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Zeitgenössische Afrikanische Kunst | Afrika | bpb.de

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Zeitgenössische Afrikanische Kunst

Prof. Till Förster Till Förster

/ 5 Minuten zu lesen

Die heutige afrikanische Kunst ist nicht zwischen den beiden Polen Tradition und Moderne zu verorten. Zeitgenössische Werke beziehen sich sowohl auf ältere und lokale wie auf regionale und globale Strömungen. Sie sind ein Beleg für die schöpferische Auseinandersetzung der Menschen Afrikas mit der heutigen Welt. Zu den Werken gehören alle künstlerischen Gattungen: zum Beispiel Skulptur, Plastik oder Malerei.

Eine Skulptur aus Ebenholz in Togoville, Togo. (© José A. Warletta, SXC.hu)

Einleitung

Afrikanische Kunst hatte schon immer eine Geschichte. Bereits vor der imperialistischen Durchdringung des Inneren Afrikas im 19. Jahrhundert haben sich afrikanische Kunstschaffende und Handwerker mit dem auseinander gesetzt, was ihnen aus anderen Teilen der Welt bekannt war. Im Laufe des 20. Jahrhunderts ist in Afrika eine Kunst entstanden, die sich weder allein an die ältere Kunst des Kontinents anlehnt, noch rein reproduziert, was in den Zentren der modernen Kunstwelt geschaffen wurde.

Die heute gebräuchliche Unterscheidung von alter und zeitgenössischer afrikanischer Kunst ist zu einem nicht geringen Teil dem Bild geschuldet, das man sich einerseits von unwandelbaren Traditionen und andererseits von einem die westliche Moderne nachholenden Kunstschaffen in Afrika machte. Tatsächlich ist die heutige Kunst des Kontinents nicht zwischen den beiden Polen Tradition und Moderne zu verorten. Die zeitgenössische afrikanische Kunst bezieht sich sowohl auf ältere und lokale wie auf regionale und globale Strömungen. Sie ist mithin eigenständig und ein Beleg für die schöpferische Auseinandersetzung der Menschen Afrikas mit der heutigen Welt. Sie umfasst alle künstlerischen Gattungen von der Skulptur, Plastik und Malerei über die Fotografie und den Film bis zu Collagen, Performances und Konzeptkunst.

Die populäre Kunst der Städte

Die Entstehung von Kunstschulen in der Kolonialzeit

In der Auseinandersetzung afrikanischer Kunstschaffender mit ihrer jeweiligen Gegenwart lassen sich mehrere Phasen unterscheiden. In der Kolonialzeit entstanden eine Reihe von Kunstschulen, in denen afrikanische Künstler und Künstlerinnen meistens von Europäern an neue Themen oder an die Arbeit mit ihnen noch unbekannten Medien herangeführt wurden. Diese Kunstschulen waren größtenteils von paternalistischen Gedanken getragen. Man betrachtete afrikanische Kunstschaffende als "Naive", denen man neue Techniken beibringen musste, die aber auch möglichst unbeeinflusst von der westlichen Moderne ihre eigene Kreativität entfalten sollten.

Durch die zunehmende Vernetzung des Kontinents mit den kolonialen Metropolen, später mit den Zentren der internationalen Kunstwelt, brach diese weitgehend geschlossene Kunstszene während der Dekolonialisierung in den 1950er und 1960er Jahren auf. Es bildeten sich unabhängige Kunstzentren, die zwar weiterhin oft unter der Leitung von Europäern standen, aber ausdrücklich eine antikoloniale Haltung einnahmen. Innerhalb kurzer Zeit erschlossen sich afrikanische Kunstschaffende ein weites Spektrum von Techniken, Stilen und Genres, die sich mit der modernen Kunst außerhalb des Kontinents auseinander setzten. Die europäischen Leiter fungierten oft als Mäzene und Vermittler, die den Afrikanern Zugang zu Galerien und Ausstellungen und damit zur internationalen Kunstwelt verschafften. Zu den einflussreichsten unter ihnen gehörten Ulli Beier in Nigeria, Frank McEwen im damaligen Südrhodesien, heute Simbabwe, und Margaret Trowell in Uganda. Sie luden Künstlerinnen und Künstler aus Europa und Nordamerika ein, an ihren Zentren mit afrikanischen Kunstschaffenden zusammen zu arbeiten und gemeinsam auszustellen. Aus der Zusammenarbeit entstanden häufig mehr oder weniger einheitliche Stilrichtungen, die international zu "Schulen" zusammengefasst wurden. Zu den bekanntesten zählt die so genannte Schule von Oshogbo, Nigeria, der unter anderem Twins Seven Seven, Muraina Oyelami, Jacob Afolabi und Rufus Ogundele zugerechnet werden.

Bedeutende Kunstschulen: die Ecole de Dakar und die Zaria Art Society

Parallel dazu wurde seit der Unabhängigkeit um 1960 in einigen Ländern die bildende Kunst durch staatliche Akademien, Stipendien, Preise und Festivals gefördert. Im Senegal verfolgte Léopold Sédar Senghor, erster Präsident der ehemaligen französischen Kolonie und selbst ein weltberühmter Dichter, eine Politik staatlicher Patronage. Sie hatte zum Ziel, eine neue nationale Kunst entstehen zu lassen, die er als Teil der von ihm mitinitiierten Négritude-Bewegung sah. Diese neue afrikanische Kunst sollte eine Verbindung zwischen der Moderne und der älteren afrikanischen Kunst schaffen und das Neue gleichsam an die Wurzeln des traditionell Afrikanischen binden. Repräsentativer Ausdruck dieser Politik war 1966 das den gesamten Kontinent umfassende 'Premier Festival des Arts Nègres' in Dakar. Die entsprechend geförderten senegalesischen Künstlerinnen und Künstler wurden als Ecole de Dakar bekannt. Zu ihnen gehörten unter anderem Boubacar Coulibaly, Iba N´Diaye und El Hadji Sy.

Afrikanische Medien

Parusia Art & Sign. (© Jean-Francois Lehagre)

In Nigeria entstand in den 1960er Jahren aus dem Nigeria College of Arts, Science and Technology die Zaria Art Society, deren Mitglieder wiederum in den 1970er Jahren wesentlich die Entwicklung an anderen Universitäten und Kunstschulen des Landes beeinflussten. Hier sind Uche Okeke, Bruce Onobrakpeya und Obiora Udechukwu zu erwähnen. Letzterer schlug später eine außergewöhnliche internationale Karriere ein und lebte und lehrte schließlich in den USA. Anders als in der Oshogbo-Schule lehnten sie nicht alle Bezüge zu älteren, lokalen Kunstformen ab, sondern bezogen diese bewusst in ihr künstlerisches Schaffen ein, etwa die uli-Wandmalereien der Frauen im Südosten Nigerias.

In den afrikanischen Städten bildete sich bald nach dem zweiten Weltkrieg eine überaus lebendige Kunst heraus, die sich an ein lokales Publikum wandte. Dazu gehörten anfangs vor allem Photographie, Theater, Plastik und Malerei, später auch Film und andere Medien. Für erstere waren zunächst die zahlreichen Studios charakteristisch, die überall in afrikanischen Städten entstanden und eigene Formen der Inszenierung entwickelten. Die Malerei knüpfte teilweise an die Bildlichkeit in der Photographie an, unterhielt aber daneben enge Bezüge zu anderen Medien, etwa den Printmedien. Intermediale Bezüge prägten auch die Entwicklung der neueren künstlerischen Gattungen.

Bekannte Beispiele dieser überwiegend städtischen Kunst sind die zahlreichen Werbetafeln, die eine eigene Mischung zwischen der Bildsprache weltweiter Werbung und lokalen Sehgewohnheiten bilden. Die Porträtmalerei wendet sich dagegen an das kleine bürgerliche Milieu und ist einerseits den in vielen Teilen Afrikas verbreiteten Ahnendarstellungen, andererseits aus der Photographie stammenden Inszenierungen verpflichtet. Einigen populären Künstlerinnen und Künstlern ist in den vergangenen beiden Jahrzehnten der Sprung in die internationale Kunstwelt gelungen. Zu ihnen zählen der Kongolese Chéri Samba, der zunächst Comic-Strips zeichnete, sich aber später ganz der Malerei zuwandte; Moke, ebenfalls aus der DR Kongo, der Straßenszenen aus der Millionenstadt Kinshasa malt; oder Kane Kwei aus Ghana, dessen Werkstatt aufwändige figürliche Särge herstellt, die anfangs einen Bestandteil von öffentlichen Trauerfeierlichkeiten bildeten, heute aber auch als selbständige Werke geschätzt werden.

Entwicklungen in den 1980er und 1990er Jahren

In den 1980er und 1990er Jahren lassen sich weniger deutlich einzelne Schulen oder nationale Richtungen ausmachen. Die Auseinandersetzung mit der zunehmend von Globalisierungsprozessen erfassten und fragmentierten Lebenswelt hat zu neuen Themen geführt, die an vielen Orten des Kontinents aufgegriffen werden. Charakteristisch ist weniger ein einheitlicher Stil, sondern vielmehr das beständige Re-Kombinieren der verschiedensten Referenzen mit der Lebenswirklichkeit der Gegenwart. Typisch für diese Kunst sind u.a. die Werke von Goddy Leye aus Kamerun, Abdoulaye Konaté aus Mali, und Georges Adéagbo aus Benin. Vor allem südafrikanische Kunstschaffende haben sich mit der gebrochenen Geschichte ihres Landes auseinander gesetzt, z.B. Santo Mofokeng als Fotograf oder Jane Alexander in der Plastik und William Kentridge in Zeichnung und Film.

Fussnoten

Prof. Till Förster, geb. 1955, Studium der Ethnologie und Kunstgeschichte, ist Professor für Ethnologie an der Universität Basel. Er arbeitet seit langem zum Thema Kunst in Afrika und führte mehrjährige Forschungen, u.a. in der Côte d´Ivoire und in Kamerun durch.