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Präzedenzlosigkeit der Shoah | Antisemitismus | bpb.de

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Präzedenzlosigkeit der Shoah

Unter der Präzedenzlosigkeit der Shoah (auch Singularität der Shoah) versteht man die Beispiellosigkeit der Ermordung von sechs Millionen Jüdinnen*Juden. Präzedenzlos bedeutet, dass ein bestimmtes Ereignis in seiner Erscheinungsform bisher noch nicht eingetreten ist, sich aber so oder so ähnlich prinzipiell wiederholen könnte.

Doch was macht die Präzedenzlosigkeit der Shoah aus? Es wäre zu kurz gegriffen, die Beispiellosigkeit der Shoah allein an der Zahl der Opfer oder der industriellen Art der Vernichtung festzumachen. Vielmehr liegt ihre Besonderheit darin, dass die Vernichtung der Jüdinnen*Juden kein Mittel zu einem anderen Zweck war. Anders als bei Verbrechen, mit denen die Menschen bis dahin konfrontiert wurden, ging es den Nationalsozialist*innen mit der Vernichtung der Jüdinnen*Juden nicht um Einfluss oder Macht. Es ging weder um gewaltsame Landnahme noch wurden die Jüdinnen*Juden aus militärischen Gründen ermordet. Sie sollten vernichtet werden, der Vernichtung wegen.

Das zeigte sich unter anderem dadurch, dass es sich bei der Shoah um ein verlustreiches Unterfangen handelte, das zudem den Kriegszielen zuwiderlief. Dadurch entstandene Nachteile wurden in Kauf genommen. So konnten beispielsweise die logistischen Kosten, die mit der Vernichtung der Jüdinnen*Juden einhergingen, nicht durch "Arisierung", also die Enteignung des Besitzes von Jüdinnen*Juden, Raub oder Sklavenarbeit gedeckt werden. Der Vernichtungsdrang wurde gar über den militärischen Erfolg gestellt. Selbst in der Endphase des Zweiten Weltkriegs, als die militärische Niederlage bereits absehbar war, setzten die Nationalsozialist*innen ihre Politik der Judenvernichtung unerbittlich fort. Um ihren antisemitischen Wahn in die Tat umzusetzen, wurden dafür bis zuletzt wichtige Ressourcen eingesetzt, die sonst der Kriegsführung hätten dienen können. Auch wurden im letzten Jahr des Zweiten Weltkrieges nahezu alle Konzentrations- und Außenlager von der SS "geräumt", um eine Befreiung der KZ-Häftlinge durch die vorrückenden Alliierten zu verhindern, sicher auch um das Ausmaß der Verbrechen zu verbergen. Die Häftlinge wurden unter widrigsten Bedingungen, ohne ausreichend Nahrung, Kleidung und medizinische Versorgung, in überfüllten Güterwaggons weggeschafft oder auf tage- und wochenlangen Gewaltmärschen, sichtbar für die Bevölkerung, durch zahlreiche Städte und Dörfer getrieben. Von den etwa 700.000 Menschen, die im letzten Kriegsjahr noch in Konzentrationslagern inhaftiert waren, verloren auf diesen Todesmärschen etwa 250.000 ihr Leben.

Quelle: Jessica Hoyer, Sozialwissenschaftlerin und Sozialarbeiterin, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der OTH Regensburg im Rahmen des bayerischen Forschungsverbunds „ForGeRex“.

Fussnoten