Tiermetaphern und Tiervergleiche haben eine lange Tradition in der Geschichte des Antisemitismus. Jüdinnen*Juden sollen dadurch kollektiv entmenschlicht werden.
Ein klassisches Bild ist das der Schlange. Schlangen gelten oft als Symbol für List, Täuschung und Gefahr und bedienen somit das antisemitische Narrativ "des Juden" als hinterlistig, betrügerisch und gefährlich. Auch soll damit angezeigt werden, dass "der Jude" andere Völker in den Würgegriff nehmen oder die Menschheit vergiften wolle. Insbesondere im Iran und in der arabischen Welt ist die "jüdische" Schlange bis heute ein beliebtes Motiv in Karikaturen.
Auch die Assoziation von Jüdinnen*Juden mit Schweinen hat eine lange antisemitische Tradition. Das Schwein ist im Judentum ein unkoscheres Tier, dessen Verzehr verboten ist. Schon seit dem Mittelalter wurde dieses religiöse Tabu etwa seitens der christlichen Kirche genutzt, um Jüdinnen*Juden zu beleidigen und zu verspotten, indem sie in anstößiger und herabwürdigender Weise zusammen mit Schweinen dargestellt wurden. Noch heute prangen Abbilder der sogenannten "Judensau" an Rathäusern und Kirchen. Jüdinnen*Juden werden auch heute auf Demonstrationen und im Netz als "feiges Schwein" oder "Judensau" verunglimpft.
Die Gleichsetzung von Jüdinnen*Juden mit Hunden als abwertende Bezeichnung hat vor allem in der arabischen Welt eine lange antisemitische Tradition. Bei Pogromen in den 1920er und 30er Jahren im Mandatsgebiet Palästina skandierten die Angreifer der arabischen Bevölkerung "Palästina ist unser Land, und die Juden sind unsere Hunde!"
Gerade in globalisierungskritischen Kreisen findet ein weiteres Motiv immer wieder Verwendung: Das Bild des Kraken, der mit seinen Tentakeln die Welt umschlingt. Entsprechende Darstellungen waren beispielsweise bei den Protesten gegen Treffen der G7-Staaten zu sehen. 2014 veröffentlichte die Süddeutsche Zeitung eine Karikatur einer "Datenkrake" mit dem Gesicht und einer überzeichneten Nase des Facebook-Gründers Mark Zuckerberg. Diese Darstellung griff die verbreitete Besorgnis einer umfassenden Überwachung durch einflussreiche Akteur*innen auf. Solche Darstellungen werden immer wieder scharf kritisiert, da sie als mindestens strukturell antisemitisch gelten. Denn hinter dieser Metapher steht die Vorstellung, dass Einzelpersonen oder eine Gruppe – symbolisiert durch den Kopf des Kraken – die Geschicke der Welt lenken würden. Diese Vorstellung knüpft an den antisemitischen Mythos des allmächtigen "Weltjudentums" an, in der "die Juden" das Weltgeschehen zu ihren Gunsten lenken würden. Bereits die Nationalsozialist*innen nutzten das Kraken-Motiv für ihre antisemitische Propaganda. Ein bekanntes NS-Propagandaplakat, dass etwa um 1938 entstanden ist, zeigt einen solchen Kraken, der die Welt in seinen Fängen hat. Der Kopf der Krake ist eine Karikatur des damaligen britischen Premierministers Winston Churchill. Dieser hatte die antisemitische Politik des nationalsozialistischen Deutschlands wiederholt verurteilt und stand der zionistischen Idee eines eigenen jüdischen Staates grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber. Über dem Kopf der Krake prangt ein Davidstern, als Symbol dafür, dass Churchill angeblich von "den Juden" gesteuert sei. In heutigen Karikaturen findet man einen solchen Hinweis in der Regel nicht. Doch auch ohne den expliziten Ver-weis auf "den Juden" ist die Metapher des weltumspannenden Kraken strukturell antisemitisch. Sie stellt eine gängige visuelle Chiffre dar und bedient das antisemitische Narrativ einer angeblichen jüdische Weltherrschaft.
Kritik erfuhr zwischenzeitlich auch die Klimaschutzaktivistin Greta Thunberg. Kurz nach dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 veröffentlichte sie ein Foto, das Solidarität mit Palästinenser*innen ausdrücken soll. Auf dem Bild war auch eine Stoffkrake zu sehen. Im Kontext des Nahostkonflikts und des zunehmenden Antisemitismus ab dem 07. Oktober 2023 kann dies durchaus als antisemitische Symbolik interpretieret werden.
Quelle: Jessica Hoyer, Sozialwissenschaftlerin und Sozialarbeiterin, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der OTH Regensburg im Rahmen des bayerischen Forschungsverbunds „ForGeRex“.