Was ist "New Public Management"?
Anfang der 1980er Jahre geriet der Aktive Staat vor allem in den angelsächsischen Ländern unter Margaret Thatcher und Ronald Reagan unter Druck. In den USA und in Großbritannien galt der Staat nicht mehr als "Lösung des Problems, sondern als Teil des Problems". Gegenmodelle zum aktiven Staat wurden unter Schlagwörtern wie "New Public Management" (NPM), "schlanker Staat", "modernes Regieren" oder "neues Steuerungsmodell" bekannt, und seine Begriffe und Werkzeuge, vom Kontraktmanagement über die Budgetierung bis hin zur Qualitätssicherung prägen unterdessen den Alltag in allen Arbeitsfeldern, vom Kindergarten bis zum Altenheim, von der Jugendsozialarbeit bis zur Arbeitsmarktpolitik. Regierungen in fast allen westeuropäischen Ländern begannen verstärkt Aufgaben zu privatisieren, ihren Personalbestand abzubauen, einzelne Verwaltungseinheiten zu verselbständigen, den öffentlichen Sektor unter verstärkten Markt- und Wettbewerbsdruck zu setzen und Managementkonzepte aus dem Privatsektor in die staatlichen Behörden zu übertragen. Im Folgenden wird kurz erläutert, was hierunter zu verstehen ist. Zudem wird gezeigt, inwieweit diese "Ansätze" Eingang in die deutsche Arbeitsmarktpolitik erhalten haben.
"New Public Management" bezeichnet ein Bündel verwaltungspolitischer Reformstrategien, die überwiegend von einer betriebswirtschaftlichen Interpretation des Verwaltungshandelns geleitet werden. Das Reformmodell des "New Public Management" bietet kein geschlossenes, kohärentes Theoriegebäude, es lassen sich aber wesentliche Kernelemente herausfiltern:
Stärkung der Marktorientierung sowie Einführung von Wettbewerbselementen
Übernahme privatwirtschaftlicher Managementmethoden
Dezentrale Führungs- und Organisationsstrukturen
Privatisierung und Deregulierung
Einführung von Kontraktmanagement
Dezentrale Ressourcen- und persönliche Ergebnisverantwortung
Ergebnisorientierte Steuerung
Mehr Bürger- bzw. Kundennähe
Leitsätze des Konzeptes sind "Neubestimmung öffentlicher Aufgaben" in Richtung Beschränkung des Staates auf seine Kernaufgaben sowie Effizienzsteigerung. Dabei handelt es sich um Überlegungen zum so genannten Gewährleistungsstaat, der die Erfüllung öffentlicher Aufgaben sicherstellt, ohne jedoch in jedem Einzelfall auch die Verantwortung für die konkrete Durchführung dieser Aufgaben zu übernehmen. Wird jedoch die Aufgabe übernommen, so soll sie administrativ-organisatorisch so effizient wie möglich erbracht werden.
Entwicklungslinien in der Bundesrepublik Deutschland
Seit der Erdölkrise 1973 wird eine "Krise des Sozialstaats" international diskutiert. Als planender Staat ging der aktive Staat von konstanten Verhältnissen aus, die nunmehr nicht mehr gegeben waren. Das erste grundlegendere Gegenmodell zum aktiven Staat war der schlanke Staat. In seiner ersten Regierungserklärung vom 13. Oktober 1982 erklärte der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl: "Wir wollen den Staat auf seine ursprünglichen und wirklichen Aufgaben zurückführen, zugleich aber dafür sorgen, dass er diese zuverlässig erfüllen kann". In der Folge wurde 1983 eine unabhängige Kommission zur Rechts- und Verwaltungsvereinfachung eingesetzt, die eine Vielzahl von Berichten verfasste, deren Wirkung aber relativ gering war.
Einen neuen Schub erhielt die Debatte um New Public Management durch die Präsentation eines neuen Steuerungsmodells (NSM) der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt), das sich stark an den allgemeinen Zielen des New Public Management orientierte. Die KGSt ist das von Städten, Gemeinden und Kreisen gemeinsam getragene Entwicklungszentrum des kommunalen Managements. Die KGSt besitzt seit den 1950er Jahren für die Organisationsarbeit der kommunalen Verwaltungen eine übergeordnete Bedeutung, in dem wesentliche Grundzüge der Verwaltungsorganisation für alle Städte und Gemeinden in Deutschland erarbeitet wurden.
Ziel des Neuen Steuerungsmodells ist der Aufbau einer unternehmensähnlichen dezentralen Führungs- und Organisationsstruktur. Diese zeichnet sich aus durch:
InfoZiele des neuen Steuerungsmodells
klare Verantwortungsabgrenzung zwischen Politik und Verwaltung in Form eines Kontraktmanagements,
dezentrale Ressourcen- und persönliche Ergebnisverantwortung verbunden mit einem zentralen Steuerungs- und Controllingbereich
Outputsteuerung in Form von Produktdefinition, Kosten- und Leistungsrechnung, Budgetierung und Qualitätsmanagement zur Schaffung direkter Abnehmerorientierung
Aktivierung von Wettbewerbselementen (Wettbewerbssurrogate, Markttests, Abschaffung verwaltungsinterner Abnahmepflichten, public-private-partnerships)
verstärkte Einbeziehung der Bürgerschaft (Umfragen, Stärkung der Kundenrechte Elemente repräsentativer oder direkter Demokratie)
Quelle: Bogumil, Jörg: Verwaltungsmodernisierung und aktivierender Staat; S. 11
Die Einführung von Elementen des Neuen Steuerungsmodells wurde zum erfolgreichsten Vorschlag in der Historie der KGSt.
Auf Bundesebene kam neuer Schwung durch die Installierung des Sachverständigenrates "Schlanker Staat" im Jahr 1995, der die Aktivitäten zum Thema "Abbau staatlicher Leistungen und überflüssiger Bürokratie" fachlich und politisch begleiten sollte. Dieser hat 153 verschiedene staatliche Sozialleistungen ausgemacht, die von 37 verschiedenen Sozialbürokratien gewährt werden. Daraus folgerte der Sachverständigenrat:
ZitatThorsten Kingreen
"Ein in diesem Sinne intransparenter Sozialstaat führt (…) zum Sozialstaat der Ungleichheit bzw. der mangelnden Orientierung an tatsächlichen Bedarfslagen oder Bedürfnissen. Sozialstaatlichkeit steht und fällt jedoch mit der Bindung an die Grundprinzipien von Bedarf und egalitärer Leistungsgewährung."
Zitiert nach: Kingreen, Thorsten (2004): Rechtliche Gehalte sozialpolitischer Schlüsselbegriffe: Vom daseinsvorsorgenden zum aktivierenden Sozialstaat. In: Schriftenreihe des Deutschen Sozialrechtsverbandes, Band 52; S. 7-47, hier S. 21.
Unterdessen sind auf allen öffentlichen Ebenen zumindest Elemente des New Public Managements umgesetzt worden. Auch die Reform der Arbeitsmarktpolitik und insbesondere die Neuorganisation der Bundesanstalt für Arbeit orientiert sich stark an dem Konzept des "New Public Managements". Einzelne Wissenschaftler sehen die BA als bereits vollständig nach diesem Prinzip umgestaltet, andere sehen zumindest fast alle Instrumente des "New Public Management" zum Einsatz kommen. Einige Kernelemente werden im Folgenden vorgestellt.
Umsetzung in der Arbeitsverwaltung
Die Modernisierung der Arbeitsverwaltung im Sinne des "New Public Management" läuft bereits seit Mitte der 90er Jahre. Auch hier gingen viele Reformimpulse von der europäischen Ebene aus. So löste die 1997 beschlossene Europäische Beschäftigungsstrategie nachhaltige Veränderungen aus. In Deutschland wurden für das "New Public Management" typische Innovationen auch bereits vor den Hartz-Reformen eingeführt, beispielsweise Controlling, Budgetbildung, Dezentralisierung und die Verpflichtung zur Erstellung von Eingliederungsbilanzen.
Unmittelbar nach dem vorgeschobenen so genannten "Vermittlungsskandal" handelte die Bundesregierung mit einer Reihe von Sofortmaßnahmen, die durchgängig dem Konzept des "New Public Management" zuzuordnen sind.
InfoSofortmaßnahmen
Die Überführung der Bundesanstalt für Arbeit von einer Behördenorganisation in einen Dienstleister mit privatwirtschaftlichen Führungsstrukturen
Die Übergabe der Geschäfte an einem aus drei Personen bestehenden Vorstand, dessen Mitglieder auf fünf Jahre bestellt wurden
Die Einschränkung der Verantwortung der Sozialpartner auf die Überwachung der Geschäftsführung durch einen in der Zahl reduzierten Verwaltungsrat
Die Schaffung des freien Marktzugangs für private Vermittler und die Einführung von Vermittlungsgutscheinen für arbeitslose Leistungsbezieher
Um Qualität und Kundenorientierung sofort zu stärken, sollte die BA auch einen Leistungsvergleich ("Benchmarking") zwischen den Arbeitsämtern einleiten.
Quelle: Mosley, Hugh u.a. (2003): Effizienz der Arbeitsämter. Leistungsvergleich und Reformpraxis; Berlin S. 12
Durch die Hartz-Gesetze setzte sich dieser Trend fort. Insbesondere durch das Dritte Hartz-Gesetz wurden weitere Elemente des "New Public Managements" eingeführt bzw. in das SGB III übernommen. Zu nennen sind insbesondere ein organisatorischer Umbau der Bundesanstalt und ihrer Gliederungen und ihre Umbenennung in Bundesagentur für Arbeit, eine Reform der Selbstverwaltung, eine Verstärkung der Einbeziehung Dritter (Privater) in die Arbeitsvermittlung, die gesetzliche Einführung von Kontraktmanagement, Einführung der Vergabe von Führungspositionen auf Zeit und erfolgsabhängige Entlohnung.
Darüber hinaus kam eine innerorganisatorische Neugestaltung der BA in Gang, die im Wesentlichen von der Unternehmensberatungsfirma McKinsey erarbeitet wurde, beispielsweise die Einführung von Call-Centern (die bei der BA "Service-Center" heißen), die Vorschaltung von Bereichen zur Anliegensannahme in den Agenturen (Empfang und Eingangszone); Vorsprache nur noch auf Termin, Einführung neuer Kundengruppenzuordnungsmuster und Hinterlegung spezieller arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen hinter die Kundengruppen; (ausführlicher hierzu Modul Förderung) sowie die Einführung einer zentralen Einkaufsorganisation. Im Anschluss an die Konzepterstellung wechselten einige McKinseymitarbeiter auf leitende Positionen innerhalb der BA und prägen seitdem den Reformprozess der BA mit.
ZitatHolger Schütz
"Die nunmehr vorrangige Ausrichtung an betriebswirtschaftlichen Effizienzkriterien, und die Aufgabe der jetzt als "Geldverbrennung" klassifizierten sozialpolitischen Orientierung bedeutete einen klaren Bruch mit der Vergangenheit."
Schütz, Holger (2008): Reform der Arbeitsvermittlung. Uniformierungsdruck in der Bundesagentur für Arbeit; Opladen & Farmington Hills; S. 93.
Einflußbegrenzung der Selbstverwaltung
Mit dem Dritten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt ("Hartz III") wurden die Rechte und Aufgaben der Selbstverwaltungsgremien und der Geschäftsführung der BA neu geregelt. Hauptintention war, dass die Selbstverwaltung sich aus operativen Aufgaben zurückzieht. Vollzogen wurde eine Trennung zwischen Aufsicht (Verwaltungsrat) und operativem Geschäft (Vorstand). Die Selbstverwaltung in den Regionaldirektionen (den früheren Landesarbeitsämtern) wurde abgeschafft. Bei den Selbstverwaltungsorganen in den Arbeitsagenturen (den Verwaltungsausschüssen) und der Zentrale (dem Verwaltungsrat) sind eine Reihe von Änderungen vorgenommen worden.
Oberstes Aufsichtsorgan der selbstverwalteten Bundesagentur ist der im Zuge der Reform von 51 auf 21 Mitgliedern verkleinerte Verwaltungsrat. Er setzt sich weiterhin zu gleichen Teilen aus Vertretern der Arbeitnehmer, der Arbeitgeber und der öffentlichen Körperschaften (Bund, Länder und Kommunen) zusammen. Der Verwaltungsrat hat im Bereich des SGB III weitgehende Informationsrechte und kann durch folgende Maßnahmen Einfluss auf die Politik des BA-Vorstands nehmen:
InfoEinflussmöglichkeiten des Verwaltungsrats der BA
Erlass von Anordnungen nach dem SGB III
Feststellung des vom Vorstand aufgestellten Haushaltsplanes der BA
Entscheidung über die Grundsätze zur Verteilung der Mittel
Genehmigung über- und außerplanmäßiger Ausgaben
Zustimmung zu der vom Vorstand festgelegten strategischen Ausrichtung und zu den geschäftspolitischen Zielen
Zustimmung zum Abschluss von Zielkontrakten
Verwaltungsvereinbarungen zur Durchführung von Arbeitsmarktprogrammen
Quelle: Institut für Sozialforschung und Sozialwirtschaft (iso); Ochs, P. (2006): Evaluation der Maßnahmen zur Umsetzung der Vorschläge der Hartz-Kommission. Arbeitspaket 2: Umbau der BA. Bericht 2006. Saarbrücken.
Im Unterschied zur vorangegangenen Regelung, nach der die Bundesregierung bei der Benennung der Vorstandsmitglieder nur aus wichtigem Grund vom Votum des Verwaltungsrates abweichen konnte, liegt seit "Hartz III" das Letztentscheidungsrecht bei der Bundesregierung. Die Entlassung eines Vorstandsmitgliedes kann der Verwaltungsrat nur mit Zustimmung der Bundesregierung erreichen, wenn das Vertrauensverhältnis gestört ist oder ein anderer wichtiger Grund vorliegt.
Der Regelungskreis des SGB II "Grundsicherung für erwerbsfähige Hilfebedürftige" ist – so ein Ergebnis der Evaluation des Umbaus der BA - faktisch kein Thema im Verwaltungsrat. Daher bleiben wichtige Problemfelder aus diesem Bereich, welche die BA insgesamt betreffen, bei den Diskussionen des Aufsichtsgremiums ausgeklammert. Es gibt demnach kein übergreifendes arbeitsmarktpolitisches Gremium mehr, das für beide Rechtskreise (des SGB II und III) die BA einheitlich strategisch steuern oder kontrollieren könnte.
Jede Arbeitsagentur hat einen Verwaltungsausschuss mit zwölf Mitgliedern, die – analog der Zusammensetzung des Verwaltungsrates – von lokalen Gliederungen der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen und den lokalen öffentlichen Körperschaften entsandt werden. Sie unterliegen nicht den Weisungen der Institutionen, die sie benennen. Die Geschäftsführungen der Agenturen sind zur aktiven umfassenden Information der Selbstverwaltungsorgane insbesondere über ihr arbeitsmarktpolitisches Programm und ihre Zielerreichung verpflichtet. Die Verwaltungsausschüsse sind ihrerseits verpflichtet, die Geschäftsführungen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu beraten, ihre Empfehlungen sind aber nicht verbindlich. Während die lokalen Verwaltungsausschüsse bis 2003 noch maßgeblich Einfluss auf die Gestaltung des Eingliederungstitels nehmen konnten, sollen sie sich nun also auf eine beratende und – zumindest formal – überwachende Funktion beschränken. Allerdings ist die entscheidende Kontroll- und Beratungsinstanz die Regionaldirektion, wenn auch ohne Selbstverwaltung.
Organisationsreform Hartz IV: Warum gabt es zunächst drei Organisationsvarianten im SGB II?
Im Jahr 2005 wurde als viertes Paket der "Hartz-Gesetze" die Arbeitslosen- und Sozialhilfe zur neuen Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) zusammengelegt. Umstritten war dabei lange Zeit, ob die Leistungen unter Federführung der Bundesagentur für Arbeit erbracht werden sollten, wie es die damalige rot-grüne Bundesregierung vorsah, oder in der alleinigen Verantwortung der Kommunen, wie von Teilen der Opposition und einigen Bundesländern (insbesondere Hessen) favorisiert. Die politischen Akteure konnten sich erst nach schwierigen Verhandlungen in zwei Vermittlungsausschüssen auf einen Kompromiss einigen.
Im Ergebnis der politischen Kompromisse wurden im Regelfall die so genannte Arbeitsgemeinschaften (ARGEn), in denen Arbeitsagenturen und Kommunen gemeinsam die ihnen zugeschriebenen Aufgaben umsetzen und dabei für die Arbeitsuchenden Leistungen aus einer Hand erbringen sollen, gegründet. Daneben konnten 69 Kreise und kreisfreie Städte, die so genannten Optionskommunen bzw. zugelassenen kommunalen Träger (zkT), im Wege eines Experiments für einen auf sechs Jahre begrenzten Zeitraum das Gesetz in alleiniger Aufgabenverantwortung, aber in Finanzierungsverantwortung des Bundes, umsetzen. Neben diesen beiden gesetzlich definierten Modellen existierte ein drittes: die getrennte Aufgabenwahrnehmung, bei der Arbeitsagentur und Kommune ihre jeweiligen Leistungen unabhängig voneinander erbrachten. Hier zahlte die Arbeitsagentur das Arbeitslosengeld II aus und war für die Leistungen zur Integration in Arbeit allein zuständig, während die Kommunen die Kosten der Unterkunft finanzierten und notwendige flankierende soziale Unterstützungsangebote wie Schuldner- oder Suchtberatung organisierten.
Dieses dritte Modell war dort entstanden, wo man sich lokal entweder nicht auf die Kooperation in einer Arbeitsgemeinschaft einigen konnte, wo Arbeitsgemeinschaften im Laufe der Zeit wieder gekündigt wurden oder dort, wo die lokalen Akteure sich auf dieses Modell als eine Möglichkeit der spezialisierten Kooperation voneinander unabhängiger Akteure geeinigt hatten. Mitte 2007 gab es bundesweit 349 ARGEn, 69 Optionskommunen und 21 Regionen mit getrennter Aufgabenwahrnehmung.
Nach Ablauf der Experimentierphase sollte entschieden werden, in wessen Zuständigkeit die Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Jahr 2010 geleistet werden soll. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht im Dezember 2007 festgestellt, die Zusammenlegung der Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) und der Kommunen in gemeinsamen Arbeitsgemeinschaften sei verfassungswidrig. Mit fünf zu drei Stimmen urteilten die obersten Richter, die ARGE sei eine nicht verfassungskonforme Regelungsstruktur, da sie als Mischverwaltung dem Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung, der den zuständigen Verwaltungsträger verpflichtet, seine Aufgaben grundsätzlich durch eigene Verwaltungseinrichtungen wahrzunehmen, widerspreche.
Kontraktmanagement als neuer Steuerungsmodus
Ein zentrales Element des "New Public Management" ist die Steuerung anhand von Kontraktmanagement. Auf dem Wege von Zielvereinbarungen werden den Organisationseinheiten Ressourcen gegen Leistungsversprechen überlassen. Die Steuerung anhand von Output-Größen ("management by objectives") soll die herkömmliche Input-Steuerung ablösen. Die Prozessgestaltung und der Einsatz der verfügbaren Mittel sollen weitgehend der Umsetzungsbehörde überlassen werden.
Die Abkehr von der Input-Steuerung hin zu einer Output-Steuerung hat sich in der Arbeitsverwaltung spätestens mit den "Hartz-Reformen" und der damit verbundenen Neuausrichtung der BA vollzogen. Die Orientierung an Ergebnisgrößen bildet heute das Rückgrat der Steuerung in der Bundesagentur für Arbeit im SGB III. Die Agenturen schließen mit der Regionaldirektion Zielvereinbarungen ab, diese wiederum mit der Zentrale. Über Zielnachhaltegespräche bewerten dann die Regionaldirektionen den Stand der Zielerreichung je Agentur und steuern bei Bedarf nach. Auch wenn dieses System noch keineswegs widerspruchsfrei und konsistent funktioniert, ist es doch inzwischen ein fester Bestandteil der Steuerungslogik der BA.
Im SGB II ist der Einsatz von Zielvereinbarungen (§ 48 SGB II) als Steuerungsinstrument für die Leistungen in Trägerschaft der BA zwischen dem BMAS (im Einvernehmen mit dem Bundesfinanzministerium) als Aufsichtsbehörde und der BA als (hier) nachgeordneter Behörde gesetzlich vorgegeben. Für die ARGEn und die getrennten Aufgabenwahrnehmungen haben das BMAS und die BA unter Beteiligung des Deutschen Städtetages und des Deutschen Städte- und Gemeindebundes ein komplexes Verfahren zur Zielsteuerung entwickelt, das seit dem Jahr 2006 zum Einsatz kommt und 2007 erstmals vollständig implementiert wurde. Es ist auf fünf Zielindikatoren (Ergebnisse) ausgerichtet:
Reduzierung der passiven Leistungen;
Steigerungen der Integrationsquoten insgesamt,
Steigerung der Integrationsquoten für unter 25jährige;
die Bearbeitungsdauer;
Kosten je Integration.
Durch eine Grundgesetzänderung ab Mitte 2010 soll die Verfassungskonformität der Jobcenter hergestellt und die mögliche Zahl optierender Kommunen von 69 auf 110 erhöht werden.
Zentralisierung und Standardisierung der Einkaufsprozesse
In der Zeit vor den Hartz-Gesetzen wurden Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik üblicherweise in Gesprächen der Arbeitsämter mit potenziellen Trägern entwickelt oder durch diese beantragt. Nach Einreichung von Konzepten und Finanzierungsplänen durch die Träger wurden Maßnahmen von den Arbeitsämtern bewilligt und dann zum vereinbarten Beginn umgesetzt. Zu Beginn des Jahres 2004 wurde in der BA eine zentrale Einkaufsorganisation eingeführt, die neben Gütern und Dienstleistungen für den laufenden Geschäftsbetrieb auch Arbeitsmarktdienstleistungen beschafft, beispielsweise Trainingsmaßnahmen, berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen oder Eingliederungsmaßnahmen.
Für die Standardisierung und Konzentration des Einkaufs von Arbeitsmarktdienstleistungen sind sieben neu gebildete Regionale Einkaufszentren (REZ) zuständig. Damit sollten folgende Aspekte sichergestellt werden:
eine Trennung von Bedarfsträger und Vergabestelle;
Rechtssicherheit der BA beim Einkauf gemäß dem aktuellen Vergaberecht;
Einsparungen durch bundesweite Ausschreibung und Wettbewerb zwischen Bietern.
Seit 2005 wird der Einkauf von Gütern (z. B. Bürobedarf) ausschließlich von der zentralen Einkaufsorganisation in Nürnberg und der Einkauf von Arbeitsmarktdienstleistungen (z. B. Trainingsmaßnahmen) ausschließlich von den Regionalen Einkaufszentren durchgeführt.
Zwischen den Regionalen Einkaufszentren gibt es eine klare Aufteilung von fachlichen Zuständigkeiten; je ein REZ ist Kompetenzzentrum für eine bestimmte Arbeitsmarktdienstleistung und als solches für die Erstellung der Verdingungsunterlagen verantwortlich. Durchgeführt werden dann die Vergaben vom Regionalen Einkaufszentrum im Einzugsbereich der jeweiligen Regionaldirektion.
Mit der Einführung des zentralen Einkaufs folgt die BA dem internationalen Trend zur Nutzung marktförmiger Instrumente, insbesondere dem "Contracting-out". Allerdings gehört die Zentralisierung des Einkaufs von Arbeitsmarktdienstleistungen zu den umstrittensten Neuregelungen der letzten Jahre. Kritiker bemängeln insbesondere, dass die Qualität der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen dadurch stark gelitten hat, da sich nun in der Regel die billigsten Anbieter durchsetzen und dazu häufig Anbieter zum Zuge kommen, die regional nicht verwurzelt sind. Zudem ist der Einkauf über die REZ ein langwieriger Prozess und verhindert ein kurzfristiges flexibles Reagieren. Befürworter halten dem entgegen, dass die Trennung von Bedarfsträgern (Arbeitsagenturen) und Beschaffern eine bessere Korruptionsbekämpfung ermöglicht und zugleich Kosten reduziert. Grundsätzlich werden Qualitäten der Maßnahmen höher gewichtet als ihre Preise und Wirtschaftlichkeit. Bei den Bildungs- und Beschäftigungsträgern sieht die Realität oft anders aus.