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Herausforderungen im 21. Jahrhundert | Türkei | bpb.de

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Herausforderungen im 21. Jahrhundert

Heinz Kramer

/ 2 Minuten zu lesen

Die Türkei ist bestrebt, ihren internationalen Status in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht zu festigen und auszubauen. Doch wird ihr das nur gelingen, wenn sie ihre inneren Probleme in den Griff bekommt.

Türkische Mädchen in Istanbul bei einer Sportveranstaltung. (© picture-alliance/AP)

Einleitung

Unabhängig vom Ausgang der Verhandlungen über einen EU-Beitritt wartet auf die Türkei eine Reihe großer Herausforderungen. Die Festigung und der Ausbau ihres internationalen Status werden mittelfristig vor allem durch innertürkische Probleme und weniger durch äußere Entwicklungen gefährdet. An erster Stelle steht die Notwendigkeit, mit sich ins Reine zu kommen. Die Türkei muss eine nationale Identität, das heißt ein tragfähiges Selbstbild, entwickeln, um die vielfältigen gesellschaftlichen und politischen Strömungen des Landes miteinander in Einklang zu bringen.

Dazu bedarf es eines gesellschaftlichen Kompromisses zwischen Türken und Kurden, in dem beide ihre jeweilige nationale Identität im Gesamtstaat angemessen gewürdigt und aufgehoben sehen. Dafür muss das der Republik zugrunde liegende Nationsverständnis von seiner kemalistischen Erblast befreit werden, ohne politischem Separatismus Raum zu geben. Türken und Kurden sind in über 80 Jahren Republikgeschichte trotz aller gegenseitigen Verwundungen in einem Maß miteinander verwachsen, dass eine forcierte Trennung nicht ohne erhebliche Verluste für beide Seiten und kaum gewaltfrei vorstellbar ist.

Die zweite große innere Herausforderung ist die Entwicklung eines zeitgemäßen Laizismus, in dem Religion auch als Ausdruck gesellschaftlicher Gegebenheiten gelebt werden kann und nicht ausschließlich unter staatlicher Kontrolle als strikte Privatangelegenheit betrachtet wird. Das Prinzip der Religionsfreiheit muss in einer modernen und so heterogenen Gesellschaft wie der türkischen zudem für religiöse Minderheiten gelten und auch die Ablehnung von Religion tolerieren und schützen. Staatliches und juristisches Verhalten hat sich an diesen Grundsätzen zu orientieren, ohne dabei die Belange der religiösen Traditionen der gesellschaftlichen Mehrheit zu vernachlässigen.

Ein neuer "Gesellschaftsvertrag", in dem Türken und Kurden, traditionelle Muslime und Laizisten einen von allen akzeptierten und vom Staat geschützten legitimen Platz in der Gesellschaft finden, ist die wesentliche Voraussetzung dafür, dass die Fortsetzung der positiven wirtschaftlichen Entwicklung der letzten Jahre nicht durch übermäßige politische Unruhen gefährdet wird. Gleichzeitig bildet er die Grundlage dafür, dass die Türkei jene innovativen Kräfte in ihrer Bevölkerung mobilisieren kann, auf die sie angewiesen ist, wenn sie ihre internationale wirtschaftliche und politische Stellung behalten und möglicherweise noch ausbauen will. Die Erarbeitung einer neuen Verfassung kann dabei nur ein erster Schritt sein. Sie hat nur dann eine positive Wirkung, wenn sie tatsächlich Ausdruck eines gesamtgesellschaftlichen Kompromisses ist, der in der Folge auch zu Änderungen in den Einstellungen und im Verhalten der Mehrheit der Bevölkerung, einschließlich der politischen, juristischen und militärischen Eliten, führt.