Friktionelle Arbeitslosigkeit
Unter friktioneller Arbeitslosigkeit (auch Fluktuationsarbeitslosigkeit oder Sucharbeitslosigkeit genannt) versteht man die häufig unvermeidliche Arbeitslosigkeit zwischen der Aufgabe der alten und dem Finden einer neuen Tätigkeit. Sie ist in der Regel nur von kurzer Dauer und auch in Phasen einer Vollbeschäftigung unvermeidlich. Eine solche Arbeitslosigkeit ist eine Begleiterscheinung aller durch Arbeitsvertragsfreiheit gekennzeichneten Arbeitsmärkte.
Das Ausmaß dieser Form von Arbeitslosigkeit hängt auch stark von der Effektivität der Arbeitsmarktinstitutionen (insbesondere der Arbeitsvermittlung der Arbeitsverwaltung) ab. Daher ist eine effektive und effiziente Arbeitsvermittlung, die dazu führt, dass Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage schnell und passend zueinander finden, das wirkungsvollste arbeitsmarktpolitische Instrument zur Verringerung der friktionellen Arbeitslosigkeit. Daneben soll die Möglichkeit der Sanktionierung bei Ablehnung einer von der Arbeitsvermittlung angebotenen Stelle die Arbeitssuche beschleunigen.
Als „normales“ Niveau friktioneller Arbeitslosigkeit wird häufig eine Quote unter ein Prozent der Erwerbspersonen genannt.
Konjunkturelle Arbeitslosigkeit
Sie tritt auf, wenn die Konjunktur schwächer wird und die Nachfrage zurückgeht. Bei einem Mangel an Absatzmöglichkeiten entlassen die Unternehmen Arbeitskräfte, die sie im Aufschwung wieder einstellen. Eine schwache Konjunktur betrifft aber alle Wirtschaftsbereiche, wie das Produzierende Gewerbe, die Exportwirtschaft und die Dienstleistungen unterschiedlich. Konjunkturelle Arbeitslosigkeit kann ein kurz- oder mittelfristiges Problem sein, sie kann aber auch bei anschließend nur langsam wieder wachsender Wirtschaft zu einem langfristigen Problem werden. In diesen Fällen werden aus Konjunkturarbeitslosen immer öfter Langzeitarbeitslose, die viele Monate oder Jahre arbeitslos sind.
Um solche Situationen zu vermeiden, sieht der keynesianische Ansatz vor, durch staatliche Ausgabenprogramme im Rahmen einer antizyklischen Finanzpolitik den Nachfrageausfall auszugleichen. In Deutschland fand dies seinen Niederschlag im Stabilitäts- und Wachstumsgesetz von 1967, das der Politik Instrumente für eine antizyklische Politik an die Hand gab. Dieser Ansatz, der in Deutschland insbesondere in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre verfolgt wurde, ist jedoch umstritten. Während einige Ökonomen in einer solchen Politik nach wie vor den Schlüssel zur Bekämpfung der konjunkturellen Arbeitslosigkeit sehen, scheiterte dieser Ansatz nach Meinung anderer Ökonomen daran, dass die Politiker nicht in der Lage waren, die Ausgabenprogramme zu beenden, wenn sich die konjunkturelle Lage wieder besserte. Sie sehen das Grundproblem konjunktureller Arbeitslosigkeit in zu hohen Löhnen und einer zu geringen Flexibilität des Arbeitsmarktes (siehe hierzu den Artikel zu Arbeitsmarkttheorien in diesem Dossier). Staatliche Ausgabenprogramme interpretieren sie als kontraproduktiv. Allerdings hat dieser Ansatz in der Bundesrepublik in der Rezession 2009/2010 eine Renaissance erlebt (durch zwei Konjunkturpakete und dem massiven Einsatz des Kurzarbeitergeldes) mit dem Resultat, dass die Bundesrepublik deutlich besser durch diese Krise kam als andere Nationen.
Das klassische arbeitsmarktpolitische Instrument zur Milderung konjunktureller Arbeitslosigkeit ist das Kurzarbeitergeld. Das Kurzarbeitergeld (Kug) ist eine Leistung der Bundesagentur für Arbeit. Es wird Arbeitnehmern bei unvermeidbarem, vorübergehendem Arbeitsausfall, der auf wirtschaftlichen Ursachen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht, gezahlt. Es stellt bei einem vorübergehend angesehenen Beschäftigungsrückgang eine Möglichkeit dar, die totale Arbeitslosigkeit einzelner zu vermeiden, also Arbeitsausfall gleichmäßiger zu verteilen. Mitte 2009 bezogen z.B. gut 1,4 Mio. Beschäftigte in über 35.000 Betrieben Kurzarbeitergeld. Rund 50.000 Beschäftigte wurden qualifiziert, bis zu 400.000 vor Entlassung bewahrt. Neben Deutschland nutzen zehn weitere EU-Länder dieses Instrument, allerdings in unterschiedlichem Ausmaß. Kurzarbeitergeld kann aber auch bei Strukturkrisen einzelner Branchen wirksam sein, wenn die Strukturkrise absehbar vorübergehender Natur ist. Außerdem kann ein erhöhtes Angebot von Tätigkeiten auf dem sog. Zweiten Arbeitsmarkt (z.B. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen) die Folgen konjunktureller Arbeitslosigkeit lindern.
In konjunkturell guten Phasen wird das Kurzarbeitergeld entsprechend wenig genutzt. Nach Angaben der Statistik der Bundesagentur für Arbeit bezogen im Jahresdurchschnitt 2018 daher nur rund 117.000 Personen Kurzarbeitergeld. Über 90 Prozent der Bezieherinnen und Bezieher von Kurzarbeitergeld im Jahr 2018 waren Männer.
Strukturelle Arbeitslosigkeit
Strukturelle Arbeitslosigkeit ist ein vieldeutiger Begriff, der unterschiedlichste Typen von Arbeitslosigkeit zusammenfasst. Strukturelle Arbeitslosigkeit kann differenziert werden nach sektoralen, regionalen, technologischen oder qualifikationsspezifischen Ursachen. So zeigt sich, dass sich der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit zunächst vom primären Wirtschaftssektor (Land- und Forstwirtschaft, Fischerei) auf den sekundären (produzierendes Gewerbe) und anschließend auf den tertiären Sektor (Dienstleistungen) verlagert hat. Die damit verbundenen Anpassungsprozesse haben häufig zu struktureller Arbeitslosigkeit geführt, da den in einem Sektor beschäftigten Arbeitnehmern die Qualifikationen zur Arbeitsaufnahme in einem anderen Sektor fehlten und erst in beruflicher Weiterbildung zu vermitteln waren.
MeinungProf. Dr. Meinhard Miegel
"Die Bereitschaft der Bevölkerung, diesem Wandel angemessen Rechnung zu tragen, war bis in die jüngste Zeit nur mäßig und ist auch noch heute oft noch nicht ausreichend. Viele zögern, die industriegeprägten Sicht- und Verhaltensweisen aufzugeben und sich den Bedingungen einer Wissens-, Kommunikations- und Informationsgesellschaft zu stellen. Politik und Gewerkschaften bestärkten und bestärken sie in dieser Haltung, indem sie lange die Veränderungen als vorübergehend oder korrekturbedürftige Fehlentwicklungen darstellten."
Prof. Dr. Meinhard Miegel (in "Arbeitslosigkeit in Deutschland. Phantom und Wirklichkeit.", München 2001)