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Shadow Education? Private Nachhilfe und das öffentliche Schulsystem | Bildung | bpb.de

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Infografik: Wie gut können Neuntklässler:innen Mathe? Infografik: Wie gut können Schüler:innen am Gymnasium Mathe? Ungleichheiten Bundesländerungleichheiten Bildungsungleichheiten - mögliche Ursachen Lehrkräfte & Bildungsungleichheit Schule & Bildungsungleichheit Brennpunktschule - ein Praxisbericht Infografik: Herkunft gleich Zukunft? "Wer kann, schickt seine Kinder auf eine bessere Schule" Geschichte Geschichte der allgemeinen Schulpflicht Schulgeschichte bis 1945 Kampf um die Schulstruktur Demokratisierung der Schulkultur Infografiken: Welche Schulen besuchten Achtklässler:innen in Deutschland, 1960-2012? Infografik: Welche Abschlüsse erreichten Schüler früher und heute? Datenreport 2021: Allgemeinbildende und berufliche Schulen Infografiken: Schule Infografik: 16 Bundesländer - 16 Schulsysteme Infografik: Welcher Anteil des Jahrgangs macht Abitur? Infografik: Verteilung der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf auf die Förderschwerpunkte (2013/14) Infografiken: Welche Schulen besuchten Achtklässler:innen in Deutschland, 1960-2012? Infografik: Welche Abschlüsse erreichten Schüler früher und heute? Infografiken: Welcher Anteil der jungen Erwachsenen je Bundesland erlangte das (Fach-)Abitur? (1995-2008) Grafik: Wie verbreitet sind Privatschulen und wer betreibt sie? Kleine Klassen - besseres Lernen? Wie Bewegung den Lernprozess unterstützt Berufliche Bildung Berufsbildungsgesetz Berufsbildungsgesetz Zeitleiste: Berufsbildungsgesetz Duale & schulische Berufsausbildung Datenreport: Duale Ausbildung Duale Berufsausbildung Schulische Ausbildung Qualität dualer Ausbildung Dual und schulisch im Vergleich Bildungs-Schisma Ausbildungschancen Übergangsbereich Forschung Übergangsbereich Teilhabe durch Ausbildung Ausbildungschancen von Hauptschülern Interview: Geflüchtete Ausbildungsreife Berufswahl Interview: Berufsorientierung Berufswahl und Geschlecht Podcast: Berufswahl Grafiken zur Beruflichen Bildung Interaktive Grafik: Ausbildung, Übergangsbereich oder Studium? Interaktive Grafik: Bildungswege nach der Schule Infografik: Schulabschlüsse von Berufsanfänger/innern Infografik: Anteil der 25-34-Jährigen ohne Berufsabschluss Grafik: Berufsbildung für Jugendliche mit max. mittlerem Abschluss Grafik: Übergangsbereich oder Berufsausbildung? Interaktive Grafik: Schützt Bildung vor Arbeitslosigkeit? Interaktive Grafik: Arbeitslosigkeitrisiko Infografik: Wie hat sich die Situation auf dem Ausbildungsstellenmarkt entwickelt? Infografik: Bildungschancen verschiedener sozialer Klassen Infografik: Wie unterscheidet sich die Ausbildungsteilhabe zwischen jungen Menschen deutscher und nicht-deutscher Herkunft? Hochschule Studiengebühren? Bildungsaufstieg Interview: Powerpoint Qualitätspakt Lehre Hochschulen im Wettbewerb Hochschulen in Deutschland Interview: "Die Vergangenheit wird idealisiert" Grafiken zu Hochschule Infografik: Wie das Elternhaus den Bildungsweg prägt Interaktive Grafik: Nutzen eines Hochschulstudiums Interaktive Grafik: Entscheidung für das Studienfach Infografik: Wie sicher war die Entscheidung für ein Studium? Interaktive Grafik: Was haben Studierende aus ihrem bisherigen Studium mitgenommen? Grafik: Für wen stand ein Studium von vornherein fest? Infografik: Das monatliche Budget von Studierenden Infografiken: Welcher Anteil der jungen Erwachsenen je Bundesland erlangte das (Fach-)Abitur? (1995-2008) Infografik: Wachsender Studentenberg – Entwicklung der Studierendenzahlen in Deutschland Interaktive Grafik: Beliebte Studienfächer Geschichte des Bildungssystems Bildungsgeschichte im Überblick Überblick Geschichte des Bildungssystems Strategien für Chancengleichheit Entwicklung der Bildungsbereiche Frühkindliche Bildung Zeitleiste der frühkindlichen Bildung Schulgeschichte bis 1945 Schulgeschichte nach 1945 Abitur im Wandel Kampf um die Schulstruktur Demokratisierung der Schulkultur Strategien für Chancengleichheit Lebenslanges Lernen Bildungsexpansion Folgen der Bildungsexpansion Bildung, Erziehung und Lernen Helene Lange Bildung in der DDR Wie der sozialistische Staat die Bildungseinrichtungen prägte Von der Krippe bis zur Hochschule – das Bildungssystem der DDR Literatur Zahlen und Infografiken Grafiken: Soziale Rahmenbedingungen Infografik: Bevölkerungsstruktur in Deutschland Infografik: Wie veränderten sich die Geburtenzahlen in den Bundesländern? (1990-2012) Infografik: Arbeitnehmer im Inland nach Wirtschaftssektoren (1950-2012) Grafiken: Frühkindliche Bildung Infografik: Kita-Besuch Kinder unter 3 Jahre Kita-Besuch Kinder > 3 Jahre Bildungsbeteiligung Kinder < 3 Jahre Infografik: Betreuungsbedarf nach Bundesländern Infografik: Bildungsbeteiligung Kinder > 3 Jahre Infografik: Kitanutzung Infografik: Bildungsbeteiligung Kinder < 3 Jahre Migrationshintergrund Infografik: Kitabetreuung OECD-Länder Infografik: Betreuungsverhältnisse in der Krippe Infografik: Personalschlüssel Kita Infografik: Ausgaben OECD Infografik: Betreuungskosten OECD Grafiken: Schule Infografik: Schulabschlüsse in Deutschland Inwieweit glauben junge Menschen an gleiche Bildungschancen? Gute Bildung – wovon hängt sie ab? Das denken junge Leute Infografik: PISA 2022: Mathe-Kompetenzen sinken Grafiken: Berufsbildung Interaktive Grafik: Ausbildung, Übergangsbereich oder Studium? Infografik: Schulabschlüsse von Berufsanfänger/innern Infografik: Anteil der 25-34-Jährigen ohne Berufsabschluss Grafik: Berufsbildung für Jugendliche mit max. mittlerem Abschluss Grafik: Übergangsbereich oder Berufsausbildung? Infografik: Bildungschancen verschiedener sozialer Klassen Infografik: Wie unterscheidet sich die Ausbildungsteilhabe zwischen jungen Menschen deutscher und nicht-deutscher Herkunft? Infografik: Wie hat sich die Situation auf dem Ausbildungsstellenmarkt entwickelt? Grafiken: Hochschule Infografiken: Welcher Anteil der jungen Erwachsenen je Bundesland erlangte das (Fach-)Abitur? (1995-2008) Infografik: Wachsender Studentenberg – Entwicklung der Studierendenzahlen in Deutschland Interaktive Grafik: Beliebte Studienfächer Infografik: Wie sicher war die Entscheidung für ein Studium? Interaktive Grafik: Nutzen eines Hochschulstudiums Interaktive Grafik: Entscheidung für das Studienfach Interaktive Grafik: Was haben Studierende aus ihrem bisherigen Studium mitgenommen? Infografik: Wie das Elternhaus den Bildungsweg prägt Infografik: Das monatliche Budget von Studierenden Grafiken: Private Bildung Infografik: Wie verbreitet sind Privatschulen und wer betreibt sie? Infografik: Bildungseinrichtungen in privater Trägerschaft Infografik: Entwicklung öffentlicher und privater Bildungsangebote Infografik: Anzahl der Privatschulen in Deutschland, 1992-2012 Infografik: Anzahl der Privatschulen in Deutschland nach Schularten, 1992 - 2012 Infografik: Anteil der Privatschülerinnen und -schüler an der Schülerschaft in Deutschland, 1992-2012 Infografik: Wer nimmt Nachhilfeunterricht in Anspruch? Infografik: Wieviel wird jährlich für Nachhilfe je Schüler:in ausgegeben? Grafiken: Bildungsungleichheit Karte: Klassenwiederholer:innen an allgemeinbildenden Schulen Infografik: Herkunft gleich Zukunft? Infografik: Soziale Herkunft & die Chance auf ein Studium Infografik: Wie gut können Neuntklässler:innen Mathe? Infografik: Wie gut können Grundschüler:innen Mathe? Infografik: Wie gut können Grundschüler:innen Lesen? Infografik: Wie gut können Schüler:innen am Gymnasium Mathe? Welche Reformen für Kita und Schule befürworten Erwachsene? Sonderpädagogische Förderung in Deutschland Infografik: PISA 2018: Hohe Schulleistungen und Chancengleichheit kein Zielkonflikt Infografik: Welcher Anteil aller Schüler:innen lernt an einer Förderschule? Armut und Grundschulen Infografik: Förderung durch Eltern Infografik: Leistungsniveau und Chancengleichheit Grafiken: Erträge von Bildung Infografik: Bildungsleistungen und langfristiges Wirtschaftswachstum (1960-2000) Infografik: Entwicklung der Arbeitslosenquote je nach Bildungsstand (1975-2011) Infografik: Erwerbsstatus von Erwachsenen mit geringen Lese- und Schreibfähigkeiten (2010) Infografik: Durchschnittliches Brutto-Einkommen von Frauen und Männern je nach Bildungsabschluss (2010) Infografik: Politisches Interesse je nach Schulabschluss (2010) Infografik: Wie beeinflussten Alter und Bildungsabschluss die Teilnahme an der Bundestagswahl 2009? Infografik: Welchen Einfluss hat der Schulabschluss auf die Teilnahme an politischen Aktivitäten? (2008) Infografik: Wie beeinflusst der Schulabschluss die Mitgliedschaft in Vereinen und Organisationen? (2010) Interaktive Grafik: Schützt Bildung vor Arbeitslosigkeit? Interaktive Grafik: Arbeitslosigkeitrisiko Infografik: Bevölkerungsstruktur in Deutschland Infografik: Wie veränderten sich die Geburtenzahlen in den Bundesländern? (1990-2012) Infografik: Arbeitnehmer im Inland nach Wirtschaftssektoren (1950-2012) Glossar Redaktion Digitalisierung und Bildung Stimmt's? “Am Anfang wollte ich einfach nur Mathe schwänzen”

Shadow Education? Private Nachhilfe und das öffentliche Schulsystem

Thomas Koinzer

/ 8 Minuten zu lesen

20 bis 30 Prozent der Schülerinnen und Schüler in Deutschland nehmen Nachhilfeunterricht. Wenn dabei wohl nicht von einem neuerlichen Boom infolge eines medial aufbereiteten mangelhaften Schulwesens die Rede sein kann, so ist der Anteil doch bedeutend. Neben Schülern, Studenten und (pensionierten) Lehrern bieten seit vielen Jahren große Unternehmen Nachhilfe an. Zwar scheint sie individuelle Lerndefizite beheben zu helfen. Doch fordert sie auch gesellschaftspolitische Diskussionen heraus: Erfüllt die Schule ihren Bildungsauftrag? Oder verstärkt die private Nachhilfe Bildungsungleichheiten?

Nachhilfe-Schule in Hamburg. Insgesamt werden in Deutschland geschätzte 1 bis 1,3 Milliarden Euro im Jahr privat für Nachhilfe ausgegeben. (© picture-alliance/dpa)

"Nichts geht ohne Nachhilfe" ist einer der zahlreichen Artikel überschrieben, die sich in deutschen Zeitungen und Zeitschriften in den letzten Jahren mit der für das Schülerdasein mittlerweile "normalen" Nachhilfe befassen. Muss man sich da nicht fragen, ob Deutschlands Schulen ihren Bildungs- und Erziehungsauftrag noch erfüllen? Ist es um die Qualität des schulischen Lehrens und Lernens so schlecht bestellt, dass Nachhilfe als zusätzliche Lerngelegenheit nötig ist, um in der Schule überhaupt noch mitzukommen? Kurz: Ohne Nachhilfe keine Schule? Was international unter dem Schlagwort "shadow education" Furore macht (Bray 2007), fristet weltweit und auch in Deutschland längst kein „Schattendasein“ mehr: die jenseits von der "Hausaufgabenhilfe am Küchentisch" privat bezahlte und organisierte Förderung in Mathematik, Deutsch, Englisch und anderen Fächern. Das Sprachspiel mit Schatten und Licht verweist auf die eingangs polemisch angesprochene, bildungs- und gesellschaftspolitisch aber hoch relevante gegenseitige Abhängigkeit von schulischem Unterricht und Nachhilfe. Im "Dunklen" wird Nachhilfe auch deshalb verortet, weil sie pädagogisch wie ökonomisch als wenig erforscht gilt. Hinsichtlich ungleicher Bildungschancen rückt sie zunehmend in den Blick der Öffentlichkeit. Was aber ist "Nachhilfe"? Warum und mit welchem Nutzen wird sie in Deutschland in Anspruch genommen? Diesen Fragen wollen wir im Folgenden nachgehen.

Schlagzeilen zu "Nachhilfe"

Frankfurter Neue Presse


"Nichts geht ohne Nachhilfe"
27.11.2012

Aachener Nachrichten


"Deutsche geben jährlich bis zu 1,4 Milliarden Euro für privaten Förderunterricht aus."
29.1.2010

Spiegel Online


"Deutsche investieren massiv in Schülernachhilfe"
28.1.2010

Frankfurter Rundschau


"Selektion durch Nachhilfe. Betuchtere Familien leisten sich Arbeit an der Note"
15.4.2008

dapd


"Lehrerverband kritisiert kommerzielle Nachhilfe"
25.3.2010

Welt kompakt


"Studie belegt: Hansestadt mit Ausgaben von durchschnittlich 131 Euro pro Kind vorn, 'Alarmsignal
für öffentliches Schulwesen'"
8.3.2010

taz


"Lernen lernen. Eltern geben viel Geld für Nachhilfe aus – oft für ganz unsinnige. Guter Unterricht vermittelt auch Lerntechniken"
23.2.2008

Hamburger Abendblatt


"Nachhilfe – ein Milliardengeschäft. Schon jeder vierte Schüler nimmt bezahlten Unterricht nach Schulschluss"
22.1.2009

Stuttgarter Nachrichten


"Soll der Staat Nachhilfe für arme Kinder fördern?"
23.9.2010

General Anzeiger


"Viele Schüler nehmen trotz langer Schultage weitere Stunden – vor allem bei Privatlehrern und in Instituten. Professor übt Kritik"
27.2.2013

Stuttgarter Zeitung


"Nachhilfe ist für Millionen von Schülern Alltag"
29.1.2010

Rheinische Post Düsseldorf


"Am Gymnasium braucht jeder Zweite Nachhilfe"
2.5.2009

Der Tagesspiegel


"1,1 Millionen Kinder und Jugendliche gehen
regelmäßig zur Nachhilfe. In der Schule kommt individuelle Förderung oft zu kurz"
17.2.2010

Wiesbadener Kurier


"Jedes vierte Kind nimmt privaten Unterricht –
meistens in Mathematik und Englisch"
10.1.2008

Gießener Anzeiger


"Bildungsverband: Kinder sollen sich in Ferien erholen"
11.7.2012

Was ist Nachhilfe und seit wann gibt es sie?

Nachhilfe ist Teil der non-formalen Bildung und umfasst verschiedene Formen der institutionalisierten Lernförderung und Unterstützung außerhalb des regulären Unterrichts und meist auch außerhalb der Schule. Sie kann Hausaufgabenbetreuung ebenso einschließen wie die gezielte Vorbereitung auf eine Klassenarbeit, auf Leistungstests oder Abschlussprüfungen. Bei dieser ergänzenden Gelegenheit des Lernens sollen Schülerinnen und Schüler versäumten oder nicht hinreichend verstandenen Unterrichtsstoff üben, wiederholen oder aber "richtig" erlernen und sich grundlegende Lern- und Arbeitstechniken aneignen. Die Schülerinnen und Schüler sollen so ihre Leistung im jeweiligen Schulfach steigern und dadurch bessere Noten, bessere Zeugnisse, Versetzungen oder den Übergang an eine prestigeträchtige weiterführende Schule beziehungsweise in eine berufliche Ausbildung erreichen.

Dabei ist Nachhilfe keine neue Erscheinung. Seit sich Mitte des 19. Jahrhunderts das öffentliche höhere Schulwesen ausweitete, war Nachhilfe ein verbreitetes und anerkanntes Phänomen. Sie war sogar der Schulaufsicht unterstellt oder wurde mit Genehmigung des Schulleiters vom Klassenlehrer beziehungsweise von Lehrern der eigenen Schule erteilt. Die Mehrheit der Schülerschaft an höheren Schulen Preußens nahm Anfang des 20. Jahrhunderts Nachhilfe in Anspruch. Diese Praxis breitete sich seit den 1960er Jahren mit dem Anwachsen des gesamten Sekundarschulwesens und seinen verschiedenen Schulformen weiter aus. Bildung, besonders Bildung an einer (Fach-)Hochschule, die meist einen Gymnasialbesuch voraussetzte, wurde für viele Bevölkerungsschichten zunehmend wichtiger. Deshalb wurde Nachhilfe stärker nachgefragt, woraufhin sich auch ein gewerblicher Sektor mit überregionalen Anbietern etablierte.

Wer nimmt in Deutschland Nachhilfe in Anspruch und in welchen Fächern?

Genaue Zahlen über den Umfang und das Ausmaß von Nachhilfe sind schwer zu ermitteln. Laut dem Bildungsbericht 2012 nahmen in Deutschland insgesamt 21,3 Prozent der 13- bis 18-Jährigen außerschulische Nachhilfe in Anspruch (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung, 2012). Andere Studien weisen Nachhilfequoten zwischen unter 20 und über 30 Prozent aus. Fakt ist: Schüler aller weiterführenden Schulformen (Haupt-, Real-, Gesamtschule, Gymnasium) nutzen Nachhilfe. Aber auch im Grundschulbereich besuchen immerhin ca. 20 Prozent der Schülerinnen und Schüler den ergänzenden Unterricht. In der Regel wird Nachhilfe für 90 Minuten pro Fach und Woche über einen Zeitraum von sechs bis neun Monaten erteilt (vgl. Koinzer, 2011).

Unterschiede finden sich eher in der sozialen Herkunft der Schülerinnen und Schüler, die Nachhilfe nutzen: Kommen sie aus Haushalten mit mittleren und höheren Bildungsabschlüssen der Eltern und/oder höherem Einkommen, ist es wahrscheinlicher, dass sie Nachhilfe nehmen. Auch wenn man die Bundesländer vergleicht, unterscheiden sich die Nachhilfequoten teilweise beträchtlich. Am häufigsten wird in Mathematik Nachhilfe erteilt, gefolgt von Englisch und Deutsch, Französisch, den Naturwissenschaften und Latein. Mädchen erhalten in der Sekundarstufe etwas mehr Mathematiknachhilfe als Jungen. Ansonsten wird Nachhilfe von Mädchen und Jungen gleichermaßen oft und in den gleichen Fächern nachgefragt (vgl. Koinzer, 2011).

Wie viel Geld wird für Nachhilfe in Deutschland aufgewendet und wer sind die Anbieter?

Insgesamt werden in Deutschland geschätzte 1 bis 1,3 Milliarden Euro im Jahr privat für Nachhilfe ausgegeben. Bei angenommenen zwei bis drei Nachhilfestunden von je 45 Minuten wöchentlich fallen somit Kosten von jährlich 900 bis 1.300 Euro pro Nachhilfefach und Schülerin beziehungsweise Schüler an (vgl. Klemm/Klemm, 2010). Geschätzte 70 Prozent entfallen auf Nachhilfe durch Einzelpersonen. Das sind zumeist ältere Schülerinnen und Schüler, Studierende und (pensionierte) Lehrkräfte, die ihre Dienste über Aushänge im Supermarkt, Kleinanzeigen in Zeitungen, Mund-zu-Mund-Propaganda oder über Internetplattformen anbieten. Die restlichen 30 Prozent werden durch ungefähr 300 kleinere und größere Nachhilfeinstitute mit ca. 3.000 Niederlassungen abgedeckt. Die beiden größten Unternehmen vereinen auf sich ca. 50 Prozent dieses Marktvolumens. Beide gehören zu Investmentgesellschaften und ihre Filialen werden als Franchise betrieben. So ist das drittgrößte Franchiseunternehmen in Deutschland direkt nach einem Reiseanbieter und einer Fast-Food-Kette ein Nachhilfeinstitut. Neben einer ganzen Reihe kleinerer, lokaler Institute etablierten sich in den letzten Jahren darüber hinaus auch mehrere ausländische Anbieter, etwa aus Frankreich oder Japan, die über ihre Niederlassungen Lehrende für Nachhilfe in allen Fächern zu Hause vermitteln. Einer der größten Anbieter in Japan ist z.B. in Deutschland auf Nachhilfe in Mathematik und Englisch spezialisiert.

Warum nehmen Eltern für ihre Kinder Nachhilfe in Anspruch?

Eltern bezahlen für ihre Kinder Nachhilfe aus mehreren, sich oft überlappenden Gründen. Vor allem geht es ihnen darum, schulischen Leistungsschwächen und schlechten Noten ihrer Kinder entgegenzuwirken. Unabhängig davon wird Nachhilfe im Grundschulbereich zu einem Gutteil auch von leistungsstärkeren Schülerinnen und Schülern in Anspruch genommen, um die Leistung zu halten oder auszubauen, hauptsächlich mit Blick auf einen erfolgreichen Übergang auf eine prestigeträchtigere weiterführende Schule (Gymnasium). Überdies wollen Eltern, dass ihr Kind möglichst hohe Bildungsabschlüsse erreicht, weil sie damit die Erwartung einer gute Ausbildung und eines guten beziehungsweise gut bezahlten Arbeitsplatzes verknüpfen. Einige Eltern sind auch skeptisch, ob Schule und Lehrkräfte ihr Kind angemessen fördern. Sie meinen, dass dies in der Nachhilfe eher und besser möglich ist.

Wie verbreitet ist Nachhilfe weltweit?

Nachhilfe wird in vielen Staaten und teilweise in deutlich höherem Ausmaß als in Deutschland genutzt. In einigen ostasiatischen Ländern (z. B. Süd-Korea, Japan) besuchen bis zu 80 Prozent der Schülerinnen und Schüler Nachhilfeinstitute (sogenannte Hak-wons, Jukus und Yobikos). In Japan existieren schätzungsweise ca. 50.000 Jukus (Dierkes, 2009). Nicht zuletzt weil die zentralen Zugangsprüfungen zu den Universitäten in diesen Ländern ganz entscheidend für die weiteren Bildungs- und Karrieremöglichkeiten sind, soll frühzeitig über die Nachhilfe der Besuch einer (prestigeträchtigeren) weiterführenden Schule und später einer renommierten Universität ermöglicht werden. Aber auch in Westeuropa und Nordamerika gibt es einen hohen Anteil an Nachhilfeschülern und -schülerinnen. Hier wurde Nachhilfe vor allem als Teil der staatlichen Bildungspolitik mit Maßnahmen und Gesetzen unterstützt, um die Schülerleistungen zu steigern. In den USA stieg allein durch die bundesstaatliche Förderung aus dem No Child Left Behind Act von 2001 die Zahl der Nachhilfeschüler und -schülerinnen zwischen 2003 und 2007 von 550.000 auf 3,3 Millionen und die Zahl der staatlich anerkannten Nachhilfe-Anbieter von 1.000 auf über 3.000 (vgl. Koinzer, 2011).

Trägt Nachhilfe zu einer weiteren "Ökonomisierung" von Bildung und der Verschärfung von Bildungsungleichheit bei?

Bildung hat immer etwas mit gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Teilhabe sowie individuellen Marktchancen zu tun. Ein hoher Bildungsabschluss birgt für viele das Versprechen auf einen angesehenen und gut bezahlten Job. Außerschulische Nachhilfe besetzt hier ein pädagogisches und gesellschaftliches Thema, das diese individuellen Bedürfnisse je nach Motivlage bedient. Seit der Einführung des staatlichen "Bildungs- und Teilhabepakets" im Jahr 2011 können nun auch Eltern mit einem geringen oder einem Transfereinkommen über kommunale Ämter und Jobcenter Unterstützung für die außerunterrichtliche Lernförderung ihrer Kinder erhalten. Somit ist es nicht mehr nur den mittleren und höheren Einkommensgruppen vorbehalten, eine solche Förderung für ihre Kinder am Nachhilfemarkt zu kaufen. Diskussionswürdig ist aber die Frage, ob diese staatliche finanzielle Förderung aus dem Bildungspaket nicht eher den (öffentlichen) Schulen zugutekommen sollte, um sie auf eine bessere individuell orientierte Lern- und Förderpraxis zu verpflichten. Nachhilfe verspricht eben jene individuelle Lernförderung, die von Bildungspolitik und Schuladministration als ein zentrales Qualitätskriterium "guter Schule" eingefordert und von Eltern, Schülern und Schülerinnen häufig in der Schule vermisst wird. Schulen und Lehrpersonen müssen hier unterstützt werden, aus der bisher individuell wie gesellschaftlich als nötig wahrgenommenen Praxis außerschulischer Nachhilfe eine alltägliche und effektive Praxis individueller Lernförderung innerhalb von Schule und Unterricht zu machen.

Doch auch derartige schulpädagogische Anstrengungen werden außerschulische Nachhilfe nicht vollständig beseitigen. Nachhilfelehrer und Nachhilfeinstitute werden außerschulische Lernförderung auch zukünftig anbieten. Als "Learning Center" und ähnliche Einrichtungen versprechen sie, bessere oder modernere Orte individuellen Lernens zu sein als die öffentlichen Schulen. Stets kann das "bisschen Mehr" Motiv genug sein, Nachhilfe in Anspruch zu nehmen. Denn Angebote wie Sprachreisen oder Lernferiencamps sind breit akzeptierte und meist nicht von den Eltern veranstaltete Gelegenheiten zusätzlichen (Nachhilfe-)Lernens. Dass diese Gelegenheiten von einkommensstärkeren und/oder bildungsnahen Haushalten eher für ihre Kinder realisiert werden können als von anderen, überrascht nicht. Die Existenz von Nachhilfe im Erziehungssystem verweist vielmehr darauf, dass eine gesellschaftliche Diskussion über "Bildung als öffentliches Gut" im Vergleich zu "Bildung als privates Gut" zu führen ist, also darüber, wie die kollektiv-gesellschaftliche Bildungsverantwortung und die individuell-freiheitlichen Bildungsinteressen in Einklang gebracht werden können.

Quellen / Literatur

Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2012): Bildung in Deutschland. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zur kulturellen Bildung im Lebenslauf. Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag. Online: Externer Link: http://www.bildungsbericht.de/daten2012/bb_2012.pdf

Bray, M. (2007): The shadow education system: private tutoring and its implications for planners. Paris: UNESCO: International Institute for Educational Planning. Online: Externer Link: http://unesdoc.unesco.org/images/0011/001184/118486e.pdf

Dierkes, J. (2009): Privatschulen und privatwirtschaftliche Zusatzschulen in Japan: Bildungspolitische Lückenbüßer und Marktlücke. Zeitschrift für Pädagogik, 55(5), 732-746.

Klemm, K. & Klemm, A. (2010): Ausgaben für Nachhilfe – teurer und unfairer Ausgleich für fehlende individuelle Förderung. Studie im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung: Gütersloh: Bertelsmann-Stiftung. Online: Externer Link: https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/GP_Ausgaben_fuer_Nachhilfe.pdf (Link durch die Redaktion aktualisiert, abgerufen am 29.9.2015).

Koinzer, T. (2011): Öffentliche Schule und private Nachhilfe. Pädagogische Rundschau, 65(1), 33-48.

Weiterführendes Material

Aurini, J./Dierkes, J./ Davies, S. (Ed) (2013): Out of the Shadows: The Global Intensification of Supplementary Education. International Perspectives on Education and Society, Vol. 22, Bingley: Emerald Press.

Bray, M. (2011): The Challenge of Shadow Education. Private tutoring and its implications for policy makers in the European Union. An independent report prepared for the European Commission by the NESSE network of experts. Bruxelles: European Commission. Online:Externer Link: http://www.nesse.fr/nesse/activities/reports/the-challenge-of-shadow-education-1

Dohmen, D. (2012): Der Nachhilfemarkt in Deutschland – ein aktualisierter Überblick über den Forschungsstand. Recht der Jugend und des Bildungswesens, 60(1), 85-98.

Dohmen, D., Erbes, A., Fuchs, K. & Günzel, J. (2008): Was wissen wir über Nachhilfe? Sachstand und Auswertung der Forschungsliteratur zu Angebot, Nachfrage und Wirkungen. Erstellt im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Berlin: Bundesministerium für Bildung und Forschung und Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie. Online: Externer Link: http://tu-dresden.de/die_tu_dresden/fakultaeten/erzw/erzwibf/sp/forschung/ganztagsschule/FIBS.pdf (Link durch die Redaktion aktualisiert, abgerufen am 29.9.2015).

Guill, K. (2012). Nachhilfeunterricht. Individuelle, familiäre und schulische Prädiktoren. Münster: Waxmann.

Jürgens, E. & Diekmann, M. (2007): Wirksamkeit und Nachhaltigkeit von Nachhilfeunterricht. Dargestellt am Beispiel des Studienkreises. Frankfurt am Main: Lang.

Fussnoten

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Weitere Inhalte

Prof. Dr. Thomas Koinzer, geb. 1967 in Arnstadt, ist Professor für Erziehungswissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin. Schwerpunkte seiner Arbeit sind u.a. Forschungen zum Privatschulwesen und dem Zusammenhang von öffentlicher und privater institutionalisierter Bildung und Erziehung.