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Hong Kong und Macau | China | bpb.de

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Hong Kong und Macau Ein historischer Überblick

Markus Rimmele

/ 9 Minuten zu lesen

Hongkong und Macau entstanden einst als europäische Kolonien an Chinas Südküste. Portugiesen und Briten schufen sich hier wichtige Handels- und Marinestützpunkte. Ende der 1990er-Jahre fielen beide Territorien an China zurück, behielten aber einen Sonderstatus. Heute suchen sie noch ihre neue Rolle innerhalb der aufstrebenden Volksrepublik.

Die Skyline von Hong Kong im Jahr 2002, fünf Jahre nach der Rückgabe an China. (© AP)

Wer heute nach Hongkong und Macau reist, findet zwei sehr ungleiche Städte vor. In der internationalen Finanzmetropole Hongkong leben rund sieben Millionen Menschen. Die Stadt ist ein kosmopolitischer Börsen- und Handelsplatz, verfügt über einen der größten Containerhäfen der Welt und beherbergt eine vielfältige Medien- und Unterhaltungsindustrie. Im beschaulichen Macau hingegen leben nur gut 500.000 Menschen. Die wichtigsten Wirtschaftszweige dort sind der Tourismus und das Glücksspiel. Hongkong ist heute die weitaus größere und bedeutendere Stadt. Allerdings kann Macau auf eine sehr viel längere Geschichte zurückblicken.

Anfang des 16. Jahrhunderts landen die Portugiesen erstmals an der südchinesischen Küste auf der Suche nach einem geeigneten Ort für einen Handelsstützpunkt. Einige Zeit vergeht, bis sie schließlich im Jahr 1557 Macau gründen. Die Stadt wird schnell zu einer bedeutenden Drehscheibe im portugiesischen Kolonialreich, einer Station auf dem Weg von Lissabon über Indien zur Niederlassung im japanischen Nagasaki. Zahlreiche Gebäude in Macau zeugen noch heute von dieser kolonialen Blütezeit, allen voran die Ruine der Pauluskirche. Sie ist das Wahrzeichen der Stadt.

Erster Opiumkrieg

Auch die Engländer betreiben ihren Chinahandel lange Zeit über Macau und das nahe gelegene chinesische Kanton (Guangzhou). Anfang des 19. Jahrhunderts jedoch nehmen ihre Interessen in Asien rapide zu, das britische Auftreten wird aggressiver. Um ihr Handelsdefizit mit China auszugleichen, schleusen sie illegal große Mengen Opium auf den chinesischen Markt. Als das Kaiserreich gegen die Einfuhr der Droge vorgeht, schickt die britische Regierung 1839 Kriegsschiffe. Der "Erste Opiumkrieg" endet 1842 mit dem Sieg der Engländer und dem Vertrag von Nanking. Darin wird China zu zahlreichen Zugeständnissen gezwungen. Unter anderem muss es die nur spärlich besiedelte Insel Hongkong ("Duftender Hafen") an der Mündung des Perlflusses an die Briten abtreten. Großbritannien hat nun seinen eigenen Stützpunkt in Südchina.

Unter britischer Herrschaft entwickelt sich Hongkong schnell zu einem bedeutenden Handelshafen. Es steht aber immer ein wenig im Schatten von Schanghai, das sich zum Haupthandelsstützpunkt der Kolonialmächte in China mausert. Das portugiesische Macau, auf der westlichen Seite der Perlflussmündung gelegen, verliert gegenüber beiden Städten rasch an Bedeutung.

Von Anfang an fehlt es im gebirgigen Hongkong an nutzbarem Platz. Aus diesem Grund und auch um ihre Kolonie besser abzusichern, pachten die Briten 1898 von China große Gebiete auf dem angrenzenden Festland, die "New Territories". Der Pachtvertrag ist auf 99 Jahre angesetzt und soll 1997 auslaufen – ein folgenschweres Abkommen, wie sich viele Jahre später zeigen wird.

Hongkong wächst in seinen ersten Jahrzehnten stetig. Am Vorabend des Zweiten Weltkriegs leben bereits 1,6 Millionen Menschen in der Kolonie. Diese Zahl halbiert sich allerdings in den Folgejahren. Im Dezember 1941 erobern die Japaner Hongkong und halten es besetzt bis zur Kapitulation vier Jahre später, als die Stadt wieder zurück an Großbritannien fällt. So brutal die japanische Herrschaft und die Kriegszeit auch sind, so gestärkt ist Hongkongs Position in der Nachkriegsordnung. China versinkt im Bürgerkrieg zwischen Kommunisten und Nationalisten. Flüchtlinge strömen in die sichere Kolonie am Südrand des Reiches und geben ihr einen entscheidenden Bevölkerungsschub. Als 1949 unter der Führung von Mao Zedong die Volksrepublik China gegründet wird, setzt ein weiterer Zustrom ein, vor allem aus Hongkongs langjähriger Konkurrenzstadt Schanghai. Die Handelsmetropole an der Jangtse-Mündung verliert im abgeschotteten kommunistischen China schlagartig ihre Stellung. Viele internationale Handelshäuser, Banken und Unternehmen verlagern ihre Geschäfte nach Hongkong. Zahlreiche Schanghaier Exilanten legen den Grundstein für Hongkongs moderne Film-, Musik- und Unterhaltungsindustrie.

Macau: Wirtschaftsfaktor Glücksspiel

Macau, seit 1887 auch von China formal anerkannter portugiesischer Besitz, übersteht den Weltkrieg glimpflich und mit geringeren Opfern als die große britische Nachbarstadt. Allerdings fehlt es der Kolonie nach dem Krieg an Prosperität. Das unter dem autoritären Salazar-Regime verarmte Portugal weiß mit dem kleinen Territorium in Fernost nur wenig anzufangen und vernachlässigt es zunehmend. Macaus wirtschaftliche Abhängigkeit von Hongkong wächst, und das Glücksspiel entwickelt sich rasant. 1966 schwappt sogar die von Mao ausgerufene "Große Proletarische Kulturrevolution" über die Grenze. Vorübergehend übernehmen "Rote Garden", radikalisierte kommunistische Jugendverbände, die Kontrolle in der Stadt. Portugal versucht in den folgenden Jahren aus eigenen Stücken, das zur Belastung gewordene Macau an China zurückzugeben. Doch die Regierung in Peking lehnt die Rücknahme ab. Die Volksrepublik sieht sich nach den chaotischen Jahren der Kulturrevolution dazu noch nicht in der Lage und will ohnehin zuerst die wichtigere Hongkong-Frage lösen.

Die Lage in der britischen Kronkolonie aber stellt sich völlig anders dar. Nach dem Krieg strömen Firmen, Kapital und Talente von China nach Hongkong. Sie treffen dort auf ein Heer billiger Arbeitskräfte, auch sie sind als Immigranten vom Festland gekommen. Ab den 1950er-Jahren expandiert die Wirtschaft wie niemals zuvor. Die Stadt wird zu einem Zentrum der Leicht- und Textilindustrie. Ob Kunstblumen, Knöpfe, Schuhe oder Plastikartikel aller Art – "Made in Hong Kong" wird der Welt ein Begriff, lange bevor sie von "Made in China" auch nur ahnt. Mit der Wirtschaft wächst auch der Wohlstand. Die Lebenserwartung steigt, ebenso das Bildungsniveau der Bevölkerung. Ab den 1970er-Jahren sinkt die einst grassierende Korruption auf einen der niedrigsten Werte weltweit.

Hongkong verfolgt eine sehr liberale Wirtschaftspolitik. Die Kronkolonie ist ein Freihafen mit äußerst niedrigen Steuersätzen. Sie entwickelt sich zum wichtigen Börsen- und Bankenplatz in Asien. 1980 liegt die Einwohnerzahl bereits bei etwa fünf Millionen. Die Stadt steigt in die Reihe der entwickelten Industriegesellschaften auf. Obwohl britisch verwaltet, ist Hongkong während der Nachkriegsjahrzehnte kein demokratisches Gemeinwesen. An der Spitze der Verwaltung steht ein von London eingesetzter Gouverneur, kein gewählter Regierungschef. Die Bewohner Hongkongs sind "britische Untertanen", aber keine britischen Staatsbürger, sie besitzen kein Wohnrecht im Vereinigten Königreich.

Die Hongkong-Frage

Die positive Entwicklung der Kolonie steht allerdings unter einem immer größer werdenden Fragezeichen, rückt doch das Jahr 1997 näher. Zu diesem Datum läuft der Pachtvertrag mit China für die "New Territories" aus. Ohne diese grünen Gebiete im Norden wäre die überfüllte Stadt kaum überlebensfähig und zu versorgen. Ohnehin fordert Peking die Rückgabe der gesamten Kolonie. Anfang der 1980er-Jahre schließlich steht die Hongkong-Frage auf der internationalen politischen Agenda. Die britische Regierung unter Premierministerin Margaret Thatcher hofft zunächst noch, Hongkong durch Verhandlungen mit Peking halten zu können. Doch Chinas politischer Führer Deng Xiaoping tritt mit großer Stärke auf und setzt sich schließlich gegen London durch. 1984 vereinbaren beide Regierungen die Rückgabe Hongkongs für den 1. Juli 1997. Die Stadt soll danach zwar zu China gehören, nach dem Prinzip "Ein Land, zwei Systeme" aber 50 Jahre lang als Sonderverwaltungsregion politisch und wirtschaftlich große Autonomie genießen. Durch diesen Kompromiss wird die Rückgabe für die britische Seite akzeptabel. Hongkong soll seine kapitalistische Marktwirtschaft behalten dürfen, aber auch liberale Bürgerrechte wie Presse- und Versammlungsfreiheit. In der Kronkolonie machen sich trotzdem Unsicherheit und Zukunftsangst breit. Viele Menschen trauen den chinesischen Zusagen nicht. Vor allem das Massaker auf dem Pekinger Tiananmen-Platz durch die Volksbefreiungsarmee im Jahr 1989 nährt die Auswanderungspläne vieler Hongkonger. Mehrere hunderttausend Menschen ziehen zwischen 1984 und 1997 ins Ausland. Allein 1992 kehren 66.000 Personen der Kronkolonie den Rücken.

Trotz der politischen Ungewissheit erlebt Hongkong in den Achtzigerjahren eine Blütephase. Das Hongkong-Kino und der Canto-Pop haben ihre Hochzeit. Die Wirtschaft boomt und durchläuft gleichzeitig einen radikalen Strukturwandel. Seit der chinesischen Öffnungspolitik ab 1978 verlagern Hongkonger Unternehmen die Fertigung immer häufiger ins festlandchinesische Hinterland. Sie werden zur treibenden Kraft bei der Industrialisierung des Perlflussdeltas, heute eines der größten Industriegebiete der Welt. Aus Hongkong selbst verschwindet die einst so wichtige Industrieproduktion. Doch die alten Arbeitsplätze werden durch neue ersetzt. Der Anteil des Dienstleistungssektors an der Wirtschaftsleistung steigt auf über 80 Prozent.

Chinesisch-portugiesische Erklärung

Nach der Nelkenrevolution im Jahr 1974 demokratisiert sich Portugal und leitet Schritte zur Entkolonialisierung ein. Doch erst nach der Klärung der Hongkong-Frage beginnt Peking ernsthafte Verhandlungen über die Zukunft Macaus. Diese münden schließlich in der "chinesisch-portugiesischen Erklärung" von 1987. Darin wird die Übergabe der Kolonie auf den 20. Dezember 1999 terminiert. Auch hier findet die Formel "ein Land, zwei Systeme" Anwendung. Wie Hongkong soll auch Macau außer in der Verteidigungs- und Außenpolitik große Autonomie behalten. In den Folgejahren werden für beide Städte sogenannte Grundgesetze ausgearbeitet, Mini-"Verfassungen", die mit der Rückgabe in Kraft treten sollen.

Spielcasino in Macau. (© AP)

Die Übergabeverhandlungen fallen in eine Zeit größter wirtschaftlicher Dynamik. China durchläuft einen rasanten Industrialisierungsprozess. Um mit marktwirtschaftlichen Methoden zu experimentieren, richtet Peking in Südchina Sonderwirtschaftszonen ein. Die erste und prominenteste ist Shenzhen direkt hinter der Hongkonger Stadtgrenze gelegen. Sie soll Investitionen aus der britischen Kolonie anlocken. Das Konzept geht auf, Hongkonger Firmen ziehen mit ihren Fabriken zu Tausenden über die Grenze. Aus dem Inneren Chinas kommen Wanderarbeiter in die Region, die zu extrem niedrigen Löhnen arbeiten. Im Perlflussdelta entsteht ein Ballungsraum mit mehr als 50 Millionen Menschen, in den sich Hongkong und Macau wirtschaftlich immer stärker integrieren. Zwischen 1978 und 1997 wächst der Handel zwischen Hongkong und der Volksrepublik um durchschnittlich 28 Prozent pro Jahr.

So ist die britische Kronkolonie bereits eng mit China verflochten, als sie in der Nacht zum 1. Juli 1997 der Hoheit Pekings unterstellt wird. In einer aufwändigen Zeremonie, begleitet von sintflutartigem Regen, nehmen die Briten Abschied von Hongkong. Das Ereignis wird von Millionen Menschen weltweit im Fernsehen verfolgt. Viel weniger Beachtung findet hingegen die Rückgabe Macaus zwei Jahre später am 20. Dezember 1999. Dabei geht eigentlich erst hier ein Kapitel der Weltgeschichte zu Ende. Nach mehr als 400 Jahren geben die Europäer mit Macau ihre letzte Kolonie in Asien auf. Die Portugiesen kamen einst als erste und gehen als letzte.

"Ein Land, zwei Systeme"

Die Einwohner in den beiden Sonderverwaltungsregionen und die Weltpresse beobachten die Entwicklung seither genau. Anders als viele befürchtet haben, hält sich China nach der Rückgabe an das Prinzip der zwei Systeme in einem Land. Hongkong und Macau funktionieren weitgehend wie eigenstaatliche Gebilde. Die freie Marktwirtschaft ist unangetastet. Speziell in Hongkong existiert – trotz einer Tendenz zur Selbstzensur – eine freie vielfältige Presselandschaft, und es herrscht Meinungsfreiheit. Dennoch nimmt die chinesische Regierung großen Einfluss auf das politische Geschehen in beiden Städten, nicht zuletzt bei den Wahlen des jeweiligen Regierungschefs durch die mehrheitlich pekingtreu besetzten Wahlkomittees. Die politischen Systeme beinhalten demokratische Elemente, sind aber nicht vollständig demokratisch. Die Abgeordneten des Hongkonger Parlaments etwa werden nur zur Hälfte direkt vom ganzen Volk gewählt. Peking hat allerdings eine Direktwahl aller Parlamentarier und des Regierungschefs durch das Volk mittelfristig in Aussicht gestellt.

Hongkong setzt seine gute Wirtschaftsentwicklung auch unter chinesischer Herrschaft fort. Einen schweren Einbruch erleidet die Stadt nur während der Epidemie der Lungenkrankheit SARS im Jahr 2003, als knapp 300 Menschen in der Stadt sterben. Die Arbeitsteilung zwischen dem hoch entwickelten Verwaltungs- und Dienstleistungszentrum Hongkong und dem günstig produzierenden chinesischen Hinterland ist auch zum Beginn des neuen Jahrtausends weiterhin fruchtbar.

Auch das lange zurückgebliebene Macau kann sich nach 1999 gut entwickeln. Dabei setzt es vor allem auf den Tourismus aus Festlandchina und das Glücksspiel. Beide Bereiche machen mehr als die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts des Territoriums aus. Die größten Kasinos der Welt entstehen hier, bei den Glücksspieleinnahmen überholt Macau sogar Las Vegas.

Heute stehen die beiden ehemaligen Kolonien erfolgreich und wohlhabend da. Doch es zeichnen sich große Herausforderungen ab. Das Spielerparadies Macau spürt seit dem Einsetzen der globalen Finanzkrise deutliche Rückgänge im Tourismus- und Glücksspielgeschäft. Es bekommt vorgeführt, wie sehr es sich lange Zeit auf nur einen Wirtschaftssektor gestützt hat und dadurch sehr verwundbar wurde.

Die Finanzstadt Hongkong leidet ebenfalls unter der Krise. Ihre langfristigen Herausforderungen aber sind von grundsätzlicher Art. Langsam verliert die Metropole ihren Entwicklungsvorsprung gegenüber festlandchinesischen Städten. Vor allem Schanghai ist zurück auf der internationalen Bühne und soll sich nach dem Willen Pekings zu einem globalen Finanzzentrum entwickeln. Auch als Drehscheibe und Logistikzentrum verliert Hongkong an Bedeutung. Viele Waren etwa verlassen China mittlerweile über die Containerhäfen im benachbarten Shenzhen oder von anderen Küstenstädten. Mit seinen sieben Millionen Einwohnern ist Hongkong zudem gegenüber den chinesischen Metropolen recht klein und auf Dauer schlecht wettbewerbsfähig. Die Hongkonger Regierung hat dies erkannt und eine neue Zukunft für die Stadt skizziert, die nicht mehr in ihrer "splendid isolation" liegt. Hongkong soll mit seinem Umland jenseits der Grenze zusammenwachsen. Selbst von einer Fusion mit Shenzhen und anderen Städten im Perlflussdelta ist die Rede. So könnte eine neue Megalopolis im Süden Chinas entstehen, ein Kraftzentrum, das es mit den Metropolregionen von Schanghai und Peking im Wettbewerb aufnehmen kann. Das Symbol dieser neuen Zukunft nimmt bald Gestalt an: eine 30 Kilometer lange Brücke von Hongkong nach Macau und ins westliche Perlflussdelta.

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Markus Rimmele, geb. 1973, lebt als freier Journalist in Hongkong. Berichtet für Hörfunk und Printmedien aus China und Asien. Bis 2007 Reporter beim Deutschlandradio. Studium der Geschichte in Heidelberg, London und Berlin. Arbeitsschwerpunkte: Chinas gesellschaftlicher Wandel, Chinas Außenpolitik, Hongkong. Zuletzt: Hongkongs Hafen in der Krise (NDR Hörfunk), Taiwans Identität (BR Hörfunk).