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Medien in Indien | Indien | bpb.de

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Medien in Indien Zwischen Globalisierung, Ausdifferenzierung und bedrohter Glaubwürdigkeit

Dr. Nadja-Christina Schneider

/ 11 Minuten zu lesen

Indiens Medienlandschaft ist vielfältig. Das liegt zum einen an der Größe des Landes, zum anderen an den regionalen, sprachlichen und soziokulturellen Unterschieden. Neben Fernsehen und Radio haben sich in den vergangenen Jahren auch soziale Medien rasant entwickelt und die Mediennutzung verändert. Eine Zeitungskrise wie in den USA oder Europa scheint bislang nicht in Sicht. Allerdings gibt es Faktoren, die die Glaubwürdigkeit der indischen Medien bedrohen.

Zeitungsstand in Neu Delhi
Foto: Stefan Mentschel

Indien wird häufig anhand seiner starken gesellschaftlichen Gegensätze charakterisiert. Auch bei Angebot und Nutzung von Medien und Kommunikationstechnologien weist das Land äußerst unterschiedliche, wenn auch insgesamt sehr hohe Entwicklungsdynamiken auf. Allerdings entsprechen die aktuellen Trends nicht mehr zwangsläufig der Annahme eines starken Stadt-Land-Gefälles oder der Vorstellung, dass Fernsehen und Radio eher die zentralen Medien für die Kleinstädte und ländlich geprägten Regionen, das Internet sowie die Printmedien dagegen primär auf das urbane und eher privilegierte Publikum ausgerichtet seien. Durch den rasanten Zuwachs im Mobilfunkbereich, die kontinuierliche Ausweitung des Internets und nicht zuletzt durch die regionalsprachige Ausdifferenzierung und Lokalisierung von Printmedien verlagert sich der Fokus vielmehr zunehmend weg von den urbanen Zentren hin zu den neuen regionalen Zukunftsmärkten der indischen Medienindustrie.

Zunehmende Medialisierung der Gesellschaft

Allein durch die Größe des Landes und die regionalen, sprachlichen sowie soziokulturellen Unterschiede weist die indische Medienlandschaft eine einzigartige Vielfalt auf. In Indien boomen neben Fernsehen, Presse und Hörfunk seit einigen Jahren auch das Internet und insbesondere der Mobilfunksektor. Die multilinguale Fernsehlandschaft ist kaum noch überschaubar. Nach Angaben des Ministeriums für Information und Rundfunk gibt es landesweit 786 zugelassene private Satellitenkanäle, etwa die Hälfte davon im Bereich Nachrichten (Stand: 31. Januar 2014). Die neuen Angebote im Bereich Internetfernsehen sowie die mehr als 20 öffentlich-rechtlichen Fernsehsender sind darin noch nicht mitgezählt.

Diese Entwicklung hängt vor allem mit der ökonomische Liberalisierung seit Mitte der 1980er und Anfang der 1990er Jahre zusammen. Mit ihr hielt die konsumorientierte Marktwirtschaft in Indien Einzug, von der die Medien nicht nur profitieren, sondern die sie auch maßgeblich mitgestalten. Seither lassen sich in so unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen wie der Politik, Ehepartnersuche und oder auch der zeitgenössischen Kunst beschleunigte Medialisierungsprozesse beobachten. Das heißt, die Bedingungen der Kommunikation und die darauf basierenden gesellschaftlichen Prozesse haben sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten in Indien grundlegend verändert.

Dieser Wandel lässt sich besonders gut an Ereignissen beobachten, die zu einer kommunikativen Verdichtung und Entstehung themenbezogener Öffentlichkeiten führen. Ein Beispiel dafür ist die Antikorruptionsbewegung des Jahres 2011 und der medienwirksam inszenierte Hungerstreik des Aktivisten Anna Hazare. Die Bewegung führte später zur Gründung einer neuen politischen Partei, der Aam Aadmi Party (sinngemäß: Partei der einfachen Leute), deren Entstehung eng mit den Ausprägungen einer medialisierten Politik und Demokratie in Indien verwoben ist. Ein weiteres Beispiel ist die gesellschaftliche Debatte über sexuelle Gewalt gegen Interner Link: Frauen in Indien in Folge der Gruppenvergewaltigung einer Studentin in der Hauptstadt Delhi im Dezember 2012 und der dadurch ausgelösten urbanen Proteste.  

An beiden Ereignissen hat sich auch die medienkritische Diskussion in Indien neu entzündet, denn vor allem die Rolle des Nachrichtenfernsehens, das rund um die Uhr "neue" Bilder und Geschichten liefern muss, wurde kontrovers diskutiert. Zum einen wird die Atemlosigkeit einer oftmals grellen Berichterstattung beklagt. Zum anderen wurde gerade im Kontext der Debatte über sexuelle Gewalt und Frauenrechte positiv hervorgehoben, dass das Fernsehen hier als informierendes Medium fungiert und die Diskussion weit über den Rahmen des Ereignisses hinaus maßgeblich gefördert hat.  

Wachsende Rolle der sozialen Medien

 

Während das Fernsehen die Medienlandschaft weiterhin stark prägt, entwickeln sich auch das Internet und die Mobilfunkindustrie in einem für viele unerwartet hohen Tempo. Vor dem Hintergrund der Protestwelle in der arabischen Welt glaubten Beobachter in der indischen Antikorruptionsbewegung ebenfalls Anzeichen eines Social Media Spring oder Tahrir Square Moment erkannt zu haben. Doch ebenso wenig wie die Proteste in der arabischen Welt durch neue Medientechnologien ausgelöst wurden, lässt sich diese medienzentrierte Vorstellung eines plötzlich auftretenden sozialen und politischen Wandels auf Indien anwenden.  

Unbestritten ist dennoch, dass sich Medienpraktiken verändern und soziale Medien inzwischen eine sehr große Rolle für die Diskussion und Information einer wachsenden Zahl von Menschen in Indien spielen, vor allem bei der Organisation und Koordination von Protesten. Für die wechselseitige Konstituierung von neuen Protesträumen im Internet und den physischen Orten neuer Protestbewegungen hat die Soziologin Saskia Sassen den Begriff Global Street (sinngemäß: global werdende Straße) geprägt. Ob dieser Prozess in Indien tatsächlich neue Artikulations- und Handlungsräume für jene Gruppen schafft, die in politischen Prozessen bislang nicht oder kaum repräsentiert sind, wird jedoch von vielen Beobachtern in Frage gestellt.

Doordarshan: Katalysator der konsumorientierten Marktwirtschaft

 

Das Fernsehen wurde 1959 als staatliches Monopol in Indien eingeführt und die nationale Fernsehbehörde sowie der gleichnamige hindisprachige Fernsehsender Doordarshan unterstanden bis in die 1990er Jahre der Kontrolle des Ministeriums für Information und Rundfunk. Infolge langjähriger Forderungen nach mehr Autonomie für den Rundfunksektor fällte das Oberste Gericht Indiens 1995 ein bahnbrechendes Urteil, das zwei Jahre später zur Gründung einer autonomen Körperschaft des öffentlichen Rundfunks (Prasar Bharati oder Broadcasting Corporation of India) führte.  

Doordarshan wurde vorrangig zur Verwirklichung entwicklungsorientierter Zielsetzungen konzipiert und spielte bis Anfang der 1980er Jahre bei der Popularisierung staatlicher Entwicklungs- und Bildungsprogramme eine bedeutende Rolle. Lange Zeit blieb das Fernsehen jedoch ein langsam wachsendes Medium.  

Erst ab 1982 veränderte sich das. Ausschlaggebend dafür war die Einführung familienorientierter Unterhaltungsprogramme. Insbesondere von neuen Fernsehserien versprach sich die damalige Kongresspartei-Regierung eine verstärkte Integration der fragmentierten indischen Gesellschaft in die vorgestellte nationale Gemeinschaft. Zugleich hoffte man, dass die Zuschauer die "entwicklungsförderlichen" Einstellungen der Protagonistinnen und Protagonisten übernehmen würden. Vorbild dafür waren lateinamerikanische Telenovelas, die als Beispiel für die Theorie des sozialen Lernens konzipiert waren. Der "Entwicklungsschub" zeigte sich aber vor allem in sprunghaft steigenden Zuschauerzahlen und einem reißenden Absatz neuer Fernsehgeräte. Allein zwischen 1980 und 1985 stieg die Zahl verkaufter Geräte von zwei auf fünf Millionen.  

Bis 1987 produzierte Doordarshan 40 Serien nach dem Strickmuster der Telenovelas und erreichte damit teilweise mehr als 50 Millionen Zuschauer. Die immer stärkere Konsumorientierung der Handlungsstränge verdrängte allerdings zunehmend die didaktische Komponente. Sponsoring und Werbung beförderten diese Entwicklung. Der Siegeszug der Marktwirtschaft in Indien ist somit untrennbar mit dem Erfolg der Unterhaltungsserien auf Doordarshan verknüpft und setzte lange vor der Einführung des Privatfernsehens ein.  

Aufstieg des privaten Kabel- und Satellitenfernsehens

 

Ein weiterer bedeutender Einschnitt erfolgte 1991, als die Live-Berichterstattung des zweiten Golfkriegs weltweit den Beginn des transnationalen Fernsehzeitalters einleitete. Auch in Indien wurden die Zuschauer von der Vorstellung erfasst, "live" am Geschehen partizipieren zu können, und Doordarshan sah sich nun mit der Herausforderung durch das stärker nachrichtenorientierte Kabel- und Satellitenfernsehen konfrontiert. 1991 begann Rupert Murdochs Satellitenunternehmen STAR TV von Hongkong aus nach Indien zu senden und wurde dort von Anfang an gut angenommen. Wenig später erhielten auch indische Kabelanbieter Zugang zu den STAR-Programmen, was deren Verbreitung weiter erhöhte.  

Anfangs sendete STAR TV nur auf Englisch, doch die Ausweitung des regionalsprachigen Fernsehens ließ nicht lange auf sich warten. Für die privaten Hindi-Sender leistete ZEE TV Pionierarbeit und war zugleich treibende Kraft bei der Verbreitung des Kabelfernsehens. Die Aufholjagd um Quoten und Werbeeinnahmen hat Doordarshan durch grundlegende Programmreformen in den Folgejahren gut gemeistert und konnte nicht zuletzt durch eigene Satellitensender in indischen Regionalsprachen neue Publikumsgruppen gewinnen.  

Anfang der 2000er Jahre zeigte der indische Staat erneut einen stärkeren Regulierungswillen zugunsten der nationalen Medienindustrie. So wurde 2003 ein neues Gesetz verabschiedet, wonach ausländische Nachrichtensender, die per Satellit nach Indien ausstrahlten, mehrheitlich in den Besitz indischer Partnerunternehmen überführt werden mussten. Da dies sowohl die redaktionelle als auch die operationale Kontrolle über die Sender beinhaltete, ließ sich darin die Absicht erkennen, zumindest in diesem Bereich den global fortschreitenden Prozess der "Murdochisierung" aufzuhalten. Für Murdoch bedeutete dies, dass er binnen kurzer Zeit einen indischen Partner für die Übernahme der Mehrheitsanteile (74 Prozent) an seinem Sender STAR News finden musste und im Medienunternehmen ABP Group (Anandabazar Patrika) aus Westbengalen auch fand. Die großen Pressehäuser des Landes zeigten grundsätzlich seit Beginn der Medienglobalisierung und Ausdifferenzierung der Medienlandschaft in den 1990er Jahren ein ausgeprägtes Interesse am Fernsehen sowie generell an einer branchenübergreifenden Verankerung ihrer Unternehmen.  

Im Jahr 2013 hat die indische Regierung zwar den erlaubten Umfang für ausländische Direktinvestitionen im Telekomsektor auf 49 Prozent erhöht, doch stand eine analoge Entscheidung in den als "sensibel" eingestuften Bereichen Fernsehen, Radio und Presse Anfang 2014 noch aus. Angesichts des zunehmenden Wettbewerbs haben Vertreter der privaten Fernseh- und Radiosender sowie der Presse in den letzten Jahren jedoch wiederholt eine stärkere Öffnung des Mediensektors gefordert. So argumentiert etwa der Interessenverband Indian Newspaper Society, dass die Beteiligung ausländischer Investoren von bis zu 49 Prozent in der Kategorie "Nachrichten und aktuelle Angelegenheiten" und von bis zu 100 Prozent im Bereich der spezialisierten Magazine und Faksimile-Ausgaben ausländischer Zeitungen eine neue Dynamik in den indischen Zeitungsmarkt bringen könnte.  

(Noch) keine Zeitungskrise in Sicht: Die indische Tagespresse

 

Zeitungsstand in Neu Delhi
Foto: Stefan Mentschel

Angesichts des tiefgreifenden medialen Wandels ist bemerkenswert, dass der Markt für das "alte" Medium Zeitung in Indien nach wie vor wächst. Anzeichen für eine Zeitungskrise wie in den USA und Europa gibt es bislang kaum. Infolgedessen ist der indische Zeitungsmarkt auch für ausländische Investoren interessant, denn Indien ist zum weltweit größten Zukunftsmarkt für englischsprachige Medien avanciert. Es sind also längst nicht mehr die prestigereichen Zeitungen aus den USA oder England, die die größten Auflagenzahlen im englischsprachigen Segment vorweisen können. An der Spitze steht heute die 1838 in Bombay (seit 1996: Mumbai) gegründete und mittlerweile stark regional ausdifferenzierte Times of India. Der Motor dieses bislang ungebremsten Pressewachstums sind jedoch die indischsprachigen Zeitungen, die ihre höchsten Auflagen- und Leserzahlen gegenwärtig in den Publikationssprachen Hindi, Malayalam, Telugu, Tamil und Marathi erreichen.  

Neben dem Durchbruch der regionalsprachigen Produktwerbung sind vor allem zwei Faktoren für das ungebremste Zeitungswachstum ausschlaggebend: die regionalsprachige Ausdifferenzierung von Angeboten und die Lokalisierung von Redaktionsbüros und Zeitungsinhalten. Es war der Marktforschung zu verdanken, dass die indischsprachige Presse Ende der 1970er Jahre erstmals ihr Potenzial erkennen konnte. Insbesondere die Ergebnisse des zweiten National Readership Survey (NRS) von 1978 waren hierfür von Bedeutung. In den Folgejahren wuchs die Leserschaft um ein Vielfaches, anfangs vor allem in den Städten, doch es wurde bereits in den 1980er Jahren intensiv über das mögliche das Potenzial in weniger urbanisierten oder ländlichen Gegenden nachgedacht.

Inzwischen wird in Indien eine interessante Diskussion über die Frage geführt, ob das "Regionale das neue Nationale" im Pressesektor darstellt. Einige Beobachter sind überzeugt, dass sich Zeitungen noch stärker auf Kleinstädte und ländliche Regionen konzentrieren und dort sogenannte Local Reader Communities bilden müssten, um die Gefahr einer Marginalisierung durch die digitalen Medien abzuwenden. Eher optimistisch schätzt dagegen Robin Jeffrey die Zukunftsaussichten der Printmedien in Indien ein. Der Autor des vielzitierten Buches India's Newspaper Revolution (2000) nimmt an, dass noch mindestens eine weitere Dekade vergehen wird, ehe mit einem Rückgang der Zeitungsleserschaft zu rechnen ist. Fest steht allerdings, dass der Zeitungsmarkt in den Metropolen mittlerweile als gesättigt und wegen der jahrelangen Preiskriege zwischen den Verlagshäusern als wenig rentabel gilt.  

Vielfältiger werdende Radiolandschaft

 

Einige Zeitungshäuser wie die Times-Gruppe gehörten in den letzten zwei Jahrzehnten auch im Hörfunkbereich zu den Pionieren. Sie benutzten die Studios und technische Ausrüstung des staatlichen Radiosenders All India Radio, während dessen Angestellte darauf achteten, dass sich Times FM oder Radio Mid Day genau an die Vertragsbedingungen hielten. Hintergrund dafür war das lange Zögern des indischen Staates, die Deregulierung auch im Bereich des Hörfunks voranzubringen. Einige wenige Sendeplätze, die erstmals 1994 in Metropolen auf den UKW-Frequenzen von All India Radio eingeräumt wurden, gingen ausschließlich an private Unternehmen, denen Nachrichtensendungen untersagt wurden. Erst Ende der 1990er Jahre wurden auch Radiolizenzen freigegeben, wobei das aufwendige Vergabeverfahren bei vielen Interessenten bald zu Ernüchterung führte.  

Ungeachtet dessen hat sich in den letzten Jahren auch im Hörfunkbereich viel getan. Zahlreiche private Sender, darunter Satelliten- und Internetsender, sind hinzugekommen und bereichern Indiens Radiolandschaft. Dagegen fruchteten erst Ende 2006 die langjährigen Bemühungen nicht-gewinnorientierter Organisationen für die Freigabe von Lizenzen für das Community Radio Broadcasting, also der Idee eines lokalen Hörfunks für kleinere Gemeinden und spezielle Interessengruppen. Die Mehrzahl der 163 bis Anfang 2014 zugelassenen Community Radios sind allerdings Universitäts- oder College-Sender.

Glaubwürdigkeit der Medien steht auf dem Spiel

 

Während in der deutschen Diskussion über die Zeitungskrise oft auf die Bedrohung durch die digitalen Medienangebote verwiesen wird, sehen einige wenige Beobachter den Hauptgrund dafür in der intellektuellen Krise, nicht nur, aber allen voran der Mittelschicht. Ähnlich empfinden es manche Kritiker in Indien, die weder die Frage der Technologie noch der Medienformate für annähernd so entscheidend für die Zukunft der Zeitungen und der Medien allgemein halten wie die Frage des Standpunktes, den diese jeweils vertreten. Daran entscheidet sich die Glaubwürdigkeit und Relevanz, die eine Zeitung oder ein Fernsehsender für ihr Publikum besitzen.  

Ein großer Teil der Wertschätzung für die indische Presse resultiert aus der herausragenden Rolle, die sie im Kampf um die Unabhängigkeit gespielt hat. Heute stehen indessen weniger die Namen von Zeitungen und Zeitschriften, sondern eher die von einzelnen Medienschaffenden für einen mutigen und aufklärenden Journalismus in Indien – obwohl sie dafür oft persönliche Nachteile oder sogar hohe Risiken in Kauf nehmen müssen. Ein Beispiel ist die Journalistin Tongam Rina aus Arunachal Pradesh im Nordosten des Landes, die 2013 für ihre Reportagen über Korruptionsfälle und Umweltskandale mit dem Leipziger Medienpreis ausgezeichnet wurde. In ihrer Heimat wurde sie wegen ihrer kritischen Berichterstattung dagegen jahrelang bedroht, selbst vor einem Mordanschlag schreckten ihre Gegner nicht zurück: Im Juni 2012 schossen Attentäter vor dem Redaktionsgebäude der Zeitung Arunachal Times in Itanagar auf Tongam Rina und verletzten sie dabei schwer.  

Die Übergriffe auf Journalistinnen und Journalisten haben in letzter Zeit zugenommen. In Verbindung mit mehreren Fällen von Internetzensur durch Behörden hat dies eine neue Debatte über die Situation der Meinungs- und Medienfreiheit in Indien ausgelöst.  

Bedroht wird diese aber auch durch ein Phänomen, das als Marktzensur bezeichnet werden kann, also einer auffallend wirtschaftsfreundlichen Berichterstattung durch die etablierte Tages- und Wochenpresse. Im schlimmsten Fall scheut sich diese sichtlich, über skandalöse Fälle der versuchten Einflussnahme durch große Wirtschaftsunternehmen auf Medien und Politik zu berichten. Aufsehen hat in diesem Zusammenhang der Fall der Lobbyistin Niira Radia erregt, von der Ende 2010 zahlreiche mitgeschnittene Telefonate an die Öffentlichkeit gelangt waren. Auf den sogenannten Radia Tapes war unter anderem zu hören, wie die Lobbyistin mit einflussreichen Medienvertretern den Tenor der journalistischen Berichterstattung über bestimmte politische Entwicklungen abstimmte. Die Printmedien hielten sich mit Berichten über den Skandal zunächst zurück. Erst als über soziale Medien wie Twitter und Facebook immer mehr Details in die Öffentlichkeit gelangten und die Debatte bereits in vollem Gange war, zogen große Zeitungen und Fernsehsender nach.  

Auch wenn es in der vielfältigen indischen Medienlandschaft sicher nie an herausragenden Beispielen für einen kritischen und engagierten Journalismus mangeln wird, so steht doch immer wieder die Glaubwürdigkeit der Medien auf dem Spiel, wenn Fälle von bezahlten Inhalten, verzerrenden Darstellungen, versuchter Einflussnahme oder generell die negativen Effekte einer durch die Medienglobalisierung verstärkten Marktzensur zunehmend die Wahrnehmung der Printmedien und des Fernsehens in Indien prägen.

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Prof. Dr. Nadja-Christina Schneider ist Südasienwissenschaftlerin und seit 2009 als Juniorprofessorin an der Humboldt-Universität zu Berlin tätig. In ihrer Forschung und Lehre befasst sie sich schwerpunktmäßig mit Medien und gesellschaftlichen Prozessen in Indien.