Unter den Formen der Erwerbstätigkeit wird zwischen selbstständiger und abhängiger Beschäftigung unterschieden. Selbstständige arbeiten eigenverantwortlich und haben dabei ein hohes Maß an unternehmerischer Gestaltungsfreiheit. Dies trifft nicht nur auf Selbstständige an der Spitze eines Unternehmens, sondern auch auf Soloselbstständige ohne Angestellte zu. Gleichzeitig setzt sich die Eigenverantwortung von Selbstständigen auch bei ihrer finanziellen und sozialen Absicherung fort. Gerade Soloselbstständigkeit gerät deshalb zunehmend in die Kritik.
Im Gegensatz zu abhängig Beschäftigten stehen Selbstständige nicht in einem arbeitsrechtlichen Verhältnis zu einem Arbeitgeber. Zu den Selbstständigen zählen neben Personen, die einen eigenen Betrieb leiten auch diejenigen, die freiberuflich als Soloselbstständige tätig sind. Die Spanne selbstständiger Personen reicht von weltweit bekannten Unternehmensgründern wie Elon Musk (Tesla), über niedergelassene Ärztinnen, Apothekern und Anwältinnen bis zu Kurieren von Lieferdiensten und freiberuflich tätigen Künstlern. Weder die Höhe des erzielten Einkommens, noch der zeitliche Umfang der Tätigkeit sind entscheidend für den Status der Selbstständigkeit. Selbstständige Tätigkeit zeigt eine große Heterogenität. Selbstständigen ist jedoch immer gemein, dass sie nicht weisungsgebunden arbeiten, ihre Tätigkeit frei gestalten und Zeit und Ort ihrer Arbeit frei bestimmen können. Die selbstständige Beschäftigung definiert sich durch eine Abgrenzung von der nichtselbstständigen Beschäftigung, die in § 7 SGB IV definiert ist.
Je nachdem, wie groß das Einkommen aus der Selbstständigkeit ist, kann aber zwischen Selbständigkeit im Haupterwerb bzw. im Nebenerwerb unterschieden werden. So ist auch die Kombination einer abhängigen Beschäftigung im Haupterwerb mit einer selbstständigen Beschäftigung im Nebenerwerb oder umgekehrt möglich. Gerade im Bereich der soloselbstständigen Freiberufler ist die Abgrenzung zur abhängigen Beschäftigung nicht immer erkennbar. Freie Berufe unterliegen nicht der Gewerbeordnung und können auch in einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt werden – dies ist z.B. bei angestellten Ärzten der Fall. Allerdings ist Selbstständigkeit unter Beschäftigten in Freien Berufen relativ häufig: Ungefähr ein Viertel der Erwerbstätigen in Freien Berufen ist selbstständig.
Eine Tätigkeit, die als selbstständig gemeldet ist, jedoch Merkmale einer abhängigen Beschäftigung aufweist, bezeichnet man als Scheinselbstständigkeit. Eine exakte Abgrenzung zwischen Selbstständigkeit und Scheinselbstständigkeit ist schwierig. Die Deutsche Rentenversicherung bietet zur Klärung dieser Frage im Einzelfall eine Externer Link: Statusfeststellung an.
Diese Statusklärung ist vor allem deshalb wichtig, weil Selbstständige für ihre soziale Absicherung selbst zuständig sind. Anders als bei abhängig Beschäftigten gibt es bei ihnen keine allgemeine Versicherungspflicht in der Sozialversicherung und es gibt auch keinen Arbeitgeber, der sich die Beiträge in den Zweigen der Sozialversicherung mit ihnen teilt. Einzig bei der Kranken- und Pflegeversicherung gilt auch für Selbstständige seit dem 01. Januar 2009 eine Versicherungspflicht. Die Beiträge müssen Selbstständige alleine bestreiten. Unter bestimmten Voraussetzungen können sich Selbstständige auch in anderen Zweigen der Sozialversicherung, wie etwa der Arbeitslosenversicherung, versichern.
Verbreitung
Im Jahr 2020 lag die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland bei knapp 44,7 Millionen. Es gibt unterschiedliche Datenquellen zur Erfassung von Gründungen und Selbstständigkeit in Deutschland. Der umfangreichste und zuverlässigste Datensatz ist der Mikrozensus, eine repräsentative Haushaltsbefragung. Jährlich wird rund ein Prozent der Bevölkerung befragt. Die Ergebnisse werden anschließend auf die Gesamtbevölkerung hochgerechnet und enthalten Daten zur Struktur und der wirtschaftlichen sowie sozialen Lage der Bevölkerung. Die Statistik der Selbstständigen beinhaltet auch mithelfende Familienangehörige und Soloselbstständige. Bei den mithelfenden Familienangehörigen handelt es sich um Familienangehörige, die in einem Unternehmen mithelfen, das von einem Familienmitglied als Selbstständigem geleitet wird, ohne hierfür Lohn oder Gehalt zu erhalten. Diese Sonderform der Erwerbstätigkeit war früher vor allem in der Landwirtschaft relevant. Ihre Bedeutung nimmt aber kontinuierlich ab. Der Anteil der mithelfenden Familienangehörigen an den Selbstständigen betrug im Jahr 2019 Berechnungen des Instituts für Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen zufolge knapp 2,5 Prozent.
Die Zahl der Selbstständigen hat sich in Ost- und Westdeutschland sehr unterschiedlich entwickelt, was durch die unterschiedlichen Rahmenbedingungen vor und nach der Wiedervereinigung bedingt ist. Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie im Interner Link: Dossier „Lange Wege der deutschen Einheit“.
Die Zahl der Erwerbstätigen im gesamten Bundesgebiet hat in den vergangenen Jahren zwar deutlich zugenommen, ist aber vor allem im Bereich der abhängigen Beschäftigung zu finden. Die Zahl der Selbstständigen ist hingegen gesunken. Dies ist angesichts der guten Arbeitsmarktlage in den vergangenen Jahren nicht verwunderlich. Ergebnisse aus der Arbeitskräfteerhebung 2017 deuten darauf hin, dass rund jede/-r zwölfte Selbstständige vor allem deshalb die Selbstständigkeit gewählt hat, weil keine Stelle als Arbeitnehmer/-in gefunden wurde. In den letzten Jahren zeichnete sich der deutsche Arbeitsmarkt durch eine hohe Arbeitskräftenachfrage – auch im geringqualifizierten Segment – aus. Daher ist die Vermutung naheliegend, dass eine selbstständige Tätigkeit im Vergleich zur abhängigen Beschäftigung an Attraktivität verlor. Dieser Effekt wird dadurch verstärkt, dass beispielweise staatliche Förderungen von Existenzgründungen in wirtschaftlich guten Zeiten seltener in Anspruch genommen werden und diese zudem auch in den letzten Jahren stark reduziert wurden.
Unter selbstständig Beschäftigten lassen sich geschlechtsspezifische Unterschiede nachweisen. So waren im Jahr 2019 mit einem Anteil von 67 Prozent zwei Drittel der Selbständigen Männer. Der Frauenanteil unter den Selbstständigen hat seit Beginn der 1990er Jahre zugenommen – 1991 lag er noch bei nur 25,7 Prozent. Interessanterweise haben weibliche Selbstständige häufiger als männliche Selbstständige keine Beschäftigten. 2019 handelte es sich bei der Hälfte der männlichen Selbstständigen um Selbstständige ohne Beschäftigte. Unter den weiblichen Selbstständigen war der Anteil mit 65 Prozent hingegen deutlich höher.
Die Zahl der Soloselbstständigen ist seit 2010 rückläufig und lag 2019 bei rund 2,2 Millionen. Auch anteilig ist die Soloselbstständigkeit gesunken: Im Verhältnis zur Zahl der Erwerbstätigen nahm die Verbreitung der Soloselbstständigkeit in diesem Zeitraum ab. Im Jahr 2019 machten Soloselbstständige 4,6 Prozent aller Erwerbstätigen aus. In den 1990er Jahren bis 2010 war die Zahl der Soloselbständigen dagegen stark gewachsen. 1991 lag sie bei 1,4 Millionen, was 3,6 Prozent aller Erwerbstätigen entsprach. Die Zahl der Selbstständigen mit Beschäftigten befand sich 2019 mit 1,8 Millionen fast auf dem Niveau von 1991 (1,7 Millionen) und veränderte sich während der letzten 30 Jahre kaum.
Das Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen (IAQ) weist darauf hin, dass sich der Anteil der Soloselbstständigen an Selbstständigen insgesamt nachhaltig erhöht hat (mehr dazu Externer Link: hier). 2019 lag er bei 53 Prozent. Mehr als die Hälfte aller Selbstständigen übt ihre Arbeit also ohne Angestellte aus und schafft mit ihrer Selbstständigkeit keine weiteren Arbeitsplätze. Als Gründe für diese Entwicklung nennt das IAQ veränderte Produktionsprozesse sowie individualisierte Arbeitsformen, die dem Bedürfnis nach mehr Selbstbestimmung entspringen. Zusätzlichen Einfluss hatten spezielle Förderinstrumente der Arbeitsverwaltung ("Ich-AG"), die sich ausschließlich an Soloselbstständige richteten.
Viele Unternehmensgründer wagen den Schritt in die Selbstständigkeit erst über einen Nebenerwerb. Der Gründer ist dann über seine abhängige Beschäftigung sozialversichert und kann seine Ideen zunächst testen und bei Erfolg ausweiten. Selbstständige im Nebenerwerb haben zunächst häufig keine weiteren Angestellten und sind Soloselbstständige.
Ein weiterer Grund für die Ausweitung beruflicher Selbstständigkeit ist der Anstieg der Freien Berufe (u.a. Ärzte, Künstler, Apotheker oder Architekten), der den Strukturwandel hin zur Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft markiert. 2020 gab es 1,45 Millionen Selbstständige in Freien Berufen. Gegenüber 2010 entspricht dies einem Zuwachs um über 30 Prozent. Angaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) zufolge sind sie zudem Arbeitgeber für über 3,86 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Die Freien Berufe haben eine große wirtschaftliche Bedeutung, die im letzten Jahrzehnt im Vergleich zu anderen Wirtschaftsbereichen weit überdurchschnittlich zugenommen hat. Ihr geschätzter Anteil am Bruttoinlandsprodukt beträgt knapp elf Prozent.
Unter den Selbstständigen finden sich im Vergleich zu den abhängig beschäftigten Arbeitnehmern mehr ältere Personen. Jüngere sind eher unterrepräsentiert und nutzen zum Berufseinstieg Ausbildung, Studium und anschließend eine abhängige Beschäftigung, bevor sie sich für den Weg in die Selbstständigkeit entscheiden. Wenn Jüngere den Weg in die Selbstständigkeit wagen, dann häufig als Solo-Selbstständige. Während für abhängig Beschäftigte das Arbeitsleben in der Regel mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze der Rentenversicherung endet, sind viele Selbstständigen auch im Alter von über 65 oder sogar 70 Jahren noch erwerbstätig. Mit steigendem Alter nimmt der Anteil der Selbstständigen an allen Beschäftigten zu: In der Altersgruppe von 65 bis 69 machten sie 2018 knapp ein Drittel aller Erwerbstätigen aus. Personen mit ausländischer Staatsbürgerschaft sind etwas seltener selbstständig als jene mit deutscher Staatsbürgerschaft. Allerdings ist bei ihnen die Erwerbsform der Soloselbstständigkeit etwas weiter verbreitet.
Entwicklung von Unternehmensgründungen
Vielfach wird davon ausgegangen, dass Unternehmensgründungen das wirtschaftliche Wachstum stärken und innovative Produkte und Dienstleistungen hervorbringen. Sie können zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft beitragen, indem sie mit neuen Technologien und Dienstleistungsangeboten in Konkurrenz zu bestehenden Unternehmen treten oder den Strukturwandel beschleunigen. Erfolgreiche Unternehmensgründungen können die Arbeitskräftenachfrage in einer Volkswirtschaft befeuern und Branchen revolutionieren. Man kann Gründungen hinsichtlich ihrer Innnovationsrelevanz unterscheiden. Innovative Gründungen, die neue und innovative Produkte oder Dienstleistungen einführen und nicht-innovative (imitative bzw. replikative) Gründungen, die auf einem bestehenden Markt mit einem neuen Angebot auftreten. Ein relativ neues Konzept zur Erfassung von innovativen Neugründungen ist das Start-up-Unternehmen.
QuellentextStart-up-Unternehmen („Start-ups“)
„Start-ups sind Neugründungen von Unternehmen oder aber Vorhaben, mit dem klaren Ziel einer Unternehmensgründung, die ein innovatives Produkt oder eine innovative Dienstleistung in einem (stark) skalierbaren Geschäftsmodell hervorbringen. Start-ups sind nicht älter als 10 Jahre und weisen in ihrer Entwicklung ein überdurchschnittliches Mitarbeiter- und Umsatzwachstum sowie starkes Markt- und Kundenakquisepotenzial auf.“ Quelle: Externer Link: Bundesministierum für Wirtschaft und Technologie
In der Forschung werden unterschiedliche Motive beschrieben, die zur Gründung eines Unternehmens führen. Gründungen können aus einer Notlage heraus entstehen, um drohender oder bestehender Arbeitslosigkeit zu entgehen. Das Motiv kann auch eine günstige Gelegenheit sein, um eine bereits bestehende Idee zu realisieren. Eine weitere Möglichkeit der Typisierung ist der Grad der Vorerfahrung von Unternehmensgründern. Handelt es sich um die erste Unternehmensgründung oder hat die Person den Schritt in die Selbstständigkeit schon früher gewagt?
Selbstständige Tätigkeit und ihre Bedeutung für den Arbeitsmarkt und das wirtschaftliche Geschehen insgesamt unterlagen ständigen Wandlungen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war die Bedeutung abhängiger Beschäftigung noch nicht so groß und Erwerbstätigkeit fand in der Landwirtschaft oder in traditionellen Handwerksberufen vor allem selbstständig statt. Mit dem Wandel von der Agrar- zur Industriegesellschaft veränderte sich zum Ende des 19. Jahrhunderts die Struktur der Erwerbstätigkeit. Mit der Industrialisierung ging ein Anstieg der abhängigen Erwerbstätigkeit einher und die Arbeitnehmer konzentrierten sich in teilweise sehr großen Fabriken. Immer mehr Menschen zogen vom Land in die wachsenden Städte. Die Massenproduktion im Fordismus am Anfang des 20. Jahrhunderts ließ die Befürchtungen aufkommen, dass der Niedergang der Kleinunternehmern und der selbstständigen Tätigkeit nicht mehr aufzuhalten ist. Rückblickend haben sich die Befürchtungen nicht bestätigt.
Über das Gründungsgeschehen gibt es in Deutschland unterschiedliche Statistiken. Das Institut für Mittelstandsforschung Bonn (IfM) hat mit seiner Gründungs- und Liquidationsstatistik für das Jahr 2019 insgesamt knapp 266.000 Existenzgründungen im Gewerbe (2018: 270.000) nachgewiesen. Der Gründungsmonitor der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), eine repräsentative, jährlich durchgeführte, telefonische Bevölkerungsbefragung zum Gründungsgeschehen in Deutschland, verzeichnete 2019 insgesamt 605.000 Gründerpersonen, darunter 228.000 im Vollerwerb und 377.000 im Nebenerwerb. Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) diagnostizierte auf Basis des Mannheimer Unternehmenspanels einen Einbruch der Gründungstätigkeit und ging für 2018 von etwa 155.000 neuen wirtschaftlich aktiven Unternehmensgründungen aus. Die Diskrepanz der Daten, Methoden und Abgrenzungen von beruflicher Selbstständigkeit machen deutlich, wie schwer die Erfassung von Unternehmensneugründungen ist.
Es wird erwartet, dass die Pandemie des neuartigen Coronavirus im Jahr 2020 das Gründungsgeschehen negativ beeinflusst. Die KfW rechnet damit, dass zahlreiche Personen ihre Unternehmensgründungen verschieben werden. Umgekehrt sei aber auch denkbar, dass die Krise eine Zunahme an Notgründungen verursachen könnte. Zumindest für den Zeitraum von Januar bis September 2020 kann ein deutlicher Rückgang der Gewerbeanmeldungen festgestellt werden. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts wurden in diesem Zeitraum rund 409.000 Neugründungen gemeldet. Das sind 4,2 Prozent weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres.
Nicht nur konjunkturelle Schwankungen beeinflussen das Gründungsgeschehen in Deutschland. Auch die Förderung von Gründungen aus der Arbeitslosigkeit als ein wichtiges Instrument der aktiven Arbeitsmarktpolitik wirkt sich auf die Entwicklung der Unternehmensgründungen aus. In der Vergangenheit wurde eine Vielzahl verschiedener Förderinstrumente erprobt. Sowohl in der Arbeitslosenversicherung (SGB III) als auch in der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) ist eine geförderte Existenzgründung möglich.
Von Anfang der 1990er Jahre bis zur Mitte der 2000er Jahre stieg die Zahl der BA-geförderten Existenzgründungen in Deutschland an. Vor allem die Einführung des Existenzgründungszuschuss (umgangssprachlich auch „Ich-AG“) hatte nach Auffassung von Arbeitsmarktforschern einen großen Einfluss auf die Entwicklung des Gründungsgeschehens im Bereich der Soloselbstständigkeit. Mit der Abschaffung von Überbrückungsgeld und Existenzgründungzuschuss ging die Zahl der geförderten Existenzgründungen allerdings deutlich zurück. Die Zahl der mit Gründungszuschuss geförderten Existenzgründungen entspricht in etwa der Anzahl der mit Überbrückungsgeld geförderten Neugründungen.
Im Jahr 2012 gab es im Vergleich mit den Vorjahren erneut einen starken Rückgang der geförderten Existenzgründungen. Diese Entwicklung lässt sich auf die Wandlung des Gründungszuschusses von einer Pflichtleistung in eine Ermessensleistung zurückführen. Seit 2015 nahmen die Förderungen der Selbstständigkeit jedes Jahr ab und lagen 2019 nur noch bei rund 33.000. Eine tiefergehende Übersicht über die Förderung von Existenzgründungen finden Sie im Dossier Arbeitsmarktpolitik im Text Interner Link: "Förderung der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit".
Die Förderinstrumente der Agentur für Arbeit und der Jobcenter richten sich ausschließlich an Personen, die sich aus der Arbeitslosigkeit heraus selbstständig machen wollen. Da Unternehmensgründungen für das Innovationspotential einer Volkswirtschaft sehr wichtig sind, gibt es weitere (staatliche) Fördermöglichkeiten zur Finanzierung des Schritts in die Selbstständigkeit. Von der Förderung erhofft sich die Politik häufig positive Effekte auf Beschäftigung, wirtschaftliches Wachstum und Wohlstand. Gründungsförderung ist ein wichtiges Handlungsfeld der Wirtschaftspolitik. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie stellt auf dem Externer Link: Existenzgründungsportal Informationen für potentielle Gründer zusammen und informiert über Fördermöglichkeiten. Eine weitere Fördermöglichkeit sind Gründerwettbewerbe, die besondere innovative Gründungen prämieren und somit Kapitel für die Gründer zur Verfügung stellen. Zusätzlich werden die Gründer häufig von Experten beraten, um ihre Ideen weiterzuentwickeln. Die KfW, als eine Anstalt des öffentlichen Rechts, dessen Kapital ausschließlich vom Bund und den Ländern gehalten wird, fördert mit günstigen Förderkrediten und durch innovative Finanzierungen Existenzgründungen. Die KfW unterstützt Unternehmensgründer auch durch Infrastrukturmaßnahmen und zahlt einen Zuschuss zu einer professionellen externen Beratung, die Unterstützung bei wirtschaftlichen, finanziellen und organisatorischen Fragen liefern soll.
Einkommen und Absicherung
Nicht wenige Selbstständige haben Probleme mit den Arbeits- und Einkommensbedingungen ihrer Tätigkeit. Gerade mangelnde soziale Absicherung kann ein Problem sein. Das gilt vor allem für viele Kleinselbstständige, wie Kioskbesitzer oder kleine Handwerksbetriebe. Daneben existieren aber auch viele Selbstständige, die mit ihrer Tätigkeit, beispielsweise in der Unternehmensberatung oder in Freien Berufen wie Ärzte und Anwälte, ein überdurchschnittliches Einkommen erzielen.
QuellentextSoloselbständige
"Die Selbstständigen ohne (bezahlte) Beschäftigte verfügen im Unterschied zu den „traditionellen“ Selbstständigen (z.B. Handwerk, Landwirtschaft, verkammerte Freiberufler*innen) häufig kaum über Betriebskapital: Ihren Erwerb erzielen sie grundsätzlich wie abhängig Beschäftigte aus dem Verkauf ihrer Arbeitskraft. Insbesondere für Selbstständige mit niedrigen und diskontinuierlichen Einkommen bestehen im Vergleich zu sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten und Beamten erhöhte Risiken einer unzureichenden sozialen Absicherung im Alter und bei Arbeitslosigkeit.“ Quelle: IAQ (2020): Infografik Selbstständige insgesamt und Solo-Selbständige 1991-2019.
Die Einkommenssituation stellt sich bei den Selbstständigen demzufolge sehr heterogen dar. Interessant ist zum einem der Vergleich von Soloselbstständigen und Selbstständigen mit Beschäftigten und zum anderen der Vergleich mit abhängig Beschäftigten. Im Jahr 2018 lag nach Berechnungen des IZA Institute of Labor Economics basierend auf Daten des SOEP das mittlere Monatseinkommen von Selbstständigen bei 2.500 Euro brutto bzw. 1.660 Euro netto. Das bedeutet, dass das Einkommen von jeweils der Hälfte der Selbstständigen monatlich über bzw. unter dem mittleren Wert (Median) gelegen hat. Das Medianeinkommen von Selbstständigen lag ungefähr gleichauf mit dem von abhängig Beschäftigten.
Dahingegen war die Einkommenssituation von Soloselbstständigen sehr viel schlechter: Bei ihnen lag das mittlere Monatseinkommen bei 1.646 Euro brutto und sogar nur 1.177 Euro netto. Dies entspricht einem Nettostundeneinkommen von 11,50 Euro. Das mittlere Nettoeinkommen von Soloselbstständigen übertraf dieser Berechnung zufolge nur leicht den Niedriglohn in diesem Jahr, der bei 11,21 Euro pro Stunde lag.
Diese Beobachtung unterstreicht, dass nicht jede Selbstständigkeit existenzsichernd ist. Forscher sprechen von einem Prekären Unternehmertum, bei dem die Selbstständigen um das wirtschaftliche Überleben kämpfen und sich in einer schwierigen sozialen Lage befinden.
QuellentextPrekäres Unternehmertum
"Ein Unternehmertum [kann ]als prekär gelten, wenn sich die unternehmerisch Tätigen objektiv an der Armutsgrenze und/ oder sich subjektiv in einer als heikel empfundenen sozialen Lebenslage befinden und ihre Lebensführung entsprechend ausrichten (müssen), d.h., wenn das Einkommens-, Schutz- und Inklusionsniveau auf längere Sicht unter den gesellschaftlichen Standard zu sinken droht bzw. sinkt und/ oder die unternehmerisch Tätigen darauf hoffen müssen, unternehmerisch erfolgreich zu sein, und doch permanent befürchten, (noch) weiter sozial abzusteigen." Bührmann, Andrea D. (2012): Unternehmertum jenseits des Normalunternehmertums: Für eine praxistheoretisch inspirierte Erforschung unternehmerischer Aktivitäten. Berliner Journal für Soziologie 22: 129 – 156. S. 141.
Auch Selbstständige können ihr Einkommen mit Sozialleistungen ergänzen, wenn es nicht ausreicht, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Ein Teil der Selbstständigen bezieht daher Leistungen aus der Grundsicherung, um ihr Einkommen aufzustocken. Unter den knapp 919.000 erwerbstätigen Arbeitslosengeld II-Empfängern im Oktober 2020 befanden sich knapp 77.000 Selbstständige. Während der Pandemie des neuartigen Coronavirus im Jahr 2020 ist der Bezug von Leistungen aus der Grundsicherung auch für Selbstständige gestiegen. So war die Zahl der Selbstständigen im Bezug von Arbeitslosengeld II im Vorjahr (Oktober 2019) mit rund 69.000 noch etwa elf Prozent niedriger.
Das Institut für Mittelstandsforschung kritisierte immer wieder, dass der Bezug von Grundsicherungsleistungen bei Selbstständigkeit aus volkswirtschaftlicher Sicht kritisch zu sehen ist. Der ergänzende Bezug von Grundsicherungsleistungen führe dazu, dass eine eigentlich unwirtschaftliche Selbstständigkeit rentabel erscheint. Zugespitzt bedeutet dies, dass nicht das Einkommen aus Selbstständigkeit mit der Grundsicherung aufgestockt wird, sondern die Selbstständigkeit als eine Aufstockung zur Grundsicherung verwendet wird. Wegen der Absicherung durch den Bezug von Arbeitslosengeld II sinkt nach Einschätzung des Instituts auch der Anreiz für Selbstständige, ihre Preisgestaltung so umzusetzen, dass die Selbstständigkeit als einzige Einkommensquelle existenzsichernd ist. Dadurch würden Selbstständige im Grundsicherungsbezug umgekehrt zu niedrige Preise anbieten, die zu einer Verdrängung anderer Unternehmungen führen. Unrentable Gründungen werden infolge dessen künstlich „am Leben“ gehalten und der eigentlich nötige Austritt aus der nicht existenzsichernden Selbstständigkeit verhindert.
Anders als für abhängig Beschäftigte besteht für Selbstständige die Versicherungspflicht nur äußerst eingeschränkt. Selbstständige müssen sich auf eigene Kosten in einer privaten oder gesetzlichen Krankenversicherung versichern, eine private Altersvorsorge aufbauen und haben zumeist keine Absicherung bei Arbeitslosigkeit. In einigen Fällen können sie sich freiwillig versichern, um beispielsweise beim Scheitern der Existenzgründung Leistungen der Arbeitslosenversicherung in Anspruch zu nehmen.
In der Vergangenheit hatten vor allem Soloselbstständige große Probleme dabei, die Beiträge für die gesetzliche Krankenversicherung aufzubringen. Grund hierfür war, dass bei der Errechnung der monatlichen Versicherungsbeiträge für hauptberuflich Selbstständige mindestens ein monatliches Einkommen von über 2.200 Euro zugrunde gelegt wurde. Diese Mindestbemessungsgrundlage sollte verhindern, dass Selbstständige ihr Einkommen durch Abzug von Betriebsausgaben „klein rechnen“ konnten. Allerdings bedeutete die Mindestbemessungsgrundlage für Selbstständige, die de facto ein Nettoeinkommen unterhalb von 2.200 Euro erzielten, unverhältnismäßig hohe Beiträge und somit eine große finanzielle Belastung. Die massive Kritik an dieser Problematik führte letztendlich dazu, dass die Mindestbemessungsgrundlage mit Inkrafttreten des Versicherungsentlastungsgesetzes (Externer Link: GKV-VEG) zum 1.1.2019 auf rund 1.000 Euro reduziert wurde. Der Mindestbeitrag für hauptberufliche Selbstständige wurde demzufolge von 2018 auf 2019 um mehr als die Hälfte reduziert.
Unter bestimmten Bedingungen sind Selbstständige nach einer Unternehmensgründung in der gesetzlichen Rentenversicherung weiterhin pflichtversichert. In der Regel sind sie jedoch selbst für ihre soziale Absicherung und ihre Arbeitsbedingungen verantwortlich. Es besteht die Gefahr, dass Selbstständige nur einen geringen Anteil für ihre Altersvorsorge aufwenden, wenn ihr Einkommen zu gering ist, der Kapitalbedarf des Unternehmens zu groß oder sie eher kurzfristige Konsumpräferenzen haben. Dieser Umstand wurde auch seitens der Organisation für wirtschaftliche Zusammenhalt und Entwicklung (OECD) in der Veröffentlichung Externer Link: „Renten auf einen Blick (2019)“ kritisiert. Die OECD bezeichnet die Alterssicherung für Selbstständige in Deutschland als „lückenhaft“ und sieht Risiken besonders für Selbstständige in „neuen Formen der Arbeit“ wie z.B. Plattformarbeit.
Neue (Solo-)Selbstständigkeit
Neue Formen der Arbeit sind Ergebnis einer individualisierten und digitalisierten Arbeitswelt. Diese Entwicklung hat in den letzten Jahren nicht nur zu einer quantitativen, sondern auch einer qualitativen Verschiebung im Bereich der Selbstständigkeit geführt. Einerseits hat die Soloselbstständigkeit im Bereich der selbstständigen Arbeit einen größeren Stellenwert eingenommen. Andererseits haben sich auch zum Teil die Art der Auftragsfindung und Durchführung für Soloselbstständige verändert.
Einen besonderen Stellenwert in diesem Zusammenhang haben Online-Plattformen, auf denen Auftraggebende Privatpersonen und Unternehmen zusammenfinden mit zumeist soloselbstständigen Arbeitskräften. Je nachdem, ob die Arbeit ortsabhängig oder ortsunabhängig erbracht wird, lassen sich die verschiedenen Arten der Plattformarbeit voneinander abgrenzen. Die Tätigkeiten reichen von handwerklicher Arbeit, haushaltsnahen Dienstleistungen, der Auslieferung von Ware und Nahrungsmitteln bis zu Kreativarbeit oder hoch spezialisierten technischen Dienstleistungen.
QuellentextPlattformarbeit
„Unter Plattformarbeit verstehen wir alle Dienstleistungen, die über web-basierte Plattformen vermittelt oder erbracht werden. Diese Tätigkeiten können lokal verrichtet werden (Gigwork) oder online (Cloudwork). Die Grenzen zwischen Online- und Offlinearbeit verlaufen jedoch grundsätzlich fließend.“ Quelle: Externer Link: Bertelsmann Stiftung (2019).
Vorteile der Plattformarbeit für Soloselbstständige ergeben sich aus der einfachen Kundenakquise und der Möglichkeit, ihre Arbeit eigenständig zu organisieren und auch weitestgehend individuell zu gestalten. Sie sind nicht in betriebliche Prozesse eingebunden und erleben daher ein hohes Maß an individueller Freiheit. Dies bedeutet jedoch auch, dass sie ihre Arbeitszeit nicht nur eigenständig einteilen können, sondern auch müssen – vor allem aus gewerkschaftlicher Sicht wird dieser Umstand problematisiert.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) bemängelt, dass Plattformbetreiber sich selbst nicht in der Rolle von Arbeitgebern, Auftragsgebern oder Vermittlern von Arbeit sehen wollen und dies auch in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen festhalten. Dabei entziehen sie sich nach Ansicht des DGB der Verantwortung für die Arbeitskräfte auf der Plattform. Diese seien umgekehrt einer hohen Arbeitsbelastung schutzlos ausgeliefert. Da sie nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Plattformbetreiber stehen, haben sie auch keine Möglichkeit, an innerbetrieblichen Mitbestimmungsprozessen teilzunehmen oder ihre Rechte gegenüber den Betreibern, zum Beispiel bei Löschung oder Sperrung ihrer Konten auf der Plattform, geltend zu machen.
In der Bewertung dieser neuen Form der soloselbstständigen Arbeit gibt es sehr unterschiedliche Argumentationslinien. Während neben dem DGB auch Forschende der Externer Link: Konrad-Adenauer Stiftung die sozialen Risiken und teilweise geringen Einkommen der Plattformarbeiter kritisch betrachten, gelangt Holger Schäfer, Ökonom am arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) zu einer positiveren Einschätzung. Er argumentiert, dass es für eine Prekarisierung von Soloselbstständigen auf Plattformen keine ausreichenden empirischen Belege gäbe und deshalb eine Regulierung der Plattformarbeit zum aktuellen Zeitpunkt nicht nötig sei.
QuellentextHubertus Heil (SPD)
„Digitalisierung darf nicht mit Ausbeutung verwechselt werden. Allein auf die Selbstregulierung der Unternehmen zu setzen, wird nicht reichen. Hier sind wir als Gesetzgeber gefragt. Daher machen wir heute sehr konkrete Vorschläge, wie Schutzrechte gestärkt und faire Arbeitsbedingungen geschaffen werden können. Das heißt für mich auch, dass wir die gute Tradition der Sozialpartnerschaft auch in der digitalen Wirtschaft stärken. Denn sie ist zentraler Baustein unserer sozialen Marktwirtschaft. Wir können nicht hinnehmen, dass Plattformen hier einseitig die Bedingungen vorgeben.“ Quelle: Externer Link: Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), 27.11.2020
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat im November 2020 ein Positionspapier zur Regulierung der Plattformarbeit vorgelegt (Externer Link: „Faire Arbeit in der Plattformökonomie“). Eine gesetzliche Regulierung der Plattformarbeit ist jedoch bislang nicht in Sicht.
ist Politikwissenschaftlerin, seit Juni 2020 Beraterin in der Abteilung Arbeitsgestaltung und Fachkräftesicherung bei der G.I.B. mbH. Zuvor war sie von April 2017 bis Mai 2020 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sozialpolitik und Arbeitsmarktforschung der Hochschule Koblenz (ISAM) und verantwortliche Redakteurin von Externer Link: O-Ton Arbeitsmarkt.
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