Ein bis heute wirksames Stereotyp ist das vom "geldgierigen Juden" und vom "Juden" als "Schacherer" und "Wucherer". Der Begriff "Wucher" stammt aus dem Althochdeutschen "wuhar" und bedeutete ursprünglich "Zins" oder "Ertrag". Da das Kirchengesetz Christen*innen verbot, gegen Zinsen Geld zu verleihen, bekam der Begriff eine negative Bedeutung.
Traditionell wird die Entstehung dieses Stereotyps damit erklärt, dass Jüdinnen*Juden durch die mittelalterliche christliche Ständegesellschaft von Grundbesitz, Landwirtschaft und Handwerkszünften weitestgehend ausgeschlossen waren. Man nahm an, dass sie sich deshalb auf den Handel und den Geldverleih gegen Zins spezialisierten – Tätigkeiten, die der christlichen Bevölkerung aufgrund des kirchlichen Zinsverbots untersagt waren. In der jüngeren Forschung wird diese traditionelle Erklärung infrage gestellt. Sie weist darauf hin, dass der christliche Geldhandel trotz des Verbots florierte und Jüdinnen*Juden in vielen verschiedenen Berufen tätig waren. Stattdessen wird die Rolle christlicher Vorstellungen von Gier als Todsünde betont: Laut dem Neuen Testament hat die biblische Figur Judas, ein Jünger Jesu, diesen für 30 Silberlinge verraten. Damit einher geht der Vorwurf, "die Juden" hätten mit ihrer Gier den Gottesmord zu verantworten.
Die Assoziation von Jüdinnen*Juden mit Geld ist ein antisemitisches Konstrukt und hat nichts mit der Realität zu tun, während es aber damals wie heute dazu dient, antisemitische Ressentiments zu schüren.
Quelle: Jessica Hoyer, Sozialwissenschaftlerin und Sozialarbeiterin, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der OTH Regensburg im Rahmen des bayerischen Forschungsverbunds „ForGeRex“.
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