Linksextreme Medien wollen nicht möglichst objektiv über allgemeine Belange berichten. Sie sind auch keine Wirtschaftsunternehmen, die kundenorientiert Leistungen verkaufen wollen. Sie verfolgen politische Ziele - und bekämpfen die politischen Gegner.
Politischer Extremismus will das bestehende politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche System nach Vorstellungen und mit Methoden ändern, die sich außerhalb des Verfassungskonsenses befinden und deshalb von der Mehrheit der Bürger abgelehnt werden. Extremisten haben daher stets besonders ausgeprägte Bedürfnisse, ihre Weltsicht bekannt zu machen und für sie zu werben. Dies gilt ganz besonders für Linksextremisten, die ihre Ziele aus einer angeblich "wissenschaftlichen Weltanschauung" ableiten, von deren Plausibilität man nur die Masse der bisher uneinsichtigen Bevölkerung überzeugen müsse.
Von den beiden Hauptspielarten des Linksextremismus, revolutionärer Marxismus und Anarchismus, ist der revolutionäre Marxismus das intellektuell und ideologisch anspruchsvollere Phänomen. Dementsprechend umfangreich ist das Mitteilungsbedürfnis seiner Träger. Es ist also kein Zufall, dass revolutionäre Marxisten in ihrer Agenda dem Aufbau eigener Medien einen hohen Stellenwert einräumen. Instrumente ihrer "Agitation und Propaganda" waren unter den Verhältnissen des frühen 20.Jahrhunderts neben der Rede auf Kundgebungen das Buch, die Zeitung und die Flugschrift. Wladimir Iljitsch Lenin sah im Aufbau einer zentralen Zeitung, eines "Zentralorgans", sogar eine der wichtigsten Aufgaben seiner Partei überhaupt.
Linksextreme Medien weisen Spezifika auf, die sie von der übrigen Medienlandschaft deutlich abheben. Sie dienen nicht dem Zweck, über allgemein interessierende Belange möglichst objektiv zu berichten. Sie verstehen sich auch nicht in als Wirtschaftsunternehmen, die kundenorientierte Dienstleistungen mit Gewinn verkaufen wollen. Linksextremistische Medien sind politische Projekte; sie verfolgen politisch bestimmte Ziele und bekämpfen zugleich gegenläufige. Sie folgen bei der Gewichtung und Deutung von Ereignissen nicht den Fakten, sondern der politischen Intention. So stellte das SED-Zentralorgan "Neues Deutschland" am 22.August 1968 die Militärintervention zur Zerschlagung des Prager Frühlings als "Hilfe für das tschechoslowakische Brudervolk" auf Ersuchen "von Partei- und Staatsfunktionären" der CSSR dar, obwohl es weder diese Personen noch ein solches "Ersuchen" gab.
Linksextremistische Medien wollen nicht objektiv, sondern parteiisch und parteilich berichten. Ihre Beiträge sollen kommunistische bzw. anarchistische Weltdeutungen unterstützen und befestigen, zugleich gegenläufige Nachrichten als "bürgerlichen Manipulationszusammenhang" diskreditieren. Zudem haben sie zumeist die Aufgabe, die Leser zu politischer Aktivität zu ermuntern; sie sind auch Instrumente extremistischer Mobilisierung und Organisierung.
Linksextremistische Printmedien
"Zentralorgane" kommunistischer Organisationen
Die beschriebenen Besonderheiten treten besonders deutlich bei "Zentralorganen" kommunistischer Organisationen hervor. Nach Lenins 1901 entworfenem Pressekonzept sollen sie nicht nur "kollektiver Propagandist und Agitator, sondern auch kollektiver Organisator" sein. In diesem Konzept sind Journalisten keine der Wahrheit verpflichteten Berichterstatter: "Der sozialistische Journalist ist Funktionär der Partei der Arbeiterklasse (...) und der sozialistischen Staatsmacht, der mit journalistischen Mitteln an der Leitung ideologischer Prozesse teilnimmt. Er hilft, das Vertrauensverhältnis des Volkes zu Staat und Partei zu festigen", heißt es in dem 1981 in der DDR erschienenen "Wörterbuch der sozialistischen Journalistik". Die bekannte Eintönigkeit kommunistischer Zentralorgane ist das Ergebnis solchen Selbstverständnisses. Die gleichgeschalteten Staats- und Parteiblätter sozialistischer Regime lassen dabei zugleich Rückschlüsse auf das Verständnis revolutionär-marxistischer Linksextremisten von Informations- und Meinungsfreiheit zu.
Da der parteikommunistische Linksextremismus an Attraktivität eingebüßt hat, existieren in Deutschland nur noch wenige "Zentralorgane". Dazu zählen vor allem die Blätter aller trotzkistischen Organisationen, die Zentralorgane der orthodoxen "Deutschen Kommunistischen Partei" (DKP) "Unsere Zeit" (UZ, wöchentlich 5.400 Ex.) und der maoistischen "Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands" (MLPD) "Rote Fahne" (wöchentlich, die vom Verfassungsschutz kolportierte Auflage von 8.000 Exemplaren mutet angesichts des Sektencharakters der MLPD reichlich überhöht an). Für den gehobenen Agitator unterhalten DKP und MLPD zusätzliche Periodika, die sich mit ideologischen Fragen beschäftigen: "Marxistische Blätter" (DKP, vierteljährlich) und "Lernen und Kämpfen" (MLPD, mehrmals jährlich). Das frühere SED-Zentralorgan "Neues Deutschland" (verkaufte Auflage Mitte 2014 31.000 Exemplare) gehört zwar zur Partei "Die Linke", ist aber inhaltlich eher eine parteinahe Tageszeitung denn ein Zentralorgan im früheren Sinne.
Organisationsunabhängige linksextremistische Periodika
Nach 1989 hat eine Reihe kommunistischer Organisationen ihren Betrieb eingestellt; bisweilen haben ihre Blätter aber überlebt. Ein typisches Beispiel dafür ist die heutige Monatszeitung "analyse & kritik". Sie entstand 1971 als Zentralorgan des "Kommunistischen Bundes" (KB) in Hamburg. Nach dessen Zerfall wurde sie seit 2002 unter neuem Namen selbstständig weitergeführt und bietet einer Vielzahl linksextremistischer Themen und Analysen Raum. Das bedeutendste organisationsunabhängige Publikation ist das frühere FDJ-Zentralorgan. Es existiert heute unter praktisch gleichem Namen als selbständiges politisches Projekt: Die Tageszeitung "junge Welt" (jW) hat nach eigenen Angaben eine verkaufte Auflage von 18.000 Stück. jW bedient traditionskommunistische Vorstellungen: Sie rechtfertigt das SED-Regime, dient Offizieren des früheren MfS als Forum zur Rechtfertigung ihrer Taten, selbst den Repräsentanten terroristischer (marxistisch-leninistischer) "Befreiungsbewegungen" gibt die Zeitung Raum für unkommentierte Selbstdarstellungen. Einmal jährlich richtet die Zeitung eine "Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz" aus, auf der ihre Leser und Anhänger u.a. über revolutionäre Konzeptionen diskutieren.
Ebenfalls aus einem kommunistischen Traditionszusammenhang stammt das seit den 50er Jahren in Hamburg erscheinende Monatsblatt "Konkret", es neigt heute dem "antideutschen" Spektrum des Linksextremismus zu.
Autonome Szeneblätter
Die weitaus meisten organisationsunabhängigen linksextremistischen Periodika sind jedoch autonome Szeneblätter. Es entspricht dem Selbstverständnis von Autonomen, dass sie meist nur lokale bzw. regionale Reichweite haben. Solche Blätter berichten über szenetypische politische Themen und Aktivitäten, dienen als offene Diskussionsplattformen, machen Projekte, Kampagnen und Termine bekannt. Sie vermeiden strafbare Inhalte, doch wird die Ablehnung des "Systems" in oft drastische Formulierungen gefasst. Je nach der Zusammensetzung ihrer - zumeist anonym agierenden - Redaktionen setzen sie unterschiedliche ideologische und thematische Akzente. Dazu gehört seit Jahren der autonome "Antifaschismus", dem keine demokratische Intention zu Grunde liegt. Ebenso wie andere Themen in autonomen Szeneblättern sind die oft kundigen Berichte über rechtsextremistische Aktivitäten in den Kontext des autonomen Kampfes "gegen Kapital und Staat" eingebettet. Nur zwei Blättern aus dem gewaltbereiten linksextremistischen Spektrum kommt derzeit eine wirklich bundesweite Bedeutung zu: Die in Berlin vierzehntäglich erscheinende "Interim" genießt mit rund 750 Ausgaben seit Gründung bereits Kultstatus. Die Zeitschrift "Radikal" 1976 zuerst erschienen, wird in unregelmäßigen Abständen illegal gedruckt und verbreitet. Sie veröffentlicht nicht nur - wie "interim" - Tatbekennungen zu gewalttätigen Aktionen und Anschlägen linksextremer Täter, sondern trat des Öfteren für terroristische Aktivitäten ein und publizierte "Tipps" zur Durchführung von Anschlägen sowie Hinweise zum Bau von Brand- und Sprengsätzen - im Szenejargon "Bastelanleitungen".
Das Internet als Medium für Linksextremisten
Linksextremisten entdeckten frühzeitig - vor dem Rechtsextremismus - den Nutzen elektronischer Medien: Sie erreichen potenziell jeden Interessenten und sind gegen "staatliche Repression" weniger empfindlich als Druckwerke. Außerdem ermöglichen sie eine Vernetzung mit Gesinnungsgenossen in aller Welt - für Linksextremisten, die sich stets als "Internationalisten" verstehen, ein wichtiger Aspekt.
Linksextremistische Internet-Auftritte
Praktisch alle linksextremistischen Organisationen von einiger Größe sind im Internet mit eigenen Seiten präsent. Neben Selbstdarstellungen und Hinweisen auf lokale und regionale Erreichbarkeiten enthalten sie häufig Programmdokumente, Abrisse der Organisationsgeschichte und Informationen zu aktuellen Arbeitsschwerpunkten, außerdem Links zu Seiten befreundeter Gruppen und Initiativen. Linksextremistische Printmedien unterhalten ebenfalls Internet-Auftritte. Zumeist sind dort Inhaltsverzeichnisse älterer Ausgaben mit einzelnen Artikeln frei aufrufbar. Einzelne Organisationen unterhalten eigene "You Tube"-Kanäle. Dort lassen sich Propaganda, Aktivitäten und Erfolge der Gruppe visualisieren - je nach dem Ausmaß medialer Professionalisierung mit unterschiedlichem Erfolg.
Eine andere Kategorie linksextremistischer Internet-Medien bilden themenbezogene Seiten oder Portale, die zu bestimmten Anlässen informieren und mobilisieren wollen. Häufig werden sie später wieder aus dem Netz genommen. Bei größeren Protestanlässen gelingt es allerdings Linksextremisten zumeist nicht, sich auf ein gemeinsames Projekt zu einigen.
Schließlich existieren linksextreme Internet-Seiten, die sich ausschließlich bestimmten Themenfeldern zuwenden, z.B. dem "Outing" von tatsächlichen oder vermeintlichen Rechtsextremisten oder Blockadeaktionen gegen ihr öffentliches Auftreten.
Insgesamt ist die Gestaltung solcher Homepages zielgruppenorientierter geworden - besonders dort, wo es um Gewinnung "revolutionären Nachwuchses" geht. Zum Beispiel werden verfälschende Nachbildungen von Logos bekannter kommerzieller Marken verwendet, um ein "cooles" Image zu erzeugen. Zudem geht der Trend zu stärker interaktiven und weniger textlastigen Internet-Auftritten.
Nutzung von Internet-Medien durch Linksextremisten
Anders als ihre rechtsextremistischen Gegner sind Linksextremisten nicht ausschließlich auf eigene Internet-Medien angewiesen. Sie können beispielsweise ohne eigene finanzielle oder logistische Anstrengungen ein weltweit agierendes Internetportal nutzen: Das Projekt "Indymedia" (für "independent media") hat seinen Ursprung in den Protesten gegen die Welthandelskonferenz in Seattle (Dezember 1999). Seither haben sich die Independent Media Centers weltweit ausgebreitet. Sein deutscher Ableger (www.indymedia.org) versteht sich nach eigenen Angaben als "multimediales Netzwerk unabhängiger und alternativer Medien, MedienmacherInnen, engagierter Einzelpersonen und Gruppen". In ihm sollen "Menschen aus der gesellschaftlichen Basis direkt zu Wort kommen". Daher kann bei Indymedia jedermann interaktiv mitwirken und nach dem Prinzip des "open posting" auch eigene Beiträge ins Portal stellen. Eine Gruppe von Moderatoren achtet lediglich darauf, das Indymedia nicht als Verlautbarungs- und Werbeplattform für "hierarchische, etablierte oder kommerzielle Gruppierungen" zweckentfremdet wird. Dennoch lässt sich Indymedia Deutschland politisch einordnen. Seine Startseite führt 18 Nachrichtenkategorien auf, von denen etliche wie "Antirassismus", "Atom", "Globalisierung", "Militarismus", "Soziale Kämpfe", "Repression", "Antifa" nach Diktion und Inhalt klassische Aktionsfelder nicht nur demokratisch-linker, sondern auch linksextremistischer Kräfte sind. Indymedia sperrt sich zwar eindeutig gegen "sexistische, rassistische, faschistische u./o. antisemitische Beiträge jeder Art". Eine entsprechende Abgrenzung auch nur gegen Gewalt befürwortende antidemokratische Beiträge und Aktivitäten von links fehlt. So bleibt es dem Nutzer jeweils überlassen, in dem bunten Reigen des Indymedia-Angebots Spreu und Weizen voneinander zu trennen.
Solchen Mühen muss sich ein Betrachter der Indymedia-Abspaltung "indymedia.linksunten" gar nicht unterziehen. Dieses Portal präsentiert linksextreme Menschenverachtung in offener Form, bis hin zu zusammengefassten Segmenten, die sich mit der Jagd auf ausgesuchte Gegner beschäftigen. Dort sind dann z.B. unter Titeln wie "Nazi-Schwein in B (es folgen Name, Adresse des Betroffenen)" eine Galerie Fahndungsfotos, Hinweise zu Beruf und aktuellem Beschäftigungsverhältnis sowie zu Wohnort und Adresse des Betroffenen abrufbar - nicht selten mit "nützlichen" Tipps, was an den örtlichen Verhältnissen bei einem Anschlag auf das Opfer beachtenswert sein könnte.
In den letzten Jahren haben soziale Medien wie Facebook oder Twitter zunehmende Bedeutung für die Agitation von Linksextremisten erhalten. Sie stellen eine Agitationsplattform kostenfrei zur Verfügung; die Gruppe kann allerdings die Inhalte selbst bestimmen. Missliebige oder kritische Äußerungen können vom Nutzer der Seite gelöscht werden; so entsteht ein scheinbar widerspruchsfrei positives Bild. Die "Like"-Funktion spiegelt ein scheinbar hohes Ausmaß an Zustimmung vor. Und schließlich können außen Stehende über "Freunde" an die Gruppe heran geführt werden. Nicht immer ist die Medienkompetenz vorhanden, solche Techniken zu durchschauen.
Dennoch ist linksextreme Agitation in sozialen Medien erkennbar: Im Unterschied zu Rechtsextremisten, die ihre menschenverachtenden Ideen mit Rücksicht auf eventuelle Sanktionen eher "soft" verpacken, bevorzugen nämlich Linksextremisten in ihrer Symbolik und ihren Aussagen meistens Klartext.
Ausblick
In der medialen Selbstdarstellung von Linksextremisten stellt die klassische Papieragitation eine allmählich aussterbende Größe dar. Das Internet weist solchen "alten Formaten" gegenüber beträchtliche Vorteile auf: Es ist inzwischen nahezu flächendeckend zugänglich. Es ist kostengünstiger, und es ist in doppelter Hinsicht anonym: Der Urheber auch strafbarer Inhalte kann sich über Domains im Ausland mit etwas Geschick wirksam vor Strafverfolgung schützen. Auch der Nutzer muss sich nicht durch Kauf oder Abonnement einer Publikation oder durch Entgegennahme eines Flugblattes kenntlich machen.
Linksextremisten nutzen das Internet auf allen Ebenen: Sie verbreiten eigene Agitation, mobilisieren und koordinieren eigene Anhänger, sie werben um neue und bemühen sich, über Internet-Angebote Einbindungs- und Radikalisierungsprozesse in Gang zu setzen. Schließlich beobachten und bekämpfen sie im Internet politische Gegner. Das kann von Aufrufen zu politischer Verfolgung bis zum Hacking gegnerischer Seiten gehen. Und schließlich ist die Professionalität eines Internet-Auftritts gerade bei jungen Menschen heute ein Schlüssel dazu, die Deutungshoheit in bestimmten politischen Fragen zu erlangen. Für Linksextremisten, die mit Fragen des "ideologischen Kampfes" vertraut sind, ist das Internet im Kampf um die Hegemonie in den Köpfen heute mindestens so bedeutend wie die Straße.