Aktuell sind mehr Frauen erwerbstätig als je zuvor, auch Frauen mit einem und mehr Kindern, und ihre Qualifikationsniveaus sind im Vergleich zu Männern häufig sogar höher. Aber noch immer verdienen sie in Deutschland und in Europa weniger als Männer.
Geschlechterungleichheiten: Gender Pay Gap
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Die Gleichstellung von Frauen und Männern bedeutet in der Lohn- und Tarifpolitik vor allen Dingen geschlechterspezifische Entgeltungleichheiten abzubauen. Seit etlichen Jahren – und sehr berechtigt – dreht sich um dieses Thema eine intensive Debatte. Nach wie vor besteht erheblicher Handlungsbedarf; gleichzeitig mehren sich dahingehend in Unternehmen, wie auch in der Politik Maßnahmen, um geschlechterspezifische Entgeltungleichheiten abzubauen.
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- Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern in Deutschland und Europa
- Stand und Entwicklung der Lohnunterschiede in Deutschland
- Deutschland im EU-Vergleich
- Ursachen für geschlechterspezifische Entgeltungleichheit und Gegenmaßnahmen
- Ursachen für geschlechterspezifische Entgeltungleichheit
- Maßnahmen zur Verminderung von Gender Pay Gap
Dieser Abschnitt zeigt, wie hoch das Ausmaß der Lohnungleichheit ist, warum es zu Lohnunterschieden zwischen den Geschlechtern überhaupt kam und kommt und welche Maßnahmen ergriffen werden, um die geschlechterspezifische Lohnlücke zu reduzieren.
Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern in Deutschland und Europa
Die geschlechterspezifischen Lohnunterschiede haben sich in Deutschland und Europa in den letzten drei Jahrzehnten sehr differenziert entwickelt. Reflektiert man die wachsende gesellschaftliche und politische Aufmerksamkeit zu diesem Thema, erstaunt es, dass die unbereinigten Unterschiede in den Bruttomonatsverdiensten zwischen Frauen und Männern nicht abgenommen, sondern deutlich zugenommen haben. Trotz zunehmender gesellschaftlicher und politischer Debatte und verstärkt eingeleiteten Maßnahmen wuchs die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern. Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern werden sowohl in Deutschland als auch EU-weit über den Strukturindikator Gender Pay Gap dargestellt, der den prozentualen Unterschied im durchschnittlichen Bruttoverdienst von Männern und Frauen darstellt. Im Folgenden wird differenziert die deutsche Situation dargestellt. Daran knüpft die Einordnung der deutschen Situation in die EU-weite Situation der geschlechterspezifischen Lohnunterschiede an.
Stand und Entwicklung der Lohnunterschiede in Deutschland
Deutschlandweit verdienten Frauen 1991 noch 566 Euro weniger als Männer; 2005 waren es bereits 613 Euro, 2012 670 Euro und 2018 643 Euro. Laut des Statistischen Bundesamtes lag der bundesweite Verdienstabstand zwischen den Geschlechtern – Gender Pay Gap – (unbereinigt) in 2019 bei 20 Prozent. Zwischen 2006 und 2009 betrug er noch 23 Prozent und zwischen 2010 und 2015 22 Prozent, danach sank er auf 21 bzw. nunmehr auf 20 Prozent. Unterscheidet man nach west- und ostdeutschen Bundesländern, dann zeigen sich sehr starke Unterschiede. In den westdeutschen Bundesländern, allen voran in Baden-Württemberg, lag der Gender Pay Gap bei 21 Prozent (2019), in den ostdeutschen Bundesländern dagegen bei sieben Prozent. Zugleich: während in den westdeutschen Bundesländern der Verdienstabstand langsam aber stetig abnimmt, wächst er in den ostdeutschen Bundesländern.
Die regionale Verteilung der unterschiedlichen Höhen ist in der folgenden Abbildung dargestellt. Neben dem generellen Unterschied zwischen Ost und West ist auch ein klarer Unterschied zwischen Nord und Süd erkennbar. Gerade die volkswirtschaftlich leistungsfähigsten Bundesländer, Baden-Württemberg, Bayern und Hessen, weisen die höchsten Gender Pay Gaps aus – während die ostdeutschen Bundesländer aufgrund anderer historisch-bedingter Entwicklungen, geschlechterspezifischer Rollenbilder und höherer Erwerbsbeteiligung von Frauen vergleichsweise sehr niedrige Lohnunterschiede aufweisen.
Zudem sind wachsende Entgeltungleichheiten mit zunehmenden Alter feststellbar: Bei Frauen zwischen 25 und 30 Jahren liegt der Abstand zu den Einkommen der gleichaltrigen Männer bei 15 Prozent, im Alter zwischen 36 und 40 Jahren bei 19 Prozent und in der Altersgruppe zwischen 51 und 55 Jahren bei 25 Prozent.
Deutschland im EU-Vergleich
Im EU-Vergleich liegt der Gender Pay Gap Deutschlands mit 21 Prozent über dem der meisten anderen Mitgliedsstaaten. Durchschnittlich ist für die EU-27-Staaten (Vergleichsjahr: 2018) eine geschlechterspezifische Lohnlücke von 15,7 Prozent festzustellen gewesen. Vorreiter in der Lohngleichheit ist Rumänien, wo ein Gender Pay Gap von lediglich drei Prozent besteht. Gute Beispiele sind auch Luxemburg, Italien und Belgien mit Gender Pay Gaps von 4,6 bis 6 Prozent. Allesamt Industriestaaten auf dem Niveau der westdeutschen Bundesländer, aber mit Gender Pay Gaps ostdeutscher Bundesländer. Den höchsten Gender Pay Gap findet man für 2018 in Estland (22,7 Prozent), gefolgt von Deutschland. Auch in der Tschechischen Republik, Österreich sowie in der Slowakischen Republik finden sich überdurchschnittlich hohe Gender Pay Gaps.
Angesichts dieser Werte ist Deutschland im europäischen Vergleich in Zugzwang, sodass der Abbau der Lohnungleichheit zu einem immer wichtigeren Handlungsfeld wird: So ist die Verringerung der Einkommensunterschiede auf der gesellschaftspolitischen Agenda weiter nach vorne gerückt und hat in der wissenschaftlichen Diskussion um Ursachen und Lösungen an Gewicht gewonnen.
Ursachen für geschlechterspezifische Entgeltungleichheit und Gegenmaßnahmen
In zahlreichen Untersuchungen wurde möglichen Einflussfaktoren auf die Lohnlücke nachgegangen (unter dem Stichwort "Gender Pay Gap" weist allein die Datenbank des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg für den Zeitraum 2001-2013 216 Veröffentlichungen auf) und im Wesentlichen über drei Ursachenkomplexe identifiziert:
Segregation des Arbeitsmarktes,
Gestaltung und Verlauf der Erwerbsbiographien,
Erwerbsunterbrechungen.
Dass diese Faktoren einen erheblichen Anteil an der Entgeltungleichheit in Deutschland haben, ist unstrittig. Kein Konsens besteht jedoch, wenn es darum geht, ob diese Ursachen in der Berechnung des Gender Pay Gap miteinbezogen werden sollten.
Exkurs zur KontroverseUnbereinigter oder bereinigter Gender Gap
In der Berechnung von geschlechterspezifischen Lohnlücken kommen häufig zwei Methoden zum Einsatz. Üblich, gerade im Bereich der amtlichen Statistik, ist die Verwendung des sogenannten unbereinigten Gender Pay Gap. Daneben wird an anderen Stellen der bereinigte Gender pay Gap genutzt.
Worin liegt der Unterschied...
Der unbereinigte Gender Pay Gap misst die konkreten Einkommensunterschiede; während mit dem bereinigten Gender Pay Gap versucht wird, unterschiedliche Qualifikationsgrade, Ausbildungshintergründe, Alter etc. herauszurechnen, um so Verzerrungen zu minimieren.
…und worin die Kontroverse?
Werden Ursachen in die Berechnung des Gender Pay Gap einbezogen, entstehen beträchtliche Wertunterschiede zwischen beiden Methoden. So würde der unbereinigte Gender Pay Gap (Deutschland 2012) in Höhe von 22 Prozent in der bereinigten Version lediglich sieben Prozent betragen. Am bereinigten Gender Pay Gap wird kritisiert, dass Ungleichheitsstrukturen auf dem Arbeitsmarkt nicht berücksichtigt werden. So seien es überwiegend Frauen, die ihre Erwerbsarbeit für Kinder unterbrechen. Ebenfalls seien es Frauen, die schon nach ihrer Ausbildung schlechter bezahlte Positionen erhielten, erst recht, wenn sie nach einer Unterbrechung zurückkehrten.
Demgegenüber wird am unbereinigten Gender Pay Gap kritisiert, dass dieser den tatsächlichen Verdienstabstand überschätzt und unzutreffend („Äpfel mit Birnen“) vergleicht. Zwar seien die Erwerbsbiographien von Frauen und Männern tatsächlich unterschiedlich und die oben aufgeführten Diskrepanzen auch existent, doch sei dies keineswegs eine strukturelle Diskriminierung, sondern beruhe vielmehr auf freien und individuellen Entscheidungen der Frauen selbst. So setze die freie Berufswahl voraus, dass Frauen sich über die Beschäftigungs- und Verdienstmöglichkeiten informierten und in einer marktwirtschaftlichen Ordnung auch die Entwicklungs- und Verdienstperspektiven in bestimmten Berufen bzw. in einem Unternehmen gemeinsam vereinbarte Bedingungen des Beschäftigungsverhältnisses akzeptierten.
Ein aktuelles Beispiel für die Kontroverse ließ sich Anfang 2013 finden. In der taz – die tageszeitung nahm Jutta Allemndinger, Leiterin des Wissenschaftszentraums Berlin für Soziaalforschung (WZB), an einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) Anstoß. Stein des Anstoßes war, dass das IW in seiner Studie einen geschlechterspezifischen Gehaltsvergleich vornahm, in dem die Einkommensunterschiede um die Faktoren Teilzeitbeschäftigung, Bildungsstand und Betriebszugehörigkeit bereinigt und Auszeiten für familiäre Aufgaben berücksichtigt wurden. Im Ergebnis stellt das IW eine Lohnlücke von zwei Prozent fest. Dieser Wert unterscheidet sich natürlich deutlich vom unbereinigten Gender Pay Gap (22 Prozent) aber auch vom weithin bekannten Wert von 7 Prozent für den bereinigten Gender Pay Gap. Und, um einiges interessanter: das IW stellte fest, dass die Lohnlücke umso geringer ist, je kürzer Frauen nicht erwerbstätig sind. Jutta Allmendinger nun, dass den IW-Forschern der „Blick für das Ganze“ fehlte. Aus ihrer Sicht berücksichtigt die Studie nicht, dass die Vollzeitquote erwerbstätiger Frauen kontinuierlich sank, während gleichzeitig die Beschäftigungsquote anstieg. „Frauen arbeiten mehr als dreimal so häufig in Teilzeit wie Männer“ und das nicht selten in „Kleinst-Teilzeit“. Auch hätte die Studie nicht reflektiert, dass Frauen typischerweise in schlechter bezahlten „Frauenberufen“ arbeiten, längere familienbedingte Auszeiten nehmen müssen. Dies hemmt die Aufstiegschancen, hält die Erwerbszeiten niedrig und führt zu geringerem Lohn.
Quellen: Jutta Allmendinger: Externer Link: Rheinische Zahlenspiele, taz.de, 01.02.2013, Institut der deutschen Wirtschaft: Externer Link: Nur 2 Prozent Gehaltsunterschied
Ursachen für geschlechterspezifische Entgeltungleichheit
Segregation des Arbeitsmarktes
Großen Einfluss auf die Höhe des Gender Pay Gap hat zunächst die vertikale (nach Hierarchiestufen) und horizontale (nach Tätigkeiten, Berufen, Branchen) Segregation (Unterscheidung) des Arbeitsmarktes. So zeigen Untersuchungen, dass sich die Berufswahl und die Erwerbstätigkeit von Frauen und Männern sehr stark branchenspezifisch differenzieren. Und ausgehend davon konnte, u.a. von der EU-Kommission, festgestellt werden, dass jene Berufe, die überdurchschnittlich von Frauen gewählt werden, unterdurchschnittlich bezahlt werden.
Für die schlechtere Bezahlung sind nicht nur Produktivitäts- und Effizienzgründe anzuführen, die Lohnunterschiede wenigstens unter ökonomischen Gesichtspunkten rechtfertigen würden, sondern häufig subjektive Assoziationseffekte. Experimentelle Studien zeigten, dass Berufe, die von Frauen dominiert werden, häufig unterbewertet, während männerdominierte Berufe dagegen überbewertet werden. Es zeigt sich auch, dass die Leistungsfähigkeit von Frauen nicht selten geringer eingeschätzt und mit entsprechend geringeren Lohnhöhen bewertet wird als die von Männern.
Berufswahl und Karriereverhalten
Ähnlich relevant wie die strukturellen Effekte aufgrund der Arbeitsmarktsegregationen sind die Auswirkungen aus der Gestaltung und dem Verlauf weiblicher Erwerbsbiographien, zumal die Berufswahl und das Karriereverhalten auch Ursachen der Arbeitsmarktsegregationen sind.
Nach wie vor ist der Frauenanteil in Niedriglohnberufen wie in der Reinigung (85 Prozent), im Verkauf (73 Prozent) oder im Gesundheitsbereich (77 Prozent) besonders hoch. Der Anteil der Männer in leitenden Positionen (13 Prozent) war deutlich höher als der von Frauen (sieben Prozent), die dagegen überdurchschnittlich häufig (13 Prozent) zu den ungelernten Beschäftigten gehören (Männer: acht Prozent). Damit gemeint sind Beschäftigungsverhältnisse, für die keine formale Qualifikation verlangt werden. Außerdem sind bis heute nur zwölf Prozent der neuen Auszubildenden in Produktions- und Technikberufen weiblich. Genauso verharrt der Anteil weiblicher Studienanfänger in den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) seit 2000 bei rund 30 Prozent.
Gründe für die sehr ausdifferenzierte Berufswahl von Frauen und Männern sind vor allem gesellschaftlich geprägte geschlechtsspezifische Stereotypen. Es werden immer noch Unterschiede gemacht zwischen "männlichen" und "weiblichen" Berufsbildern, wenngleich die Ausbildungsstrukturen und die Berufstätigkeiten zum Großteil mittlerweile völlig geschlechtsneutral sind. Nachvollziehbarer, wenn auch nicht gerechtfertigt, erscheint die Vereinbarkeit der Berufsausübung mit der Familienplanung. Denn auch dies berücksichtigen Frauen in ihrer Berufswahl weitaus stärker als Männer und wählen daher häufig Berufe aus, die angeblich eine höhere Vereinbarkeit zwischen Beschäftigung und Familienplanung mitbringen. Hintergrund ist dafür der noch bestehende gesellschaftliche Stereotyp, dass vor allem Frauen für die Versorgung von Kindern und die Organisation des Familienlebens verantwortlich wären.
Schließlich kann der letzte Ursachenkomplex auf der Ebene der Unternehmen verortet werden, in denen Lohnbildung, -verhandlungen und Aufstiegsperspektiven oft intransparent gehandhabt werden. In vielen Betrieben hindert die "gläserne Decke" Frauen daran in eine Führungsposition im mittleren oder gehobenen Management aufzusteigen. Ursache sind häufig anzutreffende Vorbehalte der Unternehmensführung gegenüber weiblichen Angestellten, dass diese aufgrund von Familien- und Kinderbetreuung und höherer Unterbrechungszeiten, keine hinreichende Verfügbarkeit und Leistungsfähigkeit sicherstellen können.
Erwerbsunterbrechungen und Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Als ebenso signifikante Ursache für Lohnunterschiede ist die Erwerbsunterbrechung anzuführen, wobei die familienbedingte Erwerbsunterbrechung oft einen Karriere- und Gehaltsknick bedeutet. So erhöht sich am Anfang des Berufslebens das Gehalt von Frauen und Männern in ähnlicher Weise, während ab einem Alter von knapp unter 30 Jahren (Durchschnittsalter von Frauen bei der Geburt des ersten Kindes) sich die Verläufe deutlich unterscheiden: Das Einkommen von Männern erhöht sich weiterhin; das der Frauen stagniert. Damit einhergehend arbeiten Frauen im für die Familiengründung typischen Alter zunehmend in Teilzeit (um bis zu 13 Prozent), wodurch wiederum negative Auswirkungen auf Aufstiegschancen und die Höhe der Verdienste hinzunehmen sind.
Ursächlich ist die ungleiche Aufgabenverteilung in den Partnerschaften und Ehen, wenn es um Fragen der Kinderbetreuung und Angehörigenpflege geht. Trotz deutlich gestiegener Erwerbsbeteiligung von Frauen sind diese Arten der Sorgearbeit immer noch Aufgaben, die vor allem von Frauen ausgeführt werden. Um Familie und Beruf vereinbaren zu können und vor allem Doppel- und Überlastungen auszuweichen, wählen überwiegend Frauen eine Teilzeitbeschäftigung. Das Phänomen der "neuen Männer", die gemeinsam mit ihren Partnerinnen die tradierte Rollenverteilung aufbrechen und sich selbst stärker in Kinderbetreuung, Haushaltsaufgaben und Angehörigenpflege einbringen, existiert zwar und prägt sich gerade in den letzten Jahren immer stärker aus, aber zu einem wirklichen Aufbrechen der Rollenmuster kam es – aus statistischer Sicht – bislang dennoch nicht. Ein Hemmnis stellt dabei die höhere rein biologisch schon angelegte und auch gesetzlich etwa im Mutterschutzgesetz berücksichtigte stärkere Versorgungsfunktion von Müttern dar, während in dieser Zeit die Männer einer vermehrten Erwerbstätigkeit nachgehen, um die familiäre Situation und Entwicklung finanziell abzusichern.
Maßnahmen zur Verminderung von Gender Pay Gap
Maßnahmen, die Ursachen von Gender Pay Gap zu vermindern, finden sich auf unterschiedlichsten Ebenen. Mit zahlreichen Programmen wird auf EU-, Bundes-, Landes- aber auch kommunaler und betrieblicher Ebene versucht, den strukturellen Ursachen von Entgeltungleichheit durch maßgeschneiderte und vernetzte Maßnahmen entgegenzuwirken.
Exkurs Sicherer Rechtsrahmen für Teilzeit-Beschäftigte, Rückkehrer und Eltern
Bereits vor 20 Jahren hatte die damalige Bundesregierung mit dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) auch auf Verdienstabstände reagieren wollen. Dies hatte, wie die Daten zeigen, bislang in der Breite überschaubaren Erfolg.
Dennoch: Mit dem Gesetz erreichte man eine bis dahin nicht gegebene Rechtssicherheit für Beschäftigte in Teilzeit und Befristung. Insbesondere mit Blick auf Verdienstabstände sind die gesetzlichen Regelungen zur Teilzeit entscheidend. Denn dank des Gesetzes war es nun ein breiterer Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglicht worden. Noch entscheidender war aber das durch die vorletzte Bundesregierung 2013 eingeführte Rückkehrrecht, nach dem in Teilzeit arbeitende Beschäftigte jederzeit und anstandslos in ihr vorheriges Beschäftigungsverhältnis ohne Einschränkungen zurückkehren können und ebenso die Teil- auf Vollzeit umstellen dürfen.
Im Kern familienpolitisch motiviert, aber nicht ohne lohnpolitische Effekte insbesondere auf geschlechterspezifische Verdienstabstände war zudem die Einführung des Elterngeld(Plus) in 2013. So ermöglicht das Elterngeld grundsätzlich ein zeitweiliges Ausscheiden aus dem Beruf, ohne dass die Bezieher:innen größere Einkommenseinschränkungen hinnehmen müssen.
Durch die Kopplung an die Höhe des bisherigen Gehalts versuchte man, den sogenannten Achterbahn-Effekt auszugleichen. Die ist jener Effekt, bei dem in Partnerschaftsmodellen mit zwei erwerbstätigen Partnern stets ein Partner, zumeist die Frau, bei Geburt eines Kindes den Beruf aufgibt und sich damit ökonomisch abhängig macht vom Partner. Zugleich verringert sich das Familieneinkommen signifikant – zumindest bis das Kind alt genug ist, dass beide Partner wieder erwerbstätig sein können. Der Achterbahn-Effekt gilt als zentraler Grund für geringe Geburtenraten von Hochqualifizierten, bei denen dieser Effekt besonders deutlich wird.
Das Elterngeld kompensiert(e) also die Opportunitätskosten der Kinderbetreuung und verringert(e) den Achterbahn-Effekt deutlich. Zumal dadurch deutlich mehr Väter in die Kinderbetreuung einstiegen.
Für ab dem 1. Juli 2015 geborene Kinder haben Eltern einen Anspruch auf ElterngeldPlus. Das ElterngeldPlus flexibilisiert das Elterngeld deutlich. Denn es kann bei gleichzeitiger Teilzeitarbeit doppelt so lang und halb so hoch wie das Vollelterngeld bezogen werden. Allerdings: Partner, die sich die Kinderbetreuung gleichzeitig hälftig teilen, werden durch das Elterngeld auch weiterhin gegenüber Betreuungsmodellen benachteiligt, in denen nur ein Partner das Kind betreut, während der andere weiter in Vollzeit erwerbstätig ist.
Drei Beispielrechnungen:
Ein Elternteil betreut – das andere arbeitet Vollzeit: Liegt das Familieneinkommen vor der Geburt sehr hoch, weil beide Elternteile oberhalb der Versicherungspflichtgrenze verdienen, dann erhält das betreuende Elternteil den Höchstsatz von 1.800 Euro Elterngeld pro Monat, während der andere voll arbeitet.
Beide betreuen hälftig – und arbeiten in Teilzeit: Arbeiten die Eltern in 50 Prozent Teilzeit und erhalten ein Monatsbruttoeinkommen von 2.401 Euro, dann erhalten sie – zusammen (!) – einen ElterngeldPlus-Betrag in Höhe von 1.364 Euro (682 Euro + 682 Euro) monatlich. Verdienen beide jeweils über 3.771 Euro brutto im Monat, sinkt das ElterngeldPlus auf den Mindestsatz von 300 Euro (150 Euro + 150 Euro). Insofern erhalten also beide bei geteilter Betreuung 1.500 Euro pro Monat weniger als wenn nur ein Elternteil betreuen würde.
Ein Elternteil betreut – das andere arbeitet Vollzeit, aber nach ein paar Monaten wird getauscht: Bleibt ein Partner zuhause, während der andere Vollzeit erwerbstätig ist und nach einigen Monaten tauscht man die Rollen, dann erhält das Paar den vollen Elterngeldbezug von 1.800 Euro Elterngeld pro Monat oder, beim ElterngeldPlus, doppelt so lange 900 Euro pro Monat.
Bereits seit einigen Jahren fordern vor allem Frauenorganisationen, aber auch die Gewerkschaften, dass für gleichwertige Arbeit auch ein gleicher Lohn zu zahlen sei, um die Lohndifferenzen (bedingt durch Arbeitsmarktsegregation) zu verringern. Außerdem bestehen deutschland- und EU-weit hinreichende juristische Mittel, um gegen eine Ungleichbehandlung in der Entlohnung vorzugehen. Insofern wurde insbesondere in den letzten Jahren der zivilgesellschaftliche, aber auch rechtliche Druck auf Politik und Wirtschaft in dieser Frage deutlich erhöht. Aufgrund der Tarifautonomie hat die Politik allerdings nur bedingt Einfluss auf die Lohnbildung, deshalb kommt den Tarifparteien eine wichtige Rolle zu, um für einen Abbau von geschlechtsspezifischen Lohnlücken zu sorgen.
Staatliche Instrumente sind vor allem der Ausbau des Angebots an Kinderbetreuung, die Einführung des Elterngeldes und die steuerliche Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten, damit Erwerbsunterbrechungen von Frauen minimiert werden. Initiativen, wie „Girls‘ Day“ oder „Komm mach MINT!“, sollen dabei helfen, das berufliche Spektrum von Mädchen zu erweitern, traditionelle Rollenbilder zu durchbrechen sowie den Anteil von Frauen in zukunftsorientierten Berufen sowie in Führungspositionen zu erhöhen (frauenmachenkarriere.de).
ExkursTag der Entgeltgleichheit - Equal Pay Day
Der Tag der Entgeltgleichheit (Equal Pay Day) ist ein weltweit jährlich durchgeführter Aktionstag, um auf die Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern aufmerksam zu machen, Ursachen zu benennen und Folgen zu skizzieren.
Entstehung
Im Jahre 1966 rief das US-amerikanische "National Committee on Pay Equity" (Vereinigung von Frauen- und Bürgerrechtsbewegungen, Gewerkschaften und weiteren religiösen und beruflichen Interessenvertretungen) einen Tag für gleiche Bezahlung ins Leben. Seitdem findet der Equal Pay Day jährlich in den USA mit großer Beteiligung weiblicher Beschäftigter und vielen Aktionen statt, um auf die nach wie vor bestehenden Einkommensunterschiede hinzuweisen.
Equal Pay Day in Deutschland
Angeregt durch die "Red Purse Campaign" (1988) der Business and Professional Women-Bewegung, die mit der "roten Tasche" auf die geschlechterspezifischen Einkommensunterschiede aufmerksam machte, bildete sich auch für Deutschland die Idee des Eqaul Pay Day heraus. Die Initiative dafür ergriff 2007 das Berufsfrauennetzwerk Business and Professional Women Germany (BPW) mit der "Roten Taschen Kampagne", die der Auslöser für die Einführung des Equal Pay Day in Deutschland war. Unterstützt vom und beauftragt durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend führt das BPW nun jährlich den Equal Pay Day Deutschland durch.
Am Equal Pay Day finden deutschlandweit vielfältigste Aktionen statt, um auf die Situation geschlechtsspezifischer Einkommensunterschiede aufmerksam zu machen, Ursachen zu benennen und die Bevölkerung für die Folgen sowie für ein Gegensteuern zu sensibilisieren. Mittlerweile ist dieser Tag auch Teil der Strategie der Bundesregierung und wird von ihr sehr umfassend unterstützt. Immerhin ist es das erklärte Ziel der aktuellen Bundesregierung, den Gender Pay Pap bis 2020 auf 10 Prozent zu reduzieren – was nicht erreicht wurde. 2009 wurden die Initiatorinnen des BPW Germany für die Einführung des Equal Pay Day in Deutschland mit dem Innovationspreis "Ausgewählter Ort im Land der Ideen" ausgezeichnet. Gleichzeitig erhielt die Past-Präsidentin des BPW Germany, Dr. Betina Schleicher, das Bundesverdienstkreuz für ihr ehrenamtliches Engagement.
Zum ersten Mal fand der Equal Pay Day am 15. April 2008 statt. Die Wahl war nicht willkürlich. So war der 15. April 2008 exakt jener Tag, bis zu dem Frauen über ein Gehaltsjahr (das am 31.12.2007 endete) zusätzlich arbeiten mussten, um das gleiche Durchschnittseinkommen wie Männer zu erreichen (aktueller unbereinigter Gender pay gap). Am 17. März 2021 ist der nächste Equal pay day für Deutschland.
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Guido Zinke ist Volkswirt und berät, evaluiert und forscht im Auftrag der EU-Kommission sowie der deutschen und von anderen europäischen Regierungen zu innovations-, digital- und umweltpolitischen Fragen. Seit 2017 ist er als Projektleiter in der VDI/VDE Innovation + Technik tätig. Dort leitet er aktuell die wissenschaftliche Begleitforschung zum Technologieprogramm Smart Service Welt II des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) und berät das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) zu innovationspolitischen Fragen. Daneben verantwortet er Forschungsvorhaben und Evaluationen. Z. B. die Evaluation des Nationalen Programms für Weltraum und Innovation Deutschlands im Auftrag des BMWi oder Studien zu Gründungen und Start-ups in Deutschland und Europa. Guido Zinke studierte Volkswirtschaftslehre, insb. Mikroökonomik, empirische Ökonomik und Politikberatung. Vor seiner Tätigkeit für die VDI/VDE-IT war er für die Landesbank Baden-Württemberg, das dänische Beratungshaus Rambøll und die deutsche Unternehmensberatung Kienbaum tätig.
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