Fragen der Finanzierung der Arbeitsmarktpolitik drehen sich um die Finanzierung der aktiven und passiven Leistungen der Arbeitsmarktpolitik. Unter den passiven Leistungen versteht man Lohnersatzleistungen wie das Arbeitslosengeld I oder das Arbeitslosengeld II. Das Arbeitslosengeld II soll das soziokulturelle Existenzminimum sichern. Aktive Leistungen sind die Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik wie Qualifizierungen oder geförderte Beschäftigung. Arbeitsmarktpolitik wird in der Arbeitslosenversicherung (SGB III) hauptsächlich aus den Beiträgen der Versicherten finanziert, während die passiven und aktiven Leistungen der Grundsicherung (SGB II) weitgehend aus Steuermitteln finanziert werden.
Kriterien für eine gerechte und effiziente Finanzierung der Arbeitsmarktpolitik
In den Verhandlungen zum Arbeitsförderungsgesetz von 1969 wurde damals gegen die Einwände der Bundesanstalt für Arbeit der Beschluss gefasst, sowohl die "passive" als auch die erheblich verstärkte "aktive" Arbeitsmarktpolitik weiterhin hauptsächlich über die Beiträge an die Bundesanstalt für Arbeit zu finanzieren. Ausgenommen davon blieb lediglich die Finanzierung der Arbeitslosenhilfe, die vom Bund über Steuern geleistet wurde. Obwohl in der Wissenschaft gegen diese Praxis mehrfach theoretische Einwände erhoben wurden und insbesondere die Gewerkschaften immer wieder eine Arbeitsmarktabgabe, also Beiträge aller Erwerbstätigen (2019: 45,26 Millionen) statt nur der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (2019: 33,4 Millionen), forderten, um die Finanzierungsbasis zu erweitern und die "Gerechtigkeitslücke" aus ihrer Sicht zu schließen, hat sich zumindest im SGB III daran bis heute nichts verändert. Auch der Fall der dynamisierten Beitragsbemessungsgrenze wurde gefordert (siehe dazu den Text zur
In diesem Abschnitt sollen zunächst Kriterien für eine gerechte und effiziente Finanzierung der Arbeitsmarktpolitik präsentiert werden. Anschließend werden Reformvorschläge für alternative Finanzierungskonzepte vorgestellt. Diese betreffen im Wesentlichen die Finanzierung des Versicherungszweiges. Danach werden Vorschläge präsentiert (Grundeinkommen, Negative Einkommensteuer), die weit darüber hinaus gehen. Einige dieser Konzepte verstehen sich dabei als Erweiterung des Sozialsystems, andere als Alternative zum bestehenden Sozialstaat. Die Beschreibung der aktuellen Finanzierungsstrukturen in der Arbeitsförderung (SGB III) und in der Grundsicherung (SGB II) beschließen diesen Abschnitt.
Geht man von der Prämisse aus, dass die Leistungen der Arbeitsmarktpolitik ein typisches Mischgut sind, die öffentlichen wie privaten Charakter haben, dann folgt daraus auch die Forderung nach einer gemischten Finanzierung. Aber nach welchen Kriterien soll sich die Mischung orientieren? Die Finanzwissenschaft liefert hierfür drei Gesichtspunkte: das Kongruenzprinzip, das Leistungsfähigkeitsprinzip sowie das Effizienzprinzip:
Das Kongruenzprinzip besagt, alle profitierenden Akteure bzw. Institutionen sollen einen Beitrag entsprechend des ihnen zufallenden Nutzens leisten.
Das Leistungsfähigkeitsprinzip berücksichtigt die unterschiedliche Zahlungsfähigkeit der Akteure bzw. Institutionen.
Das Effizienzprinzip schließlich fordert, die Ausgaben an alternativen Verwendungen zu messen und das günstigste Nutzen-Kosten-Verhältnis zu wählen.
Aus diesen allgemeinen Prinzipien lassen sich in Verbindung mit den Zielen der Arbeitsmarktpolitik eine Reihe von Kriterien für eine funktionsgerechte Finanzierung der Arbeitsmarktpolitik entwickeln. Auch wenn es in der Wissenschaft keinen Konsens darüber gibt, finden sich in der Literatur immer wieder folgende Hinweise:
Arbeitslosenversicherung wie auch aktive Arbeitsförderung sollten für die Erwerbspersonen ausreichende Anreize zur Arbeitsaufnahme sowie zur Erhaltung und Erweiterung der Beschäftigungsfähigkeit bieten.
Betriebe sollten Anreize zur Vermeidung von Entlassungen und zur kontinuierlichen Qualifizierung erhalten.
Das gilt auch für die Tarifpartner, die durch die Existenz einer Arbeitslosenversicherung oder aktiven Arbeitsmarktpolitik nicht davon abgehalten werden sollen, am Verteilungsspielraum aus Produktivitätswachstum und Preissteigerung orientierte oder gar "moderate" Tarifabschlüsse und funktionsgerechte Tarifstrukturen auszuhandeln.
Die Art der Finanzierung soll zum sozialen Ausgleich, d.h. zur Begünstigung benachteiligter Gruppen des Arbeitsmarkts beitragen und eine gerechte Verteilung der Finanzierungslasten gewährleisten.
Auch regionale Ausgleichswirkungen sollen durch Stabilisierung der regionalen Kaufkraft und eine solidarische Umverteilung der Mittel aktiver Arbeitsmarktpolitik auf Regionen mit besonderen Beschäftigungsproblemen erzielt werden.
Die Einnahmen und Ausgaben sollen makroökonomisch, also durch antizyklische Ausrichtung, die Konjunktur stabilisieren (d.h. Beitragsgestaltung und Ausgaben müssen entsprechend flexibel und reversibel gehandhabt werden können).
Die verfügbaren Mittel für Lohnersatzleistungen und Arbeitsförderung sollten zugunsten der Förderung deckungsfähig sein und der aktiven Arbeitsmarktpolitik Vorrang geben.
Die Verletzung vieler dieser Kriterien hat seit der Implementierung des Arbeitsförderungsgesetzes im Jahr 1969 immer wieder Diskussionsanstöße zu Veränderungen des Finanzierungssystems gegeben. Vor allem die ungerecht verteilten Finanzierungslasten aktiver Arbeitsmarktpolitik (von ihr profitieren auch Nichtbeitragszahler), das faktische Auskonkurrieren aktiver Arbeitsmarktpolitik durch passive Ausgaben (vor allem in Krisenzeiten), sowie die relative Benachteiligung von Regionen mit besonderen Beschäftigungsproblemen in der aktiven Arbeitsmarktpolitik gaben wiederholt Anlass, über andere Finanzierungsstrukturen nachzudenken. Die wichtigsten Alternativen werden kurz vorgestellt.
Historische Diskurse zur Finanzierung der Arbeitsmarktpolitik
Vereinfachend lassen sich die wichtigsten Reformvorschläge der letzten vierzig Jahre in vier Kategorien einteilen:
Trennung von Steuer- und Beitragsfinanzierung,
Erweiterung des Kreises der Beitragszahler,
Umstellung der Beitragsbemessung,
Regelbindung des Bundeszuschusses.
Vorschläge wie beispielsweise die Einführung eines garantierten Grundeinkommens oder einer negativen Einkommenssteuer [LINK) würden fünftens die Finanzierung der gesamten Sozialpolitik auf grundsätzlich neue Beine stellen.
Trennung der Finanzierungsquellen
Dieser Vorschlag sieht vor, die aktive Arbeitsmarktpolitik durch Steuern und die passive Arbeitsmarktpolitik weiterhin durch Beiträge zu finanzieren. Gegen eine solche Trennung sprechen mehrere Argumente. Die organisatorische Folge wäre voraussichtlich die Aufspaltung der Bundesagentur für Arbeit in eine öffentlich-rechtliche Anstalt zur Verwaltung der Lohnersatzleistungen für Arbeitslose und in eine Institution zur Arbeitsförderung. Die steuerfinanzierten Ausgaben für aktive Arbeitsmarktpolitik unterlägen den schwankenden politischen Mehrheiten im jährlichen Poker um den Staatshaushalt. Da sie direkt mit den Ausgaben für andere Politikfelder konkurrieren müssten, fielen sie den oft nur fiskalisch motivierten Konsolidierungszielen des Staatshaushalts leicht zum Opfer. Ein berechenbares und antizyklisches Ausgabenverhalten wäre nicht gewährleistet. Auch der institutionelle Anreiz zur Umwandlung von Mitteln für Arbeitslosengeld in Mittel für Arbeitsförderung würde deutlich vermindert, und die Koordination aktiver und passiver Arbeitsmarktpolitik erforderte einen höheren Aufwand.
Das Ergebnis getrennter Finanzierung könnte ein deutliches Sinken des Budgets aktiver Arbeitsmarktpolitik sein. Deshalb wurde dieser Vorschlag vor allem von den Arbeitgebern unterstützt. Aber auch die Exekutive liebäugelte hin und wieder mit diesem Vorschlag, da er aus Effizienzgesichtspunkten einen entscheidenden Vorzug hat. Die Ausgaben aktiver Arbeitsmarktpolitik würden bei Steuerfinanzierung stärker als bisher der Konkurrenz mit anderen staatlichen Aufgabenbereichen unterliegen und damit die Beweislast der Kosten-Effektivität erhöhen.
Erweiterung des Kreises der Beitragszahler
Die Erweiterung des Kreises der Beitragszahler wurde vor allem von den Gewerkschaften in der Form einer zusätzlichen Arbeitsmarktabgabe für Beamte, Selbständige und Freiberufler wiederholt gefordert. Dass dagegen sowohl die Arbeitgeber als auch die Ministerialbeamten votierten, verwundert wenig. Die Arbeitgeber verteidigten die Interessen der Selbständigen und Freiberufler. Sie wiesen auch auf die technische Schwierigkeit hin, bei diesen Gruppen eine klare Bemessungsgrundlage als Äquivalent zu Lohneinkommen zu definieren. Die Einbeziehung der Beamten wurde immer wieder aus Verfassungsgründen abgelehnt.
Beamte haben keinen Arbeitnehmerstatus, sondern unterliegen der Fürsorgepflicht des Staates und haben dementsprechend kein Entlassungsrisiko, solange sie im Gegenzug ihre Treuepflicht gegenüber dem "Arbeitgeber" Staat erfüllen. Insbesondere die Länder (mit vielen Beamten) widersprachen einer Arbeitsmarktabgabe aller Erwerbstätigen. Die positiven Effekte der Arbeitsförderung werden als unerheblich und nicht direkt nachweisbar bezeichnet. Allgemein wird auch bezweifelt, ob eine solche Erweiterung des Kreises der Beitragszahler tatsächlich die erwünschte Beitragsgerechtigkeit verbessern könne, da ja auf der anderen Seite auch Ansprüche auf Leistungen entstehen würden. Dieses Argument trifft auch die immer wieder vorgebrachte Überlegung, die Bemessungsgrenze zu kappen oder stark zu erhöhen.
Veränderung der Beitragsbemessung
Ein weitergehender Vorschlag betrifft die Art der Bemessung: Welche Einkommensquellen sollen herangezogen werden? Welche Anreizwirkungen haben die verschiedenen Formen der Bemessung? Es stellt sich z. B. die Frage nach der Zweckmäßigkeit einer rein lohnbezogenen Bemessungsgrundlage der Arbeitgeberbeiträge. Schon Ende der fünfziger Jahre wurde diese kritisiert und mit Alternativen konfrontiert. Nicht nur der Faktor Arbeit (Löhne), sondern auch der Faktor Kapital sollte zur Finanzierung der sozialen Sicherung herangezogen werden. Ende der siebziger Jahre wurde als neue Bemessungsgrundlage für die Arbeitgeber daher die Bruttowertschöpfung vorgeschlagen. Neben der Lohn- und Gehaltssumme kämen danach die Gewinne, Fremdkapitalzinsen, Mieten, Pachten, Unternehmenssteuern und Abschreibungen hinzu. Das populärste Argument für eine solche Wertschöpfungsabgabe insbesondere zur Arbeitslosenversicherung lautet, dass diejenigen Unternehmen, die durch den höchsten technischen Fortschritt die meisten Arbeitskräfte freisetzen (also Arbeitslosigkeit angeblich erzeugen), auch entsprechend zur Kasse gebeten werden sollen.
Gegen diesen Vorschlag spricht das Äquivalenzprinzip. Bei einer Wertschöpfungsabgabe würden die Versicherten den Arbeitgeberbeitrag nicht mehr als Leistung für ihre individuelle Arbeitslosenversicherung ansehen. Verlieren aber die Beitragszahlungen die Beziehung zwischen Beitrag und Gegenleistung, so ist mit einem erhöhten Abgabenwiderstand zu rechnen. Darüber hinaus sind die beschäftigungspolitischen Auswirkungen stark umstritten. Unmittelbar findet zwar eine klare Umverteilung statt. Für die Unternehmensseite gibt es klare Gewinner und Verlierer: Die kapitalintensiven Unternehmen verlieren, die arbeitsintensiven gewinnen. Anschließend verwischen jedoch die Grenzen, je nachdem, ob und auf wen sich die gestiegenen Kosten durch höhere Preise abwälzen lassen. Die sekundären Verteilungswirkungen für kleinere und mittlere Einkommen werden ungünstig eingeschätzt. Dem stehen jedoch niedrigere Kosten auf der arbeitsintensiven Seite gegenüber und die (zumindest theoretische) Möglichkeit, dass diese Kostensenkung auch in niedrigeren Preisen weitergegeben wird. In Anbetracht der diesbezüglichen Gewinner (Handwerk, personenbezogene Dienstleistungen) liegt die Vermutung nahe, dass im Gegenzug nun auch hier die kleineren und mittleren Einkommen profitieren. Die sekundäre Verteilungsbilanz wäre insgesamt wieder ausgeglichen und im Zuge der sich ausweitenden Dienstleistungsgesellschaft möglicherweise sogar positiv.
Die Diskussion um die Veränderung der Bemessungsgrundlage für Arbeitgeberbeiträge blieb weitgehend akademisch. Die empirisch zuverlässige Bestimmung der betrieblichen Wertschöpfung stößt auf große, praktische Schwierigkeiten. Zu umstritten oder unklar blieben die Beschäftigungs- und Verteilungswirkungen. Der Vorschlag wurde deshalb politisch nie ernsthaft in Erwägung gezogen, obwohl ihm beispielsweise der von 1976 bis 1982 amtierende Arbeitsminister Herbert Ehrenberg (SPD) nahestand.
Regelgebundener Bundeszuschuss
Der Vorschlag eines regelgebundenen Bundeszuschusses sollte der Verletzung mehrerer oben angeführter Kriterien entgegenwirken:
der Nichtübereinstimmung von Beitragsbelastung und Kostenentlastung durch aktive Arbeitsmarktpolitik,
der systematischen Vernachlässigung benachteiligter Zielgruppen des Arbeitsmarkts,
der pro- statt antizyklischen Ausgabenpolitik und
der regional nicht konformen Konzentration der Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik.
Die historisch früheste Variante wurde von Dieter Mertens, dem ersten Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), in die Diskussion eingebracht. Sie sah vor, den Bundeszuschuss ab einem bestimmten Niveau der Arbeitslosigkeit "einrasten" zu lassen. Den Rücklagevorschriften im Arbeitsförderungsgesetz entsprechend sollte bei der (damaligen) Bundesanstalt für Arbeit eine Reserve einer Monatsausgabe angesammelt werden; die Beitragssätze oder Bundeszuschüsse sollten dann automatisch steigen, wenn diese Rücklage nennenswert angetastet wird.
Ein anderer und weitergehender Vorschlag des Arbeitsmarktforschers Günther Schmid begründete die Ausweitung einer regelgebundenen Steuerfinanzierung durch den Bund mit drei Argumenten:
mit der Notwendigkeit einer Grundsicherung,
einer beschäftigungspolitischen Selbstbindung und
einer Mischfinanzierung aktiver Arbeitsmarktpolitik.
Der Bund sollte schon vom ersten Tag an verpflichtet werden, für jeden Arbeitslosengeldempfänger einen steuerfinanzierten Grundbetrag zuzuschießen. Dieser sollte mindestens dem Sozialhilfeniveau entsprechen. Diesem Vorschlag liegt die Überlegung zugrunde, dass die Ursache von Arbeitslosigkeit immer ein Gemisch von individuellen und sozialen, angebots- und nachfrageseitigen, endogenen und exogenen Faktoren ist (siehe hierzu den Text
Alle Steuern zahlenden Bürger sollten daher schon von Anfang an gemäß ihrer Leistungsfähigkeit zur Grundsicherung bei Arbeitslosigkeit herangezogen werden. Außerdem wird dadurch der Anreiz für geld- und finanzpolitische Akteure erhöht, gegen eine sich selbst verstärkende Arbeitslosigkeit frühzeitig geeignete beschäftigungs- und wirtschaftspolitische Maßnahmen zu ergreifen.
Die Ausgaben für aktive Arbeitsmarktpolitik sollten wie bisher im Wesentlichen aus Beiträgen finanziert werden. Aus funktionslogischen Gründen sollte aber auch hier ein regelgebundener Bundeszuschuss greifen. Ein Regelsatz von 30 bis 50 Prozent entspräche dem Umfang der Entlastung des Bundeshaushalts durch aktive arbeitsmarktpolitische Maßnahmen und einer daraus resultierenden verminderten Arbeitslosigkeit. Nach Möglichkeit sollten auch die Länder und die gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherungen an diesem Finanzierungsverbund beteiligt werden. Bisher waren auch diese Institutionen "Trittbrettfahrer" aktiver Arbeitsmarktpolitik, da die Kosten der Arbeitslosigkeit für sie höher als die Kosten aktiver Arbeitsmarktpolitik sind. Der regelgebundene Bundeszuschuss hätte auch den Vorteil, über den Weg seiner Steuerfinanzierung auch ausgewählte Personengruppen in die Finanzierung mit einzubeziehen. Es geht hierbei um Personengruppen, die bisher weder zur Finanzierung der Arbeitslosigkeit noch zur Finanzierung der Arbeitsmarktpolitik beitrugen, nämlich die Beamten, Selbständigen und Freiberuflichen.
Die Entwicklung der Vorschläge verlief ähnlich wie den Überlegungen zu einer anreizkompatiblen Bemessung der Arbeitgeberbeiträge. Beim Mertens-Vorschlag blieb der Umfang des Bundeszuschusses unklar. Die Sozialpartner befürchteten daher eine gleichsam automatische Inpflichtnahme der Arbeitnehmer und Arbeitgeber bei steigender Arbeitslosigkeit, so dass der Vorschlag auf wenig Gegenliebe stieß. Fragwürdig ist dieser Vorschlag auch aus beschäftigungspolitischer Sicht, weil ihm die implizite Theorie einer lohnkosteninduzierten Arbeitslosigkeit zugrunde liegt. Dagegen konnten sich die Sozialpartner mit dem zweiten Vorschlag halbwegs anfreunden, ohne dass er jedoch die Schwelle politischer Durchsetzungsfähigkeit überschritten hätte. Die fiskalpolitische Selbstbindung eines regelgebundenen Zuschusses des Bundes stieß auch auf strikte Ablehnung bei der Exekutive, insbesondere beim Finanzministerium.
Im Fall, dass ein Akteur steuer- und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aus eigenem Budget finanziert, profitieren von den induzierten Lohneinkommen drei Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Gemeinden) und vier Sozialversicherungszweige (Arbeitslosen-, Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung). Die Zusatzeinnahmen werden für ihre Zwecke verwendet und beteiligen sich nicht an der Finanzierung der Beschäftigungsförderung. Eine "Budgetausgleichspolitik" (Dieter Mertens) unterbleibt. Partielle Fiskalinteressen herrschen vor und statt weitgehend selbstfinanzierte Arbeit zu schaffen, wird Arbeitslosigkeit finanziert. Ein weiterer Vorschlag zur Finanzierung der Arbeitsmarktpolitik ist die Einführung einer "erfahrungsbasierten Finanzierung" der Arbeitslosenversicherung (Experience Rating). Die Beitragsleistungen der Unternehmen zur Arbeitslosenversicherung werden dabei in Abhängigkeit von der Inanspruchnahme der Arbeitslosenversicherung bestimmt. Umso mehr Personen ein Unternehmen in die Arbeitslosigkeit entlässt, umso höher sind seine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung. Schnellen Entlassungen und kurzfristigen Beschäftigungsverhältnissen wird damit ein Kostenfaktor auf Unternehmerseite entgegengesetzt. Vor allem in den USA hat sich das "Experience Rating" etabliert und die meisten vorliegenden empirischen Untersuchungen kommen für die USA zu dem Ergebnis, dass das "Experience Rating" erfolgreich zur Verringerung der Zahl der temporären Entlassungen beigetragen hat. In den arbeitsmarktpolitischen Diskussionen wurde vor allem in den 90er Jahren eine Übertragung des Modells auf Deutschland diskutiert. Im Rahmen der Arbeit der Hartz-Kommission sind ähnliche Überlegungen angestellt worden, die jedoch keine ausreichende Unterstützung fanden.
Daneben existieren mit dem Grundeinkommen oder einer Negativen Einkommenssteuer Vorschläge, die die Finanzierung der Sozialpolitik und der Arbeitsmarktpolitik grundlegend ändern würden.
Grundeinkommen / Negative Einkommensteuer
Die gravierenden Probleme des Leistungssystems mehrten Mitte der 1980er Jahre die Zweifel, ob das bestehende Sozialsystem angesichts der Fortdauer der Massenarbeitslosigkeit noch die richtige Antwort gab. In Wissenschaft und Politik wurde eine Forderung diskutiert, die für eine Loslösung der Sozialversicherung vom Arbeitsvertrag plädierte. Unter Stichworten wie Bürgergeld, Einstiegsgeld, Sozialdividende, Negativsteuer etc. wurden Vorschläge einer "garantierten Mindestsicherung", eines "garantierten Grundeinkommens" debattiert.
Historisch betrachtet ist die Forderung nach einem Recht auf Einkommen alt. Ansätze solcher Ideen finden sich bereits in den klassischen Utopien bei Thomas Morus "Utopia" (1517) oder in Bacons "Neu-Atlantis" (1638) als auch bei französischen utopischen Sozialisten. Ende der 1960er Jahre diskutierten schwedische Sozialdemokraten ein "garantiertes Mindesteinkommen für alle Staatsbürger" und die Negative Einkommenssteuer wurde durch Forderungen des Marktliberalen und späteren Ökonomie-Nobelpreisträger Milton Friedman bekannt.
Entsprechend des heterogenen Umfeldes der Befürworter dieser Konzepte sollte die garantierte Mindestsicherung auch unterschiedlichen Erwartungen gerecht werden. Sie sollte die soziale Sicherung vom Arbeitsverhältnis trennen, Armut beseitigen und das Steuer- und Transfersystem vereinfachen. Neben der anvisierten Höhe des Mindesteinkommens und dessen Verhältnis zu allen Sozialleistungen ließen sich dabei im Groben zwei Grundvarianten unterscheiden:
Zum einen ein "garantiertes Grundeinkommen" (oder Sozialdividende), das jedem Staatsbürger unabhängig von Vorleistungen, Bedürftigkeitsprüfungen, Erwerbstätigkeit und Erwerbswilligkeit einen garantierten Grundbetrag bieten sollte.
Zum anderen eine "negative Einkommensteuer", die das Steuersystem quasi "nach rückwärts" verlängern sollte. Bezieher niedriger Einkommen unterhalb eines staatlich festgesetzten Mindesteinkommens erhielten einen Transfer vom Finanzamt. Wer gar kein Erwerbseinkommen aufweist, erhielte den vollen Satz des garantierten Mindesteinkommens. Nach Überschreiten einer Einkommensschwelle setzt dann die Steuerpflicht ein.
Eine trennscharfe Unterscheidung zwischen den verschiedenen Begrifflichkeiten existiert allerdings bis heute nicht.
Für die Finanzierung werden drei unterschiedliche Varianten diskutiert: Eine Finanzierung durch Einkommenssteuern oder Verbrauchssteuern oder ein Mix aus beidem.
Während "linke" und "grüne" Vertreter eines garantierten Mindesteinkommens sich davon eine "Entkoppelung von Arbeit und Einkommen", oder gar von "Arbeiten und Essen" versprachen, sahen Marktliberale darin die Möglichkeit einer Flexibilisierung und Effizienzsteigerung des Arbeitsmarktes, da dadurch der konsequente Abbau von Kündigungsschutzbestimmungen und anderen mobilitätshemmenden Praktiken erleichtert und die Einführung eines Niedriglohnsektors ermöglicht würde. Obwohl es, mit Ausnahme der SPD, in den Parteien Befürworter – oder zumindest "Liebäugler" – für diese Ideen gab, hatte eine solche fundamentale Systemveränderung nie eine ernsthafte Chance der Umsetzung. Dies lag in erster Linie daran, dass die Finanzierung eines solchen Konzeptes als nicht möglich erachtet wurde.
Mit der Einführung des Arbeitslosengeldes II (Hartz-IV) ist die Diskussion um ein garantiertes Grundeinkommen in Deutschland neu belebt worden. Während Teile in Wissenschaft, Wirtschaft und Politik die neue Grundsicherung für Arbeitsuchende bereits als Umsetzung des Konzeptes "Grundeinkommen" interpretieren, wollten andere die Grundsicherung nach dem SGB II durch ein bedingungsloses Grundeinkommen ohne "Arbeitszwang" und Sanktionen ersetzen. Starken Auftrieb erhielt die Debatte durch eine Anzeigenserie des Gründers der Drogeriemarktkette "dm" (Götz Werner), in der dieser sich für ein bedingungsloses Grundeinkommen einsetzte. Auch die Idee der "negativen Einkommenssteuer" ist durch Vorschläge des ehemaligen thüringischen Ministerpräsidenten Dieter Althaus (unter dem Titel "Solidarisches Bürgergeld") wiederbelebt worden.
Aktuelle Finanzierungsstrukturen in der Arbeitslosenversicherung
Die Leistungen der Arbeitsförderung (zum Beispiel Arbeitsvermittlung und Arbeitslosengeld) und die sonstigen Ausgaben der Bundesagentur für Arbeit werden überwiegend durch Beiträge der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber finanziert. Arbeitnehmer und Arbeitgeber zahlen den Beitrag zur Arbeitsförderung je zur Hälfte. Hinzu kommen u.a. noch Mittel des Bundes (siehe unten) und im geringen Umfang Umlagen (beispielsweise eine Winterbeschäftigungs-Umlage der Arbeitgeber und Arbeitnehmer der Bauwirtschaft).
Außer bei einer geringfügigen Beschäftigung besteht in der Arbeitslosenversicherung Versicherungspflicht. In den 1990er Jahren lag der Beitragssatz noch bei 6,5 Prozent. Nach den Reformen am Arbeitsmarkt ist er sukzessive abgesenkt worden. Die Kürzung des Beitragssatzes der Arbeitslosenversicherung ist nicht nur auf den Abbau der Arbeitslosenzahlen zurückzuführen, sondern auch im Bereich der Arbeitsförderung sind aktive Leistungen der Bundesagentur für Arbeit gekürzt worden. Der niedrige Beitrag hängt auch damit zusammen, dass mittlerweile nur noch etwa ein Drittel aller Arbeitslosen in der Arbeitslosenversicherung betreut werden (siehe Text zu