Vor rund sechs Jahren, im Jahr 2015, erlebte Europa und insbesondere Deutschland den Höhepunkt der jüngsten Zuwanderung von Asylsuchenden. Zwischen 2013 und 2016 haben rund 1,5 Millionen Personen in Deutschland einen Asylantrag gestellt. Die Fluchtzuwanderung jener Jahre stellte die hiesige Gesellschaft vor große Herausforderungen. Neben der Unterbringung und der materiellen Versorgung war es vor allem der Arbeitsmarktzugang, der in der öffentlichen Debatte viel Aufmerksamkeit erfuhr. Um die Arbeitsmarktintegration von Asylsuchenden zu beschleunigen, wurden einige institutionelle Änderungen vorgenommen.
Dem Arbeitsmarktzugang werden im Rahmen des Integrationsprozesses mehrere Funktionen zugeschrieben. Hierzu zählen die ökonomische Unabhängigkeit sowie die Erhöhung der subjektiven Lebensqualität – Asylbewerberleistungen, also Einkommen aus staatlichen Transfers, reichen in der Regel nur für das Nötigste im Alltag. Zweitens bedeutet die ökonomische Unabhängigkeit Geflüchteter auch eine Entlastung des Sozialstaates, da keine Transferleistungen gezahlt werden müssen und der Staat stattdessen Steuereinnahmen verzeichnen kann. Drittens wurde im Zuge der Fluchtzuwanderung die Hoffnung laut, dass die vielfach jungen Asylsuchenden die Folgen des demographischen Wandels entschärfen könnten. Insbesondere vor dem Hintergrund des andauernden Fachkräftemangels war es vor allem Unternehmen ein Anliegen, dass Geflüchtete zügig als Arbeitskräfte zur Verfügung stehen.
Um den Integrationsprozess zu dokumentieren, begann im Jahr 2016 die IAB-BAMF-SOEP Befragung von Geflüchteten, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und der Bundesagentur für Arbeit gefördert wird. Seit 2016 sind auf Basis dieser Daten viele Studien entstanden, die sich mit dem Arbeitsmarktzugang Geflüchteter befassen. Dieser Artikel gibt einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand und berichtet von den rechtlichen Zugangsbedingungen zum Arbeitsmarkt sowie von den weiterhin bestehenden Hürden und Herausforderungen.
Rechtliche Zugangsbedingungen
Im Zuge der Fluchtzuwanderung der Jahre 2013 bis 2016 gab es eine Vielzahl an Reformen, um den Arbeitsmarktzugang zu erleichtern. Rund fünf Jahre nach Änderung der gesetzlichen Lage, kann als Teilerfolg durchaus festgehalten werden: Einem großen Teil der damaligen Asylsuchenden gelang der Eintritt in den Arbeitsmarkt. Der Arbeitsmarktzugang von Personen, die mittels eines Asylgesuchs nach Deutschland zugewandert sind, dauert im Durchschnitt dennoch länger als bei anderen zugewanderten Gruppen. Allerdings zeigt sich, dass Personen, die zwischen 2013 und 2016 einen Asylantrag gestellt hatten und in Deutschland geblieben sind, tendenziell schneller Zugang zum Arbeitsmarkt finden als frühere Kohorten.
Entscheidend für die Integration in den Arbeitsmarkt ist die rechtliche Erlaubnis, überhaupt in Deutschland arbeiten zu dürfen. Nach den aktuellen Reformen entscheiden insbesondere der Aufenthaltsstatus und das Herkunftsland über die Externer Link: Möglichkeiten von Asylsuchenden, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Asylsuchenden, denen im Asylverfahren eine Schutzform (nach Art. 16a GG die Asylberechtigung, nach § 3 AsylG den anerkannten Flüchtlingsstatus, nach § 4 AsylG den subsidiären Schutz) zugesprochen wurde, haben eine uneingeschränkte Arbeitserlaubnis. Menschen, die aufgrund eines Abschiebungsverbots vorübergehend in Deutschland bleiben dürfen, und Menschen aus nicht sicheren Herkunftsländern, deren Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist, können von der Ausländerbehörde eine Genehmigung zur Ausübung einer Beschäftigung erhalten. Aber auch nach abgelehnten Asylanträgen kann Geduldeten nach einer Einzelfallprüfung durch die zuständige Ausländerbehörde und der Bundesagentur für Arbeit eine Arbeitserlaubnis erteilt werden. Asylsuchende können bereits vor der Entscheidung ihres Asylantrags eine Beschäftigung aufnehmen, unter der Voraussetzung der Zustimmung durch die Ausländerbehörden und der Bundesagentur für Arbeit. Für Asylsuchende aus sicheren Herkunftsländern, die ihren Asylantrag nach dem 31. August 2015 gestellt haben, besteht kein Beschäftigungsverbot, auch wenn sie eine Duldung erhalten. Somit haben sich seit 2015/2016 die rechtlichen Möglichkeiten des Zugangs zum Arbeitsmarkt für den Großteil der Schutzsuchenden verbessert. Dies gilt auch für Personen, die zwar weder eine Asylberechtigung noch den Flüchtlingsstatus erhalten, jedoch in absehbarer Zeit nicht in ihre Herkunftsländer zurückkehren können.
Qualifikationen von Geflüchteten aus dem Herkunftsland
Die Mehrheit der erwachsenen Personen, die als Asylsuchende nach Deutschland einwandern, hat ihre Bildungs- und Berufsqualifikationen im jeweiligen Herkunftsland erworben. Bei diesen Qualifikationen besteht das Risiko, dass sie mit der Einreise nach Deutschland entwertet werden. Ob ausländische Abschlüsse und Zertifikate in Deutschland eingesetzt werden können, hängt davon ab, ob sie anerkannt und somit als gleichwertig mit deutschen Abschlüssen betrachtet werden (Vergleiche das "Anerkennungsgesetz des Bundes" vom 1. April 2012).
Die Daten der IAB-BAMF-SOEP-Befragung Geflüchteter in Deutschland zeigen ein kontrastreiches Bild vom Ausbildungsniveau erwachsener Asylsuchender und Geflüchteter. In den meisten Ländern werden berufliche Qualifikationen vor allem über praktische Erfahrungen im Beruf erworben und nicht, wie in Deutschland üblich, im Rahmen beruflicher Ausbildungen. Es ist daher wenig überraschend, dass nur ein geringer Anteil der Befragten in der IAB-BAMF-SOEP-Erhebung angibt, im Herkunftsland eine betriebliche Ausbildung beziehungsweise berufliche Schule abgeschlossen zu haben. Eine mit Deutschland vergleichbare Form der beruflichen Ausbildung findet in vielen Ländern an (Fach-)Hochschulen statt, die etwa von einem Fünftel der Befragten in ihrem Herkunftsland besucht wurden. Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Mehrheit der Personen keine formale berufliche Ausbildung im Herkunftsland abgeschlossen hat. Allerdings stellen informell erworbene Qualifikationen bei Einwanderern durchaus Potenziale für den deutschen Arbeitsmarkt dar. So verfügt die Mehrheit der erwachsenen Personen, die als Asylsuchende eingewandert sind, über Berufserfahrung und damit Fertigkeiten, die sie sich über On-the-job-Training angeeignet hat. Rund 70 Prozent aller Befragten waren bereits im Herkunftsland berufstätig. Hier ist jedoch ein starkes Geschlechtergefälle zu beobachten: Waren nur rund 45 Prozent der Frauen vor ihrer Ankunft in Deutschland erwerbstätig, sind es bei den Männern 80 Prozent (die Zahlen basieren auf einer eigenen Auswertung der IAB-BAMF-SOEP Befragung Geflüchteter in Deutschland).
In Deutschland arbeitet fast die Hälfte der Personen, die als Asylsuchende nach Deutschland eingewandert sind, in Berufen mit niedrigeren Qualifikationsanforderungen als für die Berufe, die sie in ihren Herkunftsländern ausgeübt haben.
(Weiter-)Qualifizierungsmöglichkeiten in Deutschland
Neben der Anerkennung von Bildungszertifikaten besteht auch die Möglichkeit, in Deutschland eine Berufsausbildung zu durchlaufen oder zu studieren, um den formalen Kriterien des deutschen Arbeitsmarktes zu entsprechen. Dies ist insbesondere für Jüngere eine Möglichkeit, zeitlich verzögert, aber dafür mit anerkannter Qualifikation in den Arbeitsmarkt einzutreten. Von den Personen, die zwischen 2013 und 2016 eingewandert und zwischen 18 und 30 Jahre alt sind, haben laut der IAB-BAMF-SOEP Stichprobe bis zum Jahr 2019 rund 15 Prozent davon Gebrauch gemacht (eigene Berechnung). Um diese Bemühungen der Geflüchteten zu unterstützen, ist Anfang 2020 die „3+2 Regelung“ in Kraft getreten, wonach sich Geduldete und abgelehnte Asylbewerber:innen aus nicht sicheren Herkunftsländern für die Dauer ihrer Ausbildungszeit in Deutschland aufhalten dürfen. Nach Beendigung der Ausbildung wird diese Duldung um zwei weitere Jahre für die Jobsuche verlängert. Die Aufnahme einer Erwerbsarbeit ist dann wiederum die Voraussetzung für die Erteilung eines langfristigen Aufenthaltstitels, der unabhängig von der Flüchtlingseigenschaft erteilt wird. Dementsprechend kann erwartet werden, dass in den kommenden Jahren viele der jüngeren Geflüchteten und Personen mit Duldung oder abgelehntem Asylgesuch eine berufliche Ausbildung aufnehmen werden, um hierüber einen sogenannten Spurwechsel zu realisieren. Spurwechsel bedeutet, dass der Aufenthaltstitel nicht mehr an die Flüchtlingseigenschaft geknüpft ist, sondern an die Erwerbsarbeit. Diese Personen sind somit unabhängig von den Entwicklungen in Ihrem Herkunftsland berechtigt in Deutschland zu leben und zu arbeiten.
Neben dem Nachholen von Bildungs- und Berufsqualifikationen können allgemeine Weiterqualifizierungsmaßnahmen in Form von Sprachkursen oder spezifischen berufsbezogenen Kursen die Chancen auf eine erfolgreiche Arbeitsmarktintegration erhöhen. Um die Integration von Geflüchteten in Deutschland zu fördern, wurden mit dem Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz (2015) und dem Integrationsgesetz (2016) Möglichkeiten für einen schnelleren Zugang zu Sprachkursen geschaffen. Gleichzeitig wurde festgelegt, dass ein gewisses Sprachniveau als Voraussetzung für eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis (Niederlassungserlaubnis) gilt, die anerkannte Geflüchtete in der Regel nach einem fünfjährigen Aufenthalt in Deutschland beantragen können. Demnach dürfen Asylbewerber:innen und Geduldete mit guter Bleibeperspektive
Studien zeigen, dass diese neuen Angebote von den Asylsuchenden der Jahre 2013 bis 2016 gut angenommen wurden. Rund 85 Prozent haben bis 2018 einen Sprachkurs und rund 65 Prozent einen Integrationskurs besucht.
Perspektive der Arbeitgeber:innen
Laut einer Studie der Sächsischen Industrie- und Handelskammer, für die im Jahr 2015 2.582 IHK-Unternehmen befragt wurden, schätzten größere Unternehmen die Fluchtzuwanderung eher als eine Chance für ihren Wirtschaftszweig ein als kleinere Unternehmen.
Unternehmen, in denen bereits Geflüchtete oder andere Ein- und Zugewanderte beschäftigt sind, haben eine höhere Bereitschaft, (weitere) Geflüchtete einzustellen.
Empirischer Blick auf die Erwerbsbeteiligung und die Erwerbschancen von Geflüchteten
Asylsuchende hatten bei ihrer Ankunft in Deutschland hohe Erwartungen im Hinblick auf ihre ökonomische Integration. Rund zwei Drittel der zwischen 2013 und 2016 Eingewanderten schätzten im Jahr 2016 die Chance im Jahr 2018 erwerbstätig zu sein als hoch ein. Wobei Männer eine höhere Erwartung äußerten als Frauen. Rund ein Drittel aller Personen, die dies erwartet hatten, haben allerdings bis 2018 keine Arbeit gefunden.
Frauen haben grundsätzlich eine geringere Erwerbsbeteiligung. Während fünf Jahre nach Ankunft etwa 60 Prozent der Männer erwerbstätig sind, beträgt dieser Anteil bei Frauen weniger als 30 Prozent. Sowohl bei Männern als auch Frauen steigt zwar mit jedem Aufenthaltsjahr die Wahrscheinlichkeit in den Arbeitsmarkt einzutreten, allerdings ist die Dynamik bei Frauen deutlich schwächer ausgeprägt.