Fast 47 Prozent aller über 15-Jährigen Personen in Deutschland hatten im Jahr 2019 ihren höchsten beruflichen Abschluss im dualen System erworben. Ein weiterer Teil hat nach einer Berufsausbildung eine Aufstiegsfortbildung oder ein Studium angeschlossen. Damit hat mehr als jeder zweite Erwachsene eine Berufsausbildung im dualen System absolviert. „Dual“ wird das Ausbildungsmodell genannt, weil die Ausbildung an zwei Lernorten stattfindet: im Betrieb und in der Berufsschule. Zum 31.12.2019 befanden sich rund 1,3 Mio. Auszubildende in einer Ausbildung zu einem bundeseinheitlich nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) oder der Handwerksordnung (HWO) anerkannten Ausbildungsberuf. Rund 58 Prozent der Auszubildenden werden in Berufen der Industrie und des Handels ausgebildet, 28 Prozent im Handwerk. Der Rest entfällt in die Zuständigkeit des Öffentlichen Dienstes, der Landwirtschaftskammer oder der Kammern der Freien Berufe (z.B. Ärztekammer). Knapp zwei Drittel (rund 65 Prozent) der Auszubildenden sind männlich.
Zugang zu einer dualen Berufsbildung
Der Zugang zu einer Berufsausbildung ist formal an keinen bestimmten Schulabschluss gebunden. Dies bedeutet, dass eine duale Berufsausbildung de jure grundsätzlich jedem offensteht. Wesentlich ist, dass die ausbildungsinteressierten Jugendlichen einen Ausbildungsbetrieb finden, der mit ihnen einen Ausbildungsvertrag über ein Ausbildungsverhältnis in einem anerkannten Ausbildungsberuf schließt. De facto spielen bei der Ausbildungsplatzsuche allgemeinbildende Schulabschlüsse jedoch eine Rolle, da Betriebe ein Interesse daran haben, die für sie geeignetsten Kandidaten an sich zu binden. Je nach Art des Ausbildungsberufs und -betriebs variieren die Chancen der Jugendlichen mit einem bestimmten Schulabschluss, einen entsprechenden Ausbildungsvertrag zu erhalten. Schüler mit Hauptschulabschluss finden sich tendenziell häufiger im Handwerk. Realschulabsolventen sind häufiger in Industrie und Handel, den Freien Berufen und im Öffentlichen Dienst zu finden. Der Öffentliche Dienst sowie Industrie und Handel sind auch bei Schülern mit Studienberechtigungen beliebt. Die folgenden Tabellen zeigen exemplarisch die jeweils zehn häufigsten neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge für Hauptschüler, Realschüler und Studienberechtigte im Jahr 2018.
Ausbildungsvergütung
Ausbildungsbetriebe finanzieren die Ausbildung selbst. Zum einen stellen sie das Personal, um Auszubildende im Betrieb in den Ausbildungsinhalten zu schulen. Zum anderen vergüten sie die Auszubildenden während ihrer Ausbildung. Dies hängt damit zusammen, dass auch die Auszubildenden produktiv sind und in ihrer Arbeitszeit zur Wertschöpfung des Unternehmens beitragen. Die Ausbildungsvergütung kann aber auch als eine Investition in die Zukunft gesehen werden, um die späteren Fachkräfte ans Unternehmen zu binden. Die tarifliche Ausbildungsvergütung variiert nach Ausbildungsberuf, Branche und Region. Am höchsten ist sie im Durchschnitt in den Ausbildungsbereichen Öffentlicher Dienst, gefolgt von Industrie und Handel und den Freien Berufen. In allen Ausbildungsberufen steigt die Vergütungshöhe mit den Ausbildungsjahren an (Tabelle 4). Dies liegt daran, dass sich die Anzahl der produktiven Arbeitszeiten der Auszubildenden mit zunehmender Ausbildungslänge ebenfalls erhöht.
BIBB-Kosten-Nutzen-ErhebungLohnt sich die Ausbildung für den Betrieb?
Anhand der BIBB-Kosten-Nutzen-Erhebung (2017/18) kann gezeigt werden, dass für die Betriebe die Kosten einer Ausbildung im Durchschnitt den Nutzen übersteigen. Allerdings gibt es hier Unterschiede. In einigen Ausbildungsberufen oder Betrieben amortisieren bzw. rechnen sich die Ausbildungskosten bereits während der Ausbildung, weil die Auszubildenden in verstärktem Maße zur Schaffung neuer Produkte und Dienstleistungen beitragen. In anderen Berufen profitiert der Betrieb erst im Anschluss an die Berufsausbildung, weil er z.B. keine Kosten für die Suche ausgelernter Fachkräfte am Arbeitsmarkt aufwenden muss, sondern alle oder seine besten Auszubildenden zum Ende der Ausbildung in ein reguläres Arbeitsverhältnis übernehmen kann.
Quelle:
Externer Link: BIBB-Erhebung zu Kosten und Nutzen der betrieblichen Ausbildung 2017/18 – Betriebliche Ausbildungskosten nach Ausbildungsberufen
Rechtliche Rahmenbedingungen
Die Anforderungen an einen Ausbildungsberuf sind im Berufsbildungsgesetz (BBiG) definiert. Nach dem BBiG (§ 1, Abs. 3) hat eine Berufsausbildung das Ziel
„die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit in einer sich wandelnden Arbeitswelt notwendigen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten (berufliche Handlungsfähigkeit) in einem geordneten Ausbildungsgang zu vermitteln. Sie hat ferner den Erwerb der erforderlichen Berufserfahrungen zu ermöglichen.“ (§ 1 Absatz 3 BBiG).
Im Detail sind die Anforderungen an den Ausbildungsberuf in der jeweiligen Ausbildungsordnung geregelt. Ausbildungsordnungen werden von den zuständigen Bundesministerien (in der Regel das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie) im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) erlassen. Sie gelten bundesweit und haben als Vorschriften Gesetzescharakter.
Quellentext§ 5 Absatz 1 Berufsbildungsgesetz (BBiG)
Die Ausbildungsordnung hat festzulegen
die Bezeichnung des Ausbildungsberufes, der anerkannt wird,
die Ausbildungsdauer; sie soll nicht mehr als drei und nicht weniger als zwei Jahre betragen,
die beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten, die mindestens Gegenstand der Berufsausbildung sind (Ausbildungsberufsbild),
eine Anleitung zur sachlichen und zeitlichen Gliederung der Vermittlung der beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten (Ausbildungsrahmenplan),
die Prüfungsanforderungen
Externer Link: www.gesetze-im-internet.de/bbig_2005/__5.html
Die Ausbildungsordnungen werden von Ausbildungsrahmenplänen begleitet, welche für die Betriebe festlegen, zu welchen Zeitpunkten und in welcher Tiefe Ausbildungsinhalte vermittelt werden sollen. Die Ausbildungsrahmenpläne sind mit den Rahmenlehrplänen der Berufsschulen abgestimmt, so dass sich die betriebliche Ausbildung und der Berufsschulunterricht gegenseitig ergänzen können.
Vielfalt an Ausbildungsberufen
Das Externer Link: Verzeichnis der anerkannten Ausbildungsberufe in der Ausgabe vom 25. August 2020 listet 324 anerkannte Ausbildungsberufe. Die meisten dieser Ausbildungsberufe (246 Ausbildungsberufe) sehen eine Ausbildungsdauer von drei Jahren vor, ein kleinerer Teil umfasst eine Ausbildungsdauer von zwei (26 Ausbildungsberufe) oder dreieinhalb Jahren (52 Ausbildungsberufe). Beim Großteil der Ausbildungsberufe handelt es sich um „Monoberufe“, d.h. es sind in sich geschlossene Ausbildungsgänge, deren Qualifikationsprofil keine Spezialisierung aufweist. Einige der Ausbildungsberufe bieten jedoch auch die Möglichkeit entweder bis zu sechs Monate der Ausbildungszeit auf eine betriebliche „Spezialisierung“ zu verwenden oder die „Fachrichtung“ einer Branche besonders zu berücksichtigen. So kann man sich beispielsweise beim Kaufmann für Groß- und Außenhandelsmanagement, im dritten Lehrjahr entweder in der Fachrichtung Großhandel oder Außenhandel spezialisieren. In hoch spezialisierten Branchen besteht auch die Möglichkeit der „Wahlqualifikation“. Die Auszubildenden können hier unterschiedliche „Qualifikationsbündel“ zu einem beruflichen Profil kombinieren. Für den Kaufmann im Einzelhandel stehen beispielsweise Sicherstellung der Warenpräsenz, Beratung von Kunden, Kassensystemdaten und Kundenservice und Werbung und Verkaufsförderung zur Auswahl. Zudem besteht in einigen Ausbildungsberufen die Möglichkeit zum Erwerb einer „Zusatzqualifikation“. Diese erweitern die im Ausbildungsberufsbild genannten Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten. Während die Anzahl an Monoberufen im Zeitverlauf zurückgeht, gewinnt insbesondere die Anzahl an Ausbildungsberufen mit Zusatzqualifikationen an Bedeutung (20 Ausbildungsberufe im Jahr 2020). Hier spielen vor allem auch die flexibleren Ausbildungsbedarfe im Zuge der Interner Link: Digitalisierung der Arbeitswelt eine Rolle.
Anpassung der Ausbildungsinhalte
Da sich die Anforderungen der Arbeitswelt fortwährend verändern, werden die Ausbildungsordnungen regelmäßig aktualisiert. Die Initiative für die Entwicklung neuer oder für die Anpassung bestehender Ausbildungsordnungen geht in der Regel von den Fachverbänden, von den Spitzenorganisationen der Arbeitgeber, von den Gewerkschaften oder vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) aus. Nach Anhörung aller Beteiligten entscheidet das zuständige Bundesministerium in Abstimmung mit den Ländern. Die Dauer des Verfahrens wird in der Regel auf ein Jahr begrenzt. Die Sozialpartner ernennen hierfür Sachverständige. Diese erarbeiten gemeinsam mit dem BIBB Entwürfe zu den neuen Ausbildungsordnungen und den betrieblichen Ausbildungsrahmenplänen. Die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder (KMK) benennt ebenfalls Sachverständige, welche Entwürfe für die Rahmenlehrpläne für die Berufsschulen erarbeiten und diese mit den Entwürfen der Ausbildungsordnungen abstimmen. Es wird angestrebt die Ausbildungsordnungen möglichst funktionsorientiert zu gestalten und nicht auf eine bestimmte Technik (z.B. Maschinen oder Software eines bestimmten Herstellers) zuzuschneiden. Damit soll die Ausbildung offen für neue Entwicklungen bleiben und die berufliche Flexibilität der Fachkräfte ermöglichen. Das BIBB unterstützt den Ordnungsprozess, indem es neue Erkenntnisse aus der Berufsbildungsforschung beiträgt.
QuellentextAufgaben des Bundesinstituts für Berufsbildung nach § 90 BBiG
(1) Das Bundesinstitut für Berufsbildung führt seine Aufgaben im Rahmen der Bildungspolitik der Bundesregierung durch.
(2) Das Bundesinstitut für Berufsbildung hat die Aufgabe, durch wissenschaftliche Forschung zur Berufsbildungsforschung beizutragen. Die Forschung wird auf der Grundlage eines jährlichen Forschungsprogramms durchgeführt; das Forschungsprogramm bedarf der Genehmigung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Weitere Forschungsaufgaben können dem Bundesinstitut für Berufsbildung von obersten Bundesbehörden im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung übertragen werden. Die wesentlichen Ergebnisse der Forschungsarbeit des Bundesinstituts für Berufsbildung sind zu veröffentlichen.
(3) Das Bundesinstitut für Berufsbildung hat die sonstigen Aufgaben:
1. nach Weisung des zuständigen Bundesministeriums
a) an der Vorbereitung von Ausbildungsordnungen und sonstigen Rechtsverordnungen, die nach diesem Gesetz oder nach dem zweiten Teil der Handwerksordnung zu erlassen sind, mitzuwirken,
b) an der Vorbereitung des Berufsbildungsberichts mitzuwirken,
c) an der Durchführung der Berufsbildungsstatistik nach Maßgabe des § 87 mitzuwirken,
d) Modellversuche einschließlich wissenschaftlicher Begleituntersuchungen zu fördern,
e) an der internationalen Zusammenarbeit in der beruflichen Bildung mitzuwirken,
f) weitere Verwaltungsaufgaben des Bundes zur Förderung der Berufsbildung zu übernehmen;
nach allgemeinen Verwaltungsvorschriften des zuständigen Bundesministeriums die Förderung überbetrieblicher Berufsbildungsstätten durchzuführen und die Planung, Errichtung und Weiterentwicklung dieser Einrichtungen zu unterstützen;
das Verzeichnis der anerkannten Ausbildungsberufe zu führen und zu veröffentlichen;
die im Fernunterrichtsschutzgesetz beschriebenen Aufgaben nach den vom Hauptausschuss erlassenen und vom zuständigen Bundesministerium genehmigten Richtlinien wahrzunehmen und durch Förderung von Entwicklungsvorhaben zur Verbesserung und Ausbau des berufsbildenden Fernunterrichts beizutragen.
(3a) Das Bundesinstitut für Berufsbildung nimmt die Aufgaben nach § 53 Absatz 5 Satz 1 und § 54 des Pflegeberufegesetzes wahr.
(4) Das Bundesinstitut für Berufsbildung kann mit Zustimmung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung mit Stellen außerhalb der Bundesverwaltung Verträge zur Übernahme weiterer Aufgaben schließen.
Entstehungsgeschichte des dualen Systems
Die Ursprünge der dualen Berufsausbildung lassen sich in den Zünften und Gilden des Mittelalters finden. So regelten diese Berufsstände die Lehre für ihre Betriebe. Die Etablierung eines organisierten Berufsbildungssystems zeigt sich jedoch erstmals im deutschen Kaiserreich zum Ende des 19. Jahrhunderts. So wurde im Jahr 1897 das „Handwerkerschutzgesetz“ eingeführt, um den zunehmenden sozialen und ökonomischen Problemen, die mit der Industrialisierung einhergingen, zu begegnen. Den Handwerkskammern wurde als Körperschaften des öffentlichen Rechts das Prüfungsmonopol für die gewerbliche Berufsausbildung (auch der Lehrlinge der Industrie) übertragen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die damals von der Industrie benötigten Arbeitsleistungen von jedermann erbracht werden konnten und keine spezifische Schulung benötigten. Durch die Qualifizierungsmaßnahmen sollte der Mittelstand gestärkt werden. Zugleich wurden die allgemeinen Fortbildungsschulen zu beruflichen Fortbildungsschulen reformiert und als zweite Säule der Berufsbildung etabliert. Damit wurde die Gelegenheit genutzt, die Berufs- mit einer „Staatsbürgererziehung“ im Sinne des Münchner Schulrates Georg Kerschensteiners zu verbinden, um die Jugend vor der einfachen Lohnarbeit zu bewahren.
Mit fortschreitender Industrialisierung und den damit einhergehenden neuen und steigenden Qualifikationserfordernissen bemühte sich die Industrie um eine Neuregelung der Ausbildung. Dies führte 1938 zu einem Bruch des handwerklichen Prüfungsmonopols, indem den Industrie- und Handelskammern die alleinige Zuständigkeit für die Facharbeitsprüfung eingeräumt und diese mit der handwerklichen Gesellenprüfung gleichgestellt wurde. In diesem Jahr wurde auch die Berufsschulpflicht eingeführt. Zugleich weckte die Einführung von Ausbildungsstandards in der Industrie auch das Interesse der dort vertretenen Gewerkschaften, die dann ein Mitspracherecht einforderten, was die Arbeitgeber hingegen verwehrten.
Erst nach dem zweiten Weltkrieg wurde im Jahr 1953 zunächst die Berufsausbildung im Handwerk mit dem Gesetz zur Ordnung des Handwerks geregelt und im Jahr 1969 mit Verabschiedung des BBiG die Dualität des Berufsbildungssystems rechtlich festgeschrieben. Im Jahr 2005 wurde das BBiG erstmalig novelliert.
Berufsbildung als Fähigkeitserwerb
Am 1. April 2005 trat ein novelliertes BBiG in Kraft. Dabei war unter anderem wesentlich, dass das bis dahin vorherrschende Ausbildungsziel der „Fertigkeiten und Kenntnisvermittlung“ um den Begriff der „Fähigkeiten“ erweitert wurde. Damit sollte verdeutlicht werden, dass das Ziel der Berufsausbildung dem Erwerb einer umfassenden beruflichen Handlungskompetenz, im Sinne einer Befähigung zu selbstständigem Handeln in beruflichen Situationen, unterliegt. In neuen Ausbildungsordnungen werden seitdem zunehmend neben fachlichen und methodischen Kompetenzen auch soziale und personale Kompetenzen verankert. Auch Prüfungsinstrumente werden entsprechend so gewählt, dass sie berufliches Handeln möglichst umfassend abbilden. Hierzu zählen beispielsweise Prüfungsstücke, Arbeitsproben und –aufgaben, Präsentationen, Fachgespräche, Gesprächssimulationen und betriebliche Aufträge.
Die betriebliche Ausbildung in einem bundeseinheitlich geregelten Ausbildungsberuf bringt mit sich, dass Jugendliche eine Ausbildung nur in jenen Ausbildungsberufen beginnen können, in welchen ihnen von den Betrieben, Praxen und Verwaltungen auch ein Ausbildungsvertrag angeboten wird. Dies erfordert bei der Ausbildungswahl eine gewisse Flexibilität in den regionalen und beruflichen Präferenzen. Nicht immer finden Angebot und Bedarf hier sofort zueinander, was sich durch die Vertragslösungen zu Beginn eines Ausbildungsjahres zeigt. Etwa jeder vierte Ausbildungsvertrag wird wieder gelöst. Die Lösungsquote ist bei Personen ohne und mit Hauptschulabschluss mit 39 Prozent höher als bei Personen mit einer Hochschulzugangsberechtigung (15%). Am häufigsten (35%) treten sie in Berufen des Handwerks auf, am geringsten im Öffentlichen Dienst (7%).
Eine Vertragslösung ist jedoch nicht einem Ausbildungsabbruch gleichzusetzen. Eine Analyse anhand des Nationalen Bildungspanels (NEPS) zeigt, dass fast die Hälfte der Verträge durch die Auszubildenden selbst gekündigt werden, dabei sind die Hauptgründe, dass die Ausbildung nicht mit dem Wunschberuf übereinstimmte, Konflikte in der Ausbildung auftraten oder Ausbildungsinhalte nur unzureichend vermittelt wurden. Eine Kündigung von Seiten des Betriebs erfolgt in rund 23 Prozent der Fälle. Rund jeder zweite Ausbildungslöser nahm im Anschluss wieder eine duale Ausbildung auf, weitere 14 Prozent gingen in eine schulische Ausbildung oder ein Studium über.
Der frühe Selektionsmechanismus an der ersten Schwelle, dem Übergang von der Allgemein- in die Berufsbildung, bringt mit sich, dass sich ein erleichterter Übergang von der Ausbildung in die Erwerbstätigkeit, der zweiten Schwelle, zeigt. So ist die Jugendarbeitslosigkeitsrate in Deutschland, wie in anderen dual-korporatistischen Ausbildungssystemen wie z.B. Österreich, Schweiz, Dänemark oder Niederlande, meist geringer als in den liberalen Marktmodellen (z.B. Großbritannien) oder Schulmodellen (z.B. Frankreich). Denn zum einen wird die überwiegende Mehrheit der Auszubildenden direkt von ihrem Ausbildungsbetrieb übernommen (74 % in 2017). Doch auch wenn keine Übernahme durch den Ausbildungsbetrieb erfolgt, ergeben sich zum anderen hohe Beschäftigungschancen. Der Anteil an Auszubildenden, der ein Jahr nach Ende der Ausbildung in keiner festen Anstellung war, liegt zwischen drei und fünf Prozent. Damit hat Deutschland eine der höchsten Beschäftigungs- und geringsten Erwerbslosenquoten beruflich Qualifizierter in der EU oder OECD.
Nachteil des dualen Systems
Ein Nachteil des Marktmechanismus an der ersten Schwelle ist, dass das Angebot an Ausbildungsplätzen von der Konjunktur und dem Fachkräftebedarf der Betriebe motiviert wird, während sich die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen vorwiegend losgelöst von diesen Größen über die Demografie ergibt. Bei einem Unterangebot an Ausbildungsplätzen müssen unversorgte Jugendliche auf andere berufsqualifizierende Bildungsangebote ausweichen oder sie münden in das Übergangssystem. Langfristig lässt sich auch feststellen, dass beruflich Qualifizierte bei einer zurückgehenden Nachfrage nach den berufsspezifischen Fähigkeiten oft mit beruflichen Abstiegen konfrontiert sind, weil sie ihre spezifischen Qualifikationen in anderen Berufen nicht im selben Maße verwerten können.
Herausforderungen des dualen Systems
Da im dualen System Jugendliche und Betriebe zueinander finden müssen, ist für das Zustandekommen von neuen Ausbildungsverträgen das Interesse beider Marktseiten von Bedeutung. Bis Zum Ende der 2000er-Jahre war die politische Debatte vor allem von der Frage bestimmt, wie die Ausbildungsnachfrager mit entsprechenden Ausbildungsangeboten versorgt werden können, um einen Anstieg der Teilnehmer im Übergangssystem zu verhindern. Dies führte im Ergebnis zur Schaffung einer Reihe an Unterstützungsmaßnahmen, wie z.B. die Verbundausbildung, und Hilfsangeboten für eine duale Ausbildung.
Unterstützungsmaßnahmen und Hilfsangebote für eine duale Ausbildung
Um die Ausbildungsbereitschaft und –möglichkeiten von Betrieben zu stärken, wurde mit der BBiG-Novelle 2005 explizit die Möglichkeit von Ausbildungspartnerschaften aufgeführt. So heißt es in § 10 Absatz (5) BBiG:
„Zur Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen der Ausbildenden können mehrere natürliche oder juristische Personen in einem Ausbildungsverbund zusammenwirken, soweit die Verantwortlichkeit für die einzelnen Ausbildungsabschnitte sowie für die Ausbildungszeit insgesamt sichergestellt ist (Verbundausbildung).“
Damit eignet sich ein Betrieb auch dann als Ausbildungsstätte, wenn die erforderlichen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten, die er nicht im vollen Umfang vermitteln kann, durch Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte vermittelt werden können (§ 27 Absatz 2 BBiG. Die Verbundausbildung eignet sich vor allem für kleine und/oder spezialisierte Unternehmen eignet, die eine Ausbildung aus eigener Kraft nicht schaffen.
Ebenfalls mit der BBiG-Novelle 2005 wurde die Möglichkeit der Teilzeitausbildung eingeführt. So wurde in § 8 die Möglichkeit eingeräumt die tägliche oder wöchentliche Ausbildungszeit zu verkürzen, sofern das Ausbildungsziel nicht gefährdet ist und ein berechtigtes Interesse an einer Verkürzung vorliegt. Dies ist z.B. der Fall, wenn Auszubildende ein eigenes Kind oder einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen zu betreuen haben.
Seit dem 1. Mai 2015 ist mit der Assistierten Ausbildung im SGB III ein weiteres Instrument gesetzlich verankert, welches ein Kooperatives Modell der Ausbildung ermöglicht. So kann ein Bildungsträger als dritter Partner in der Ausbildung allen Seiten passende Dienstleistungen zur Verfügung stellen. Um Auszubildende zu unterstützen, die aufgrund der regionalen Entfernung ihres Ausbildungsplatzes aus dem Elternhaus ausziehen und einen eigenen Haushalt gründen müssen, wird eine Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) eingeführt (§ 56ff. SGB III). Die Höhe der Fördersätze orientiert sich an § 13 BAFöG für Studierende.
Junge Menschen, die lernbeeinträchtigt oder sozial benachteiligt sind, bzw. deren betriebliches Berufsausbildungsverhältnis vorzeitig gelöst worden ist und die auch nicht mit unterstützungsmaßnahmen in eine betriebliche Ausbildung münden, können nach § 76 SGB III in eine außerbetriebliche Ausbildung nach BBiG oder HwO übernommen werden.
Gegen Ende der 2000er-Jahre zeigte sich jedoch ein demografischer Einbruch: Die Zahl der Schulabgänger aus allgemeinbildenden Schulen wurde immer weniger, zugleich wiesen diese auch vermehrt eine Studienberechtigung auf, was ihnen auch andere Bildungsoptionen eröffnete. Verbunden mit einer guten konjunkturellen Lage nach der überwundenen Eurokrise, führte dies dazu, dass nun die Zahl der unbesetzten Ausbildungsplätze kontinuierlich anstieg. Gleichzeitig verweilte die Zahl der unvermittelten Bewerber auf einem konstanten Niveau. Passungsprobleme in beruflicher und regionaler Hinsicht gewannen an Bedeutung.
Attraktivitätssteigerung des dualen Systems
In den 2010er-Jahren rückten aufgrund der zunehmenden Anzahl an unbesetzten Stellen vor allem Maßnahmen in den Vordergrund, welche die Attraktivität der Ausbildung für Jugendliche erhöhen sollte. So wurden im Handel und in der Hotellerie Abiturientenprogramme eingeführt. Diese geben Schülern mit (Fach-)Hochschulreife die Möglichkeit eine (zum Teil verkürzte) Ausbildung, z.B. zum Kaufmann im Einzelhandel/Groß- und Außenhandel, direkt mit einer Aufstiegsfortbildung, z.B. zum Handelsfachwirt, zu kombinieren.
Mit dem Gesetz zur Modernisierung und Stärkung der beruflichen Bildung (Berufsbildungsmodernisierungsgesetz) hat der Gesetzgeber eine weitere Novellierung des BBiG vorgenommen, die am 1. Januar 2020 in Kraft getreten ist. Durch die Einführung einer Mindestausbildungsvergütung für nicht tarifgebundene Betriebe und eine Neubenennung der beruflichen Aufstiegsmöglichkeiten wird erhofft die Attraktivität der dualen Ausbildung für die Jugendlichen zu steigern. Zudem werden die Fortbildungsstufen der „höherqualifizierenden Berufsbildung“ neu geregelt. Abschlüsse tragen künftig die Bezeichnungen „Geprüfte/r Berufsspezialist/in“, „Bachelor Professional“ oder „Master Professional“. Dies soll die Gleichwertigkeit von beruflicher Fortbildung und Studium symbolisieren. Auch die Teilzeitausbildung wurde für einen größeren Personenkreis, z.B. Geflüchtete oder Menschen mit Beeinträchtigungen, erweitert.