Alle Kinder und Jugendlichen sollen die gleiche Chance auf eine gute Bildung haben. Diese Forderung ist so alt wie unsere Demokratie selbst und genießt quer durch das politische Spektrum große Zustimmung. Gleichwohl haben unzählige Untersuchungen immer wieder deutlich gemacht: In der Realität hängen die Bildungschancen junger Menschen in erheblichem Maße von ihrer sozialen Herkunft ab. Aus dieser offenkundigen Diskrepanz zwischen politischem Anspruch und gesellschaftlicher Wirklichkeit ergibt sich ein Handlungsauftrag an den Staat. Denn nach Art. 7 des Grundgesetzes trägt er die Gesamtverantwortung für das Bildungswesen – er gestaltet es durch Gesetze und Verordnungen, ist Dienstherr des pädagogischen Personals und sorgt für den Großteil der Finanzierung der Bildungseinrichtungen. Als zentraler Träger von Bildung und Ausbildung obliegt es somit vor allem dem Staat, Mittel und Wege zu finden dem proklamierten Ziel gleicher Bildungschancen näher zu kommen.
In den vergangenen Jahrzehnten hat der Staat diesem Handlungsauftrag mit unterschiedlichsten Strategien und Maßnahmen nachzukommen versucht. Sie werden im Folgenden genauer beschrieben und vermitteln einen Eindruck von den Ansatzpunkten für die Entwicklung von mehr Chancengleichheit. Dabei zeigt sich: die bildungspolitischen Bemühungen des Staates haben sich im Zeitverlauf deutlich intensiviert. Das liegt vor allem auch daran, dass das gesellschaftliche und politische Verständnis von Bildungschancengleichheit über die Jahrzehnte hinweg anspruchsvoller wurde und historisch frühere "Versionen" nicht einfach ersetzt, sondern beibehalten und nach und nach ergänzt wurden. Dabei wurden die Ansatzpunkte des Staates zunehmend "von außen nach innen" verlagert – von einer Veränderung der rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen des Bildungssystems, über die Veränderung der Schulorganisation bis hin zur Förderung dezidiert pädagogischer Maßnahmen für besonders benachteiligte Schülerinnen und Schüler.
Chancengleichheit als Nicht-Diskriminierung sozialer Gruppen
Im 19. und frühen 20. Jahrhundert wurde "Chancengleichheit" zunächst nur als Abwesenheit von Diskriminierung beim Zugang zur höheren Bildung verstanden. Dies wird auch rechtlich-formale Chancengleichheit genannt. Zum Beispiel waren im Deutschen Reich Frauen lange Zeit rechtlich vom Studium ausgeschlossen, nur als Gasthörerinnen konnten sie ausnahmsweise einzelne Vorlesungen besuchen. Erst 1908 konnte die Frauenbewegung den staatlichen Behörden schließlich das volle Recht zur Einschreibung in der Universität und damit die rechtliche Gleichstellung mit den männlichen Kommilitonen abringen.
Ein noch drastischeres Beispiel für die rechtliche Diskriminierung ganzer Bevölkerungsgruppen ist das "Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen", mit dem die Nationalsozialisten 1933 den Zugang zur höheren Bildung für Menschen "nicht-arischer Abstammung" massiv beschränkten. Jüdische Kinder wurden 1938 gar vollständig vom Besuch deutscher Schulen ausgeschlossen und damit jeglicher Bildungschancen beraubt. Die Unzulässigkeit derartiger rechtlicher Diskriminierungen ist heute fast selbstverständlich und gehört zu den zentralen Bausteinen der Demokratie. Entsprechend findet sich der Gedanke von Gleichheit als der Nicht-Diskriminierung sozialer Gruppen in Artikel 3 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland wieder (siehe Infobox). Das Grundgesetz spricht hier – im Zusammenhang mit der "Gleichheit vor dem Gesetz" – zwar nicht explizit von "Chancengleichheit". Aber vor allem Absatz 3 kann als Umschreibung dieses Ziels verstanden werden.
Artikel 3 GG
[Gleichheit vor dem Gesetz; Gleichberechtigung von Männern und Frauen; Diskriminierungsverbote]
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Quelle:
Aufschlussreich für die Rolle des Staates bei der Herstellung von Chancengleichheit ist die Formulierung in Art. 3 Absatz 2: Hier verpflichtet die Verfassung den Staat dazu, "die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern" zu fördern und "auf die Beseitigung bestehender Nachteile" hinzuwirken. Hier wird deutlich, dass sich der verfassungsmäßige Auftrag des Staates nicht darin erschöpft, das Gebot der Nicht-Diskriminierung auf rechtlicher Ebene sicherzustellen. Der Staat soll vielmehr auch aktiv werden, er soll Maßnahmen ergreifen, um trotz formal-rechtlicher Gleichheit fortbestehende Benachteiligungen einzelner Bevölkerungsgruppen zu beseitigen. Damit ist ein weites Feld für die aktive Einflussnahme des Staates auf eine Vielzahl von Gesichtspunkten eröffnet, die einer Annäherung an das Ziel der Chancengleichheit im Wege stehen.
Chancengleichheit als Sicherung gleicher Bildungsangebote
Im Bereich der Bildung kann der Staat das tun, indem er sicherstellt, dass alle Kinder und Jugendlichen – über den formal-rechtlichen Zugang hinaus – tatsächlich die Möglichkeit haben eine höhere Bildungseinrichtung zu besuchen, wenn sie die entsprechenden Leistungsvoraussetzungen erfüllen. Als ein wichtiges Mittel zu diesem Zweck erkannte der Staat im Laufe des 20. Jahrhunderts die Unentgeltlichkeit der Bildung, die von Sozialdemokratie und fortschrittlichen Lehrervereinigungen bereits im 19. Jahrhundert eingefordert worden war. Lange Zeit war einzig der Besuch der Volksschule kostenlos, während für den Besuch von Realschulen und Gymnasien ein Schulgeld zu entrichten war. Berlin, Bremen und Hessen schafften es Ende der 1940er Jahre als erste Bundesländer ab, 1961 etablierte mit Rheinland-Pfalz schließlich das letzte Bundesland die Schulgeldfreiheit (Helbig & Nikolai 2015, S. 117-119). Durch den Verzicht auf eine finanzielle Beteiligung der Eltern an der Schulbildung ihrer Kinder sollten ökonomische Hindernisse beseitigt werden, die vor allem Kindern aus finanzschwachen Familien den Besuch höherer Schulen und Hochschulen erschwerten. Noch heute sind Studiengebühren aus eben diesem Grund ein umstrittenes Projekt.
Demselben Motiv entspringt der Gedanke der "Lernmittelfreiheit", demzufolge auch für Schulbücher, Arbeitshefte und dergleichen keine Kosten anfallen sollen. Diese Frage wird in den Bundesländern bis heute unterschiedlich gehandhabt (Helbig & Nikolai 2015, S. 119-123): Im Jahr 2010 war eine Lernmittelfreiheit in Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hessen, Sachsen und Schleswig-Holstein gegeben. Hier bekamen die Schülerinnen und Schüler die Unterrichtsmaterialien grundsätzlich von der Schule zur Verfügung gestellt. In allen anderen Bundesländern mussten sie mitunter auf eigene Kosten angeschafft werden, wobei es in der Regel für Empfänger von Sozialleistungen eine Kostenbefreiung und/oder eine Staffelung der Beiträge nach dem Einkommen der Eltern gibt.
Ein weiterer Hebel zur Erhöhung der Chancengleichheit wird in der Gewährleistung einer in etwa gleichen regionalen Versorgung mit Schulen und Hochschulen gesehen. Auch in den dünn besiedelten, ländlichen Regionen soll ein wohnortnahes Angebot aller Bildungsgänge vorhanden sein, damit nicht allein schon die Distanz zum Elternhaus die Wahl der weiterführenden Schule einschränkt. Auf diese Weise kann der Staat das Bildungsgefälle zwischen Stadt und Land reduzieren. Er sorgt im Idealfall unabhängig vom Wohnort für ein gleiches Angebot an Lernmöglichkeiten, das die Eltern bzw. Schüler und Schülerinnen dann entsprechend ihrer jeweiligen Bildungsvorstellungen nutzen können. Dass das Schulwahlverhalten der Eltern auch dann noch unterschiedlich ausfällt – etwa weil Eltern aus der Arbeiterschicht ihr Kind auch bei guten Leistungen seltener am Gymnasium anmelden – ist nach diesem Verständnis von Chancengleichheit als "Angebotsgleichheit" nicht mehr Sache des Staates bzw. der Bildungspolitik.
Chancengleichheit als Ausgleich sozio-kultureller Benachteiligung
Diese Sichtweise änderte sich erst mit der Erkenntnis, dass es nicht nur rechtliche, finanzielle und sozialräumliche Einschränkungen der Chancengleichheit gibt, sondern dass die Ungleichheit der Bildungschancen auch "soziokulturelle" Ursachen hat – Ursachen also, die in Denkmustern, Verhaltensweisen und Wertvorstellungen verankert sind, die in Familien unterschiedlicher sozialer Milieus vorherrschen und deren Verhältnis zur höheren Bildung mit prägen. Dazu gehören etwa Ungleichheiten in der Lernmotivation, im Sprachgebrauch, in der "kulturellen" Vertrautheit mit den in der Schule behandelten Inhalten, aber auch Ungleichheiten in der Bereitschaft den Eintritt in die Erwerbstätigkeit hinauszuzögern und über Jahre hinweg Zeit und Mühe in eine – stets mit Unsicherheiten behaftete – Bildungskarriere zu investieren. Das dieser Erkenntnis entsprechende Konzept von Chancengleichheit wurde etwa seit den 1960er Jahren entwickelt. Der Soziologe und spätere FDP-Politiker Ralf Dahrendorf nannte es "materiale" Chancengleichheit im Gegensatz zur nur rechtlich-formalen Chancengleichheit. Darunter verstand er die "Lösung der Menschen aus ungefragten Bindungen und Befreiung zu freier Entscheidung" (Dahrendorf 1965, S. 26). Mit den "ungefragten Bindungen" meinte er die Abhängigkeit der Menschen von den traditionellen Selbst- und Fremdzuschreibungen der sozialen Herkunft, der Geschlechterzugehörigkeit, der Religion und Region, welche den Bildungsweg und die Lebensplanung des Einzelnen unweigerlich prägen und seiner freien und selbstbestimmten Entfaltung entgegenstehen. Mit seinem Plädoyer für eine aktive Bildungspolitik gab Dahrendorf der Forderung nach mehr Chancengleichheit einen deutlichen sozial-liberalen Akzent (siehe Quellentext).
QuellentextAuszug aus Dahrendorfs "Bildung ist Bürgerrecht" (1965)
"Um eine freie Gesellschaft zu errichten und erhalten, ist es (…) unumgänglich, daß jeder Mensch Bürger sein darf im Sinne der rechtlichen Chancen und Bürger sein kann im Sinne der sozialen Realitäten. Hier hat das Bürgerrecht auf Bildung seinen Sinn für die Ordnung einer Gesellschaft, der das größte Glück der größten Zahl über alles geht.
Bürgerrechte sind notwendig gleiche Bürgerrechte. Doch ist das Plädoyer für eine aktive Bildungspolitik zur Sicherung der Bürgerrechte kein Plädoyer für soziale Gleichheit. Eine freie Gesellschaft ist immer auch eine Gesellschaft, die der Ungleichheit weiten Raum gibt – solange und insoweit diese nicht den notwendigen gemeinsamen Grundstatus aller Bürger verletzt. Wenn eine aktive Bildungspolitik in Deutschland zunächst gewisse Gleichheitsforderungen mit sich bringt, dann nur darum, weil dieser gleiche Grundstatus noch nicht hinlänglich gesichert ist. Das darf entschieden nicht zu einer Politik führen, die die Gleichheit zuerst und die Freiheit später anzupacken beabsichtigt; wer sich auf eine solche Reihenfolge einläßt, kommt mit einiger Sicherheit nie zur Freiheit."
Quelle: Dahrendorf, Ralf (1965): Bildung ist Bürgerrecht. Plädoyer für eine aktive Bildungspolitik. O.O.: Nannen-Verlag: S. 25-26.
Seine konkreten Vorschläge für eine aktive Bildungspolitik zur Herstellung "materialer" Chancengleichheit blieben indes eher verhalten. So trat er beispielsweise dafür ein, Eltern und Schüler besser über die möglichen Bildungswege zu informieren. Auch sollten Schulen und Lehrer leistungsstarke Schülerinnen und Schüler aus bildungsfernen Familien explizit ermutigen, ihre Bildungslaufbahn fortzusetzen. Die bestehenden Strukturen des Schulwesens aber kritisierte er kaum.
In diese Richtung argumentierte jedoch bald darauf der Deutsche Bildungsrat, ein Gremium, das unter Mitarbeit von Politikern und Experten Empfehlungen zur Weiterentwicklung des deutschen Bildungssystems vorlegte. Ausgehend von der Überzeugung, dass auch die Ausgestaltung der Schulorganisation die Chancengleichheit beeinflusst, sprach sich der Bildungsrat in seinem Strukturplan für das Bildungswesen (1970) für ein Schulsystem aus, das nicht mehr aus strikt getrennten Schularten bestehen, sondern sich in Richtung aufeinander folgender "Schulstufen" entwickeln sollte. Eine gemeinsame Orientierungsstufe sollte die Schularten in den unteren beiden Klassen verbinden, in den oberen Klassen die Durchlässigkeit zwischen den Bildungsgängen gestärkt werden. Zugleich sollten Schulversuche mit Gesamtschulen mögliche Vorzüge anderer Modelle der Schulorganisation ausloten und berufliche und allgemeine Bildung stärker integriert werden. Diese Vorschläge stießen indes vor allem bei Wirtschaftsverbänden, Philologenverband und Bundeselternrat auf große Vorbehalte und scheiterten schließlich am Widerstand der CDU-regierten Länder. So wurden sie nur in einigen SPD-Ländern und auch dort nur in Teilen umgesetzt. Ein anderer für die Chancengleichheit bedeutsamer Reformvorschlag setzte sich dagegen in den Folgejahrzehnten in allen Bundesländern immer stärker durch: der Ausbau der Vorschulerziehung in Kindertagesstätten und Krippen. Damit übernahmen staatliche und private Institutionen immer stärker Aufgaben der Erziehung und der Persönlichkeitsentwicklung. Sie weiteten ihren Einfluss auf die Motivations-, Sprach- und Sozialentwicklung von Kindern aus – Erziehungsbereiche, die nach den damals in Westdeutschland vorherrschenden Vorstellungen der Familie vorbehalten sein sollten (anders in der DDR). Es entstand das Konzept einer seinerzeit höchst umstrittenen "kompensatorischen Erziehung" im Vorschul- und Grundschulalter. Sie sollte Defizite sozial benachteiligter Kinder vor Schulbeginn ausgleichen und sie in die Lage versetzen, den späteren schulischen Anforderungen besser zu genügen. Vertreter der 68er-Bewegung kritisierten an diesem Konzept, dass es im Namen von "Chancengleichheit" eine Anpassung von Kindern aus unteren Schichten an die Normen und die Kultur der Mittelschicht erzwinge, anstatt die Schule darauf zu verpflichten, die Pluralität unterschiedlicher Schichten und Milieus anzuerkennen. Diese Debatte versiegte in den 1970er Jahren, das Problem indes nicht. Unter den heute geänderten Bedingungen einer kulturell pluralisierten Gesellschaft – einem Einwanderungsland Deutschland mit großen Teilgruppen von (ehemaligen) Migranten und mit der neuartigen Aufgabe der Inklusion von Kindern und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf – taucht der Konflikt zwischen Anpassung an die schulischen Leistungsnormen und der Anerkennung von gleichwertigen Differenzen in der Diskussion um eine Pädagogik der "Heterogenität" erneut auf.
Chancengleichheit als gezielte Förderung besonders benachteiligter Schülerinnen und Schüler
Heute folgt der Staat zunehmend einem Verständnis von Chancengleichheit, das über formal gleiche Zugangsrechte und Angebotsstrukturen hinausgeht. Benachteiligte Schüler und Schülerinnen sollen befähigt werden ihr "Bürgerrecht" auf Bildung auszuüben, indem sie in die Lage versetzt werden, schulische Anforderungen zu meistern und die eigene Bildungsbiografie aktiv zu gestalten. Mit dieser Erweiterung der Perspektive werden schulische Handlungsfelder relevant, auf die der Staat – anders als etwa im Fall des Schulrechts oder der Schulorganisation – nur bedingt Einfluss nehmen kann: die Schulkultur, der Unterricht und die Erziehung, kurzum: das gesamte "Innenleben" der Schule soll so gestaltet werden, dass es die ungleichen Lebensverhältnisse der Schülerinnen und Schüler berücksichtigt und soweit möglich kompensiert.
Hier kann der Staat lediglich unterstützend tätig werden, indem er für die Förderung von benachteiligten Schülerinnen und Schülern zusätzliche Ressourcen bereitstellt. So wird in jüngerer Zeit mehr und mehr vom herkömmlichen Grundsatz der Finanzierung abgewichen, alle Schulen nach dem "Gießkannenprinzip" mit gleichen Ressourcen auszustatten, also etwa die Zahl der Lehrerstellen und die Höhe des Schulbudgets einfach nach den Schülerzahlen zu bemessen. Stattdessen werden z. B. Sozialindikatoren-gestützte Verfahren der Personal- und Mittelzuweisung entwickelt, die den besonderen Schwierigkeiten von Schulen in sozial belasteten Stadtteilen berücksichtigen (z.B. hohe Arbeitslosigkeit, niedriges Einkommens- und Bildungsniveau, hoher Anteil von Migranten). In einer Formel gesagt: Ungleiches wird ungleich behandelt. Für welche konkreten Aufgaben und Zwecke die zusätzlichen Ressourcen eingesetzt werden und in welchem Maße diese wirklich die Lerngelegenheiten und Erfolgsaussichten benachteiligter Schülerinnen und Schüler verbessern, entscheidet sich am Ende jedoch an der einzelnen Schule. Hier kann der Staat nicht einfach "von oben" bestimmen, denn die konkreten Herausforderungen und Bedarfe sind von Schule zu Schule unterschiedlich. Daher ist der Staat bei der Umsetzung dieses umfassenden Verständnisses von Chancengleichheit besonders auf die schulischen Akteure vor Ort angewiesen. Nur sie können einen wohl überlegten Schulentwicklungsprozess tragen, der den örtlichen Bedingungen Rechnung trägt und Schulleitung, pädagogisches Personal, Schülerinnen und Schüler sowie ihre Eltern zusammenbringt. Überall in der Bundesrepublik gibt es heute "Leuchtturmschulen", die wirksame und nicht selten kreative Formen der Benachteiligtenförderung entwickelt haben – zusätzliche Förderangebote, pädagogische Werkstätten, Stipendienprogramme, Elterncafes, Kunst- und Theaterprojekte u.a.m. Solche Schulen gehen mit gutem Beispiel voran, aber sie sind noch immer die Ausnahme. Denn nachhaltige Schulentwicklung ist ein komplexes und langwieriges Unterfangen, das gerade Schulen in schwieriger Lage nicht ohne weiteres leisten können, zumal wenn es an professionellen Beratungs- und Unterstützungsstrukturen fehlt. Die Bereitstellung zusätzlicher Ressourcen für Schulen ist daher nur die halbe Miete.