Einleitung
Umweltprobleme müssen, um gelöst werden zu können, zunächst einmal als solche von den Menschen wahrgenommen werden. Diese Aussage klingt auf den ersten Blick selbstverständlich. Sie lohnt aber eine nähere Betrachtung, wie die Geschichte des Umweltbewusstseins zeigt. Denn verschmutzte Flüsse und Seen, kontaminierte Böden und stark belastete Luft gab es bereits, lange bevor die Begriffe Umweltproblem, Umweltkrise und Umweltbewusstsein in der öffentlichen Diskussion eine Rolle spielten. Als der spätere Bundeskanzler Willy Brandt 1961 mit dem Slogan "Blauer Himmel über der Ruhr" in den Wahlkampf zog, wurde dies zunächst kaum ernst genommen - Luftverschmutzung galt damals nicht als dringliches politisches Problem, obwohl der Himmel über der Ruhr in einem heute kaum mehr vorstellbaren Maße rußgeschwärzt war. Es sollte noch fast 20 Jahre dauern, bis das Thema Umweltschutz Mitte der 1980er Jahre auf Platz 1 der Rangliste der aktuell bedeutsamsten politischen Probleme kletterte.
Heute ist in Deutschland ein Umweltbewusstsein weit verbreitet. 2006 hielten 93 Prozent der Bevölkerung den Umweltschutz für eine wichtige politische Aufgabe. 62 Prozent waren der Meinung, dass wir auf eine Umweltkatastrophe zusteuern, wenn wir so weiter machen wie bisher (siehe auch www.umweltbewusstsein.de). Überwältigend - zwischen 82 Prozent und 88 Prozent, mit steigender Tendenz in den letzten Jahren - ist die Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger, wenn es um die Grundprinzipien der nachhaltigen Entwicklung (schonender Ressourcenverbrauch, Generationengerechtigkeit und fairer Handel zwischen reichen und armen Ländern) geht.
Nachhaltige Entwicklung ist das Leitbild der internationalen Umweltpolitik seit dem "Erdgipfel" der Vereinten Nationen von Rio de Janeiro 1992. Damals hatten die Unterzeichnerstaaten der dort verabschiedeten Agenda 21 bereits unterstrichen, dass es ohne ein Umweltbewusstsein und ohne eine Veränderung der Konsummuster in den hoch entwickelten und in starkem Maße Ressourcen verbrauchenden Industrieländern keine Lösung der globalen Umweltprobleme geben könne. Dabei bestand Einigkeit, dass staatliche Steuerung allein keine Wende zu einer nachhaltigen Entwicklung bewirken kann. Denn die Demokratien des Westens garantieren die Freiheit des Einzelnen: Innerhalb des gesetzlichen Rahmens sind die Individuen berechtigt, frei zu handeln und zu konsumieren, was sie bezahlen können. Sie bestimmen selbst, welche Autos sie fahren, wie viel Benzin sie pro Monat verbrauchen oder wie häufig sie eine Flugreise zu weit entfernten Ländern unternehmen wollen. Hier sind also Umweltbewusstsein und freiwilliges Handeln gefragt, wenn es Veränderungen geben soll.
Aber was ist eigentlich unter Umweltbewusstsein zu verstehen? Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen definierte schon 1978 Umweltbewusstsein als "Einsichten in die Gefährdungen der natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen durch diesen selbst" und als "Bereitschaft zur Abhilfe". Diese Begriffsbestimmung ist auch heute noch aktuell, wurde aber inzwischen differenziert. Heute werden verschiedene Komponenten des Umweltbewusstseins unterschieden - an vorderster Stelle Umweltwissen, Umwelteinstellungen, Umweltverhalten und Verhaltensintentionen:
Umweltwissen beschreibt den Kenntnis- und Informationsstand einer Person über Umwelt und Natur, über Trends und Entwicklungen in ökologischen Aufmerksamkeitsfeldern.
Unter Umwelteinstellungen werden neben Einstellungen zu Fragen des Umweltschutzes im engeren Sinne auch Ängste, Empörung, Zorn und Betroffenheit sowie persönliche Grundorientierungen und auf die Umwelt bezogene Werthaltungen verstanden.
Mit Umweltverhalten wird das individuelle Verhalten in relevanten Alltagssituationen bezeichnet.
Davon zu unterscheiden sind Handlungsbereitschaft und Verhaltensintentionen, das heißt Bekundungen, sich in Zukunft so und nicht anders verhalten zu wollen.
Der wissenschaftliche Begriff Umweltbewusstsein umfasst in der Regel alle genannten Komponenten, während in der politischen Diskussion üblicherweise lediglich eine Unterscheidung von Umweltbewusstsein und Umweltverhalten vorgenommen wird. Es wird also zwischen Wissen, Einstellungen sowie Verhaltensintentionen einerseits und dem tatsächlichen Umwelthandeln andererseits unterschieden.
QuellentextHintergründe moderner Umweltsorgen
Die stärksten Antriebe erwachsen aus einem Zusammenwirken von Liebe und Angst. Auch das Umweltbewusstsein wird dann zur drängenden Leidenschaft, wenn sich die Liebe zur Natur [...] mit der Angst verbindet. Die Angst um die Natur wird dann am heftigsten, wenn sie auch eine Angst um das eigene Wohlergehen ist; und sie wird dann zu einer öffentlichen Macht, wenn sich die Objekte der individuellen Sorgen glaubwürdig zu einer großen volks- und menschheitsbedrohenden Gefahr kombinieren lassen. Eine derartige Vernetzung der Ängste steht am Anfang der modernen Umweltbewegung.
Der Umwelthistoriker Donald Worster behauptet, das "Zeitalter der Ökologie" habe am 16. Juli 1945 bei Alamogordo begonnen, als der erste Atomblitz die Wüste von New Mexico in gleißendes Licht tauchte und der erste Atompilz in die Atmosphäre quoll. Aber für die Weltöffentlichkeit wurden Alamogordo und Hiroshima erst ein Jahrzehnt darauf oder noch später zum Signal einer neuen Ära. [...]
Bis weit in die 50er Jahre war das Inferno von Hiroshima in der öffentlichen Wahrnehmung noch nicht sehr konkret, da Japan bis 1952 der amerikanischen Militärzensur unterlag. Erst im Laufe der 50er Jahre bekam man eine Ahnung von dem Ausmaß der nuklearen Spätschäden. [...]
Da erkannte man, dass das atomare Unheil kein einmaliges und örtlich begrenztes Ereignis war, sondern eine dauernde Gefahr, die alle bedrohte, ja selbst künftige Generationen. Und da verband sich die Angst vor der atomaren Rüstung mit einer neuen großen Angst: der Angst vor Krebs. Auf diese Weise wurde sie anschlussfähig gegenüber einem ganzen Bündel zukunftsträchtiger Zivilisationssorgen. [...]
Als Begründerin der amerikanischen Öko-Bewegung gilt Rachel Carson (1907-1964), wobei jedoch der prompte und durchschlagende Erfolg ihres "Silent Spring" (1962) [...] darauf hindeutet, dass die Öffentlichkeit für diese Botschaft bereit war. Als das Buch herauskam, litt die Verfasserin bereits tödlich an Krebs, und ihr Leben war schon seit langem von Krebsangst überschattet. Wenn der "Stumme Frühling" eine bei weitem größere Wirkung ausübte als alle Naturschutz-Bücher davor, dann lag das wohl nicht zuletzt daran, dass sich die Autorin, obwohl sie auf ein breites Spektrum moderner Umweltgifte hinwies, doch auf eine Zielscheibe konzentrierte: das Insektizid DDT, das seit dem Zweiten Weltkrieg großflächig versprüht worden war; und dabei war der springende Punkt für viele Leser wohl der, dass das DDT in den Verdacht geraten war, beim Menschen Krebs auszulösen. Carson argumentierte, der Mensch sei sogar besonders bedroht, da sich das DDT in den Nahrungsketten anreichere und der Mensch an der Spitze der meisten Nahrungsketten stünde. [...]
Das Nahrungsketten-Argument spielte auch in der frühen Kritik an der Kerntechnik eine Schlüsselrolle: als Warnung vor der Anreicherung radioaktiver Substanzen in Organismen, die der menschlichen Ernährung dienen. [...]
Die Atomwaffen machten es real und sehr konkret vorstellbar, dass die Menschheit sich selbst ausrottet - nicht durch archaische Instinkte, sondern durch ihren nicht zu bremsenden Erfindergeist. Dieses gedankliche Grundmuster förderte ähnliche Denkfiguren in anderen Problembereichen. Heute wird manchmal behauptet, das Neue der modernen Öko-Bewegung sei der Respekt vor der Natur um ihrer selbst willen. Das war jedoch schon ein altes Element des Naturschutzes und der Naturromantik; neu dagegen war die Sorge, dass die Naturzerstörung auf die Dauer die physische Existenz der Menschheit bedroht. Vor allem dadurch entstand ein auch von Politikern empfundener Handlungsdruck. [...]
Joachim Radkau, Natur und Macht, München 2000, S. 299 ff.
Abweichungen im Alltagsverhalten
Wann immer in der Öffentlichkeit über Umweltbewusstsein diskutiert wird, taucht unweigerlich die Frage einer Kluft zwischen Umweltbewusstsein und Umweltverhalten auf. Was ist damit gemeint? Sehr häufig wird in empirischen Untersuchungen festgestellt, dass die Menschen hierzulande ein hohes Umweltbewusstsein besitzen, aber ihr Verhalten nicht damit Schritt hält. Zwar glaubt die Gesellschaft, die Grenzen des Wachstums seien erreicht und "wir" sollten sparsam mit Ressourcen umgehen. Trotzdem ist bei den meisten das gerade erstandene Auto größer und leistungsstärker als das alte. Auch die nächste Wochenendreise hat nicht die nähere Umgebung zum Ziel, sondern es geht mit dem "Billigflieger" in weit entfernte Städte und Länder. Die empirische Sozialforschung spricht in diesem Fall davon, dass Einstellungen und Verhalten nur gering miteinander korrelieren, dass positivere Einstellungen gegenüber dem Umweltschutz also nicht unweigerlich mit einem umweltgerechteren Verhalten einhergehen. Wo liegen die Gründe für diese Kluft? Um es vorweg zu nehmen: Es gibt keine einheitliche Theorie, die für alle Bereiche und alle Verhaltensweisen eineplausible Erklärung liefern würde. Wenn jemand statt der relativ teuren Bio-Lebensmittel lieber konventionell erzeugte landwirtschaftliche Produkte kauft,ist es naheliegend, Kosten-Nutzen-Motive, letzten Endes also finanzielle Gründe, zu vermuten. Aber der Kauf eines größeren, leistungsstärkeren Autos ist mit Sparmotiven und Kosten-Nutzen-Rechnungen schwerlich zu begründen.
Die Sozialwissenschaftler Andreas Diekmann und Peter Preisendörfer haben 2001 eine so genannte Low-Cost-These aufgestellt, derzufolge die Menschen sich nur solange ihrem Umweltbewusstsein entsprechend verhalten, wie damit nur geringe Kosten verbunden sind. Wird es hingegen zu teuer, so zeigt das Umweltbewusstsein keine Wirksamkeit mehr. Diese Annahme kann eine Reihe von Verhaltensweisen gut erklären, vorzugsweise solche, die direkt mit einer Wahlsituation und einer bewussten Entscheidung verbunden sind.
Viele Verhaltensweisen sind jedoch von Gewohnheit geprägt, und eine Kosten-Nutzen-Abwägung findet gar nicht statt. Mitunter sind die Mehrkosten auch so gering, zum Beispiel beim Kauf von Bio-Eiern verglichen mit Eiern aus Legebatterien, dass sie kaum eine ausschlaggebende Rolle in einem bewussten Entscheidungsprozess spielen können. Häufig ist es sogar so, dass umweltfreundliches Verhalten mit Ersparnissen verbunden ist, wie das Abdrehen der Heizung bei längerer Abwesenheit, die Isolierung undichter Fenster oder das Sparen von Strom durch vollständiges Ausschalten von Elektrogeräten (anstelle der Standby-Stellung), sodass die Low-Cost-Hypothese offenkundig nicht greift.
Neben der erwähnten Kosten-Nutzen-Abwägung lassen sich weitere Ursachen für ein nicht umweltgerechtes Verhalten identifizieren:
die Einbettung des Verhaltens in den persönlichen Lebensstil (Es ist "in", in die Karibik zu fliegen.);
das Streben nach Wohlbefinden (Im Auto fährt es sich angenehmer als in öffentlichen Verkehrsmitteln. Man möchte auch im Winter frisches Obst essen oder bevorzugt das angenehme Baden anstelle des Duschens.);
die Routinisierung von Alltagshandeln (Es werden immer wieder die gleichen Produkte gekauft.);
ein Dilemma zwischen Normen und persönlichen Interessen (Fahren alle wie vorgeschrieben Tempo 100, hat derjenige, der sich nicht daran hält, freie Bahn.).
Empirische Studien zu den Motiven des Umweltverhaltens legen nahe, das jeweils in Frage stehende Verhalten im Detail zu untersuchen und nicht pauschal eine überall wirksame Ursache zu vermuten. Nun gehen die genannten Erklärungen allesamt vom tatsächlichen Vorhandensein einer Kluftzwischen Einstellungen und Verhalten aus.
Der Umweltsoziologe Peter Preisendörfer hat eine Vier-Felder-Tafel des Zusammenhangs von Umweltbewusstsein und - verhalten erstellt, die noch andere Sichtweisen auf die Problematik der vermeintlichen Kluft verdeutlicht. Eine Kombination der beiden Varianten hohes bzw. niedriges Umweltbewusstsein und umweltgerechtes bzw. nicht umweltgerechtes Verhalten miteinander, ergibt vier Möglichkeiten:
Diese recht einfache Typologie ist sehr aufschlussreich für das Problem eines nur geringen Zusammenhangs von Einstellungen und Verhalten. Umweltgerecht verhält sich jemand nicht nur aus Einsicht und rationaler Entscheidung, sondern möglicherweise auch aus Knappheit an finanziellen Mitteln, wegen vorhandener Flugangst oder vielleicht aus bloßer Gewohnheit. Diese Gruppe von Personen mit umweltgerechtem Verhalten ohne entsprechende Einstellungen nennt Preisendörfer "nicht einstellungsgebundene Umweltschützer", wobei der Begriff "Umweltschützer" im Grunde wenig treffend ist, da ihr Handeln nicht aus umweltbewusstem Antrieb erfolgt. Diese Gruppe umfasst circa ein Viertel der Bevölkerung. Für sie gilt, ebenso wie für die Gruppe der Umweltrhetoriker, dass kein enger Zusammenhang zwischen Umweltbewusstsein und -verhalten festgestellt werden kann.
Auch in vielen anderen Lebensbereichen sind Differenzen zwischen Einstellungen und Verhalten an der Tagesordnung, sie sind sogar eher der Regelfall als die Ausnahme. Beispielsweise lehnt die Mehrheit der Bevölkerung Gewalt in der Erziehung ab, verhält sich aber häufig anders. Personen bezeichnen sich als religiös, gehen aber sonntags nicht in die Kirche oder verstoßen gegen religiöse Gebote.
Die öffentliche Diskussion um die Kluft zwischen Umweltbewusstsein und Verhalten ist häufig von einem Rigorismus gekennzeichnet, der in anderen gesellschaftlichen Feldern so nicht besteht. Implizit wird von einem umweltbewussten Menschen verlangt, immer und überall Umweltgesichtspunkte zur Richtschnur des Handelns zu machen. Das Leitbild eines derart eindimensionalen Menschen ist nicht nur wenig attraktiv, sondern geht auch an der Realität vorbei. Längst werden Widersprüchlichkeiten und die Logik des "Sowohl als auch" hingenommen. Personen verhalten sich im einen Fall umweltgerecht, im anderen aber nicht. Sie kombinieren und probieren Verhaltensweisen, sind flexibler und handeln widersprüchlicher als noch vor einigen Jahrzehnten. Sie essen vielleicht in der Woche in der Kantine und kaufen am Wochenende auf dem Markt Bio-Lebensmittel, ohne dies als Inkonsequenz oder Widerspruch zu empfinden.
Für die Umweltpolitik erweist es sich als notwendig, die einzelnen Verhaltensbereiche und Verhaltensweisen aus der Nähe zu betrachten, um Hemmnisse und fördernde Faktoren für umweltgerechtes Verhalten in spezifischen Feldern und Situationen herauszufinden.
QuellentextZwiespältiges Umweltverhalten
Der Psychologe Dr. Kai Schuster forscht über Lebensstile und Naturschutz.
Die allermeisten Deutschen sind für Naturschutz, wie Umfragen belegen. Doch die Bereitschaft, sich für die Umwelt zu engagieren, sinkt. Wie erklären Sie diesen Widerspruch?
Kai Schuster: Die gegenwärtigen gesellschaftlichen Trends gehen weg von ideellen Werten wie sozialem Engagement und Naturschutz hin zu sicherheitsbetonten Werten: wirtschaftliche Sicherheit, politisch-gesellschaftliche Sicherheit und die Frage der Absicherung im Alter sowie des Gesundheitssystems. Dazu kommt gerade bei jungen Leuten eine pragmatische Sicht auf die Welt. Naturschutz wird für sie dann interessant, wenn das Engagement sich lohnt, wenn es etwa Vorteile für den Beruf und die Karriere verspricht. [...]
Wenn große Naturschutzprojekte realisiert werden sollen, gibt es oft heftigen Widerstand in der Bevölkerung. Wo liegen die Gründe?
Es geht immer um Einschränkungen der Freiheit, also die Gefahr von Verlusten, etwa wenn ein Gebiet nicht mehr betreten oder nur mit Auflagen, beispielsweise von Landwirten, genutzt werden darf. Dann kommt es zu Abwehrreaktionen. Es reichen auch schon eingebildete Einengungen zum Widerstand aus. Aus meiner Sicht aber ist nicht der Widerstand das größte Problem, der ist psychologisch nachvollzieh- und vorhersehbar, sondern wie damit umgegangen wird. [...]
Mit Kai Schuster sprach Ute Grossmann. "Waldläufer mit Webcam", in: Frankfurter Rundschau vom 18. Februar 2004
Einfluss der Massenmedien
Umweltbewusstsein ist ein Phänomen, das eng mit der Bedeutung der elektronischen Medien, vor allem des Fernsehens, und dem Prozess des Zusammenwachsens dieses Planeten zu einem "globalen Dorf" zu tun hat. Wir wissen heute über weit entfernte Länder Bescheid, erfahren zeitgleich von Naturkatastrophen in Indien, Thailand oder New Orleans. Der Informationsaustausch wurde durch die Erfindung des Internets noch intensiviert.
Bedingt durch die Auswahlmechanismen, die den Verbreitungsmedien, insbesondere dem Fernsehen, zu eigen sind, haben Katastrophen, vor allem solche mit großen Schäden und enormen Folgewirkungen, die größte Chance, über die Sender das abendliche Wohnzimmer zu erreichen. Bei den Zuschauenden, die geschützt und gemütlich vor den Fernsehgeräten sitzen, entsteht so der Eindruck, als sei da draußen eine Welt voller Katastrophen und Risiken, darunter kaum kalkulierbare Umwelt- und Naturrisiken.
Auf diese Weise werden die Medien zu einer gleichsam nie versiegenden Quelle von Umweltbewusstsein bei gleichzeitigem passivem Verharren der Zuschauenden und Zuhörenden.
Karikatur: Eine Welt
Karikatur: Eine Welt
Im Kontrast zu dieserWelt der Risiken, Gefahrenund Katastrophen stehtdie eigene kleine Welt zuHause, in der Heimatgemeinde oder im heimischen Stadtviertel. Hierscheint die Umwelt noch in einem guten Zustand zu sein, hier gibt es keinen unmittelbaren Handlungsdruck. So fühlen sich 2006 nur 16 Prozent der Bürgerinnen und Bürger durch Autoabgase und 13Prozent durch Straßenverkehrslärm stark gestört oder belästigt. Auch aus diesem Spannungsverhältnis ist es erklärlich, dass der Einzelne globale Umweltzustände für schlimm hält, globalen Handlungsdruck sieht und beispielsweise die Klimapolitik der Bundesregierung begrüßt, aber in seinem eigenen Bereich einschneidende Änderungen und konsequentes Verhalten nicht für notwendig hält.
Bedingungen staatlichen Handelns
Die Anfänge des öffentlich wirksamen Umweltbewusstseins lassen sich historisch relativ genau bestimmen und zeigen, wie eng Umweltbewusstsein und staatliches Handeln miteinander verzahnt sind. Im Jahr 1962 publizierte die amerikanische Biologin Rachel Carson ihr Buch "The Silent Spring" ("Der stumme Frühling"). Es schilderte in eindrücklicher Weise die Auswirkungen des Pestizideinsatzes in der Landwirtschaft und prognostizierte ein Aussterben des Weißkopf-Seeadlers, des amerikanischen Wappentiers. Das Buch und die anschließende öffentliche Debatte bewirkten, dass das Insektizid DDT Anfang der 1970er Jahre in den Industrieländern verboten wurde.
Der Zusammenhang von staatlicher Umweltpolitik und Umweltbewusstsein ist seither offenkundig. Auf der einen Seite sind Erfolge unbestreitbar: Zahlreiche Gesetze zum Schutz der Umwelt wurden in den letzten 30 Jahren erlassen, Institutionen wie die amerikanische EPA (Environmental Protection Agency) oder das deutsche Umweltbundesamt wurden gegründet, seit 1986 existiert in der Bundesrepublik auch ein Umweltministerium. An manchen Punkten hat sich die Skepsis der Bürgerinnen und Bürger aber auch als Hemmnis für Umweltpolitik erwiesen. Nicht nur die Ökosteuer ist ein Beispiel für den Widerstand in der Bevölkerung, sondern der gesamte Bereich der (Auto-)Mobilität erweist sich bislang als relativ veränderungsresistent.
Eine Wende zur Nachhaltigkeit wird nur erreicht, wenn die Menschen mitwirken. In einer freiheitlichen Gesellschaft wird sich dies nur über die Anerkennung eines Rechtes auf Differenz erreichen lassen. So ist es für die Umweltpolitik wichtig, in Sachen Umweltbewusstsein zwischen Akzeptanz, Resonanz und Engagement zu differenzieren. Die Einen werden vielleicht die staatliche Klimapolitik akzeptieren, ohne aber die Notwendigkeit zu sehen, den persönlichen Lebensstil einschneidend zu verändern. Andere werden möglicherweise von den technischen Möglichkeiten erneuerbarer Energien fasziniert sein und sich eine Solaranlage aufs Dach stellen. Wieder andere werden aus Überzeugung einen nachhaltigen Lebensstil wählen und ihr Konsumverhalten umstellen. Wirksame Umweltpolitik sollte alle drei Formen von Umweltbewusstsein ins Kalkül ziehen und ihre Steuerungsmaßnahmen darauf abstellen.