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Struktureller Antisemitismus | Antisemitismus | bpb.de

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Struktureller Antisemitismus

Der strukturelle Antisemitismus bedient sich derselben Vorurteilsstrukturen, Argumentationsmuster und tradierten antisemitischen Stereotype wie der klassische Antisemitismus. Im Gegensatz zu diesem wirkt er jedoch subtiler und teils unbewusst. Diese Form des Antisemitismus ist oft schwer zu erkennen, da sie sich nicht immer explizit gegen Jüdinnen*Juden richtet. Beim strukturellen Antisemitismus werden komplexe gesellschaftliche und ökonomische Zusammenhänge vereinfacht. Dabei werden negativ bewertete Verhältnisse und Vorgänge personalisiert und intentionales bzw. böswilliges menschliches Handeln unterstellt. Dies zeigt sich zum Beispiel im Rahmen einer personalisierten Interner Link: Kapitalismus"kritik". Die Funktionsweise des Kapitalismus ist komplex und abstrakt und für den Menschen nicht leicht nachzuvollziehen. Oft werden negative Aspekte der kapitalisierten Gesellschaft wie Arbeitslosigkeit, Armut oder die Konzentration von Reichtum als Auswuchs bewussten Handelns einer kleinen (geheimen) Personengruppe interpretiert. Den verantwortlich gemachten Personen, etwa "Bankstern", "Finanzhaien", "Spekulanten" oder "Heuschrecken" wird vorgeworfen, absichtlich böswillig zu handeln. Die strukturellen Abläufe des kapitalistischen Systems werden dabei verkannt und verkürzt.

Ein klassisches Beispiel ist die Unterscheidung zwischen "schaffendem" und "raffendem" Kapital. Das raffende Kapital – das Geld, die Börse und das Finanzkapital – wird dabei meist durch "den Juden" verkörpert, während das diesem gegenübergestellte "schaffende" Kapital als "gutes" bzw. "gutes deutsches" Kapital dargestellt wird, das sich durch anständige und ehrliche produktive Arbeit auszeichnet. Diese Unterscheidung wurde insbesondre während des Nationalsozialismus propagiert, um die antisemitische NS-Propaganda zu unterstützen. Sie basiert auf dem antijüdischen Bild des "jüdischen Wucherers". Auch wenn im strukturellen Antisemitismus Jüdinnen*Juden nicht explizit als solche benannt werden, ist diese Form des "Antisemitismus ohne Juden" strukturell anschlussfähig für antisemitische Welterklärungsmodelle, weil er sich uralter antisemitischer Bilder bedient. Neben der personalisierten Kapitalismuskritik zeigt sich struktureller Antisemitismus auch häufig in Form von Verschwörungserzählungen – diese sind zwar nicht immer antisemitisch, sie sind jedoch mindestens anschlussfähig für Antisemitismus, da auch der Antisemitismus der Gegenwart oft konspirationistisch aufgeladen ist.

Quelle: Jessica Hoyer, Sozialwissenschaftlerin und Sozialarbeiterin, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der OTH Regensburg im Rahmen des bayerischen Forschungsverbunds „ForGeRex“.

Fussnoten