Bei seinen Nachbarländern verfolgt China seine Interessen vehement, auf weltpolitischer Bühne ist die Volksrepublik zurückhaltender. Tatsächlich aber entwickelt sich China von einer Wirtschaftsmacht zu einem globalen Investor und einer politischen und militärischen Supermacht mit Präsenzambitionen im Weltraum und in Richtung beider Pole.
Chinas sicherheitspolitischer Horizont, seine Interessen und Kapazitäten haben sich durch wirtschaftspolitische Erfolge, technologischen Fortschritt und massive Investitionen in die militärische Modernisierung erheblich vergrößert. Die Volksrepublik China muss sich nicht mehr zu den Regionalmächten zählen lassen, sondern kann durch ihr wirtschaftspolitisches Gewicht global Einfluss nehmen. Hier unterscheiden sich jedoch die Interessenkonstellationen auch in Abhängigkeit von den jeweiligen Machtkapazitäten. Auf regionaler und Nachbarschaftsebene verfolgt die chinesische Regierung Interessen sehr robust. Auf überregionalen Plattformen hingegen erlebt die Welt zwar eine rhetorisch starke, doch gleichzeitig noch sicherheitspolitisch zurückhaltende Volksrepublik China. Dies verändert sich jedoch zunehmend: Die Volksrepublik China tritt nicht nur selbstbewusster auf, sondern versucht, Regeln und Institutionen eigenen Vorstellungen anzupassen und die Internationale Politik nach eigenen Konzepten zu prägen, wie der chinesische Außenminister Wang Yi bereits 2017 ankündigte.
Welche sicherheitspolitische Agenda verfolgt China?
Zu den außen- und sicherheitspolitischen Grundlagen zählen der Schutz der nationalen Einheit und territorialen Integrität, eine unabhängige, eigenständige Außenpolitik gemäß den "Fünf Prinzipien der Friedlichen Koexistenz", wobei insbesondere das Prinzip der gegenseitigen Nichteinmischung betont wird. Die Interner Link: Staats- und Parteiführung lehnt jede Einmischung in die inneren Angelegenheiten Chinas ab, insbesondere in Bezug auf Grenzregionen und Interner Link: Minderheitenpolitik. China beschwört zwar ständig seinen "Friedlichen Entwicklungsweg" ("Peaceful Development Road") als Säule seiner Außen- und Sicherheitspolitik, praktiziert aber zunehmend eine konfrontative Machtpolitik.
Insgesamt ist eine regionale Differenzierung der Außenpolitik zu beobachten. In der asiatischen Nachbarregion, insbesondere in Zentral- und Südostasien, versucht Peking durch Investitionen und wirtschaftliche Kooperation (beispielsweise die Regionale Wirtschaftspartnerschaft RCEP) ein den eigenen Interessen förderliches Umfeld zu schaffen. Gleichzeitig übt die chinesische Regierung Druck auf ihre Nachbarstaaten aus, um strategische und wirtschaftspolitische Interessen durchzusetzen. Deutlich zeigt sich dies an Chinas Anspruch auf das Interner Link: Südchinesische Meer (siehe Kasten). Auch die Wirtschaftskorridore durch Pakistan (China-Pakistan Economic Corridor, CPEC) und Myanmar (China-Myanmar Economic Corridor, CMEC) dienen nicht nur dem entwicklungspolitischen und infrastrukturtechnischen Aufbau der Nachbarländer, sondern Pekings strategischen Interessen: Dem Zugang zu Rohstoffen, zum Indischen Ozean und einer Transportalternative zur Malakka-Straße.
Innenpolitische Spannungen, Proteste, Aufstandsbewegungen und logistische, sowie finanztechnische Probleme und Verzögerungen in den Partnerländern bremsen allerdings die chinesischen Ambitionen. In Pakistan, beispielsweise, formierten sich Proteste gegen chinesische Staudamm- und Kraftwerkprojekte. Innenpolitische Spannungen zwischen und unterschiedliche Interessen von Militär und Zivilregierung in Islamabad belasten die chinesisch-pakistanischen Beziehungen. Auch die Gefahr terroristischer Anschläge auf chinesische Projekte und Arbeiter erfordert zusätzlich Sicherheitsmaßnahmen. Andernorts, wie in Bangladesch, beklagen Bürger/-innen und Politiker/-innen nach Todesfällen die miserable Arbeitsschutzmaßnahmen auf chinesischen Baustellen und in Kraftwerken und in Myanmar erschüttern Aufstandsbewegungen in Grenzregionen und Proteste gegen chinesische Firmen und Politiker, die in Verdacht stehen, das Militär nach dem Putsch zu unterstützen, die Planungen für den Wirtschaftskorridor CMEC. Zuletzt verzögerten die wirtschaftlichen Folgen der Covid19-Pandemie die Fortführung der Projekte der Seidenstraßeninitiative: Nehmerländer sind durch die ausfallenden Rohstoffexporte, die Wirtschaftsflaute und die sozioökonomischen Belastungen nicht mehr in der Lage, chinesische Kredite zu bedienen. Reisebeschränkungen und Quarantänebestimmungen für Arbeitskräfte legen Baustellen vorübergehend still.
Auf überregionaler Ebene wirkte China bisher zurückhaltender. Das Prinzip der Nichteinmischung wurde bisher genutzt, um sich je nach Interessenlage beispielsweise nicht an Resolutionen des UN-Sicherheitsrates zu beteiligen oder sich gegen Interventionen zu stellen. Die Hoffnung des Westens, China als kooperative Verantwortungsmacht gewonnen zu haben, die durch wirtschaftliche Reformen und die kommunikativen Möglichkeiten des Internets demokratischen Öffnungstendenzen entgegenstrebt, haben sich nicht erfüllt. Zusätzlich hat sich China eigene Foren internationaler und regionaler Diplomatie und Kooperation geschaffen und damit die Möglichkeiten des eigenen Agenda-Setting. Prominente Beispiele sind das Boao-Forum, Chinas Version der Davos-Gipfel, und die von China instrumentalisierten Institutionen im Zusammenhang mit der Seidenstraßeninitiative (Belt(s) and Road(s) Initiative, BRI) und der regionalen Sicherheitskooperation wie die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (Shanghai Cooperation Organization, SCO), die Chinas Politik Gelegenheit geben, auswärtige Einmischungen zurückzuweisen.
Öffentliche Wortwahl vs. Realpolitik
Nach offiziellen Angaben des Außenministeriums fördert die Volksrepublik Frieden und Entwicklung auf der Welt, sei nicht expansiv oder aggressiv und verteidige lediglich seine legitimen Souveränitätsinteressen und seine Landesgrenzen. Peking lehne militärische Allianzen ab, (Anmerkung der Verfasserin: gemeint sind US-amerikanische Bündnissysteme) und kritisiert hegemoniale Absichten und militärische Interventionen, insbesondere die US-amerikanischen Streitkräfte und ihre Einsätze. Tatsächlich aber entwickelt sich die Volksrepublik China von einer Wirtschaftsmacht zu einem globalen Investor und einer politischen und militärischen Supermacht mit Präsenzambitionen im Weltraum und in Richtung beider Pole. Präsident Interner Link: Xi Jinping hat seinem Land die Erfüllung des "Chinesischen Traumes einer starken Nation" mit einem starken Militär für die Mitte des 21. Jahrhunderts in Aussicht gestellt.
Die "Wiederherstellung der Einheit Chinas mit Taiwan" wird nicht mehr künftigen Generationen überlassen. Staatliche Unterstützungsmaßnahmen und Investitionsprogramme sollen China eine Führungsrolle und Unabhängigkeit in zukunftsorientierten Hochtechnologiebereichen (z.B. Künstliche Intelligenz und Halbleiterbereich) verschaffen. Die Abhängigkeit von Importen aus der Elektronik- und Rüstungsindustrie ist durch entsprechende Fördermaßnahmen der heimischen Entwicklung und Produktion gesunken. Die Volksrepublik China stellt modernste Waffensysteme und Antriebe, Schiffe und Fluggeräte, Raketen- und Abwehrsysteme selbst her, oder ist dabei entsprechende Kapazitäten zu entwickeln. In den Bereichen Ausbildung, Kommunikation und gemeinsamen Einsätzen (Joint Operations) muss die Volksbefreiungsarmee allerdings ihre Fähigkeiten verbessern. Auch bestehen Zweifel über den Technikstand nuklearer Antriebe.
Eine bisher prominente Forderung in Chinas Europapolitik, die Aufhebung von Sanktionen in Bezug auf Lieferungen militärischer Ausrüstung, verliert an Bedeutung. Chinesische Exporte sind zwar abhängig von europäischer Nachfrage, Chinas Unternehmen brauchen westliche Technikprodukte aber immer weniger. Die Notwendigkeit hochmoderne Technikprodukte wie Computerchips einzuführen und der Interner Link: Handelsstreit mit den USA haben zur neuen Unabhängigkeitskampagne der "Zwei Kreisläufe" geführt. Das Programm "Made in China 2025" soll das Land in eine Führungsrolle in der Hochtechnologieproduktion katapultieren.
Chinas sicherheitspolitische Umgebung
Die Volksrepublik China zieht sich über eine erhebliche geografische Ausdehnung und durch verschiedene Klimazonen vom Pazifik bis zu den Gebirgen Zentralasiens und vom Himalaya bis zu den Wüsten mongolischer Siedlungsgebiete. China hat die längste Landgrenze der Welt gegen 14 teilweise instabile Nationen oder potentielle Rivalen zu verteidigen. Die Beziehungen zu einigen Nachbarstaaten sind angespannt und historisch belastet, insbesondere zu Japan und Indien. Darüber hinaus muss Peking seine Politik zu zwei sicherheitspolitisch besonders herausfordernden Nachbarn, die Interner Link: Demokratische Volksrepublik KoreaInterner Link: mit ihrem Nuklearprogramm im Osten und Interner Link: Afghanistan im Westen, vorsichtig balancieren. Staatszerfall, wirtschaftlicher Zusammenbruch, der Einsatz von Nuklearwaffen, Kriminalität und Extremismus an Chinas Grenzen liegen nicht im Interesse der Partei- und Staatsführung. Nach dem Interner Link: Militärputsch in Myanmar am 1. Februar 2021 und den folgenden Protesten mit vielen Toten, kommt ein dritter Problemfall für Peking hinzu. Entsprechend angespannt sieht Peking seine sicherheitspolitische Umgebung und beklagt außen- und innenpolitische Bedrohungen, wie Interner Link: US-amerikanischen Interventionismus und Verletzungen souveräner Gebietsrechte Chinas (im Südchinesischen Meer) und Extremismus, Separatismus und Terrorismus im Inneren und in den Grenzgebieten.
Der Konflikt im Südchinesischen Meer
Das Südchinesische Meer ist nach Ansicht Pekings chinesisches Gebiet, ungeachtet der Proteste asiatischer Nachbarn und internationaler Beobachterinnen und Beobachter. Im Südchinesischen Meer, einem Meeresgebiet größer als das Mittelmeer, überlappen sich die Gebietsansprüche der Anrainer China, Vietnam, Malaysia, Brunei und Philippinen insbesondere im südlichen Teil um die Spratly Inseln. Die Volksrepublik China erklärt fast die gesamte Fläche als Hoheitsgebiet. Nach anderer Ansicht handelt es sich um Internationale Gewässer, in denen die Freiheit der Navigation und jederzeitige Durchfahrt zu sichern ist. Laut internationalem Seerecht (United Nations Convention of the Law of the Seas, UNCLOS) können Anrainer Anspruch auf eine exklusive Wirtschaftszone (Exclusive Economic Zone, EEZ) über 200 Seemeilen erheben, wenn die beanspruchten Strukturen Inseln einer gewissen Größe sind, auf denen menschliches Leben und wirtschaftliches Handeln ganzjährig möglich ist. Riffe, Sandbänke und Atolle gehören nicht dazu. Die Volkrepublik China hat solche kleinen Strukturen zu Inseln mit Landebahnen, Tiefseehäfen und Militärbasen ausgebaut und sendet regelmäßig Schiffe und Flugzeuge in die Hoheitsgebiete der Nachbarstaaten.
Der Internationale Schiedshof in Den Haag stellte 2018 fest, die chinesischen Ansprüche seien ungültig, die Volksrepublik China verletze die souveränen Rechte der Philippinen, besetze Inseln unrechtmäßig, zerstöre die Unterwasserwelt und komme seinen Verpflichtungen zur friedlichen Suche nach Verhandlungen und Lösungen nicht nach. Peking hat den Schiedshof für unrechtmäßig und nicht zuständig erklärt, sich am Verfahren nicht beteiligt und die Gültigkeit der maritimen Interessen und Rechte Chinas betont, obwohl die Volksrepublik 1996 UNCLOS unterzeichnet und ratifiziert hat.
Das Südchinesische Meer gilt als strategischer Engpass: ein Drittel der kommerziellen Schifffahrt und der weltweiten Rohöltransporte passiert das Gebiet. Die großen Volkswirtschaften Ostasiens sind abhängig von Energieimporten. Das Seegebiet hat reiche Fischbestände und verfügt insbesondere im südlichen Teil über Öl- und Gasvorkommen. Außerdem ist die tropische Inselwelt Ziel weiterer Investitionsabsichten in das Multimillionengeschäft Tourismus. Für die Regierung der Volksrepublik zählt das Südchinesische Meer zu seinen Territorialgewässern und wird laut kaiserlicher Dokumente und Steuerberichte seit Hunderten von Jahren genutzt. Zusätzlich wird das Argument des Festlandsockels bemüht, das das in Teilen flache Seegebiet mit dem ostasiatischen Festland verbindet. Nicht nur das strategische und militärpolitische Vorgehen Pekings, auch die wirtschaftliche Abhängigkeit von China setzt die südostasiatischen Nachbarn unter Druck. Präsident Xi Jinping hat sein Versprechen, das Südchinesische Meer nicht zu militarisieren, gebrochen. Das Seegebiet wurde als Teil der "Maritimen Seidenstraße des 21. Jahrhunderts" erklärt. Nach Pekings Verlautbarungen sind es andere, die illegal chinesische Inseln und Riffe okkupieren und sich einmischen. Insbesondere den USA und den "Freedom of Navigation Operations" ihrer Marine wird hier die Schuld an der Militarisierung der Region zugewiesen.
Dieser maritime Disput lässt wenig Hoffnung auf Deeskalation und friedliche Einigung zu. Peking wird mit Verweis auf die Verteidigung der territorialen Souveränität seine Gebietsgewinne nicht aufgeben. Zusätzlich hat China entlang strategischer Seeverkehrswege Versorgungsstützpunkte und militärische Installationen oder entsprechende Kooperationen aufgebaut und verfügt über politische und finanzielle Mittel, um diese Verstärkung des sicherheitspolitischen Handlungsrahmens zu finanzieren.
Permanent Court of Arbitration: The South China Sea Arbitration (The Republic of Philippines v. the Peoples Republic of China), The Hague, 2016, Externer Link: https://pca-cpa.org/en/cases/7/
Ministry of Foreign Affairs of the People's Republic of China: Statement of the Government of the People’s Republic of China on China’s territorial Sovereignty and Maritime Rights and Interests in the South China Sea, Beijing, 2016, Externer Link: http://www.fmprc.gov.cn/mfa_eng/zxxx_662805/t1379493.shtml
Xi Jinping: Working together to build a 21st Century Maritime Silk Road, in: Xi Jinping: On building a human community with a shared future, Institute of Party History and Literature of the Central Committee of the Communist Party of China, Beijing, 2019, 56-60
China unter Xi Jinping wird nicht mehr automatisch westlichen Politikmechanismen folgen, sondern strebt ein neues internationales System mit chinesischen Charakteristika an. Alle Länder sollten dem Aufbau eines neuen Typs internationaler Beziehungen folgen, der chinesische Vorstellungen von Großmachtdiplomatie umsetzt und Chinas neues Selbstvertrauen vermittelt. Gleichzeitig setzt Peking Chinas wachsenden Einfluss in internationalen Organisationen um und setzt eigenes Personal durch. Der chinesische Agrarwissenschaftler Qu Dongyu beispielsweise wurde 2019 Generaldirektor der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (Interner Link: Food and Agriculture Organization, FAO). Von fünfzehn UN-Unterorganisationen werden derzeit vier von chinesischen Expertinnen und Experten geleitet. Chinas Infrastrukturinvestitionen in Interner Link: Entwicklungsländern garantieren zusätzlichen Einfluss auf internationale Programme der Konfliktprävention, der Friedenserhaltung und der Ernährungssicherung.
Genauer Blick auf die USA
Die Regierung der Volksrepublik China betreibt umfangreiche Unterstützungspolitik gegenüber Schwellen- und Entwicklungsregionen und Ländern des Globalen Südens. Die Welt soll an Chinas Fortschritt und Modernisierungserfolgen teilhaben. Ausgenommen sind Akteure, die nach Pekings Ansicht intervenieren oder versuchen, Chinas Aufstieg zu behindern, wie etwa die USA. Peking versucht im regionalen Kontext internationale Mechanismen zu umgehen und eigene Interessen in bilateraler Politik durchzusetzen. Auf globaler Ebene scheint Peking ein kooperativeres Bild internationaler Zusammenarbeit zu zeichnen und unterstützt UN-Missionen zum Schutz der Zivilbevölkerung (Responsibility to Protect, R2P), solange diese nicht einem Regimewechsel dienen. Unilaterale Interventionen werden abgelehnt. Relevant für die innenpolitische Dimension und Legitimierungsfunktion der Politik sind insbesondere Staatspräsident Xi Jinping und die angestrebte Realisierung des "Interner Link: Chinesischen Traumes einer starken Nation mit einem starken Militär".
Die US-amerikanische "Pivot to Asia"-Strategie ab 2014, die Ausweitung der wirtschaftlichen Interessen und verteidigungspolitischen Maßnahmen im Pazifik, wie auch die Verstärkung der maritimen militärischen Präsenz und die Betonung der Bedeutung US-amerikanischer Bündnispartner in Asien, waren eine Herausforderung für Peking, das seinen rechtmäßigen Aufstieg und die legitime Verteidigung seiner Interessen bedroht sah. Die Beziehungen zu den USA sind wirtschafts- und sicherheitspolitisch die wichtigste Dimension in Pekings Geflecht bilateraler Beziehungen. China profitiert bislang von der engen wirtschaftlichen Verflechtung mit den USA und kalkuliert mit einer zurückhaltenden US-amerikanischen Militärpolitik, die sich auf die bestehende sicherheitspolitische Kooperation mit Japan beschränkt und im Südchinesischen Meer lediglich die Sicherheit und Freiheit der Seeverkehrswege einfordert: Die von China beanspruchten und unter japanischer Verwaltung stehenden Senkaku-(jap.), bzw. Diaoyu-(chin.)-Inseln sind Teil der US-amerikanisch-japanischen Verteidigungsallianz. Dagegen zählen die Territorialdispute im Südchinesischen Meer als regionaler Konflikt, der im Kreis der Anrainer zu lösen ist.
Die "America-First"-Strategie des ehemaligen US-Präsidenten Interner Link: Donald Trumps konzentrierte sich im Vergleich zu seinem Vorgänger auf den US-amerikanischen Kontinent: Der diplomatische und politische Rückzug aus regionalen und internationalen Organisationen, Verträgen und Kontrollmechanismen war ein unerwartetes Geschenk für Chinas Staats- und Parteiführung. Präsident Xi Jinping konnte sich (auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos 2017) als Verteidiger von Freihandel und Globalisierung präsentieren. Chinas weltweite Infrastrukturinvestitionen sorgten für Entwicklung und seine Peace-Keeping-Einheiten in UN-Missionen repräsentierten das friedliche, kooperative China. Chinas Militärbasis in Interner Link: Dschibuti, einem ostafrikanischen Kleinstaat, der von ausländischen Investitionen und Militärbasen lebt, fand mediales Echo.
Währenddessen wurde die Aufschüttung von Inseln und der Ausbau militärischer Einrichtungen im Südchinesischen Meer massiv vorangetrieben. Militärische Einheiten der Volksbefreiungsarmee verletzen den Luftraum und die territoriale Souveränität von Nachbarstaaten. Der derzeit amtierende US-Präsident Interner Link: Joe Biden sandte mit dem ersten Empfang eines ausländischen Regierungschefs im Weißen Haus, Japans Premierminister Yoshihide Suga, am 16. April 2021, ein deutliches Signal in Richtung Peking. Die Vereinigten Staaten werden die Zusammenarbeit mit ihren pazifischen Verbündeten verstärken, bzw. wieder aufnehmen. Interner Link: Präsident Bidens China-Politik orientiert sich an US-amerikanischen Interessen und an der Wiederaufnahme internationaler Verträge. Ansatzpunkte sind und bleiben Handelsfragen und sicherheitspolitische Aspekte, wie das Internationale Seerecht, das freie Durchfahrt und die Sicherheit der maritimen Handelsrouten garantiert.
Chinas neues Militär ist hochspezialisiert
Peking strebt globalen Einfluss an, einschließlich der Südhalbkugel und der Polargebiete. Die Maritime Seidenstraße soll überregionalen Einfluss, auch durch das Südchinesische Meer, sichern. Investitionen und Förderprojekte in überseeische Ressourcen schützt China seit 2003 mit einem Gesetz zum "Schutz und der Verteidigung überseeischer Investitionen in Rohstoffexploration". Das soll nicht nur nur die Versorgungssicherheit erhöhen, sondern auch entsprechendes Eingreifen legitimieren. Die Seidenstraßenpolitik insgesamt ist mehrdimensional angelegt. Handelsrouten und Schifffahrtswege verbinden China auf horizontaler Ebene mit der Welt. Die Rohstoffproduktion, sprichwörtlich vertikal unter der Erde und dem Meeresboden bildet die zweite Dimension ab. Als dritte Dimension gilt Chinas Engagement in Kommunikationstechnik und Weltraumnutzung.
Die Volksbefreiungsarmee hat sich mittlerweile von der Volkskriegstradition und der Landesverteidigung zu einem hochspezialisierten, modernen Militär mit Eliteeinheiten entwickelt, das fast global operieren kann und Machtprojektionsfähigkeiten weit über die unmittelbare Umgebung hat. Mit der Parade zum Interner Link: 70. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik am 1. Oktober 2019 hat China Größe und Selbstbewusstsein demonstriert. Die Demonstration modernster Waffensysteme erregte internationale Aufmerksamkeit. China hat einen neuen Flugzeugträger in Eigenbau hergestellt und Zerstörer der modernsten Generation Dienst genommen. Zusätzlich verfügt die Volksrepublik über verschiedene, auch stärker bewaffnete, polizeiliche Institutionen, Milizeinheiten, Zivilschutzorganisationen, Zoll, Küstenwache und Meeresüberwachungseinheiten. So ist es im Fall von maritimen Konflikten möglich, nicht sofort reguläre Einheiten der Marine der Volksbefreiungsarmee einzusetzen, sondern auf andere staatliche Organisationen oder Behörden zurückzugreifen wie beispielsweise die maritimen Überwachungseinheiten der Provinzen, oder auch unterbeschäftigte und mit militärischem Training und entsprechender Ausrüstung versehene Fischereieinheiten. Chinas Küstenwache kann auf im internationalen Vergleich sehr große Schiffe zurückgreifen. Zumindest ein Zerstörer ist größer als die US-amerikanische Arleigh-Burke Klasse. Entsprechende Gesetzesänderungen ermöglichen auch den aktiven Einsatz von Waffen und Abwehrsystemen.
Der Westen repräsentiert nur 12 Prozent der Weltbevölkerung und wird seinen internationalen Ordnungsanspruch nicht halten können. China investiert politisches und wirtschaftliches Kapital strategisch, um Freiräume zu besetzen und sich sowohl in der Nachbarschaft, als auch international, ein den eigenen Interessen offenes Umfeld zu schaffen. Wie viel Begeisterung die eigene Bevölkerung allerdings nach überstandener Coronakrise und der nächsten Wirtschaftsflaute für Flugzeugträger und strategische U-Boote noch hat, ist nicht gesichert. Supermachtambitionen sind teuer.
Saskia Hieber ist Dozentin für Internationale Politik an der Akademie für Politische Bildung, Tutzing, und Lehrbeauftragte für Internationale Politik Asien an der Universität Regensburg. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Chinas Außen- und Sicherheitspolitik, die Sicherheitsarchitektur Asiens, Energiesicherheit, transpazifische und transatlantische Beziehungen und Chinas Europapolitik.
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