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Internationale Umweltpolitik | Umweltpolitik | bpb.de

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Internationale Umweltpolitik

Sebastian Oberthür

/ 8 Minuten zu lesen

Einleitung

Viele Umweltprobleme können nicht von einzelnen Staaten oder Akteuren allein bewältigt werden. Etliche Formen der Umweltbelastung wie etwa Klima verändernde Gase, die Ozonschicht schädigende Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW), Abwässer und giftige Abfälle, die ins Meer gelangen, überschreiten nationalstaatliche Grenzen. Für die Lösung dieser Probleme ist die Mitwirkung einer Vielzahl - im Extremfall nahezu aller - Staaten erforderlich.

Die zunehmende weltwirtschaftliche Verflechtung im Zeichen der Globalisierung erhöht die Dringlichkeit internationaler Zusammenarbeit. Einseitige staatliche Maßnahmen können insbesondere kurzfristig einen Wettbewerbsnachteil für die eigene Industrie darstellen, während sie mittelfristig häufig sogar die Konkurrenzfähigkeit erhöhen. Grundsätzlich findet Umweltschutz leichter Akzeptanz, wenn die Konkurrenten auf den Weltmärkten im Gleichschritt vorgehen.

Meilensteine internationaler Umweltpolitik

Schließlich erfordert die Lösung globaler Umweltprobleme wie des Klimawandels eine Mitwirkung der Entwicklungsländer. Diese verfügen allerdings häufig nicht über die nötigen wirtschaftlichen Mittel und staatlichen Kapazitäten. Deshalb muss die internationale Umweltpolitik gewährleisten, dass die industrialisierten Staaten ausreichende finanzielle, technische und administrative Unterstützung für bedürftige Länder zur Verfügung stellen.

Historische Entwicklungsphasen

Auch wenn einzelne internationale Umweltschutzabkommen bereits bis zu hundert Jahre zurückreichen (zum Beispiel das Londoner Abkommen zum Schutz wildlebender Tierarten in Afrika von 1900 und das internationale Walfangabkommen von 1946), erhielt die internationale Umweltpolitik erst 1972 ihre offiziellen Weihen. In diesem Jahr diskutierten Industrie- und Entwicklungsländer die Umweltproblematik zum ersten Mal auf einer Weltkonferenz der Vereinten Nationen (UN) in Stockholm. Das vielleicht wichtigste Ergebnis der Konferenz war die Gründung des Umweltprogramms der Vereinten Nationen UNEP.

Regionale Zusammenarbeit

Die anschließende Entwicklung der internationalen Umweltpolitik lässt sich in drei Phasen einteilen. In den 1970er und zu Beginn der 1980er Jahre lag das Hauptaugenmerk zunächst auf der regionalen Zusammenarbeit. Es entstand eine Reihe regionaler Umweltabkommen, darunter die Abkommen zum Schutz der Nordsee 1972 und des Mittelmeeres 1974. 1979 folgte das Genfer Übereinkommen zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Luftverschmutzung in Europa ("saurer Regen", "Waldsterben"). Bis heute wurde dieses Abkommen durch mehrere Protokolle zur Minderung des Ausstoßes an Schwefeldioxid, Stickoxiden, flüchtigen Kohlenwasserstoffen, Schwermetallen und gefährlichen Chemikalien ausgebaut. Insgesamt besteht mitlerweile insbesondere in Europa ein dichtes Geflecht regionaler Umweltabkommen unter anderem zum Gewässer- und Artenschutz, zur Öffentlichkeitsbeteiligung in Umweltangelegenheiten sowie zur grenz-überschreitenden Anwendung von Umweltverträglichkeitsprüfungen.

Unter Globalisierungsdruck

Seit der zweiten Hälfte der 1980er Jahre erfolgte dann zunehmend eine Globalisierung der internationalen Umweltpolitik. Beginnend mit den Abkommen zum Schutz der Ozonschicht 1985/87 stieg die Anzahl von globalen Umweltverträgen. 1991 wurde zudem die Globale Umweltfazilität (GEF) gegründet, die die Bekämpfung globaler Umweltprobleme in bedürftigen Ländern finanziert. Bis 2007 hatten die Industrieländer rund 6,2 Milliarden US-Dollar in die GEF eingezahlt.

1992 rückte der Erdgipfel von Rio de Janeiro die globale Umweltproblematik in den Mittelpunkt der internationalen Umweltpolitik. Auf dem Gipfel wurden nicht nur die Klimarahmenkonvention und die Biodiversitätskonvention verabschiedet. Der Erdgipfel erarbeitete zudem einen Katalog von Prinzipien, eine Walddeklaration sowie vor allem ein detailliertes Arbeitsprogramm für eine Nachhaltige Entwicklung im 21. Jahrhundert, die "Agenda 21".

Tendenzen seit 2002

Mit dem zehn Jahre nach dem Erdgipfel von Rio abgehaltenen Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung in Johannesburg vollzog sich schließlich 2002 eine Schwerpunktverlagerung von der Rechtsetzung auf die Umsetzung getroffener Beschlüsse. Die Staatengemeinschaft verabschiedete einen "Plan zur Umsetzung" einer Vielzahl von Zielen, der allerdings ebenso wie die Agenda 21 völkerrechtlich nicht verbindlich ist. Dass die damit angestrebten Ziele erreicht werden (zum Beispiel den Verlust der Artenvielfalt bis 2010 "signifikant" zu verringern), erscheint mittlerweile mindestens unwahrscheinlich.

Staatliche und nichtstaatliche Akteure

Die EU nimmt seit dem Beginn der 1990er Jahre eine Vorreiterrolle in der internationalen Umweltpolitik ein. Dagegen zeigen die USA seit dem Ende des Kalten Krieges ein abnehmendes Interesse an der internationalen Umweltpolitik und neigen zunehmend zu einseitigem Handeln. Bis heute sind sie der Mehrzahl der globalen Umweltabkommen nicht beigetreten, darunter dem Klimaschutzprotokoll von Kyoto und der Biodiversitätskonvention. Ausschlaggebend dafür ist neben inhaltlichen Bedenken die in den USA weit verbreitete Skepsis gegenüber der Einbindung in internationale Verpflichtungen. Dies stellt die derzeit wohl größte Herausforderung für die internationale Umweltpolitik dar.

Während andere Industrieländer wie Kanada und Japan häufig zwischen der EU und den USA stehen, ist die Lage in den osteuropäischen Staaten und in Russland nach wie vor durch den Umbruch nach Ende des Kalten Krieges gekennzeichnet. Dieser hat zu einer widersprüchlichen Situation geführt: Einerseits ist es - neben einigen Verschlechterungen wie zum Beispiel steigenden Verkehrsbelastungen - zu einer Verbesserung der Umweltsituation (beispielsweise bei der Luft- und Wasserverschmutzung) gekommen. Andererseits hat die Fähigkeit zu einer wirksamen Umweltpolitik abgenommen, und wirtschaftliche Gesichtspunkte sind in den Vordergrund gerückt. Die osteuropäischen Länder und Russland haben weitreichende eigene Verpflichtungen (etwa beim Ozonschicht- und Klimaschutz) deshalb häufig von Zugeständnissen und Hilfestellung durch die westlichen Industrieländer abhängig gemacht.

Nord-Süd-Konflikt

Ein Nord-Süd-Konflikt kennzeichnet zudem fast alle Felder der internationalen Umweltpolitik. Nicht zuletzt aufgrund von Unterschieden des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungsstandes bestehen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern tiefgreifende Interessenunterschiede. Dazu trägt auch bei, dass die Entwicklungsländer weniger staatliche Kapazitäten besitzen und historisch eine viel geringere Verantwortung für die heutigen globalen Umweltprobleme tragen als die Industriestaaten. Rund 130 Entwicklungs-länder vertreten vor diesem Hintergrund als so genannte Gruppe der 77 (G-77) häufig gemeinsame Positionen.

Aufgrund der großen, sich vertiefenden wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Unterschiede zwischen den Entwicklungsländern selbst - man vergleiche nur Südkorea mit China oder Mali - entspricht das Bild eines einheitlichen Blocks des "Südens" allerdings immer weniger der Realität. Einzelne Gruppen von Entwicklungsländern verfolgen zunehmend ihre besonderen Eigeninteressen. Zum Beispiel vertreten die OPEC-Staaten, die vom Erdölexport leben, und die kleinen Inselstaaten, die durch den weltweiten Klimawandel und den damit einhergehenden Anstieg des Meeresspiegels in ihrer Existenz bedroht sind, in der internationalen Klimapolitik gegensätzliche Positionen.

QuellentextSortenvielfalt unter Vertragsschutz

[...] Seit Mitte des neunzehnten Jahrhunderts sind drei Viertel der Kulturpflanzen weltweit unwiederbringlich verschwunden. [...] Viele Bauern wurden von Selbstversorgern zu Rohstofflieferanten für die Nahrungsmittelindustrie. Gefragt sind große Partien Weizen, Kartoffeln, Zuckerrüben, Mais oder Reis mit standardisierten Eigenschaften, genau passend für den vorgesehenen Zweck [...]. Die kommerzielle Pflanzenzüchtung hatte und hat bei ihrer Arbeit die industrielle Verarbeitung und möglichst hohe Flächenerträge im Auge, um die ständig wachsende Bevölkerung zu ernähren. Höhepunkt dieser Bemühungen war Mitte der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts die Grüne Revolution, die für große Teile der Welt einheitliche Hochleistungssorten bereitstellte. Mit der richtigen Menge an Mineraldünger und Wasser versorgt, liefern diese Pflanzen auf geeigneten Flächen tatsächlich enorme Erträge.
In weniger günstigen Gegenden, beispielsweise in Hochland- oder Trockengebieten, versagte die Grüne Revolution indessen. Dort sind die Bauern nach wie vor auf ihre eigenen Sorten angewiesen, die sie von Jahr zu Jahr aufbewahren, untereinander tauschen und wieder aussäen; bis zu neunzig Prozent des Saatguts kommen auch heute noch jährlich aus Bauernhand. Auf diese Art und Weise haben die Bauern seit Jahrtausenden überall auf der Welt eine unüberschaubare Vielfalt an Nutzpflanzen geschaffen, die genau auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten und an den Standort angepasst sind, auf dem sie wachsen. [...] Aber auch die moderne Züchtung ist heute mehr denn je auf den weltweiten Genpool landwirtschaftlicher Nutzpflanzen angewiesen. [...] Trockenheit, Hitzestress, neue Pflanzenkrankheiten - auf diese und andere nicht vorhersehbare Entwicklungen und Anforderungen müssen Forscher und Züchter in Zukunft reagieren können, wollen wir in den kommenden Jahrzehnten eine einigermaßen sichere Ernährungsgrundlage haben.
Die für die Welternährung wichtigsten Pflanzen sind heute auf allen Kontinenten verbreitet. Für unsere Ernährungssicherheit ist daher der freie Zugang zu den betreffenden genetischen Ressourcen entscheidend. Diese lagern, was unsere Hauptnahrungspflanzen betrifft, zu überwiegenden Teilen wohlbehütet in den rund 1500 Genbanken weltweit - bei Weizen sind es beispielsweise 95 Prozent der altbewährten Sorten und sechzig Prozent der verwandten Wildpflanzen. Mindestens ebenso wichtig ist der Erhalt unserer Nahrungspflanzen auf dem Feld, denn nur dort können sie sich kontinuierlich an die Umweltbedingungen anpassen [...].
Dem Ziel, die wichtigen landwirtschaftlichen Nutzpflanzen auch weiterhin allgemein verfügbar zu halten, dient der Internationale Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft. Er wurde nach siebenjährigen Verhandlungen 2001 bei der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) verabschiedet. Drei Jahre später trat er in Kraft. Damit war erstmals ein rechtsverbindlicher Rahmen für den Schutz und die nachhaltige Nutzung aller pflanzengenetischen Ressourcen für Landwirtschaft und Ernährung geschaffen. Insbesondere sieht der Vertrag ein multilaterales System des erleichterten Zugangs zu diesen Ressourcen und des Ausgleichs der sich daraus ergebenden Vorteile vor. Es gilt für die in einem Anhang aufgeführten Nahrungs- und Futterpflanzen, die achtzig Prozent der Welternährung sichern. Reis, Mais, Weizen, Bohnen oder Kassava gehören ebenso dazu wie Erdbeeren, Spargel, Äpfel und Fingerhirse.
Erstmals wurden auch die Rechte der Bauern als Hüter und Bewahrer der Agrobiodiversität formuliert - allerdings nicht verpflichtend - und Vorschläge zu deren Umsetzung gemacht. Diese standen jahrelang im Mittelpunkt internationaler Auseinandersetzungen. Sie umfassen das Recht, Saat- und Pflanzgut aufzubewahren, es auszupflanzen, mit anderen zu teilen, es weiterzuentwickeln und so die Sorten zu erhalten. Ebenso ist es das legitime Recht der Bauern, für ihre Beiträge zum globalen Pool der pflanzengenetischen Ressourcen und zur Entwicklung kommerzieller Pflanzensorten entlohnt zu werden. [...] Außerdem haben die Bauern ein Mitspracherecht in allem, was mit der Agrobiodiversität und deren Nutzung zusammenhängt.
Es liegt allerdings im Ermessen der nationalen Regierungen, wie sie den internationalen Vertrag umsetzen, denn mehr als einen vagen Rahmen gibt er nicht vor. Die Ausführung der Bestimmungen wird von der Vollversammlung der Vertragsstaaten, dem sogenannten Lenkungsorgan, überwacht. [...]

Annette von Lossau / Beate Wörner, "Der Tod im Maisfeld", in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 20. November 2007

Nichtstaatliche Interessengruppen

Nichtstaatliche Interessengruppen haben in den vergangenen Jahren erheblich an Bedeutung in der internationalen Umweltpolitik gewonnen. Spätestens seit dem Erdgipfel von Rio de Janeiro 1992 spielen vor allem Umweltgruppen und Industrieverbände, aber auch Gewerkschaften, Vertreter einheimischer Völker, Kirchen und Frauenverbände eine zentrale Rolle.

Zu den bekanntesten internationalen Umweltverbänden zählen Greenpeace, der World Wide Fund for Nature (WWF) und Friends of the Earth. Diese und die anderen genannten Interessengruppen betreiben Lobbyarbeit bei internationalen Konferenzen, mobilisieren die öffentliche Meinung, stellen ihr jeweiliges Sachwissen zur Verfügung und helfen den Regierungen bei der Umsetzung getroffener Entscheidungen vor Ort.

Nichtstaatliche Akteure erarbeiten teilweise sogar eigenständig internationale Standards und setzen sie um. So zertifiziert der so genannte Forest Stewardship Council (ein Zusammenschluss von Teilen der Forstindustrie und Umweltgruppen) Holz, das mit nachhaltigen Bewirtschaftungsmethoden erzeugt wird. Insgesamt sind gesellschaftliche Gruppen aus der internationalen Umweltpolitik heute nicht mehr wegzudenken. Während ihre Legitimation teilweise in Frage steht, ermöglichen sie insgesamt eine breitere Beteiligung interessierter Bevölkerungsgruppen und tragen so zur Akzeptanz internationaler Umweltpolitik bei.

Internationale Organisationen

Unter den maßgeblichen internationalen Organisationen sind neben der einzigen reinen Umweltorganisation UNEP diejenigen Institutionen zu nennen, die Umweltpolitik als Querschnittsaufgabe betreiben: unter anderem das UN-Entwicklungsprogramm UNDP, die UN-Organisationen für Landwirtschaft und Ernährung (FAO) sowie für industrielle Entwicklung (UNIDO), die Welthandelsorganisation (WTO), die Weltbank und die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO).

Multilaterale Umweltverträge

Das Rückgrat der internationalen Umweltpolitik bildet heute ein weit verzweigtes Geflecht von mehreren Hundert bilateralen, regionalen und globalen Umweltverträgen. Darunter sind über 100 multilaterale Umweltabkommen (= Abkommen mit mehreren Staaten als Vertragspartnern). Zentrale globale Umweltübereinkommen erstrecken sich vom Artenschutz über den Schutz der Atmosphäre bis zur Bekämpfung gefährlicher Chemikalien. Dabei sind im Einzelnen durchaus erhebliche Erfolge zu verzeichnen. Beispielsweise haben Industrie- und Entwicklungsländer im Montrealer Protokoll von 1987 vereinbart, den Gebrauch von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) und anderen Stoffen, die die Ozonschicht schädigen, zu beenden. Um die Entwicklungsländer dazu in die Lage zu versetzen, haben die Industrieländer seit 1990 rund 2,2 Milliarden US-Dollar zur Verfügung gestellt. Im Ergebnis ist der weltweite Ausstoß an FCKW seit 1986 um mehr als 90 Prozent gesunken.

Wichtige globale Umweltverträge

Allerdings ist die Erfolgsgeschichte des Montrealer Protokolls bisher nicht der Normalfall. Der Klimawandel und der Verlust der Artenvielfalt schreiten voran. Ebenso gibt die Verbreitung langlebiger gefährlicher Chemikalien Anlass zur Sorge. Insgesamt nimmt der Druck auf die natürlichen Ökosysteme und ihre Leistungsfähigkeit weltweit weiter zu.

Hindernisse und Reformansätze

Vor allem drei Hindernisse stehen schnelleren und größeren Fortschritten in der internationalen Umweltpolitik entgegen. Erstens erfordern Entscheidungen in der internationalen Umweltpolitik in der Regel einen Konsens. Als Folge vergeht häufig nicht nur sehr viel Zeit bis zu einer Einigung, sondern diese tendiert auch regelmäßig zum "kleinsten gemeinsamen Nenner". So hängen beispielsweise Fortschritte in der internationalen Klimapolitik letztlich von der Zustimmung des Ölexporteurs Saudi-Arabien ab.

Zweitens mangelt es in vielen Fällen an der wirksamen Umsetzung gefasster Beschlüsse. Häufig dauert es wegen der langwierigen nationalen Ratifikationsverfahren mehrere Jahre, bis internationale Verträge Rechtskraft erlangen. Bis zum Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls im Februar 2005 etwa vergingen über sieben Jahre. Druckmittel gegen Staaten, die (wie die USA) aus den gemeinsamen Bemühungen der Völkergemeinschaft ausscheren, stehen zudem kaum zur Verfügung. Außerdem fließen zu wenig Mittel in die bedürftigen Entwicklungsländer, um dort eine nachhaltige Entwicklung wirksam zu unterstützen.

Drittens besteht in der internationalen Umweltpolitik eine Anzahl von Koordinationsproblemen. Zum Beispiel fördert das Montrealer Protokoll den Einsatz von klimaschädlichen "teilhalogenierten Fluorkohlenwasserstoffen" (H-FKW), die als Ersatzstoffe für FCKW dienen. Damit werden die Probleme nur verlagert: Die Ozonschicht wird auf Kosten des Klimas geschützt (obwohl es für viele Anwendungen Alternativen gäbe). Darüber hinaus stellt die Integration und Berücksichtigung von Umweltbelangen in Institutionen außerhalb des Umweltbereichs (neben der WTO zum Beispiel die Weltbank und die internationale Zivilluftfahrtorganisation, ICAO) eine unbewältigte Herausforderung dar. So erschwert der durch die WTO verbürgte Vorrang für einen möglichst schrankenfreien Welthandel Handelsbeschränkungen zum Zwecke des Umweltschutzes (etwa Einfuhrbeschränkungen von Erzeugnissen aus umweltschädigender Produktion).

Diskussion um neue Strukturen

In Bezug auf mögliche Problemlösungen wird besonders der Vorschlag zur Schaffung einer eigenständigen UN-Organisation mit Zuständigkeit für den Umweltschutz kontrovers diskutiert. Befürworter einer solchen "Weltumweltorganisation" beklagen eine "Zersplitterung" der internationalen Umweltpolitik mit ihren vielfältigen Abkommen und Konferenzen. Sie wollen als Gegengewicht zur 1994 gegründeten Welthandelsorganisation eine zentrale Anlaufstelle für den internationalen Umweltschutz schaffen, die über deutlich aufgestockte Finanzmittel verfügen soll.

Es existieren verschiedene Modelle für eine Weltumweltorganisation. So könnte eine breite Staatenkoalition eine Neugründung vornehmen, die Organisation könnte aber auch - schrittweise - aus bestehenden UN-Strukturen hervorgehen. Die Organisation könnte ausschließlich für Umweltpolitik zuständig sein oder im Zeichen einer "nachhaltigen Entwicklung" auch für Entwicklungspolitik. Konkret werden derzeit vor allem eine Aufwertung und ein Ausbau des bestehenden UN-Umweltprogramms UNEP diskutiert.

Die Kritiker haben darauf hingewiesen, dass die Gründung einer Organisation noch keines der genannten Hindernisse überwindet. Die Hoffnung, auf diesem Wege den für Fortschritte notwendigen politischen Willen zu mobilisieren, scheint ihnen wenig begründet. Sie verweisen auf die Erfolge, die Innovationskraft und die Anpassungsfähigkeit der derzeitigen "zersplitterten" Struktur, die eine angemessene Antwort auf die Komplexität der Umweltproblematik darstelle. Deren Zentralisierung könnte in ihren Augen das Erreichte sogar gefährden.

Die Skeptiker sehen jedoch durchaus Möglichkeiten zur Reform der derzeit bestehenden Struktur. So könnten etwa die Belastungen, die sich aus der Vielzahl der existierenden Umweltabkommen und ihrer Umsetzung für die einzelnen Staaten ergeben (zum Beispiel in Bezug auf die Berichterstattung), durch eine verbesserte Koordination verringert werden.

Derartige Vorschläge sind nicht unbedingt mit einer Weltumweltorganisation unvereinbar. Welches auch immer die Strukturen sein werden, in denen sich die internationale Umweltpolitik in Zukunft vollziehen wird: Unbestritten ist, dass substanzielle Fortschritte einen ausreichenden politischen Willen und eine entsprechende gesellschaftliche Unterstützung erfordern.

Prof. Dr., ist wissenschaftlicher Direktor des Institute for European Studies (IES) an der Vrije Universiteit Brussel (VUB) . Forschungsschwerpunkte: Kooperation in internationalen Institutionen, internationale Umwelt- und Klimapolitik sowie die Rolle der EU als globale Akteurin.

Kontakt: sebastian.oberthuer@vub.ac.be