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Großstädte Afrikas - Kairo, Lagos und Johannesburg | Afrika | bpb.de

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Großstädte Afrikas - Kairo, Lagos und Johannesburg

Ulrich Jürgens

/ 5 Minuten zu lesen

In Afrika südlich der Sahara ist trotz einer raschen Zunahme der Stadtbevölkerung die Verstädterungsquote mit etwa 30 Prozent im Vergleich zu anderen Regionen gering. Schon allein nördlich der Sahara ist diese doppelt so hoch. Mehr als zwei Drittel der subsaharischen Bevölkerung Afrikas lebt heute noch im ländlichen Raum und ist überwiegend von einer Beschäftigung in der Landwirtschaft abhängig.

Kinder als Straßenverkäufer in Benin (© Adelheid Hahmann)

Zuwanderungsmagnet Stadt

In Afrika südlich der Sahara ist trotz einer raschen Zunahme der Stadtbevölkerung die Verstädterungsquote mit etwa 30 Prozent im Vergleich zu anderen Regionen gering; schon allein nördlich der Sahara ist diese doppelt so hoch. Mehr als zwei Drittel der subsaharischen Bevölkerung Afrikas lebt heute noch im ländlichen Raum und ist überwiegend von einer Beschäftigung in der Landwirtschaft abhängig.

Obwohl der Prozess der Verstädterung neue Dynamik hervorbrachte, hat sich diese bisher nicht spürbar auf das wirtschaftliche Wachstum der jeweiligen Länder ausgewirkt. Zwischen 1980 und 2001 nahm die städtische Bevölkerung in Afrika im Durchschnitt um 4,7 Prozent pro Jahr zu, während das wirtschaftliche Wachstum pro Kopf um 0,6 Prozent pro Jahr zurückging. Die geringe Einbindung Afrikas in die Weltwirtschaft hatte zur Folge, dass von der zunehmenden Globalisierung nur wenig positive Impulse auf die städtische Entwicklung ausgegangen sind. Der Großteil der Bevölkerung lebt an der ökonomischen, sozialen und räumlichen Peripherie. Ausnahmen bilden einzelne Städte im südlichen Afrika, wie Johannesburg, Kapstadt oder Windhuk sowie die nordafrikanischen Großstädte.

Informelles Handeln


Eine hohe Zuwanderung in die Großstädte Afrikas hat bei einem gleichzeitigen Rückgang der formellen Beschäftigungsverhältnisse eine sichtbare Informalisierung der Privatwirtschaft bewirkt. Der informelle Sektor, auch Schattenwirtschaft genannt, ist von einer hohen Flexibilität und Dynamik geprägt. Die Menschen stellen sich auf die wechselnden Bedürfnisse der Stadt und ihrer Bewohner ein und bieten entsprechende Dienstleistungen oder ihre Arbeitskraft an. Die Palette der für diesen Bereich typischen Berufe und Gewerbe ist bunt, sie umfasst unter anderem die Textilverarbeitung, das Friseurhandwerk oder den Verkauf von Alltagswaren auf der Straße. Diese Verrichtungen und die daraus gewonnenen Einkünfte werden in der Regel nicht behördlich registriert und bleiben unversteuert. In Ländern wie Mosambik oder Malawi gehen mehr als 80 Prozent der Beschäftigten informellen Tätigkeiten nach. Hierunter befinden sich viele Menschen, die sich mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser halten, jedoch auch Inhaber von Filialen und immer häufiger global agierende Unternehmer und Unternehmerinnen, die z.B. im Schmuckgewerbe, im Verkauf von Naturarzneien oder in der Videoindustrie eine nicht unerhebliche Anzahl neuer Arbeitsplätze schaffen.

Eigendynamik in der städtischen Verwaltung

Standardhäuser und Hinterhausbebauung in Soweto. (© Ulrich Jürgens)

Fehlende Steuereinnahmen und eine ineffiziente Stadtverwaltung haben in Großstädten wie Kinshasa, Luanda, oder Lagos eine unzureichende städtische Infrastruktur sowie mangelhafte öffentliche Basisdienstleistungen zur Folge. So kann z.B. eine flächendeckende Wasserversorgung oder Müllbeseitigung nicht sichergestellt werden. Deutlich wird das auch beim Wohnungsbau. Kommt der Staat dem Bedarf an Wohnraum nicht nach, helfen sich die Menschen in diesem Fall meist selbst durch den Bau von Siedlungen, durch bauliche Nachverdichtung mittels Aufstockung der Häuser, die Errichtung von Backyard-Häusern in Hinterhöfen oder durch das Leben am Rande der Straße; man nennt diese Menschen "pavement dwellers".

Wo formelle städtische Planungsstrukturen nur inselhaft existieren, werden urbane Abläufe zumindest kleinräumig durch Eigenmanagement und Selbsthilfe organisiert. Eine Grundinfrastruktur wird häufig mit (illegalen) Strom- und Wasseranschlüssen bewerkstelligt. Informelle Landzuweiser, auch "squatter-lords" genannt, verteilen in Randgemeinden wie Thembalihle bei Johannesburg Land und Wohnraum und zur Garantie der öffentlichen Sicherheit werden in nahezu allen südafrikanischen Vorstädten Privatpatrouillen eingesetzt.

Global City Johannesburg


Johannesburg wird mit seinen ca. 2,5 Mio. Einwohnern als einzige afrikanische Stadt den "global cities" zugeordnet. Hier befinden sich international bedeutsame Steuerungszentralen, z.B. der Bergbaukonzerne, und die Börse, die in ihren Entscheidungen globale Bedeutung haben. Nach Abschaffung der Apartheid ist Johannesburg deshalb zu einem internationalen Zuwanderungsmagneten geworden, der vor allem Menschen aus allen Teilen des subsaharischen Afrikas anzieht. Ursprünglich multikulturell europäisch geprägte Wohngebiete wurden von einem neuen afrikanischen Multikulturalismus verdrängt. Die ideologisch bestimmte, ethnische Ausdifferenzierung zur Apartheid in schwarze "townships" und weiß geprägte Stadtteile wurde von neuen Formen sozialer und baulicher Abgrenzung ersetzt, letztere vor allem in Gestalt ummauerter Wohnbereiche, den "gated communities".

Megastadt Lagos


Auch im Senegal sind mit Dakar so genannte Megastädte entstanden (© Adelheid Hahmann)

Wie viele afrikanische Länder wird Nigeria in seinen städtischen Strukturen von einer Primatstadt geprägt, die alle nachgeordneten Städte sowohl demografisch als auch funktional dominiert. Im Jahr 2000 wies Lagos 13,4 Mio. Einwohner auf. Damit zählt Lagos zu den Megastädten. Die Stadt wächst zur Zeit um etwa 1.000 Menschen pro Tag und die Einwohnerzahl wird sich nach heutigen Schätzungen bis zum Jahr 2015 nahezu verdoppeln. Die städtische Verwaltung kann diesem explosiven Wachstum nicht folgen, weshalb das Leben in der Stadt weitestgehend von informellen Wohn- und Arbeitsstrukturen geprägt ist. Die soziale Polarisierung zwischen so genannten "survivalists" auf der einen Seite und der politischen und Petro-Elite Nigerias auf der anderen Seite ist exorbitant und spiegelt sich in fragmentierten Stadtstrukturen wider.

Orientalisches Afrika: Kairo


Als bevölkerungsreichste Stadt Afrikas und zugleich eines der kulturellen, geistigen, – als Sitz der Arabischen Liga – politischen und wirtschaftlichen Zentren der arabischen Welt liegt Kairo im Schnittpunkt zwischen Nordafrika und Mittlerem Osten. Wie Lagos ist Kairo mit seinen 16 Mio. Einwohnern eine Megastadt, blickt jedoch im Gegensatz zu den Metropolen im subsaharischen Afrika, die weitestgehend erst kolonial angelegt sind, auf eine lange urbane Genese zurück. Trotz der Tatsache, dass auch Kairo große "Squattergebiete" besitzt – mehr als 250.000 Menschen wohnen auf den städtischen Friedhöfen –, unterliegt die Stadt einer eher zielgerichteten Planung. Der Bau von Entlastungsstädten am Rande der Kernstadt und die einzige Untergrundbahn Afrikas bezwecken, Kairos Wohnbedingungen und Effizienz zu steigern.

Perspektiven


Das Bevölkerungswachstum wirkt sich in Städten wie Cotonou deutlich auf den Berufsverkehr aus. (© Adelheid Hahmann)

Die Spannweite urbaner Entwicklungen in Afrika von orientalischen, europäisch geprägten kolonial-imperialistischen bis hin zu autochthonen afrikanischen Einflüssen macht deutlich, dass es rein genetisch nicht möglich ist, von "der" afrikanischen Stadt zu sprechen. Was die Großstädte aber eint, ist ihr enormes städtisches Bevölkerungs-Wachstum seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Weil die Urbanisierung in Afrika bei weitem nicht abgeschlossen ist, werden sich die Regierungen in naher Zukunft verstärkt um eine städtische Planung bemühen müssen, um den gleichzeitig wachsenden Problemen im sozialen sowie im Umweltbereich zu begegnen. Wo Staat und Stadtverwaltung zu schwach sind, gewinnen informelle "governance"-Strukturen an Bedeutung, um ein Funktionieren der Städte zu gewährleisten. Durch die Bereitstellung einer urbanen Infrastruktur wird auch das wirtschaftliche Potenzial der Städte gestärkt, deren industrielle Basis noch kolonial bedingt sehr schwach ausgeprägt ist. Beispielgebend sind einige Städte und Regionen im südlichen Afrika, die sich in ihrer Produktionsstruktur teilweise spezialisieren konnten und zu industriellen Clustern geführt haben, z.B. im Großraum Johannesburg oder im Kupfergürtel in Sambia.

Literatur

Bähr, J./ U. Jürgens: Stadtgeographie II: Braunschweig, 2005.

Brunn, S. u.a. (Hrsg.): Cities of the world, Lanham, Maryland, 2003.

Gandy, M.: Lagos trotz Koolhaas, in: StadtBauwelt 95/2004 (4), S. 20-31.

Jürgens, U./ J. Bähr: Das südliche Afrika, Gotha, 2002.

Fussnoten

Apl. Prof. Dr. Ulrich Jürgens lehrt an der Universität Siegen (FB Geographie) und ist zugleich Dozent an der Universität Kiel. Er arbeitet zu den Schwerpunkten Stadt-, Wirtschafts- und Bevölkerungsgeographie im Südlichen Afrika und in Deutschland.