Klassifizierung der afrikanischen Länder nach ihrer wirtschaftlichen Entwicklung
Wirtschaftliche Entwicklung spiegelt sich wider in
verbessertem Zugang zu Grundbedürfnissen, sozialen Dienstleistungen und Infrastruktur,
verbesserter Sicherheit und
verringerter Einkommensungleichheit. Sie verbessert den allgemeinen Lebensstandard der Bevölkerung eines Landes.
Die wirtschaftliche Entwicklung und andere Klassifizierungen sind daher nicht nur Indikatoren, sondern auch wichtige Faktoren für Wirtschaftswachstum und menschliche Entwicklung im Allgemeinen. Menschen mit guter Gesundheit sind zum Beispiel produktiver als Menschen mit schlechter Gesundheit (Sharpe und Fard, 2022). Menschen mit guter Bildung sind ebenfalls produktiver und können sich schneller an neue Technologien anpassen als Menschen ohne Bildung. Die Infrastruktur ist wiederum wichtig, um Gemeinschaften miteinander zu verbinden. Sie ist von grundlegender Bedeutung für die Produktion und den Handel von Waren und Dienstleistungen, sowie den Zugang dazu. Sicherheit und Gefahrenabwehr hingegen sind entscheidend für Investitionen und die allgemeine wirtschaftliche Vitalität eines Landes.
Es ist zwar nicht möglich, alle Aspekte der menschlichen Entwicklung in Zahlen zu fassen, trotzdem ist der Index der menschlichen Entwicklung (HDI) aussagekräftig, denn er legt erhebliche Unterschiede im Wohlbefinden der Menschen in den einzelnen Ländern offen. Der HDI wird auf der Grundlage der Lebenserwartung, der durchschnittlichen Anzahl der Jahre mit formaler Schulbildung und des Bruttonationaleinkommens (BNE) pro Kopf berechnet. Er zeigt die Entwicklungstendenzen von Ländern auf und stuft sie nach ihrem Entwicklungsstand ein. Statistisch gesehen könnte beispielsweise ein in Deutschland geborenes Kind im Jahr 2021 eine Schulbildung von 17 Jahren und eine Lebenserwartung von 80,6 Jahren haben, während ein im Tschad geborenes Kind nur eine Schulbildung von 8 Jahren und eine Lebenserwartung von 52,5 Jahren hätte (United Nations Development Program, 2022: 272-275).
Gemessen am HDI gehören die meisten afrikanischen Länder zu den ärmsten Ländern der Welt: In der HDI-Rangliste von 191 Ländern im Jahr 2021 lagen 39 der 50 letztplatzierten Länder in Afrika. Die fünf letzten Plätze wurden allesamt von afrikanischen Ländern besetzt - Burundi, der Zentralafrikanischen Republik, Niger, dem Tschad und dem Südsudan (United Nations Development Program, 2022: 277-280).
Auch die Weltbank klassifiziert die Länder anhand des Bruttonationaleinkommens (BNE) pro Kopf. Allein am BNE gemessen gehören die meisten afrikanischen Länder zu den ärmsten der Welt. Für 2021/22 gelten folgende BNE-Schwellenwerte pro Kopf:
Volkswirtschaften mit niedrigem Einkommen erwirtschaften demnach umgerechnet 994 Euro oder weniger;
Volkswirtschaften mit niedrigem mittleren Einkommen zwischen 995 und 3.901 Euro;
Volkswirtschaften mit hohem mittleren Einkommen zwischen 3.902 und 12.108 Euro;
und Volkswirtschaften mit hohem Einkommen 12.108 Euro oder mehr (Hamadeh et al., 2022).
Wie aus Tabelle 1 hervorgeht, gehören die meisten afrikanischen Länder zu den Ländern mit niedrigem oder unterem mittleren Einkommen. Zum Vergleich: Nach Angaben der Weltbank lag das Pro-Kopf-BNE in Deutschland im Jahr 2021 bei umgerechnet 47.371 Euro.
1971 schufen die Vereinten Nationen die Kategorie der „am wenigsten entwickelten Länder“ (least developed countries LDC): Sie konzentriert sich auf Entwicklungsländer, deren wirtschaftliche Entwicklung durch tief verwurzelte und weit verbreitete Entwicklungsprobleme behindert wird. Zur Ermittlung dieser LDCs werden drei Kriterien herangezogen:
das Pro-Kopf-BNE,
strukturelle Hindernisse im Zusammenhang mit einem niedrigen Niveau an Humanvermögen (gemessen durch den Humanvermögensindex) und
eine hohe Anfälligkeit für wirtschaftliche und ökologische Schocks (gemessen durch den Index der wirtschaftlichen Anfälligkeit), die im Folgenden erläutert werden.
Tabelle 1: Klassifizierung der afrikanischen Länder nach Einkommensniveau 2021-22
Länder mit niedrigem Einkommen* | Länder mit niedrigem mittlerem Einkommen** | Länder mit hohem mittlerem Einkommen | Länder mit hohem Einkommen |
---|---|---|---|
Burkina Faso | Algerien | Botswana | Seychellen |
Burundi | Angola | Äquatorialguinea | |
Zentralafrikanische Republik | Benin | Gabun | |
Chad | Cabo Verde | Libyen | |
Kongo, Dem. Rep. | Kamerun | Mauritius | |
Eritrea | Komoren | Namibia | |
Äthiopien | Kongo, Rep. | Südafrika | |
Gambia | Côte d'Ivoire | ||
Guinea | Dschibuti | ||
Guinea-Bissau | Ägypten, Arabische Rep. | ||
Liberia | Eswatini | ||
Madagaskar | Ghana | ||
Malawi | Kenia | ||
Mali | Lesotho | ||
Mosambik | Mauretanien | ||
Niger | Marokko | ||
Ruanda | Nigeria | ||
Sierra Leone | São Tomé und Príncipe | ||
Somalia | Senegal | ||
Südsudan | Sudan | ||
Togo | Tansania | ||
Uganda | Tunesien | ||
Sambia (2022 auf niedriges Einkommen zurückgestuft) | Sambia | ||
Simbabwe |
Quellen: UNDP Regional Bureau for Africa (2021) und Berichte der Weltbank über "World Bank country and lending groups".
Der Humanvermögensindex wird auf der Grundlage von Bildungsindikatoren – etwa dem Sekundarschulbesuch und der Alphabetisierungsgrad bei Erwachsenen sowie mit Hilfe von Gesundheitsindikatoren –, dem Prozentsatz der unterernährten Bevölkerung und der Sterblichkeitsrate bei Kindern unter fünf Jahren berechnet. Die wirtschaftliche Anfälligkeit wiederum wird anhand einer Reihe von Faktoren gemessen, darunter die Bevölkerungsgröße, die Exportkonzentration und der Anteil von Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei am Bruttoinlandsprodukt (Vereinte Nationen, 2021). Sie besagt zum Beispiel, dass Länder, deren Exporteinnahmen nicht diversifiziert sind – etwa Länder, die stark von Ölexporten oder Tourismus abhängig sind –, anfälliger für Ereignisse sind, die sich ihrer Kontrolle entziehen. In Angola, Tschad, Äquatorialguinea, Nigeria und Südsudan machen Ölexporte mindestens 80 Prozent der gesamten Exporteinnahmen aus (UNCTAD, 2021). Und die Seychellen haben zwar das höchste Pro-Kopf-BIP in Subsahara-Afrika, aber ihre Wirtschaft ist anfällig, weil sie stark vom Tourismus abhängig ist: Dort trägt der Tourismus 20 Prozent zum BIP bei und macht 21 Prozent der Arbeitsplätze aus (Internationaler Währungsfonds, 2022).
Die Kriterien zur Bestimmung der am wenigsten entwickelten Länder stimmen zu weiten Teilen mit den Variablen überein, die zur Berechnung des HDI herangezogen werden. Tabelle 1 zeigt die Klassifizierung der afrikanischen Länder nach dem Pro-Kopf-BNE und dem Niveau der menschlichen Entwicklung. Den Berichten der Vereinten Nationen zufolge gab es im März 2023 46 LDCs, von denen 33 Länder (das sind 72 Prozent) in Afrika lagen. Der Ausschuss für Entwicklungspolitik (CDP), eine Unterorganisation des Wirtschafts- und Sozialrats der Vereinten Nationen, überprüft alle drei Jahre umfassend die LDCs, um festzustellen, ob sie für einen Ausstieg bereit sind. Bisher haben aber nur drei afrikanische Länder südlich der Sahara die Kategorie der LDC verlassen: Botswana, Cabo Verde und Äquatorialguinea (1994, 2007 bzw. 2017). Angola und São Tomé und Príncipe sollen 2024 aussteigen (UNDP-Regionalbüro für Afrika, 2021).
Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den afrikanischen Ländern
In Bereichen wie dem wirtschaftlichen Entwicklungsniveau, der Altersverteilung der Bevölkerung und der Abhängigkeit von Exportgütern ähneln sich die afrikanischen Länder. Derzeit sind die Seychellen das einzige Land in Afrika, das als Land mit hohem Einkommen eingestuft wird. Den Seychellen ist es gelungen, ein wirtschaftliches Umfeld zu schaffen, das es ihren beiden wichtigsten Wirtschaftszweigen – dem Tourismus und der Fischerei – ermöglicht hat, zu wachsen und die Wirtschaft anzukurbeln (Benzaken et al., 2022). Daher kann man von den Seychellen zwar einiges lernen, aber es ist wichtig zu beachten, dass es sich um einen kleinen Inselstaat mit einer Bevölkerung von nur etwa 100.000 Menschen handelt und das Erfolgsrezept nicht eins zu eins auf bevölkerungsreiche (Nicht-Insel-)Staaten übertragen werden kann.
Die meisten afrikanischen Länder hingegen haben relativ ähnliche Herausforderungen, die mit einem niedrigen Entwicklungsniveau verbunden sind, wie z. B. Armut, Analphabetismus, unzureichende Gesundheitsdienste und schlechte physische Infrastruktur.
Was die Bevölkerung betrifft, so sind in den meisten afrikanischen Ländern mindestens 35 Prozent der Bevölkerung nicht einmal 15 Jahre alt – mehr als jede/-r dritte. Im Durchschnitt sind 42 Prozent der Gesamtbevölkerung Afrikas nicht älter als 15 Jahre. Zum Vergleich: In der Europäischen Union (EU) machen Kinder unter 15 Jahren nur 15 Prozent der Bevölkerung aus, und in Deutschland sind es mit 14 Prozent sogar noch weniger (Weltbank, 2022). Die Jugendlichen im Alter von 15 bis 24 Jahren machen 20 Prozent der Bevölkerung in Afrika aus (Kommission der Afrikanischen Union, 2019).
Was die Exportgüter angeht, so verfügen viele afrikanische Länder zwar über große natürliche Ressourcen. Das schafft jedoch auch eine umso größere wirtschaftliche Abhängigkeit von diesen Ressourcen. Folglich stützen sich die entsprechenden Länder auf nur wenige Exportgüter als Haupteinnahmequellen für ihre Ausfuhren.
Tabelle 2: Anteil der Exporte nach Warengruppen an den Warenexporten 2018-2019
in Prozent
Prozentualer Anteil der Exporteinnahmen durch Rohstoffexporte | Länder |
---|---|
80-100 | Angola, Algerien, Benin, Botsuana, Burkina Faso, Burundi, Kamerun, Cabo Verde, Tschad, Kongo, Côte d'Ivoire, Demokratische Republik Kongo, Eritrea, Gabun, Gambia, Ghana, Guinea, Guinea-Bissau, Libyen, Malawi, Mali, Mauretanien, Mosambik, Namibia, Nigeria, Ruanda, Somalia, Südsudan, Sudan, Uganda, Sambia, Simbabwe |
60-79 | Dschibuti, Äthiopien, Kenia, Liberia, Madagaskar, Niger, São Tomé und Príncipe, Senegal, Seychellen, Sierra Leone, Tansania, Togo |
40-59 | Zentralafrikanische Republik, Komoren, Ägypten, Lesotho, Südafrika |
Weniger als 40 | Eswatini, Marokko, Tunesien |
Quelle: UNCTAD (2021).
Bei näherer Betrachtung der afrikanischen Länder zeigen sich jedoch erhebliche Unterschiede zwischen ihnen, selbst bei vermeintlichen Gemeinsamkeiten. Es besteht daher immer die Gefahr der Generalisierung. Die afrikanischen Länder unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht: Bevölkerung, wirtschaftliche und geografische Größe, Kultur, Klima, Pro-Kopf-BNE und dessen Wachstumsrate, Einkommensungleichheit, Ungleichheit zwischen den Geschlechtern, Diversität der Wirtschaft, Quantität und Qualität der Infrastruktur, Zugang zum Meer (mit oder ohne Binnenschifffahrt), Zugang zu sozialen Diensten, Ausmaß der Korruption, Regierungsführung und politische Stabilität.
Von den 54 Ländern Afrikas beherbergen die vier bevölkerungsreichsten (Nigeria, Äthiopien, Ägypten und die Demokratische Republik Kongo) ganze 40 Prozent der Weltbevölkerung. Die drei größten Volkswirtschaften – Nigeria, Ägypten und Südafrika – erwirtschaften mit 46 Prozent knapp die Hälfte des BNE Afrikas. Die geografische Fläche des kleinsten Landes auf dem afrikanischen Festland (Gambia) im Vergleich zur Fläche des größten Landes in Afrika (Algerien) beträgt 1 zu 210. Einige weitere Beispiele: 90 Prozent der Landfläche Gabuns sind Wald, während 80 Prozent Mauretaniens Wüste sind (Food and Agriculture Organization, 2020; The Borgen Project, 2019). Botswana ist seit seiner Unabhängigkeit im Jahr 1966 politisch stabil, während die Demokratische Republik Kongo seit Jahrzehnten von politischer Instabilität und Gewalt geplagt wird. In Südafrika ist die gleichgeschlechtliche Ehe legal, während in Uganda gleichgeschlechtliches Verhalten mit lebenslanger Haft und in bestimmten Situationen sogar mit der Todesstrafe geahndet wird (Masci et al., 2019; Dahir, 2023). Und im Jahr 2021 lag die Alphabetisierungsrate (Prozentsatz der Menschen ab 15 Jahren) in Simbabwe bei 90 und im Tschad bei nur 27 (Weltbank-Datenbank „Alphabetisierungsrate, Erwachsene insgesamt (% der Menschen ab 15 Jahren)“).
Während die meisten afrikanischen Länder als „Entwicklungsländer“ eingestuft werden, gelten einige als „am wenigsten entwickelte Länder“. Auf diesen Unterschied kommt es an. So verhandeln etwa die EU und die insgesamt 79 Länder Afrikas, der Karibik und des Pazifiks (AKP) seit 2002 über die Einrichtung von sogenannten Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA). Die WPA sehen vor, dass die AKP-Staaten im Gegenzug die von der EU eingeräumten Handelsschranken abbauen. Die AKP-Staaten verhandeln mit der EU als regionale Gruppen, um den Prozess zu straffen. Die Aushandlung von WPA als Wirtschaftsblöcke ist jedoch kompliziert, da die Mitgliedsländer in jedem Block unterschiedlich sind. Jeder Verhandlungsblock besteht aus einer Mischung aus Ländern, die zu den am wenigsten entwickelten zählen, und jenen, die diesen Status nicht haben (Tabelle 3). Und die am wenigsten entwickelten Länder brauchen keine WPA, da sie bereits von dem EU-Programm „Alles außer Waffen“ („Everything but arms“ EBA) profitieren. In dessen Rahmen gelangen alle Produkte aus den am wenigsten entwickelten Ländern, mit Ausnahme von Waffen und Munition, zoll- und quotenfrei auf den EU-Markt.
Eine weitere Ähnlichkeit, aber auch ein Unterschied besteht in der Regierungsführung. Korruption ist ein endemisches und hartnäckiges Problem in Afrika, jedoch nicht überall gleich stark ausgeprägt. Der Korruptionswahrnehmungsindex (CPI) ist ein gutes, breit angelegtes Maß für Korruption; er umfasst 180 Länder, die auf einer Skala von 0 (hohes Maß an wahrgenommener Korruption) bis 100 (keine wahrgenommene Korruption) angeordnet werden. Der Index fasst 13 Indizes von 12 unabhängigen Organisationen zusammen und beruht auf Daten aus der Befragung von Expertinnen und Experten sowie Führungskräften.
Tabelle 3: AKP-Verhandlungsgruppen
AKP-Verhandlungsgruppen | Länder | |
---|---|---|
Am wenigsten entwickelte Länder (LDCs) | Nicht-LDCs | |
Zentralafrika | Zentralafrikanische Republik, Tschad und Kongo (Republik) | Kamerun, Äquatorialguinea, Gabun sowie Sao Tomé und Principe* |
Ostafrikanische Gemeinschaft (EAC) | Burundi, Demokratische Republik Kongo, Ruanda, Südsudan, Tansania und Uganda | Kenia |
Östliches und südliches Afrika (ESA) | Komoren, Dschibuti, Eritrea, Äthiopien, Madagaskar, Malawi, Somalia, Sudan und Sambia | Mauritius, Seychellen und Simbabwe |
Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika (SADC) | Angola, Lesotho und Mosambik | Botswana, Eswatini, Namibia und Südafrika |
Westafrika | Benin, Burkina Faso, Gambia, Guinea, Guinea-Bissau, Liberia, Mali, Mauretanien, Niger, Senegal, Sierra Leone und Togo | Cabo Verde, Côte d'Ivoire, Ghana, Nigeria |
Transparency International betrachtet einen CPI von 50 als Grenzwert, der Ländern mit (0-50) und ohne ernsthafte Korruptionsprobleme (51-100) voneinander trennt. Auch hier kann man die Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den afrikanischen Ländern erkennen. 2022 hatten 58 Länder von 180 einen CPI von 50 oder mehr, darunter fünf afrikanische Länder. Die übrigen afrikanischen Länder hatten einen CPI unter 50, allerdings mit einer großen Spannbreite, wie Tabelle 4 zeigt:
Acht Länder hatten einen CPI von 40-49;
achtzehn hatten einen CPI von 30-39;
sechzehn hatten einen CPI von 20-29;
und sieben hatten einen CPI von 10-19.
Zum Vergleich: Deutschland hatte einen CPI von 79 und rangierte damit auf Platz 9 (Transparency International, 2023).
Tabelle 4: Korruptionswahrnehmungsindex 2022 - afrikanische Länder
Index | Länder |
---|---|
CPI 50-70 | Seychellen (70), Botswana (60), Cabo Verde (60), Ruanda (51), Mauritius (50) |
CPI 40-49 | Namibia (49), Sao Tome und Principe (45), Ghana (43), Südafrika (43), Senegal (43), Benin (42), Burkina Faso (42), Tunesien (40) |
CPI 30-39 | Äthiopien (39), Marokko (38), Tansania (38), Côte d'Ivoire (37), Lesotho (37), Gambia (34), Malawi (34), Sierra Leone (34), Algerien (33), Angola (33), Sambia (33), Ägypten (30), Eswatini (30), Kenia (32), Niger (32), Dschibuti (30), Mauretanien (30), Togo (30) |
VPI 20-29 | Gabun (29), Mali (28), Kamerun (26), Liberia (26), Madagaskar (26), Mosambik (26), Uganda (26), Guinea (25), Zentralafrikanische Republik (24), Nigeria (24), Simbabwe (23), Eritrea (22), Sudan (22), Kongo, Republik (21), Guinea-Bissau (21), Demokratische Republik Kongo (20) |
VPI unter 20 | Tschad (19), Komoren (19), Burundi (17), Äquatorialguinea (17), Libyen (17), Südsudan (13), Somalia (12) |
Quelle: Transparency International, 2023.
Strategien zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung in Afrika
Zwar muss jedes Land bei der Entwicklung und Umsetzung von Strategien seine eigenen Bedingungen berücksichtigen. Trotzdem lassen sich aus meiner Sicht vier übergreifende Strategien identifizieren, mit denen afrikanische Länder einen Aufwärtskurs in ihrer Entwicklung einschlagen können: Investitionen in die Jugend, wirtschaftliche Vielfalt und Integration und verantwortungsvolle Staatsführung.
Erstens ist der hohe Anteil an Kindern sowohl eine Herausforderung als auch eine Chance. Die Herausforderung ist offensichtlich, wie der Abhängigkeitsquotient zeigt – ein demografisches Maß, das die Summe der Anzahl der Kinder (0-14 Jahre) und der älteren Personen (65 Jahre oder älter) pro hundert Personen im erwerbsfähigen Alter (15-64 Jahre) angibt (UNCTAD, 2022). Im Jahr 2021 wies Afrika im Vergleich zu allen anderen Regionen der Welt den höchsten Abhängigkeitsquotienten auf: Auf 100 Personen im erwerbsfähigen Alter kamen 78 „Abhängige“. Das entspricht einem Abhängigkeitsquotient von 78 Prozent. Noch gravierender ist, dass 92 Prozent der Abhängigen Kinder waren (UNCTAD, 2022, siehe auch He, 2022.). Nach Angaben der Weltbank lag die Abhängigkeitsquote für Deutschland im Jahr 2021 bei 58 Prozent, wobei nur 38 Prozent der Abhängigen Kinder waren.
Der hohe Anteil von Kindern und jungen Erwachsenen stellt eine große finanzielle Belastung für die Gesellschaft dar. Denn die Regierungen müssen in die Bildung und Ausbildung von Kindern und Jugendlichen investieren, um sie auf ein produktives Leben vorzubereiten. Gleichzeitig müssen die Regierungen Bedingungen schaffen, unter denen Arbeitsplätze entstehen können. Und zusätzlich ist zu beachten, dass der Abhängigkeitsquotient unter der Annahme berechnet wird, dass alle Menschen im erwerbsfähigen Alter tatsächlich arbeiten – was de facto aber nirgendwo stimmt. Das tatsächliche Ausmaß der Abhängigkeit lässt sich daran also nicht ablesen.
Wenn die Regierungen aber in das Humankapital investieren, wird die Jugend in Zukunft eine wichtige Quelle des Wirtschaftswachstums sein. In Verbindung mit sinkenden Geburten- und Sterberaten, die den Abhängigkeitsquotienten senken würden, könnte Afrika eine sogenannte „demografische Dividende“ erfahren – ein schnelles Wirtschaftswachstum als Ergebnis demografischer Veränderungen (Drummond et al., 2014; Kuhn, 2016; Cilliers, 2021). Der Abhängigkeitsquotient in Afrika sinkt bereits seit den 1980er Jahren, als er laut Weltbank-Indikatoren bei rund 90 Prozent lag. Bis 2050 wird er immerhin voraussichtlich bei „nur“ noch 60 Prozent liegen (UNCTAD, 2022).
Eine zweite Strategie für einen Aufschwung ist die Diversifizierung der Wirtschaft. Man könnte argumentieren, dass der übermäßig stark ausgeprägte Export von Rohstoffen einigen Ländern wie Libyen oder Angola einen erheblichen wirtschaftlichen Vorteil im Vergleich zu anderen bringt. Aber die Abhängigkeit von einigen wenigen Rohstoffen macht die afrikanischen Länder zugleich sehr anfällig für einen Preisverfall. Ein gutes Beispiel dafür sind die Schwankungen des Ölpreises: Nach Angaben des Internationalen Währungsfonds lag der Ölpreis zwischen 2011 und 2013 im Durchschnitt bei 110 US-Dollar pro Barrel. Danach fiel er jedoch auf durchschnittlich 48 Dollar pro Barrel im Jahr 2015/16. In Ländern, die Öl importieren, verbesserten sich die Handelsbedingungen (Terms of Trade, TOT) als der Ölpreis fiel
Tabelle 5: Durchschnittliche jährliche Exporteinnahmen
Land | Erdölexporte an den Warenausfuhren 2015 (in Prozent) | Durchschnittliche jährliche Exporteinnahmen 2011-2013 (Millionen Dollar) | 2015-2016 (Millionen Dollar) | Rückgang |
---|---|---|---|---|
Angola | 95 | 68,883 | 30,244 | 56 |
Chad | 90 | 4,467 | 2,100 | 53 |
Republik Kongo | 75 | 10,385 | 4,020 | 61 |
Äquatorialguinea | 76 | 14,567 | 5,650 | 61 |
Gabun | 72 | 9,766 | 5,079 | 48 |
Nigeria | 80 | 111,033 | 42,100 | 62 |
Sudan | 56 | 6,350 | 3,131 | 51 |
Quelle: UNCTAD (2017) und IWF (Externer Link: https://ycharts.com/indicators/brent_crude_oil_spot_price_imf)
Ein Schlüsselelement für die Diversifizierung einer Wirtschaft ist eine gute Regierungsführung (Usman und Landry, 2021). Dies ist eine dritte Strategie für die Entwicklung. Die Regierungen müssen Systeme schaffen, die Transparenz sowie ein unternehmensfreundliches Umfeld fördern und Programme zum Aufbau von Kapazitäten unterstützen – etwa der Verarbeitung von Rohstoffen und der Übernahme von Vertriebsaufgaben und Lieferantenaufgaben im verarbeitenden Gewerbe (OECD/Vereinte Nationen, 2011). Die Regierungen müssen auch Infrastrukturen entwickeln, die die Produktion fördern. Kenia beispielsweise hat sich zunehmend zu einem wichtigen Produzenten und Exporteur verschiedener Schnittblumensorten entwickelt. Das ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass das Land die für die Frischhaltung von Schnittblumen erforderliche Infrastruktur verbessert hat (Nippon Express, 2020; African Portal, 2022): Schnittblumen müssen unmittelbar nach der Ernte gekühlt und in Kühlcontainern nach Europa und in andere Teile der Welt transportiert werden.
Die Erlöse aus den natürlichen Ressourcen können zur Verbesserung des Lebens der Menschen, wie in Botsuana, und zur Diversifizierung der Wirtschaft eingesetzt werden. Eine gute Regierungsführung und die gegenseitige Abhängigkeit zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor sind der Schlüssel zu wirtschaftlichem Erfolg (Dewah, 2007). Viele der Länder, die reich an natürlichen Ressourcen sind, haben jedoch eine schlechte Regierungsführung, sprich: Die Regierungen orientieren sich nicht ausreichend am Allgemeinwohl, sind weder reformorientiert noch dialogbereit und riskieren dadurch den Zerfall des Staates. In Ländern wie Angola, dem Tschad, der Demokratischen Republik Kongo, Äquatorialguinea und Nigeria dienten die Einnahmen aus den natürlichen Ressourcen eher dem Machterhalt als der Finanzierung von Diversifizierung und Entwicklung. Ein deutliches Beispiel ist Äquatorialguinea, dessen Präsident seit 1979 an der Macht ist. Im Jahr 2016 ernannte er seinen Sohn zum Vizepräsidenten. Ohne eine gute Regierungsführung gibt es wenig Hoffnung auf eine Diversifizierung der Wirtschaft und deutliche Verbesserungen im Leben der Menschen.
Eine Aufstiegsstrategie, über die sich alle afrikanischen Länder einig zu sein scheinen, ist regionale wirtschaftliche Integration, um den innerafrikanischen Handel zu steigern. Seit die afrikanischen Länder um ihre Unabhängigkeit kämpfen, streben sie danach. Die afrikanischen Staats- und Regierungschefs haben immer wieder dazu aufgerufen, die afrikanischen Länder zu vereinen und zu stärken und gemeinsame Maßnahmen zu ergreifen, um die soziale und wirtschaftliche Entwicklung ihrer Völker zu fördern. Die Einrichtung einer kontinentweiten Freihandelszone, die 2021 in Kraft trat, zeugt von diesen Bemühungen (Ighobor, 2022).
Zu den Vorteilen der wirtschaftlichen Integration gehören ein verstärkter Wettbewerb, Größenvorteile, höhere Investitionen, politische Stabilität und politischer und wirtschaftlicher Einfluss auf globale Partner. Die wirtschaftliche Integration setzt die einheimischen Produzenten auch dem Wettbewerb mit ihren Konkurrenten in der Region aus. Gleichzeitig ermöglicht sie den einheimischen Produzenten, sich Wissen und technische Fähigkeiten von anderen anzueignen, was zu einer effizienteren Nutzung von Ressourcen und einer Produktion im Einklang mit komparativen Vorteilen führt.
Insbesondere ermöglicht die wirtschaftliche Integration den Herstellern, Größenvorteile zu nutzen. Darunter versteht man die Verringerung der langfristigen durchschnittlichen Produktionskosten eines Unternehmens, wenn das Unternehmen expandiert und mehr produziert (interne Einsparungen) oder wenn mehr Unternehmen in die Branche eintreten (externe Einsparungen). Ein Automobilhersteller beispielsweise muss in großem Maßstab produzieren, um seine Fixkosten zu verteilen. Die wirtschaftliche Integration vergrößert die Märkte für Produkte und Inputs, so dass die Unternehmen ihre Produktion ausweiten können. Eine höhere Produktion ermöglicht eine stärkere Spezialisierung, eine größere Streuung der Fixkosten, den Einsatz besserer Ausrüstung und den Erwerb von Vorleistungen zu einem niedrigeren Preis. Und: expandierende Märkte ziehen neue Unternehmen an. Dies wiederum bringt externe Größenvorteile mit sich, indem es die Geschwindigkeit erhöht, mit der neue Techniken entwickelt und in der gesamten Branche verbreitet werden, und indem es Lieferanten von Betriebsmitteln dazu veranlasst, sich in der Region niederzulassen. Die Volkswirtschaften der meisten afrikanischen Länder sind einzeln betrachtet zu klein, um große ausländische Direktinvestitionen anzuziehen – die wirtschaftliche Integration trägt dazu bei, die Quellen für Produktionsfaktoren und die Märkte für Endprodukte zu erweitern.
Wirtschaftliche Integration und politische Stabilität unterstützen sich gegenseitig. Eine erfolgreiche Integration, auch wenn sie wirtschaftlicher Natur ist, führt in der Regel zu politischer Stabilität in einer Region – das eigentliche Ziel bei der Gründung der Europäischen Union etwa war politische Stabilität und Frieden in der Region. Ebenso fördert die politische Stabilität die wirtschaftliche Integration. Regionale wirtschaftliche Integration verbessert auch die Verhandlungen mit internationalen Organisationen und anderen Ländern durch die gemeinsame Nutzung von Kosten und Fachwissen.
Der Optimismus, den man hinsichtlich der Rolle der wirtschaftlichen Integration hegen könnte, wird durch die Tatsache gedämpft, dass es in jedem regionalen Block einen Rückstand an Vereinbarungen gibt, die noch nicht vollständig umgesetzt wurden. Die Lücken zwischen Vereinbarungen und Maßnahmen sind das Ergebnis übermäßiger oder übereilter Verpflichtungen der Mitgliedsländer und auch darauf zurückzuführen, dass sich die Länder gegenseitig nicht zur Rechenschaft ziehen. Es ist meiner Meinung nach wichtig, dass alle regionalen Wirtschaftsblöcke die derzeitigen Lücken ermitteln und einen vernünftigen Plan zu ihrer Beseitigung aufstellen. Denn eine echte wirtschaftliche Integration würde das Wirtschaftswachstum in Afrika erheblich beschleunigen.
Der Text wurde aus dem Englischen übersetzt.