Das statistische Bundesamt definiert, in Abgrenzung zum Normalarbeitsverhältnis, Leiharbeit, Teilzeitbeschäftigung, befristete sowie geringfügige Beschäftigungsverhältnisse als atypisch. Im Gegensatz zu Normalarbeitsverhältnissen können Arbeitnehmer ihren Lebensunterhalt mit atypischen Beschäftigungsverhältnissen häufig nicht sichern. Sie sind jedoch nicht mit prekären Arbeitsverhältnissen gleichzusetzen. Während atypische Beschäftigungsverhältnisse in den vergangenen Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen haben, schwindet die Dominanz des Normalarbeitsverhältnisses. Normalbiografien lösen sich, heterogene Beschäftigungsformen gewinnen an Bedeutung und gesicherte Beschäftigungsverhältnisse erodieren (weitere Informationen zur Abgrenzung der Beschäftigungsverhältnisse finden Sie
Atypische Beschäftigungsverhältnisse sind mit einer Reihe von Risiken und negativen sozialen Folgen für die Arbeitnehmer verbunden. Sie bieten nur einen geringen Arbeitnehmerschutz und entsprechen nicht den Sozialstandards eines Normalarbeitsverhältnisses. Man spricht auch von einer Spaltung der Belegschaft in eine Rand- und eine Kernbelegschaft. Auf der einen Seite stehen die gesicherten Kernbelegschaften mit all den Vorteilen eines Normalarbeitsverhältnisses und auf der anderen Seite steht die Randbelegschaft mit unsicheren Arbeitsverhältnissen.
Gleichzeitig werden aber auch die Chancen betont, die sich durch die radikale Flexibilisierung für zuvor vom Arbeitsmarkt ausgeschlossene Personen ergibt. Nach einer Phase der Deregulierung versuchte die Politik in den letzten Jahren, durch verschiedene gesetzliche Änderungen, die Risiken wie Beschäftigungsinstabilität bei Leiharbeitern und niedrige Löhne bei geringfügig Beschäftigten, einzudämmen. Atypische Beschäftigungsverhältnisse erfüllen für Unternehmen häufig eine wichtige Flexibilisierungsfunktion, um beispielweise den Personalbedarf an schwankende Auftragslagen anzupassen. Niedrigere Personalkosten gegenüber der Beschäftigung in einem Normalarbeitsverhältnis sind ein weiterer wichtiger Faktor, der aus Unternehmenssicht für den Einsatz von atypischen Beschäftigungsverhältnissen sprechen kann. Die (Re-)Regulierung der Leiharbeit in den letzten Jahren, verbunden mit der Einführung eines Mindestlohns und weitere Verbesserung der Arbeitnehmerrechte insbesondere in der Leiharbeit, haben viele Vorteile der Unternehmen verschwinden lassen.
Flexible Arbeitsmärkte unterliegen einem stetigen Wandel und mit der politischen Regulierung haben gleichzeitig neue und alte Formen der Beschäftigung an Attraktivität gewonnen. Die Definition atypischer Beschäftigungsverhältnisse erfasst diese Formen (noch) nicht. Häufig erfüllen sie jedoch nicht die Sicherheitsansprüche eines Normalarbeitsverhältnisses und haben ähnliche Prekaritätsrisiken wie atypische Beschäftigung.
Der folgende Text behandelt mit den (Schein-)Werkverträgen ein Instrument, das in letzter Zeit erhöhte Aufmerksamkeit erfährt, da Medienberichte darauf hindeuten, dass Unternehmen Leiharbeitnehmer durch Werkverträge ersetzen und Werkvertragskonstruktionen in verschiedenen Branchen mit prekären Arbeitsbedingungen und Arbeitsausbeutung einhergehen. Mit Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung wird zusätzlich ein altbekanntes Phänomen betrachtet, das mit unterschiedlichen Konjunkturen bereits seit langem in der Diskussion steht.
Werkverträge und Schwarzarbeit können (prekäre) Beschäftigungsformen sein, die als Merkmal eines flexiblen Arbeitsmarktes, mit der Regulierung anderer Beschäftigungsformen, zunehmend an Bedeutung gewinnen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht alle diese Beschäftigungsformen legal sind, sondern teilweise einer illegalen Ausweichstrategie folgen, um Steuern und Lohnkosten zu sparen. Die Beschäftigungsverhältnisse werden zunächst definiert, bevor ihre Verbreitung und die damit verbundenen Problemlagen dargestellt werden.
(Schein-)Werkverträge
Um den Personaleinsatz an die schwankenden Auftragslagen anzupassen und ihr damit verbundenes unternehmerisches Risiko zu minimieren, nutzen Unternehmen zum Beispiel Leiharbeit, befristete Beschäftigung und geringfügige Beschäftigungsverhältnisse. Diese Beschäftigungsverhältnisse haben in den letzten Jahren enorm an Bedeutung gewonnen. Gleichzeitig sind sie mit einer Reihe von sozialen Risiken für die Betroffenen verbunden. Niedriglöhne, Arbeitsplatzsicherheit oder soziale Absicherung unterscheiden sich, je nach Form der atypischen Beschäftigung, von den Sicherheiten eines Normalarbeitsverhältnisses. Aufgrund der sozialen Risiken dieser Flexibilität für die Betroffenen hat die Politik in den letzten Jahren eine Reihe von Regulierungen auf den Weg gebracht. Vor allem in der Zeitarbeit, mit der Einführung des Mindestlohns, Tarifabschlüssen in der Metall- und Elektroindustrie, die eine schrittweise Angleichung der Löhne von Leiharbeitern an die Stammbelegschaft vorsehen („equal pay“), sowie der Verbesserung von Arbeitnehmerrechten und Maßnahmen zur Verhinderung von Drehtüreffekten, sind gesetzliche und tarifliche Regulierungen vorgenommen worden. Damit könnten Leiharbeitsverhältnisse aus Arbeitgebersicht an Attraktivität verlieren. Für die Unternehmen wird das Flexibilisierungsinstrument teurer. Vor allem von Seiten der Gewerkschaften wurden deswegen Befürchtungen geäußert, dass Unternehmen, auch vor dem Hintergrund der Veränderung der Arbeitswelt durch Digitalisierung und neuen Arbeitsformen, auf andere Flexibilisierungsinstrumente ausweichen.
Durch das Auslagern ("Outsourcing") von bestimmten Tätigkeiten durch Werkverträge können Unternehmen Arbeiten oder Dienstleistungen extern einkaufen. Während es in der Vergangenheit dabei eher um einfachere Tätigkeiten ging, beobachten die Gewerkschaften, dass die Vergabe von Werkverträgen mit spezialisierten Arbeitsaufträgen verstärkt in die Kernbereiche der Wertschöpfung eines Unternehmens vordringt. Daneben zeichnet sich mit der dauerhaften und nicht nur temporären Beauftragung, die teilweise sogar auf dem Werksgelände („Onsite“) stattfindet, ein weiterer Trend bei der Vergabe von Werkverträgen ab.
Bereits vor einigen Jahren, im Rahmen der EU-Osterweiterung, wurde über Werkverträge diskutiert. Die EU-Osterweiterung zum 01. Mai 2004 beinhaltete für die zehn neuen Beitrittsländer zunächst nur eine eingeschränkte Arbeitnehmerfreizügigkeit. Damit war der Arbeitsmarkt für Bürger aus den neuen Beitrittsländern zunächst verschlossen. Über die Dienstleistungsfreiheit und die Niederlassungsfreiheit war es ihnen jedoch möglich unternehmerische und selbständige Tätigkeiten anzubieten. Hierfür wurden häufig Werkverträge genutzt, um Unterschiede im Lohnniveau auszunutzen und Personalkosten zu sparen. Viele Medien berichteten über die osteuropäischen Werkvertragsbeschäftigten in der deutschen Wirtschaft, deren Werkverträge häufig nur Scheinwerkverträge waren, da sie in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Auftraggeber standen, ihm gegenüber weisungsgebunden waren und ihre Tätigkeit nicht selbständig ausführten.
Was ist ein Werkvertrag?
Bei einem Werkvertrag beauftragt ein Unternehmen oder eine Privatperson für die Abwicklung eines Auftrags (das Werk) ein anderes Unternehmen (Werkvertragsunternehmen) oder einzelne Selbständige (Solo-Selbstständige). In dieser Konstellation bleibt es dem Werkvertragsunternehmen oder dem Selbstständigen überlassen, wie das Werk erfüllt und welche Ressourcen dafür eingesetzt werden.
Die eingesetzten Arbeitnehmer werden nicht in die Arbeitsabläufe des beauftragten Unternehmens integriert und sind nur gegenüber dem Werkvertragsunternehmen weisungsgebunden. Im Mittelpunkt steht letztendlich nur das Arbeitsergebnis. Für das zu erfüllende Werk wird eine feste Vergütung zwischen dem auftraggebenden Unternehmen und dem Werkschaffenden vereinbart. Diese Vertragsform ist ein grundlegender Teil der industriellen Arbeitsteilung. So beauftragen Unternehmen regelmäßig Handwerksbetriebe, um zum Beispiel bestimmte Malerarbeiten auszuführen, oder spezialisierte IT-Dienstleister, um Softwareprobleme zu lösen. Werkverträge gibt es in allen Branchen und Wirtschaftszweigen und sie sind ein Instrument der Arbeitsteilung und Spezialisierung zur Steigerung der Effektivität und Effizienz.
Werkverträge sind auch im privaten Bereich nicht wegzudenken. Die Reparatur der Heizung, Gartenarbeiten oder Montagearbeiten sind Arbeiten, für die Bürger in der Regel Fachleute durch Werk- oder Dienstverträge beauftragen, die die Arbeiten schneller und besser erledigen können. Sie sind kein neues Instrument, sondern seit Jahrzehnten Bestandteil der arbeitsteiligen Wirtschaft und blicken auf eine lange Tradition zurück. Die Vergabe eines Werkvertrags gehört zum Kernbereich der unternehmerischen Freiheit und ist grundgesetzlich geschützt. Werk- und Dienstverträge werden im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) definiert, dort heißt es:
QuellentextWerk- und Dienstverträge im Bürgerlichen Gesetzbuch
§ 611 BGB Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag
(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.
(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.
§ 631 BGB Vertragstypische Pflichten beim Werkvertrag
(1) Durch den Werkvertrag wird der Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes, der Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.
(2) Gegenstand des Werkvertrags kann sowohl die Herstellung oder Veränderung einer Sache als auch ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein.
Abgrenzung von Leiharbeit und Werkvertrag
Häufig ist es schwierig, ein Werkvertragsverhältnis klar von einem Leiharbeitsverhältnis abzugrenzen. Leiharbeit und Werkvertrag sind sich in vielen Bereichen ähnlich. Deshalb befürchteten die Gewerkschaften mit der Regulierung der Leiharbeit durch Höchstüberlassungsdauer, Branchenmindestlohn und Branchenzuschläge eine Zunahme der missbräuchlichen Nutzung von Werkverträgen, um Löhne zu drücken und Risiken auf die Werkvertragsnehmer abzuwälzen.
Anders als bei der Arbeitnehmerüberlassung gilt bei Werkverträgen in der Regel nur der gesetzliche Mindestlohn. Werkvertragsunternehmen unterliegen häufig nicht der Tarifbindung und die Betriebsräte im Einsatzbetrieb sind nicht für die Werkvertragsbeschäftigten zuständig, was die betriebliche Mitbestimmung schwächt. Unternehmen, die Werkverträge nutzen, können sich damit Wettbewerbsvorteile gegenüber jenen Unternehmen verschaffen, die auf tariflich gebundene Beschäftigungsverhältnisse setzen. Die Gewerkschaften befürchten daher, dass Aufgabenbereiche, die früher mit eigenen Arbeitskräften oder durch Leiharbeitskräfte erbracht wurden, als ein Werk umdefiniert werden, um sie dann an ein externes Werkvertragsunternehmen zu vergeben.
Handelt es sich bei einem Werkvertrag eigentlich um Arbeitnehmerüberlassung, dann spricht man von einem Scheinwerkvertrag. Ein Scheinwerkvertrag erfüllt nicht die Kriterien eines echten Werkvertrags, da die Arbeitnehmer beispielsweise in Wirklichkeit in die betrieblichen Abläufe integriert werden und ihre Aufgaben nicht vom Werkvertragsunternehmen, sondern direkt von dem Unternehmen erhalten, für das sie den Werkvertrag erfüllen. Scheinwerkverträge werden dann genutzt, um beispielsweise den Mindestlohn und die Mitbestimmungsrechte, die in der Leiharbeit existieren, zu umgehen.
Bei dem Einsatz von Solo-Selbstständigen liegt ein Missbrauch vor, wenn sich in der Praxis herausstellt, dass er wie ein Arbeitnehmer behandelt wird und trotzdem nicht die gleichen Rechte wie ein festangestellter Mitarbeiter hat. Man spricht dann von Scheinselbstständigkeit. Wenn die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) als Prüfbehörde im Rahmen einer Prüfung feststellt, dass Anhaltspunkte für einen Schweinwerkvertrag oder Scheinselbstständigkeit gegeben sind, leitet sie ein Ermittlungsverfahren ein. Wenn unter dem Deckmantel eines Werkvertrags faktische Arbeitnehmerüberlassung betrieben wird, sind die Folgen gesetzlich geregelt. Der Werkvertrag ist nichtig und die Arbeitnehmer werden zu Beschäftigten des Entleihers.
In der Vergangenheit verfügten jedoch viele Werkvertragsunternehmen gleichzeitig über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung, so dass das Unternehmen die Beschäftigten im Falle eines missbräuchlichen Werkvertrags nachträglich als Leiharbeiter deklarieren konnte, um damit einer Strafe zu entgehen. Diese Möglichkeit wurde im Jahr 2017 abgeschafft. Mit der Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes sollte der Missbrauch von Werkvertragsgestaltungen und die verdeckte Arbeitnehmerüberlassung verhindert sowie die Informations- und Unterrichtungsrechte des Betriebsrats beim Einsatz von Fremdpersonal sichergestellt und konkretisiert werden. Hierüber hatten sich CDU, CSU und SPD bereits im Koalitionsvertrag der 18. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages im Jahr 2013 verständigt.
Am 01.04.2017 traten Neuregelungen im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz in Kraft. Kernpunkte der Regelungen waren u.a. die Einführung einer Höchstüberlassungsdauer und die Verschärfung des Equal Pay Grundsatzes. Ein weiterer zentraler Punkt der Neuregelungen im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz war die gesetzliche Festeschreibung der von der Rechtsprechung entwickelte Abgrenzung von abhängiger zu selbstständiger Tätigkeit. Im § 611a BGB wird jetzt definiert, wann ein Arbeitsvertrag vorliegt. Diese Definition soll es erleichtern, missbräuchliche Gestaltungen von Werkvertragsgestaltungen zu verhindern und die Rechtsicherheit bei Nutzung von Werkverträgen zu erhöhen.
Quellentext§ 611a BGB Arbeitsvertrag
(1) Durch den Arbeitsvertrag wird der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an.
(2) Der Arbeitgeber ist zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.
In der Praxis bemängelten Betriebsräte häufig, dass sie keine oder nur wenige Informationen über den Einsatz von Werkvertragsbeschäftigten hatten. Daher sind die Informations- und Unterrichtungsrechte der Betriebsräte im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) mit der Gesetzesnovelle verbessert worden.
QuellentextWerkverträge aus Sicht der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA)
Werk- und Dienstverträge sind ein übliches und bewährtes Instrument im Geschäftsverkehr und eine bekannte und faire Vertragsform. Sie sind unverzichtbar, um industrielle Produktion und Dienstleistungen in Deutschland zu ermöglichen. Werk- und Dienstverträge sind prägend für die Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen, unabhängig von Branche und Wirtschaftssektor. Sie sichern Arbeitsplätze bei den Werkunternehmen und den Einsatzbetrieben. Eine gesetzliche Einschränkung ihrer Nutzung und die Beschränkung der Möglichkeit, Umstrukturierungen auf Unternehmensebene durchzuführen, sind daher kontraproduktiv für den Arbeitsmarkt und greifen tief in unternehmerische Planungsrechte ein.
BDA kompakt Werk- und Dienstverträge: Externer Link: www.arbeitgeber.de/www/arbeitgeber.nsf/res/kompakt_Werkvertraege.pdf/$file/kompakt_Werkvertraege.pdf
QuellentextWerkverträge aus Sicht des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB)
Werkverträge gehören zu unserem Wirtschaftsleben. Sie sind dazu da, Wissen und Fähigkeiten einzukaufen, die im Unternehmen nicht vorhanden sind. Das ist völlig okay. Auch Leiharbeit soll weiter ihren Platz haben – bei saisonalen Spitzen oder krankheitsbedingten Abwesenheiten. Aber wenn sie missbraucht wird zum Dauerinstrument, mit Verleihdauern von zwei oder drei Jahren, in Größenordnungen von 20 oder 30 Prozent der Belegschaften und mit bis zu 30 Prozent geringerem Lohn, dann hat das mit Flexibilität nichts zu tun. Das ist Lohndrückerei. Die politisch Verantwortlichen müssen sich jetzt entscheiden: Wollen sie sich weiter in Totalverweigerung ergehen oder endlich für klare Regeln sorgen?
Quelle: Externer Link: www.dgb.de/themen/++co++7356231e-bf71-11e5-ab0e-52540023ef1a
Verbreitung von Werkverträgen
Besonders die Arbeitnehmervertreter sehen in den (Schein-)Werkverträgen ein neues Lohndumpinginstrument, welches zur Umgehung der Errungenschaft in der Leiharbeit und zum flexiblen Personaleinsatz genutzt wird, um Löhne zu drücken und die Mitbestimmung zu umgehen. Während Betriebsräte über den Einsatz von Leiharbeitskräften umfangreiche Informations- und Mitbestimmungsrechte eingeräumt wurden, haben sie keine Mitbestimmungs- sondern nur Informationsrechte beim Einsatz von Werkvertragsbeschäftigten. Ob die Strategie, Leiharbeitskräfte durch Werkvertragsbeschäftigte zu ersetzen, wirklich in großem Umfang genutzt wird, oder ob es überhaupt einen Anstieg bei Werkvertragsbeschäftigten gibt, ist empirisch schwer zu fassen. Die Datenlage zur Verbreitung von Werkverträgen in Deutschland ist erst in letzter Zeit durch einige Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) verbessert worden. Zuvor beruhten die Informationen vor allem auf Medienberichten über die Situation in der Fleischindustrie, der Automobilindustrie oder dem Einzelhandel, wo Fälle von missbräuchlichen Werkverträgen aufgedeckt wurden. Befragungen der IG Metall unter Betriebsräten zeigten, dass es zwischen 2012 und 2015 einen Anstieg von Werk- und Dienstverträgen in den befragten Betrieben gegeben hat.
Eine wissenschaftliche Studie im Auftrag des BMAS aus dem Jahr 2017 kommt auf Basis einer repräsentativen Befragung von über 8.000 Unternehmen in Deutschland zu dem Ergebnis, dass 91 Prozent der Unternehmen Werkverträge nutzen. Knapp 90 Prozent der Unternehmen lagern dabei Prozesse aus, die zu den Kernbereichen des Unternehmens zählen. Knapp 60 Prozent vergeben Prozesse, die zu den Randbereichen des Unternehmens gehören.
Institut für Arbeitsmarkt- und BerufsforschungOn-Site-Werkverträge
Rund 26.000 Betriebe nutzten im vierten Quartal 2015 On-Site-Werkverträge, also Werkverträge zwischen Betrieben, bei denen die Arbeiten auf dem Betriebsgelände des Auftraggebers ausgeführt werden. Sie betrafen etwa 212.000 Beschäftigte, die im Rahmen dieser On-Site-Werkverträge auf dem Betriebsgelände der Auftraggeber tätig waren. Das zeigen Daten der IAB-Stellenerhebung, einer repräsentativen Befragung von 12.900 Betrieben durch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).
Quelle: IAB Kurzbericht 26/2016 Externer Link: http://doku.iab.de/kurzber/2016/kb2616.pdf
Als zentrales Motiv identifizieren die Autoren und Autorinnen der Studie im Auftrag des BMAS den (temporären) Einsatz von spezialisiertem Personal oder speziellen Leistungen und einen verringerten Aufwand zur Personalführung. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass die Einsparung von Lohnkosten bei weniger als einem Drittel der Unternehmen eine wichtige Rolle spielt. Diese Erkenntnisse werden auch in einer qualitativen Fallstudie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) genannt. Motive sind weiterhin die Verringerung von erlebtem bzw. erwartetem Fachkräftemangel und die Steigerung der Flexibilität bei der Auftragserfüllung. Bei der Auslagerung von Kernprozessen handelt es sich bei den Unternehmen Buchhaltung/Finanzen, Kundendienst/Wartungsleistungen sowie Versand/Vertrieb/Logistik. Bei den Randprozessen sind es vor allem Druck- und Reinigungsdienstleistungen sowie Sicherheitsdienste die an Werkvertragsunternehmen ausgelagert werden.
Im Verlauf des Jahres 2020 rückte die Verbreitung von Werkverträgen in der Fleischindustrie in den Fokus, in der in einigen Betrieben fast die gesamte Produktion über Werkverträge an sogenannte Subunternehmen ausgegliedert ist. Aus den Erfahrungen des Zoll ist bekannt, dass die Fleischwirtschaft besonders anfällig für Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung ist. Während der Corona-Pandemie ist es in verschiedenen fleischverarbeitenden und landwirtschaftlichen Betrieben zu größeren Ausbrüchen gekommen. Die Betriebe und die beengten Unterkünfte der zumeist südosteuropäischen Arbeitnehmer entpuppten sich als gefährliche Infektionsherde. Im Zug der Bekämpfung der Ausbrüche wurde die Verbreitung und problematische Nutzung von Werkverträgen und die damit verbundene Ausbeutung der Arbeitnehmer ans Licht gebracht. Bereits zuvor gab es schon einige Hinweise auf die teils schlechten Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie. Auch die Arbeitsschutzbehörden hatten in der Vergangenheit immer wieder auf erhebliche Mängel hingewiesen. Verantwortlich für die Missstände wie schlechte Wohnbedingungen und Wuchermieten sowie Verstöße gegen das Mindestlohn- und Arbeitszeitgesetz und Verstöße gegen Arbeitsschutzbestimmungen war auch die Praxis der Vergabe von Werkverträgen über undurchsichtige Subunternehmerkonstruktionen. Besonders in der Nachverfolgung von Infizierten Personen wurde deutlich, dass die Unternehmen teilweise keine Kenntnis darüber hatten, wer auf dem Werksgelände tätig war.
Bisher reagierte die Politik auf die Missstände in der Fleischindustrie durch Selbstverpflichtungen der Branchen. Diese haben aber nicht zu einer Verbesserung der Situation beigetragen. Die gravierenden Verstöße haben dazu geführt, dass das Arbeitsministerium plant, die Werkverträge und Leiharbeit in der Fleischindustrie zu verbieten.
Quellentext"Wir schützen die Beschäftigten und beenden die Verantwortungslosigkeit in Teilen der Fleischindustrie"
Dass die Arbeitsbedingungen und die Unterkünfte der Arbeiter in der Fleischindustrie oft unterirdisch sind, war in den letzten Wochen unübersehbar - und nicht länger hinnehmbar. 16-Stunden-Tage und beengtes Wohnen in Gemeinschaftsunterkünften akzeptieren wir nicht länger. Gezielte Kontrolle und klare Verhältnisse sind das Gebot der Stunde. Deshalb werden wir den Missbrauch von Werkverträgen beenden, mehr Kontrollen und höhere Bußgelder einführen, Arbeitszeit elektronisch erfassen lassen und auch branchenübergreifend Standards für die Unterkünfte festlegen. Wir sorgen so dafür, dass die Arbeitgeber wieder unmittelbare Verantwortung für ihre Leute haben - und sich nicht hinter Sub-Konstruktionen wegducken können. Wir schützen die Beschäftigten und beenden die Verantwortungslosigkeit in Teilen der Fleischindustrie.
Bundesminister Hubertus Heil am 29. Juli 2020 Externer Link: www.bmas.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2020/bundeskabinett-verabschiedet-arbeitsschutzkontrollgesetz.html
Die Gewerkschaften unterstützen den Verstoß des Arbeitsministeriums, weil freiwillige Vereinbarungen der Branchen nicht eingelöst wurden und jetzt mit Gesetzen gegen die Ausbeutung gesteuert werden muss. Für die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände ist es hingegen inakzeptabel, wenn Verstöße und Mängel von einzelnen Unternehmen in bestimmten Branchen missbraucht werden, erfolgreiche Instrumente unserer Wirtschaftsordnung, wie Werkverträge, abzuschaffen, oder rigide Regulierungswünsche umzusetzen. Ein Verbot von Werkverträgen wäre für die Arbeitgeber ein höchst fragwürdiger Eingriff in die durch das Grundgesetz geschützte Berufsfreiheit.
Dagegen kommt ein Rechtsgutachten im Auftrag des nordrhein-westfälischen Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales zu dem Ergebnis, dass die durch die Kontrollbehörden des Arbeitsschutzes festgestellten Missstände beim Einsatz von Werkverträgen in der Fleischindustrie ein sektorales Verbot von Werkverträgen und Arbeitnehmerüberlassung durch ein Direktanstellungsgebot für die Fleischindustrieunternehmen rechtfertigen.
Der Entwurf für ein Arbeitsschutzkontrollgesetz zum sektoralen Verbot von Werkverträgen in der Fleischindustrie sieht u.a. vor, dass ab dem 1. Januar 2021 Werkverträge und ab dem 1. April 2021 auch Zeitarbeit in der Fleischindustrie verboten werden. Schlachtung, Zerlegung und Fleischverarbeitung sollen in Zukunft nur noch von eigenem Stammpersonal des Inhabers vorgenommen werden. Für handwerklich arbeitenden Betriebe soll es Ausnahmen geben. Die Arbeitszeit muss künftig digital erfasst werden und die Geldbußen bei Verstößen werden deutlich erhöht. Weiterhin sollen die Arbeits- und Lebensbedingungen der Beschäftigten durch weitere gesetzliche Änderungen und Mindeststandards verbessert werden.
Pro und Contra Werkverträge
Während die Gewerkschaften die Werkverträge als neues Lohndumpinginstrument sehen, da sie beispielsweise nicht vom Mindestlohn in der Zeitarbeit erfasst werden, sind Werkverträge für Arbeitgebervertreter ein grundlegender Bestandteil einer arbeitsteiligen Wirtschaft. Die Gewerkschaften fordern strengere Regeln, Ausweitung der Mitbestimmung und bessere Abgrenzungskriterien, während die Arbeitgebervertreter keinen Regulierungsbedarf erkennen, da es sich bei (Schein-)Werkverträgen um eine illegale Praxis handelt, die mit den gültigen Gesetzen sanktioniert werden kann. Aus Sicht der Gewerkschaften verschlechtern sich die Arbeitsbedingungen bei der Vergabe von Werkverträgen deutlich, da die Werkvertragsunternehmen häufig keine Tarifverträge und Betriebsräte haben. Befürchtet wird eine weitere Erosion des Flächentarifvertrags.
In einer flexiblen Arbeitswelt passen sich Unternehmen und Arbeitnehmer regelmäßig an neue Bedingungen an. Die Verbreitung von Werkverträgen, deren empirische Evidenz bisher noch nicht eindeutig belegt ist, ist Ausdruck dieser Flexibilität. Die Beschäftigung über Werkverträge ist mit vielfältigen sozialen Risiken verbunden, weshalb sie auch als eine Form atypischer Beschäftigung bezeichnet werden kann, die insbesondere eine Reihe von Prekaritätsrisiken birgt. Nicht zuletzt die Entwicklungen in der Fleischindustrie deuten darauf hin. Aber nicht nur Werkverträge können eine Ausweichstrategie sein, sondern es existieren weitere Beschäftigungsformen, die nicht den Ansprüchen eines Normalarbeitsverhältnisses gerecht werden und deshalb als atypische Beschäftigungsverhältnisse bezeichnet werden. Während Werkverträge in ihrer konkreten Anwendung ein legales Instrument sind, ist es bei der Schwarzarbeit anders, da sie sich außerhalb der Rechtsordnung bewegt und damit per se illegal ist.
Schwarzarbeit
Was unter Schwarzarbeit verstanden wird ist für Deutschland relativ einfach zu beantworten. Schwarzarbeit ist im Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung eindeutig definiert. Dort heißt es in §1 Absatz 2, dass Schwarzarbeit leistet, wer Dienst- oder Werkleistungen erbringt oder ausführen lässt und dabei
als Arbeitgeber, Unternehmer oder versicherungspflichtiger Selbstständiger seine sich auf Grund der Dienst- oder Werkleistungen ergebenden sozialversicherungsrechtlichen Melde-, Beitrags- oder Aufzeichnungspflichten nicht erfüllt,
als Steuerpflichtiger seine sich auf Grund der Dienst- oder Werkleistungen ergebenden steuerlichen Pflichten nicht erfüllt,
als Empfänger von Sozialleistungen seine sich auf Grund der Dienst- oder Werkleistungen ergebenden Mitteilungspflichten gegenüber dem Sozialleistungsträger nicht erfüllt,
als Erbringer von Dienst- oder Werkleistungen seiner sich daraus ergebenden Verpflichtung zur Anzeige vom Beginn des selbstständigen Betriebes eines stehenden Gewerbes (§ 14 der Gewerbeordnung) nicht nachgekommen ist oder die erforderliche Reisegewerbekarte (§ 55 der Gewerbeordnung) nicht erworben hat,
als Erbringer von Dienst- oder Werkleistungen ein zulassungspflichtiges Handwerk als stehendes Gewerbe selbstständig betreibt, ohne in der Handwerksrolle eingetragen zu sein (§ 1 der Handwerksordnung).
Von der Schwarzarbeit abzugrenzen sind Hilfsleistungen durch Angehörige oder Nachbarschaftshilfe, die insgesamt keiner nachhaltigen Gewinnerzielungsabsicht folgen oder nur gegen geringes Entgelt erbracht werden. Der Kernbereich der Schwarzarbeit ist damit der irreguläre Sektor, dessen Inhalt im §1 Absatz 2 des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung beschrieben wird. Die Schwarzarbeit ist ein Teil der Schattenwirtschaft und taucht nicht in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung auf.
Unterschiedliche Definitionen
Für Schwarzarbeit, die international auch als "undeclared work" oder Teil der "informal economy" bezeichnet wird, gibt es eine Reihe verschiedener Definitionen. Eine genaue Definition ist aber auch in der Wissenschaft umstritten. In einer Untersuchung des Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung und des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales aus dem Jahr 2013 nutzen die Forscher eine Definition, die auch in den Arbeiten der Europäischen Kommission wie auch der OECD genutzt wird. Demnach zählen jene Produktionsaktivitäten zur Schwarzarbeit, die aus der Natur der Sache heraus legal sind, aber den Behörden gegenüber nicht gemeldet werden, um etwa die damit verbundenen Pflichten zur Entrichtung von Steuern und Sozialabgaben zu umgehen. Die Absicht, Steuern und Sozialabgaben zu umgehen, gehört danach wesentlich zur Definition der Schwarzarbeit hinzu und bildet die Abgrenzung zur informellen Ökonomie, wie sie insbesondere in den Entwicklungsländern anzutreffen ist.
Die Bundesregierung ist bei der Verabschiedung des Gesetzes zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung (BillBG) im Jahr 1981 verpflichtet worden, alle vier Jahre über die Erfahrungen bei Bekämpfung Schwarzarbeit und der illegalen Beschäftigung zu berichten. Die Federführung des Berichts liegt beim Bundesministerium der Finanzen. Die Berichte bieten eine gute Quelle, um sich über die Verbreitung der Schwarzarbeit in Deutschland zu informieren. Der Externer Link: Bericht aus dem Jahr 2017 stellt fest, dass nahezu alle, insbesondere lohnintensive Wirtschaftszweige von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung betroffen sind. Die Schwerpunkte liegen dabei unter anderem in den im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz und im Vierten Sozialgesetzbuch genannten Branchen, wie beispielsweise das Bau-, das Gaststätten- und Beherbergungs-, das Personenbeförderungs-, das Speditions-, Transport- und Logistik-, das Gebäudereinigungsgewerbe sowie die Fleischwirtschaft.
Verbreitung von Schwarzarbeit
Nach den Erfahrungen der Kontrollbehörden liegen die Schwerpunkte der Verstöße in der Meldepflicht und im Leistungsmissbrauch, wenn neben der Schwarzarbeit zusätzlich Sozialleistungen bezogen werden. Arbeitgeber melden Arbeitskräfte nicht bei der Kranken-, Pflege-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung an und sparen sich somit die Beiträge zur Sozialversicherung. Zusätzlich sparen sich die Arbeitgeber fällige Lohnsteuern, die ein weiterer Kostenpunkt sind. Durch Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung wird ein fairer Wettbewerb unterlaufen, so dass sich Unternehmen durch illegale Maßnahmen Kostenvorteile durch niedrige Lohnkosten verschaffen können.
Schwarzarbeit wird durch Strafen und Kontrollen durch die Behörden bekämpft. Eine hohe Anzahl an Kontrollen soll eine Abschreckungswirkung erzielen und die Bevölkerung für das Thema sensibilisieren. Ein Verstoß gegen das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung kann bußgeldrechtliche und strafrechtliche Konsequenzen haben. Weiterhin können Beitragsnachforderungen für nicht entrichtet Sozialversicherungsbeiträge erhoben werden. Für die Bekämpfung der Schwarzarbeit ist die Zollverwaltung zuständig und dort die Arbeitseinheit Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS). Die Zollverwaltung arbeitet mit weiteren Behörden, wie der Bundesagentur für Arbeit, den Trägern der Rentenversicherung und den Finanzbehörden, zusammen. Mitarbeiter der Finanzkontrolle Schwarzarbeit führen regelmäßig anlassbezogene und verdachtsunabhängige Prüfungen durch. Jährlich wird über die Ergebnisse der Prüftätigkeit berichtet. Im Jahr 2019 wurden über 54.000 Arbeitgeber überprüft. Insgesamt verhängte die Behörde Bußgelder in Höhe von 57,4 Millionen Euro, 7,5 Millionen Euro mehr als noch im Jahr 2018. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit deckte im Jahr 2019 Schäden von über 755,4 Millionen Euro auf, 79,4 Millionen weniger als 2018.
In bestimmten Wirtschaftsbereichen, wie dem Bauhaupt- und Baunebengewerbe, gibt es eine Sofortmeldepflicht für neue Beschäftigungsverhältnisse und Arbeitnehmer haben eine Ausweismitführungs- und Vorlagepflicht, so dass die FKS bei Kontrollen die Identität der Erwerbstätigen leichter feststellen kann. Aus Sicht der Kontrollbehörden trug dies wesentlich zur Verbesserung der Bekämpfung der Schwarzarbeit bei.
Besonders häufig beobachten die Kontrollbehörden Schwarzarbeit in Form von Scheinselbstständigkeit, bei der Personen formell als selbständige Unternehmer auftreten, obwohl sie tatsächlich abhängig beschäftigt sind. Häufig üben sie Tätigkeiten auf Basis eines Werkvertrages aus. Zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und der illegalen Beschäftigung haben sich in besonders betroffenen Wirtschaftszweigen Bündnisse von Bundesministerium der Finanzen, Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften gebildet, um ein Zeichen gegen Schwarzarbeit zu setzen.
Am 18. Juli 2019 ist das Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch in Kraft getreten. Damit soll die Finanzkontrolle Schwarzarbeit bei der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung, Sozialleistungsmissbrauch und Schwarzarbeit weiter gestärkt werden. Hierfür erhält der Zoll zusätzliche Befugnisse und deutlich mehr Personal. Weiterhin sollen verstärkt sog. „Tagelöhnerbörsen“ bekämpft werden und es zu einem verbesserten Datenaustausch zwischen der FKS und den übrigen beteiligten Behörden, insbesondere den Jobcentern und Familienkassen kommen.
QuellentextDGB zum Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch
„Verbesserte Kontrollen bei Schwarzarbeit, illegaler Beschäftigung und Verstößen gegen tarifliche oder den gesetzlichen Mindestlohn sind dringend notwendig. Deshalb ist es richtig und überfällig, den Zoll mit mehr Personal auszustatten.“
Quelle: Externer Link: www.dgb.de/themen/++co++5f4ace28-59d9-11e9-9583-52540088cada
QuellentextBDA: Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Schwarzarbeitsbekämpfung beachten
Stärkere Kontrollen und härtere Sanktionen zur Bekämpfung der Schwarzarbeit, wie sie auch mit dem Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch, geschaffen wurden, erzeugen möglicherweise eine erhöhte Abschreckung. Sie haben jedoch nur wenig nachhaltigen Erfolg, solange die tatsächlichen Ursachen der Schwarzarbeit bestehen bleiben. Zwar ist das Bestreben, die Effizienz der Verfolgungsbehörden zu optimieren und kriminelles Verhalten zu ahnden, zu begrüßen. Aber selbst wenn die Verfolgungsbehörden so effizient wie möglich arbeiten sollten, können sie allenfalls Teilbereiche der Schwarzarbeit aufdecken. Sanktionen müssen unbedingt den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten. Dies gilt auch für Sanktionen, die durch den europäischen Gesetzgeber geschaffen werden.
Quelle: BDA Schwarzarbeit effektiver bekämpfen Externer Link: https://arbeitgeber.de/www%5Carbeitgeber.nsf/id/DE_Schwarzarbeit
Umfang und Struktur der Schwarzarbeit mit absoluten Zahlen der amtlichen Statistik zu messen ist verständlicherweise nicht möglich, da es im Wesen der Schwarzarbeit liegt, die Beschäftigung zu verschleiern und sich der offiziellen Erfassung zu entziehen. In der Wissenschaft existieren verschiedene Ansätze zur Messung von Schwarzarbeit, da u.a. die Politik, zur Einschätzung der Problemlage und Entwicklung von Gegenmaßnahmen, ein Informationsinteresse über das Ausmaß der Schwarzarbeit hat.
Bei der Erfassung der Verbreitung von Schwarzarbeit kann zwischen indirekten und direkten Ansätzen unterschieden werden. Direkte Verfahren in Form von Bevölkerungsumfragen sind schwierig, da die Auskunftsbereitschaft bei sozial unerwünschtem und kriminellem Verhalten verständlicherweise gering ist. Bevölkerungsfragen zum Thema Schwarzarbeit in Deutschland sind deswegen selten. Weit verbreitet sind indirekte Ansätze, die auf aggregierter Basis Schätzungen zum Umfang der Schwarzarbeit in einer Volkswirtschaft vornehmen.
Nach Berechnungen von Prof. Dr. Friederich Schneider, in Kooperation mit dem Institut für angewandte Wirtschaftsforschung (IAW), betrug der Umfang der Schattenwirtschaft 2019 in Deutschland 324 Mrd. Euro, was einem Verhältnis von 9,4 Prozent zum offiziellen Bruttoinlandsprodukt entspricht. Die günstige Wirtschaftslage und der Rückgang der Arbeitslosigkeit haben seit der Wirtschafts- und Finanzkrise zu einem Rückgang des Umgangs der Schattenwirtschaft geführt. Anfang 2020 prognostizierten die Forscher für das Jahr 2020 einen Umfang der Schattenwirtschaft von 322 Mrd. Euro und einen Anteil vom 9,1 Prozent am BIP. Darin war die wirtschaftliche Entwicklung aufgrund der Corona Pandemie noch nicht berücksichtigt. Welche Auswirkungen der wirtschaftliche Einbruch auf die Schattenwirtschaft hat ist noch nicht abzusehen. Einkommenseinbußen durch Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit in der Krise könnten aber ein Treiber für Schwarzarbeit sein. Während der Corona Krise gab es sogar Stimmen die dafür plädierten, die Schwarzarbeit zu dulden. Schwarzarbeit kann nämlich auch einen wohlfahrsteigernden Aspekt haben. Hintergrund ist die Beobachtung, dass der Großteil des durch Schwarzarbeit verdienten Einkommens direkt wieder in der offiziellen Wirtschaft ausgegeben wird und dadurch den Konsum stabilisiert.