Mit der Abspaltung des Christentums vom Judentum ging im Mittelalter eine Verbreitung der Judenfeindschaft einher. Als zentrales Ereignis gilt aus heutiger Sicht der Ausruf des Bischofs Melito von Sardes, der 160 n. Chr. mit dem Satz "Gott ist ermordet worden" den sogenannten "Gottesmordvorwurf" gegen Jüdinnen*Juden erhob. Gemeint ist damit ihre vermeintlich unaufhebbare Kollektivschuld an der Kreuzigung Jesu – der selber Jude war – als Sohn Gottes. Damit geht eine Machtzuschreibung einher, die für den Antisemitismus bis heute bezeichnend ist: Wer Gott umbringen kann, muss sehr mächtig sein. Dieses zentrale Stereotyp des christlichen Antijudaismus diente jahrhundertelang als Rechtfertigung für die Diskriminierung, Unterdrückung und Verfolgung von Jüdinnen*Juden in christlichen Gesellschaften. Der Gottesmordvorwurf spielt in den offiziellen Lehren der christlichen Kirchen heute keine Rolle mehr, von einzelnen Personen wird er allerdings nach wie vor herangezogen, um Jüdinnen*Juden zu diffamieren.
Quelle: Jessica Hoyer, Sozialwissenschaftlerin und Sozialarbeiterin, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der OTH Regensburg im Rahmen des bayerischen Forschungsverbunds „ForGeRex“.
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