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Morgenthau-Plan | bpb.de

Morgenthau-Plan

Im August 1944 veranlasste der amerikanische Finanzminister Henry Morgenthau jr. (1891–1967) die Ausarbeitung eines Memorandums zur Behandlung Deutschlands nach dessen Niederlage. Morgenthau stand unter dem Eindruck, sowohl die in den USA für die Deutschlandpolitik zuständigen Stellen als auch die maßgeblichen britischen Politiker verfolgten eine zu wenig eindeutige Linie bei der geplanten Behandlung Deutschlands in wirtschaftlicher Hinsicht nach dem Kriege. In der Denkschrift, die Morgenthau Anfang September 1944 vorlegte, wurde die Zerstückelung Deutschlands propagiert. Nach umfangreichen Gebietsabtretungen sollten zwei deutsche Staaten übrig bleiben, die Wirtschaftsregionen an Rhein und Ruhr sowie die Nordseeküste internationalisiert werden. Im Zuge der völligen Entwaffnung und Abrüstung Deutschlands und großer Reparationsleistungen (auch durch Zwangsarbeit) sollten nach dem Morgenthau-Plan Industriebetriebe demontiert, die Bergwerke stillgelegt und zerstört werden. Bei Kontrolle der ganzen Wirtschaft auf 20 Jahre würde Deutschland ein Agrarstaat sein, der keine Möglichkeit zu aggressiver Politik mehr haben würde.

Der Plan enthielt, in der jeweils radikalsten Form, alle Vorschläge und Maßnahmen, die in der Kriegszieldebatte der Alliierten bis dahin schon einmal aufgetaucht waren. Morgenthaus Vorschläge sollten eine Diskussionsgrundlage bilden und die gemäßigten Deutschlandpläne des alliierten Oberkommandos unter Dwight David Eisenhower, der interalliierten European Advisory Commission und der jeweiligen Fachressorts in Washington und London korrigieren.

Morgenthau, mit dem US-Präsidenten Franklin Delano Roosevelt befreundet und seit 1934 Finanzminister, schien Erfolg zu haben, als bei der britisch-amerikanischen Konferenz in Quebec am 15. September 1944 der britische Premierminister Winston Churchill und Präsident Roosevelt eine (schon abgemilderte) Version des Morgenthau-Plans billigend zur Kenntnis nahmen. Cordell Hull, der amerikanische Außenminister, protestierte ebenso wie sein britischer Kollege Anthony Eden aber bereits am folgenden Tag gegen den Plan, und der amerikanische Kriegsminister Henry Lewis Stimson nannte das Programm "ein Verbrechen gegen die Zivilisation". Als der "Morgenthau-Plan" durch eine gezielte Indiskretion am 21. September 1944 in die Öffentlichkeit kam, war die Reaktion so negativ, dass auch Präsident Roosevelt sich distanzierte. Der Morgenthau-Plan verschwand bereits Ende September 1944 in der Versenkung, ohne von den zuständigen Gremien jemals formell diskutiert worden zu sein.

Für die spätere Besatzungs- und Deutschlandpolitik blieb der Morgenthau-Plan ohne jede Bedeutung. Aber Goebbels und Hitler hatten den "jüdischen Mordplan" zur "Versklavung Deutschlands" mit so großem Erfolg für ihre Durchhaltepropaganda benutzt, dass bei vielen der Glaube entstand, das Programm habe ernsthaft zur Debatte gestanden. In der rechtsextremen Publizistik spielt der Morgenthau-Plan diese Rolle bis zum heutigen Tag.

Literatur

  • Greiner, Bernd: Die Morgenthau-Legende. Zur Geschichte eines umstrittenen Plans, Hamburg 1995.

Fussnoten