Motive und Wirkungen befristeter Beschäftigungsverhältnisse
Durch den Einsatz von befristeten Arbeitsverhältnissen ergibt sich für Unternehmen die Möglichkeit, den Personaleinsatz zu flexibilisieren. Bei erhöhter Nachfrage können Unternehmen die Größe ihrer Belegschaft zeitlich befristet anpassen und die Arbeitsverträge bei einem Rückgang der Nachfrage auslaufen lassen. Weitere Gründe der Unternehmen, auf befristete Beschäftigung zurückzugreifen, können saisonale Schwankungen, unregelmäßig wiederkehrende Aufgaben sowie Phasen wirtschaftlicher Unsicherheit sein. Arbeitgeberbefragungen des IAB (aus dem Jahr 2018; erhoben wurde die Angabe des wichtigsten Befristungsmotivs) ergeben als häufigste Motive Arbeitsverträge zu befristen:
Überprüfung der Eignung von Arbeitskräften (36,7 Prozent)
Vertretungen (18,1 Prozent)
Zeitlich begrenztem, zum Beispiel saisonalem Mehrbedarf (13,1 Prozent)
Wirtschaftliche Unsicherheit (11,9 Prozent)
Begrenzte Stellenfinanzierung (9,1 Prozent)
Die betrieblichen Motive variieren dabei erheblich zwischen Branchen und Sektoren. So gaben 67,1 Prozent der Betriebe in der Verbrauchs- und 62,1 der Betriebe in der Produktionsgüterindustrie die Eignungsprüfung als wichtigstes Motiv an, während in gemeinnützigen Einrichtungen des sogenannten Dritten Sektors die Abhängigkeit von zeitlich befristeten Finanzierungen mit 32,9 Prozent und Vertretungen mit 25,1 Prozent die Befristungspraxis maßgeblich bestimmen.
Aus Sicht der Arbeitnehmer sind befristete Arbeitsverhältnisse, im Gegensatz zu einem Normalarbeitsverhältnis, mit erheblichen Unsicherheiten für die Lebensplanung und -steuerung verbunden. Da Arbeitgeber Befristungen häufig als verlängerte Probezeit nutzen, können aufeinanderfolgende Befristungen ("Befristungskette") dann bei anderen Arbeitgebern als negatives Signal für eine Neueinstellung gewertet werden.
Da befristet Beschäftigte nur für einen bestimmten Zeitraum bei einem Unternehmen beschäftigt sind, profitieren sie häufig nicht von Gehaltszuwächsen aufgrund von Betriebszugehörigkeit, die in vielen Tarifverträgen vorgesehen sind. Auch nehmen befristet Beschäftigte seltener an betrieblichen Weiterbildungen teil als unbefristet Beschäftigte.
Studien zeigen, dass der Mehrheit der befristet Beschäftigten im Verlauf ihrer weiteren Erwerbsbiografie der Übergang in ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis gelingt. Jedoch erhöhen Befristungen bei einem Stellenwechsel sowohl das Risiko wieder befristet beschäftigt zu werden, als auch das Arbeitslosigkeitsrisiko. Insbesondere befristete Stellen im öffentlichen Dienst erhöhen das Risiko von Befristungsketten. Befristete Arbeitsverträge erweisen sich vor allem in Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs als Brücke in unbefristete Beschäftigung. Umgekehrt werden viele befristete Arbeitsverträge in Zeiten wirtschaftlichen Abschwungs nicht verlängert und erfüllen damit ihre Flexibilitätsfunktion für die Unternehmen.
Kurze Geschichte befristeter Beschäftigungsverhältnisse
Mit dem 1985 in Kraft getretenen Beschäftigungsförderungsgesetz (siehe dazu den Text zum
Im Jahr 1996 wurde die Höchstdauer der sachgrundlosen Befristung von 18 Monaten auf 24 Monate angehoben. Das im Jahr 2001 in Kraft getretene Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG), das durch das Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt („Hartz I“) vom Dezember 2002 geändert wurde, setzte einige EU-Richtlinien zu Mindeststandards für befristete Arbeitsverträge und Teilzeitarbeit um und löste das Beschäftigungsförderungsgesetz ab. Danach kann ein auf bestimmte Zeit geschlossener Arbeitsvertrag entweder kalendermäßig befristet oder zweckbefristet sein. Die Befristung ist zulässig, wenn ein sachlicher Grund vorliegt. Sachliche Gründe können unter anderem sein: ein nur vorübergehender Bedarf seitens des Arbeitgebers, eine Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium, die Beschäftigung zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers oder die Befristung zur Erprobung. Bei Neueinstellungen ist eine Befristung ohne sachlichen Grund mit einer Höchstdauer von zwei Jahren möglich. Bei Beachtung der Höchstdauer kann das Arbeitsverhältnis bis zu dreimal verlängert werden. Ein Tarifvertrag kann Abweichungen vorsehen. Im Anschluss an ein befristetes Arbeitsverhältnis ist ohne Sachgrund keine befristete Beschäftigung beim selben Arbeitgeber mehr möglich. Damit sollten "Kettenarbeitsverträge" verhindert werden. Im selben Gesetz wurde die Möglichkeit geschaffen, über 58-Jährige ohne sachlichen Grund befristet zu beschäftigen.
Mit "Hartz I" ist die Altersgrenze für sachgrundlose Befristungen ohne zeitliche Höchstgrenze auf das 52. Lebensjahr gesenkt worden. Damit reagierte die Politik auf die auch im internationalen Vergleich hohe Arbeitslosigkeit Älterer und erhoffte sich dadurch die Einstellungsbarrieren für ältere Arbeitnehmer zu erleichtern. Für ältere Arbeitnehmer ab einem Alter von 52 Jahren ist durch eine Änderung des TzBfG seit dem Jahr 2007 ("Initiative 50pus") die sachgrundlose Befristung wieder eingeschränkt worden. Eine Befristung mit einer Höchstdauer von fünf Jahren ist nur noch möglich, wenn der Arbeitnehmer zuvor mindestens vier Monate beschäftigungslos war, Transfer-Kurzarbeitergeld bezogen oder an einer öffentlich geförderten Beschäftigungsmaßnahme (SGB II, SGB III) teilgenommen hat. Innerhalb des Gesamtrahmens von fünf Jahren ist eine Mehrfachbefristung zulässig.
Der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD für die 19. Wahlperiode aus dem März 2018 sieht erneut einschneidende Veränderungen der Befristungsregelungen vor. Diesmal zielen die Änderungen auf eine Regulierung sachgrundloser Beschäftigungen.
QuellentextAuszug aus dem Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD für die 19. Wahlperiode (vom 12. März 2018)
Wir wollen den Missbrauch bei den Befristungen abschaffen. Deshalb dürfen Arbeitgeber mit mehr als 75 Beschäftigten nur noch maximal 2,5 Prozent der Belegschaft sachgrundlos befristen. Bei Überschreiten dieser Quote gilt jedes weitere sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnis als unbefristet zustande gekommen. Die Quote ist jeweils auf den Zeitpunkt der letzten Einstellung ohne Sachgrund zu beziehen.
Die Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist nur noch für die Dauer von 18 statt bislang von 24 Monaten zulässig, bis zu dieser Gesamtdauer ist auch nur noch eine einmalige statt einer dreimaligen Verlängerung möglich.
Wir wollen nicht länger unendlich lange Ketten von befristeten Arbeitsverhältnissen hinnehmen. Eine Befristung eines Arbeitsverhältnisses ist dann nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein unbefristetes oder ein oder mehrere befristete Arbeitsverhältnisse mit einer Gesamtdauer von fünf oder mehr Jahren bestanden haben. Wir sind uns darüber einig, dass eine Ausnahmeregelung für den Sachgrund nach § 14 Abs. 1 Nr. 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz wegen der Eigenart des Arbeitsverhältnisses (Künstler, Fußballer) zu treffen ist.
Auf die Höchstdauer von fünf Jahren wird bzw. werden auch eine oder mehrere vorherige Entleihung(en) des nunmehr befristet eingestellten Arbeitnehmers durch ein oder mehrere Verleihunternehmen angerechnet. Ein erneutes befristetes Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber ist erst nach Ablauf einer Karenzzeit von drei Jahren möglich.
Quelle: Externer Link: Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD für die 19. Wahlperiode vom 12. März 2018, S. 51
Die Vorschläge waren letztlich ein Kompromiss, da es weiterreichende Vorschläge zur Regulierung seitens der SPD gab, die CDU/CSU ablehnen, mit der Begründung, Arbeitgebern nicht das „das einzige Flexibilisierungsinstrument zu nehmen, das nicht nur unbürokratisch, sondern auch rechtssicher ist“. Innerhalb der SPD gibt es auch Positionen, die sachgrundlose Befristung ganz abzuschaffen. Eine solche Position vertritt auch die Fraktion DIE LINKE.
Die AfD will die „nicht trennscharfe Unterscheidung“ von Befristungen mit und ohne sachlichen Grund zugunsten einer generellen Regelung aufheben, die eine befristete Anstellung für maximal 24 Monate erlaubt. In besonderen Fällen solle dieser Zeitrahmen überschritten werden können. Kettenbefristungen sollten reduziert werden, indem eine zeitliche Höchstgrenze für die Befristung einer Stelle eingeführt wird. Eine aufeinanderfolgende befristete Einstellung soll nach dem Willen der Fraktion nicht erlaubt sein.
Die FDP möchte die sachgrundlose Befristung weiter erleichtern. Sie beklagt die derzeitige Regelung, wonach eine sachgrundlose Befristung des Arbeitsverhältnisses nicht zulässig ist, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Statt einer lebenslangen Sperre soll ein Verbot wiederholter Beschäftigung vor Ablauf von drei Monaten eingeführt werden. Die derzeitige Regelung erweise sich in der Praxis aus Sicht der FDP als Einstellungshemmnis.
Bis zum Sommer 2020 ist der Koalitionsvertrag bezüglich befristeter Beschäftigung noch nicht umgesetzt worden.
Aktuelle Rechtliche Grundlagen
Den Arbeitgebern stehen im deutschen Arbeitsrecht – abgesehen von Sonderregelungen in der Wissenschaft (WissZeitVG), für Ärzte in der Weiterbildung (ÄArbVtrG), im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (§ 21 BEEG), im Pflegezeitgesetz (§ 6 PflegeZG) und nach Erreichen der Regelaltersgrenze (§ 41 Satz 3 SGB VI) – nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) grundsätzlich zwei Möglichkeiten der Befristung offen:
Befristungen ohne sachlichen Grund, die nur bei Neueinstellungen möglich sind, insgesamt höchstens zwei Jahre dauern dürfen und in dieser Zeit maximal drei Mal verlängert werden können. Danach muss im Regelfall eine Entfristung des Arbeitsverhältnisses erfolgen.
Befristungen mit sachlichem Grund, ohne zeitliche Höchstgrenze oder Begrenzung der Verlängerungsanzahl. Die sachlichen Gründe für eine Befristung, die aber nicht abschließend sind, werden im § 14 des TzBfG aufgeführt.
Quellentext§ 14 Abs. 1 TzBfG: Vorliegen eines sachlichen Grundes:
Ein sachlicher Grund liegt insbesondere vor, wenn
der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht,
die Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium erfolgt, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern,
der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird,
die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt,
die Befristung zur Erprobung erfolgt,
in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe die Befristung rechtfertigen,
der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er entsprechend beschäftigt wird oder
die Befristung auf einem gerichtlichen Vergleich beruht.
Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (Teilzeit- und Befristungsgesetz - TzBfG) Externer Link: www.gesetze-im-internet.de/tzbfg/__14.html
Wie oben angedeutet gibt es neben dem TzBfG weitere Arbeitsgesetze die Regelungen zu Befristungen vorsehen. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG), welches im April 2007 in Kraft trat, sieht Beschäftigungshöchstdauern von maximal zwölf Jahren (bzw. 15 Jahren im medizinischen Bereich) vor. Auf dieser arbeitsrechtlichen Grundlage können wissenschaftliche Beschäftigte vor der Promotion bis zu 6 Jahre und nach abgeschlossener Promotion ebenfalls bis zu 6 Jahre (in der Medizin bis zu 9 Jahre) sachgrundlos befristet eingestellt werden (Befristung in der Qualifikationsphase). Dadurch soll der Qualifizierungscharakter der Stellen unterstrichen werden und für Innovationen in Forschung und Lehre gesorgt werden. Mitarbeiter, die aus Drittmitteln finanziert werden, können ohne zeitliche Höchstgrenze immer wieder befristet beschäftigt werden. Im Sektor Wissenschaft lag der Befristungsanteil im Jahr 2014 bei 37 Prozent und 87 Prozent aller Einstellungen in diesem Bereich waren befristet.
Verbreitung befristeter Beschäftigung
Zu befristeter Beschäftigung gibt es Daten aus unterschiedlichsten Datenquellen. Diese Daten sind aufgrund verschiedener Erhebungsmethoden und –verfahren nur eingeschränkt vergleichbar. Das Statistische Bundesamt berücksichtigt bei der Berechnung der Befristungsquote alle abhängig Beschäftigten ab 25 Jahren. Jüngere Arbeitnehmer, die sich im Übergang vom Bildungs- zum Beschäftigungssystem befinden und häufig befristete Verträge haben, fließen nicht in die Berechnung ein. Auch die Gruppe der Auszubildenden wird dadurch weitgehend nicht berücksichtigt, da ihr Arbeitsvertrag dem Grunde nach immer befristet ist. Der Indikator erfasst daher nicht das ganze Ausmaß befristeter Beschäftigung.