Zum neunten Mal seit 1979 wählen die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union in diesem Frühjahr das Europäische Parlament (EP). In einer Zeit, in der sich die EU bislang ungeahnten Herausforderungen gegenübersieht, werden die Ergebnisse diesmal mit weitaus mehr Spannung erwartet als bei früheren Wahlen.
Die EP-Wahlen konnten in der Mehrheit der Mitgliedstaaten nicht annähernd den Stellenwert von nationalen Wahlen erreichen. Dies ist allein schon an den Beteiligungsraten ablesbar. Denn es fehlt dafür nicht zuletzt eine Medienöffentlichkeit, in der die parlamentarische Arbeit gesamt-europäisch ausreichend debattiert, beobachtet und kommentiert wird.
Die EU wird nur selten mit einer nachhaltigen Verbesserung von Verbraucherrechten in Verbindung gebracht, etwa der DSGVO, oder der Abschaffung der Roaming-Gebühren. Auf Ebene der Regierungen überwiegen zudem weiterhin meist eigene, nationale Interessen. Wenig hilfreich ist auch, dass ein relativ hoher Anteil von Abgeordneten dem eigenen Parlament und der EU generell skeptisch bis ablehnend gegenübersteht. Die Rekrutierung der Abgeordneten und die Bildung und Organisation der EP-Fraktionen erscheint vielen undurchsichtig und bürgerfern.
Tatsächlich ist der Grad supranationaler Integration, wie ihn die EU erreicht hat, einmalig in der Welt. Das Europäische Parlament, in dem die Abgeordneten je nach politischer Zugehörigkeit länderübergreifend Fraktionen bilden, verkörpert diesen supranationalen Charakter der EU wie keine andere ihrer Institutionen.
Dass dies trotz großer politischer und kultureller Unterschiede seit Jahrzehnten gelingt, lässt sich als Zeichen von Stabilität interpretieren. Mehr noch: Spätestens seit dem Vertrag von Lissabon hat das Parlament erheblich an Einfluss gewonnen und agiert bei der Gesetzgebung überwiegend auf Augenhöhe mit Rat und Kommission. Was hier entschieden wird, hat unmittelbar Einfluss auf das Leben von mehr als fünfhundert Millionen EU-Bürgerinnen und -Bürgern.
Vor diesem Hintergrund erscheint eine eingehende Beschreibung des Parlaments, seiner Zusammensetzung und seiner Arbeitsweise umso wichtiger. Hierzu gehört auch, Bilanz zu ziehen, in welchen Politikfeldern das EP seit den Wahlen von 2014 Akzente setzen konnte. Tabellen mit aktuellen Daten zu Abgeordneten, Parteien und Fraktionszugehörigkeiten sowie Grafiken zu Strukturen und Entscheidungsprozessen bieten Ansätze zu einer vertiefenden Analyse. Ergänzungstexte gewähren Einblicke in den beruflichen Alltag der Parlamentsmitglieder. Abschließend wird die Frage aufgeworfen, welche positiven Kräfte die EU und damit auch das Parlament aus aktuellen Problemlagen und berechtigter Kritik für ihre zukünftige Arbeit schöpfen können.
Zukunftsdebatten sind immer von Unsicherheiten geprägt – für die EU gilt dies angesichts des bevorstehenden Austritts Großbritanniens und seiner Folgen, die bei Redaktionsschluss noch nicht abzusehen waren, in besonderem Maße. Umso wichtiger ist es, sich in den Tagen vom 23. bis 26. Mai an den Wahlen zu beteiligen.