen, kinderlos zu bleiben.
Die Chancen, einen Partner oder eine Partnerin zu finden, sind zunehmend mit dem Bildungsniveau der Beziehungspartner verknüpft, wobei vor allem niedrig gebildete Männer deutlich geringere Chancen haben, eine Partnerin mit höherem Bildungsniveau zu finden. Der Partnerschafts- und Heiratsmarkt hat also eine bildungsbezogene Schließung erfahren und die Bildungshomogenität der Partnerschaften und Ehen hat in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen. Ausbildungslose und gering qualifizierte Personen, Männer mehr als Frauen, haben vergleichsweise geringe Chancen auf dem Partnerschafts- und Heiratsmarkt.