1918 Die Unterzeichnung des Waffenstillstands von Mudros am 30. Oktober beendet für das Osmanische Reich den Ersten Weltkrieg und besiegelt seine Niederlage.
1919 Griechische Truppen besetzen die Ägäisküste um Izmir.
Auf den Kongressen von Erzurum und Sivas wird der "Nationalpakt", das Grunddokument des nationalen Widerstandes gegen die europäischen Siegermächte, verabschiedet.
1920 Am 23. April tritt in Ankara die Große Nationalversammlung der Türkei zusammen; Mustafa Kemal wird ihr erster Vorsitzender.
Am 10. August wird im Friedensvertrag von Sèvres die Aufteilung Anatoliens unter die alliierten Siegermächte beschlossen.
1922 Sieg der türkischen Armee über die griechischen Invasionstruppen.
1923 Am 24. Juli wird der Vertrag von Lausanne unterzeichnet; er revidiert den Vertrag von Sèvres und bringt die internationale Anerkennung der Türkei.
Am 9. September wird die Volkspartei gegründet, die 1924 in Republikanische Volkspartei (CHP) umbenannt wird; ihr Vorsitzender ist bis zu seinem Tode 1938 Mustafa Kemal.
Am 29. Oktober wird im Parlament in Ankara die Republik Türkei ausgerufen; Mustafa Kemal wird ihr erster Präsident.
1924 Die erste Verfassung der Republik wird am 20. April verabschiedet; das Kalifat wird abgeschafft und die osmanische Herrscherfamilie für alle Zeiten aus der Türkei verbannt.
1925-1929 Kemalistische "Kulturrevolution" durch Verbot religiöser Orden, Hutgesetz, Kalenderreform (1925); Abschaffung des islamischen Rechts und Übernahme europäischer Gesetze (1926); Abschaffung des Islam als Staatsreligion sowie Sprachreform (1928); Abschaffung des Religionsunterrichts (1929).
1931 Im Aufruf zu den Parlamentswahlen bezeichnet Mustafa Kemal seine Republikanische Volkspartei (CHP) als republikanisch, nationalistisch, volksverbunden, etatistisch, laizistisch und revolutionär (die sechs "kemalistischen Prinzipien").
1934 Gesetz über die Einführung von Familiennamen; Mustafa Kemal erhält den Namen Atatürk (Vater der Türken).
1936 In der Konvention von Montreux erhält die Türkei die volle Souveränität über die Meerengen (Dardanellen, Bosporus). Sie garantiert die freie Durchfahrt in Friedenszeiten.
1938 Am 10. November stirbt Atatürk im Dolmabahc¸e-Palast in Istanbul; Ismet Inönü wird sein Nachfolger als Parteivorsitzender und Präsident.
1939-1945 Inönü gelingt es durch eine geschickte Schaukelpolitik gegenüber den Kriegsparteien, die Türkei aus dem Zweiten Weltkrieg herauszuhalten. Erst 1945 wird auf Drängen der westlichen Alliierten dem Deutschen Reich der Krieg erklärt; die Türkei wird daraufhin Gründungsmitglied der Vereinten Nationen.
1947 Die Türkei erhält unter der Truman-Doktrin westliche Aufbauhilfe und gliedert sich in das westliche Bündnissystem gegen die Sowjetunion ein.
1949 Die Türkei wird Mitglied des Europarates.
1950 Die 1946 gegründete Demokratische Partei (DP) von Adnan Menderes gewinnt die Parlamentswahlen mit absoluter Mehrheit; Ende der Einparteienherrschaft der CHP; Inönü wird Oppositionsführer.
1950-1960 Die DP konsolidiert in den Wahlen von 1954 und 1957 ihre Vormachtstellung; die Eingliederung in den Westen wird 1952 mit dem Beitritt zur NATO und 1959 mit dem Antrag auf Assoziierung an die EWG vertieft; 1955 kommt es im Zuge der ersten Zypernkrise in Istanbul zu gewalttätigen Ausschreitungen gegen Griechen, die zu einem erneuten griechischen Exodus aus der Türkei führen; eine dramatische Verschlechterung der Wirtschaftslage und die zunehmende Unterdrückung kritischer Kräfte durch die DP-Regierung schüren gegen Ende des Jahrzehnts eine politische Missstimmung im Land.
1960 Am 27. Mai putschen Obristen der türkischen Armee gegen die Regierung und bilden unter General Cemal Gürsel eine Militärregierung. Menderes und zwei seiner Minister werden in einem Schauprozess zum Tode verurteilt; Staatspräsident Celâl Bayar, ein früherer Mitstreiter Atatürks, wird aufgrund seines hohen Alters begnadigt.
1961 Beginn der "zweiten Republik" durch die Verabschiedung einer neuen Verfassung am 9. Juli. Mit einem neuen Wahlgesetz (Verhältniswahlrecht) und neuen Institutionen (Verfassungsgericht, Hoher Richter- und Staatsanwälterat, Planungsbehörde) bringt sie einerseits eine Stärkung liberaler Demokratie, andererseits institutionalisiert sie durch die Schaffung des Nationalen Sicherheitsrates als Verfassungsorgan die Rolle der Streitkräfte.
1961-1971 Herausbildung eines pluralistischen Politik- und Parteienspektrums. Die als Nachfolgerin der DP im Februar 1961 gegründete Gerechtigkeitspartei (AP) unter Süleyman Demirel und die CHP unter Inönü sind die stärksten Gruppierungen im Mitte-Rechts- bzw. Mitte-Links-Lager. Mit der Partei der nationalistischen Bewegung (MHP) unter Führung von Alparslan Türkes und der Partei der Nationalen Ordnung (MNP) unter Necmettin Erbakan entstehen 1969 bzw. 1970 zwei Parteien, die nationaltürkische und islamistische Gruppierungen repräsentieren. Die politische Pluralisierung verhindert stabile Regierungen und fördert politischen Radikalismus auf dem rechten und linken Flügel, in den Gewerkschaften und in der Studentenschaft.
1963/64 Scheitern der 1960 auf internationalen Konferenzen in Zürich und London als griechisch-türkischer Gemeinschaftsstaat gegründeten Republik Zypern. Beginn der faktischen Teilung in griechisch bzw. türkisch besiedelte Dörfer und Städte; Stationierung der VN-Friedenstruppe UNFICYP zur Wahrung der öffentlichen Ordnung.
1963 Am 12. September wird in Ankara das Assoziationsabkommen mit der EWG unterzeichnet; es tritt am 1. Dezember 1964 in Kraft.
1971 Ein Memorandum der Militärführung als Reaktion auf die zunehmende Handlungsunfähigkeit der AP-Regierung von Demirel bei wachsenden politischen Unruhen erzwingt dessen Rücktritt. Es folgt eine Reihe von überparteilichen Regierungen unter der Führung von "Experten" und am 20. September eine Verfassungsänderung, mit der "liberale Auswüchse" der Verfassung von 1961 beseitigt werden sollen.
1974-1980 In rascher Folge wechselnde Koalitionsregierungen unter der Führung des neuen CHP-Vorsitzenden Bülent Ecevit bzw. des AP-Chefs Demirel. Sie alle sind auf die Unterstützung entweder der islamistischen Nationalen Heilspartei (MSP, Nachfolgerin der verbotenen MNP) unter Erbakan oder auf die MHP von Türkes angewiesen. Infolgedessen geht die Radikalisierung des öffentlichen Lebens weiter. Gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Linksextremisten und radikalen rechten (MHP-)Kräften nehmen Ende der 1970er-Jahre in einigen Gebieten der Türkei bürgerkriegsähnliche Zustände an und fordern zahlreiche Todesopfer. Die Wirtschaftslage verschlechtert sich rapide, und das Land steht ab 1979 vor dem Staatsbankrott, der nur durch eine internationale Hilfsaktion im Rahmen der OECD abgewendet werden kann.
1974 Im Juli/August besetzen türkische Truppen den Norden Zyperns; die endgültige Teilung der Insel nimmt ihren Anfang; griechische Zyprer werden aus dem Norden, türkische Zyprer aus dem Süden vertrieben. 1975 proklamieren die türkischen Zyprer im Norden einen eigenen Staat, der 1983 in Türkische Republik Nordzypern umbenannt und nur von der Türkei anerkannt wird.
1978 Gründung der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) als marxistische kurdische Untergrundorganisation unter Führung von Abdullah Öcalan; Hauptziel ist die Errichtung eines unabhängigen, marxistisch-leninistischen kurdischen Staates durch den Kampf gegen das kurdische Feudalsystem und seine Repräsentanten in der Türkei; vor der Verfolgung durch türkische Sicherheitskräfte flieht ihre Führung in den Libanon und nach Syrien und entgeht so den Folgen des Militärputsches.
Bei gewaltsamen Übergriffen rechtsradikaler Sunniten auf Aleviten in Kahramanmaras kommen am 24. Dezember 117 Menschen ums Leben; am 26. Dezember wird daraufhin von der Regierung über 13 Provinzen der Ausnahmezustand verhängt.
1980 Am 12. September putschen die Streitkräfte unter Führung des Generalstabschefs Kenan Evren, lösen im Oktober 1981 alle Parteien auf und belegen zahlreiche Politiker mit einem Politikverbot. Im ganzen Land wird das Kriegsrecht verhängt. Der Nationale Sicherheitsrat, der aus den Chefs der Streitkräfte besteht, setzt eine Übergangsregierung unter Admiral i. R. Bülent Ulusu ein und bereitet eine neue Verfassung vor. Gleichzeitig werden zahlreiche Politiker, Journalisten und Intellektuelle, die des Links- oder Rechtsextremismus bezichtigt werden, verhaftet und zu teils längeren Freiheitsstrafen verurteilt. Viele Personen aus diesen Kreisen fliehen ins Ausland.
1982 Verabschiedung einer neuen, maßgeblich von der Militärjunta beeinflussten Verfassung, auf deren Grundlage politische Ordnung und Stabilität wiederhergestellt werden sollen. Geprägt ist sie von dem Gedanken, die Republik vor dem negativen Einfluss demokratischer Freiheiten zu schützen. Kenan Evren wird für sieben Jahre zum Staatspräsidenten gewählt.
1983 Mit den Parlamentswahlen vom 6. November erfolgt die Rückkehr zur zivilen Demokratie. Die absolute Mehrheit der Parlamentssitze gewinnt mit der Mutterlandspartei (AnaP) von Turgut Özal eine Partei, die in Opposition zu den Vorstellungen der Militärführung gegründet wurde und in sich bürgerlich-liberale und gemäßigt islamische Gruppierungen vereinigt. Neben einer vorsichtigen Demokratisierung verfolgt sie vor allem einen radikalen wirtschaftspolitischen Wandel durch eine weitgehende Öffnung der türkischen Wirtschaft zum Weltmarkt.
1984 Die AnaP gewinnt am 25. März die Kommunalwahlen. Zu diesen Wahlen zugelassen sind erstmals auch die Partei des rechten Weges (DYP), die sich als Nachfolgerin der AP versteht, und die Sozialdemokratische Partei (SoDeP), die von ehemaligen CHP-Politikern unter Führung von Erdal Inönü, dem Sohn Ismet Inönüs, gegründet wurde.
Im August beginnt die PKK durch Überfälle auf zwei Militärstationen im Südosten der Türkei ihren seitdem andauernden Kampf gegen den türkischen Staat, der in den 1990er-Jahren vorübergehend Formen eines "Bürgerkriegs auf niedrigem Niveau" annimmt.
1985 Das Kriegsrecht wird auf 17, meist im Südosten gelegene Provinzen beschränkt; in zwölf weiteren gilt ein Ausnahmerecht.
Im November gründet Rahsan Ecevit stellvertretend für ihren noch mit einem Politikverbot belegten Ehemann die Demokratische Linkspartei (DSP) als Konkurrenz zur SoDeP, die inzwischen in Sozialdemokratische Volkspartei (SHP) umgetauft wurde.
1987 Im Januar tritt ein Kopftuchverbot für Studentinnen in Kraft.
Im April beantragt die Regierung Özal den Beitritt der Türkei zur Europäischen Gemeinschaft (EG).
Im Juli wird in der ganzen Türkei das Kriegsrecht abgeschafft, doch bleibt in den Südostprovinzen das Ausnahmerecht in Kraft, für dessen Durchsetzung sogenannte Regionalgouverneure eingesetzt werden.
Im September wird in einer Volksabstimmung das Politikverbot für die "Altpolitiker" aufgehoben; Demirel, Ecevit, Erbakan und Türkes übernehmen wieder den Vorsitz ihrer jeweiligen Parteien.
1989 Im Oktober wählt das Parlament Turgut Özal zum neuen Staatspräsidenten; Ministerpräsident und Vorsitzender der AnaP wird Yildirim Akbulut.
1990 Im Februar legt die EG den türkischen Beitrittsantrag für unbestimmte Zeit auf Eis.
Im Herbst stellt Präsident Özal die Türkei ohne Einschränkungen an die Seite der Alliierten im Kampf gegen den irakischen Diktator Saddam Hussein und provoziert damit den Rücktritt des Verteidigungs- und des Außenministers sowie des Generalstabschefs.
1991 Demirels DYP gewinnt im Oktober die Parlamentswahlen und bildet eine Koalitionsregierung mit der SHP; Beginn einer bis 2002 andauernden Periode von kurzlebigen und ineffektiven Koalitionen.
1993 Im April stirbt überraschend Präsident Özal; Demirel wird neuer Staatspräsident und Tansu Çiller übernimmt die Führung der DYP und als erste Frau in der Geschichte der Republik das Amt des Ministerpräsidenten.
Ab dem Frühjahr verschärft das türkische Militär seinen Kampf gegen die PKK. In den folgenden Jahren kommt es immer wieder auch zu Militäroperationen im nordirakischen Kurdengebiet, das der PKK zunehmend als Rückzugsraum dient.
1994 Eine schwere Währungskrise und das anschließende Sparpaket der Regierung führen zu einer starken Rezession.
Im März gewinnt die islamistische Wohlfahrtspartei (RP) von Erbakan bei den Kommunalwahlen die Metropolen Istanbul und Ankara.
1995 Bei vorgezogenen Neuwahlen im Dezember wird die RP mit 21,4 Prozent der Stimmen stärkste Partei.
1996 Am 1. Januar tritt die Zollunion mit der EU in Kraft.
Nach dem Scheitern einer AnaP-DYP-Koalition bildet Tansu Çiller mit der RP eine Koalition; Necmettin Erbakan wird Regierungschef.
1997 Am 28. Februar beschließt der Nationale Sicherheitsrat ein Paket, das die Regierung zur Eindämmung islamistischer Umtriebe zwingen soll. Es wird von Erbakan jedoch weitgehend ignoriert. Im Juni stürzt die RP-DYP-Regierung nach Massenaustritten von DYP-Abgeordneten. Mesut Yilmaz führt eine "laizistische" AnaP-DSP-DTP-Koalition, um das Paket vom 28. Februar umzusetzen.
1998 Verbot der RP durch das Verfassungsgericht; als Nachfolgerin tritt die Tugendpartei (FP) mit Recai Kutan, einem Statthalter Erbakans, als Vorsitzendem an.
Im Oktober wird PKK-Führer Öcalan durch militärisch untermauerten Druck der Türkei auf die syrische Regierung zum Verlassen von Damaskus gezwungen und beginnt eine Odyssee durch verschiedene Länder. Sie endet im Februar 1999, als er beim Verlassen der griechischen Botschaft in Nairobi von türkischen Spezialeinheiten verhaftet wird.
1999 Die DSP wird bei Neuwahlen stärkste Partei, und Ecevit bildet mit der AnaP und der MHP eine Koalitionsregierung.
Am 29. Juni wird Abdullah Öcalan vom Staatssicherheitsgericht in Ankara zum Tode verurteilt. Das Urteil wird wegen Bedenken der EU nicht vollstreckt und 2002 nach der Abschaffung der Todesstrafe in eine lebenslange Haftstrafe, ohne die Möglichkeit einer Begnadigung, umgewandelt.
Im August erschüttert ein schweres Erdbeben die Region Izmit am Marmarameer. Die Naturkatastrophe löst eine Welle spontaner Hilfsbereitschaft in Griechenland aus; danach kommt es zu einer deutlichen Entspannung im bilateralen Verhältnis.
Im Dezember erklärt die EU die Türkei offiziell zur Beitrittskandidatin, mit der Verhandlungen über eine Mitgliedschaft beginnen könnten, wenn die dafür notwendigen Voraussetzungen erfüllt seien.
2000 Weil sich die Koalition nicht auf einen Kandidaten aus ihren Reihen einigen kann, wird im Mai der ehemalige Präsident des Verfassungsgerichts Ahmet Necdet Sezer zum Staatspräsidenten gewählt; er profiliert sich nach den Wahlen von 2002 als der stärkste institutionelle Gegenspieler der AKP-Regierung; häufig lehnt er Kandidaten ab, die von der Partei für Ministerposten vorgeschlagen werden.
2001 Schwere Finanzkrise, die nur mit Hilfe eines umfassenden Beistandsprogramms des Internationalen Währungsfonds (IWF) unter der Führung des ehemaligen Weltbank-Vizepräsidenten Kemal Dervis überwunden werden kann. Dervis bringt ein auf weitreichende wirtschaftliche Stukturreformen zielendes Programm mit dem Titel "Für eine starke türkische Wirtschaft" auf den Weg. Unter den Folgen der Rezession leiden weite Teile der Bevölkerung.
Im Oktober werden 24 Artikel der Verfassung von 1982 liberalisiert; der Spielraum für freie Meinungsäußerung und politische Betätigung wird erweitert. Außerdem wird das türkische Zivilgesetzbuch weitgehend an europäische Standards angepasst, was zu einer deutlichen Verbesserung der Rechtsstellung der Frauen führt.
2002 Auf seiner letzten Sitzung vor der vorgezogenen Auflösung beschließt das Parlament Anfang August ein liberalisierendes Reformpaket, mit dem unter anderem die Todesstrafe abgeschafft und der Gebrauch der kurdischen Sprache legalisiert wird.
Bei den Parlamentswahlen am 3. November wird die Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP), die erst 2001 neben der islamistischen Partei der Glückseligkeit (SP) aus der verbotenen Tugendpartei hervorgegangen war, überlegene Siegerin. Neben ihr kann nur noch die CHP unter Führung von Deniz Baykal die Zehnprozenthürde überwinden. Der Parteivorsitzende Recep Tayyip Erdogan übernimmt im März 2003 das Amt des Ministerpräsidenten.
2003-2005 Die AKP-Regierung verabschiedet eine Reihe von liberalisierenden Reformpaketen, mit denen die Bedingungen der EU für den Beginn der Beitrittsverhandlungen erfüllt werden sollen. Dazu gehört auch die Verabschiedung eines neuen Strafrechts. Die andauernde Umsetzung des Wirtschaftsreformprogramms von 2001 führt zusammen mit der positiven weltwirtschaftlichen Entwicklung zu einer deutlichen Verbesserung der Wirtschaftslage.
2003 Nach längeren Verhandlungen verweigert die Türkei im März den USA die Erlaubnis, im Krieg gegen das irakische Regime von Saddam Hussein Truppen durch den türkischen Südosten in den Nordirak zu bringen. Die türkisch-amerikanischen Beziehungen werden dadurch erheblich belastet. Ankara wird nach der Niederlage Saddams von den unter US-Führung stattfindenden Bemühungen um einen politischen Neuaufbau des Nachbarlandes ausgeschlossen und muss hinnehmen, dass sich im Nordirak ein weitgehend autonomes kurdisches Staatswesen unter amerikanischem Protektorat entwickelt.
2004 Am 24. April scheitert der Annan-Plan zur Lösung des Zypernproblems in einer Volksabstimmung an der griechisch-zyprischen Ablehnung; Zypern wird dennoch als geteilte Insel am 1. Mai Mitglied der EU.
Im Dezember beschließt der Europäische Rat in Brüssel den Beginn von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ab Oktober 2005.
2005 Aufflammen nationalistischer Unruhen in der Türkei, die sich gegen Kurden und andere "Feinde der Republik" richten. Die AKP-Regierung hält sich stark zurück. In der Folgezeit kommt es zu spektakulären Prozessen gegen den späteren Literatur-Nobelpreisträger Orhan Pamuk und den türkisch-armenischen Journalisten Hrant Dink wegen "Verunglimpfung des Türkentums". Im nationalistisch aufgeheizten öffentlichen Klima fällt Dink am 7. Januar 2007 einem Mordanschlag zum Opfer.
2007 Im Juni findet die Polizei bei einer Hausdurchsuchung im Istanbuler Stadtteil Ümraniye Handgranaten und Sprengstoff, die nationalistischen Kreisen zugeordnet werden. Dies ist der Beginn weiterer Untersuchungen und eines seit Juli 2008 laufenden Strafverfahrens gegen eine nationalistische Gruppe namens "Ergenekon", der Aktivitäten zum Sturz der AKP-Regierung vorgeworfen werden.
Im Frühjahr organisieren ultra-kemalistische Organisationen in verschiedenen türkischen Großstädten Massenproteste gegen die AKP-Regierung, der die Abschaffung des Laizismus unterstellt wird.
Am 27. April droht der Generalstab in einer auf seiner Internetseite veröffentlichten Erklärung mit "Maßnahmen" für den Fall, dass AKP-Außenminister Abdullah Gül zum Staatspräsidenten gewählt wird. Anfang Mai verhindert das Verfassungsgericht die Wahl mit einem formalen Argument. Nach dem großen Erfolg der AKP bei den vorgezogenen Neuwahlen am 22. Juli wird Gül dann am 28. August im Parlament mit der erforderlichen Mehrheit zum ersten nicht-kemalistischen Staatspräsidenten der Republik gewählt.
In einer Volksabstimmung wird am 21. Oktober die Wahl des Staatspräsidenten neu geregelt: Künftig wird er für fünf Jahre vom Volk direkt gewählt, eine einmalige Wiederwahl ist möglich.
2008 Die AKP wird am 30. Juli in einem Verbotsverfahren vor dem Verfassungsgericht als "Zentrum anti-laizistischer Bestrebungen" gekennzeichnet. Ein Verbot scheitert jedoch knapp am Fehlen der dafür notwendigen Stimmenmehrheit der Verfassungsrichter.
2009 Am 1. Mai wird Ahmet Davutoglu, bisheriger außenpolitischer Chefberater des Ministerpräsidenten, zum Außenminister ernannt. Damit erhält der Architekt der "neuen AKP-Außenpolitik" die Chance, seine Vorstellungen von einer Politik der "Strategischen Tiefe", in der es "Null Probleme mit Nachbarn" geben soll, in die Praxis umzusetzen. Die Türkei entwickelt in der Folge verstärkte außenpolitische Aktivitäten in ihrer nah-/mittelöstlichen und kaspischen Nachbarschaft sowie in der Schwarzmeer-Region und auf dem Balkan. Die traditionellen Bindungen zu den USA und der EU werden aufrechterhalten, büßen aber ihre absolute Priorität ein.
2010 Deniz Baykal tritt nach einem Sex-Skandal als Vorsitzender der CHP zurück. Neuer Vorsitzender wird Kemal Kiliçdaroglu, der die Partei von dem Ruf befreien will, aus Prinzip eine verbohrte, orthodox-kemalistische Oppositionshaltung zu betreiben.
Am 12. September nehmen die Türken in einem Referendum mit 57,9 Prozent der Stimmen die bislang weitestgehende Änderung der Verfassung von 1982 an; sie bringt neben einer weiteren Beschneidung der Rolle des Militärs eine Justizreform, die auch die Zusammensetzung des Verfassungsgerichts umfasst, eine Ausweitung der Gewerkschaftsrechte, die Einrichtung eines Ombudsmanns und die Aufhebung der strafrechtlichen Immunität der Mitglieder der Militärjunta von 1980.
2011 Die AKP legt bei den Parlamentswahlen am 22. Juli zum dritten Mal in Folge zu und wird mit 49,9 Prozent der Stimmen stärkste Partei vor der CHP (25,9) und der MHP (12,9). Die Regierung Erdogan unternimmt mit Beginn der neuen Parlamentsperiode am 1. Oktober einen erneuten Versuch, die Verfassung von 1982 durch einen völlig neuen Text zu ersetzen, der von einer Kommission der im Parlament vertretenen Parteien ausgearbeitet werden soll.