Die Besteuerung in der Europäischen Union (EU) ist Sache der Mitgliedsstaaten, die EU selbst hat hier nur begrenzte Zuständigkeit. Da der Binnenmarkt reibungslos funktionieren soll, ist es jedoch wichtig, dass sich die Mitgliedstaaten über die Grundpfeiler ihrer Steuerpolitik einig sind und auch auf diesem Gebiet eng zusammenarbeiten. Eckpfeiler des Binnenmarktes sind die sogenannten vier Grundfreiheiten. Damit ist der freie Verkehr von Personen, Waren, Dienstleistungen und Kapital gemeint. Diese vier Grundfreiheiten sorgen dafür, dass
Privatpersonen in einem anderen EU-Land wohnen, arbeiten und studieren können;
Verbraucherinnen und Verbraucher von einer größeren Warenauswahl, günstigeren Preisen und einem stärkeren Verbraucherschutz profitieren können und
Unternehmen einfacher und kostengünstiger grenzübergreifende Geschäfte tätigen können.
Die nationalen Steuervorschriften sollen damit im Einklang stehen – und nationale Verbrauchsteuern sollen die Situation auf dem Binnenmarkt nicht verzerren. In Deutschland sind aus diesem Grund sogar mehrere Steuern abgeschafft worden, zum Beispiel die Salzsteuer. Zwar sind Steuern weiterhin in vielen Bereichen eine Angelegenheit der Mitgliedstaaten. Allerdings erfordert zum Beispiel die Erhebung der Mehrwertsteuer eine gewisse Einbeziehung der EU, da ein harmonisiertes Umsatzsteuerrecht für einen ordnungsgemäß funktionierenden Binnenmarkt und einen EU-weit fairen Wettbewerb unerlässlich ist.
Daher hat die Europäische Union EU-weit gültige Vorschriften zur Mehrwertsteuerpraxis sowie eine Untergrenze für Mehrwertsteuersatze festgelegt.
Der Normalsatz der Umsatzsteuer muss mindestens 15 Prozent betragen, der ermäßigte Satz mindestens fünf Prozent. Einen Höchstsatz für die Mehrwertsteuer gibt es jedoch nicht.
QuellentextExkurs: Der Kampf gegen die „Tamponsteuer“
Im Schnitt kaufen Frauen und menstruierende Personen pro Monat Periodenprodukte für ca. fünf Euro. Im Jahr sind das dann grob 60 Euro. Im Laufe der Jahre kommt da also einiges zusammen – Kosten für Schmerzmittel, Schokolade, neue Unterhosen nicht eingerechnet. Das komische daran: Bis letztes Jahr galten Periodenprodukte wie Tampons, Binden und Menstruationstassen in Deutschland nicht als „Produkte des täglichen Gebrauchs“, die mit ermäßigten 7 statt 19 Prozent besteuert werden – im Gegensatz zu Lachskaviar, Schnittblumen und dekorativen Bildwerken. Danke, Umsatzsteuergesetz.
Unter dem Motto „Die Periode ist kein Luxus!“ wehrten sich zwei erfolgreiche Petitionen mit insgesamt über 270.000 Stimmen von Frauen und Männern gegen die steuerliche Diskriminierung. Den Forderungen wurden stattgegeben: Der Bundestag gab Anfang Oktober 2019 bekannt, dass ab dem 1. Januar 2020 auch nur 7% Mehrwertsteuer auf Periodenprodukte erhoben werden. Die Differenz von zwölf Prozent sollte den Konsument*innen zu Gute kommen.
[…] Sind die Preise für Tampons, Binden und Menstruationstassen nun wirklich runtergegangen? […] Tatsächlich ist der Preis für alle Tampon- und Bindenpackungen, sowie für Menstruationstassen, um mindestens zwölf Prozent gesunken. In den meisten Fällen wurde sogar noch um mehrere Cent nach unten abgerundet. Besonders bemerkbar macht sich die Preissenkung bei Menstruationstassen. Sie sind um bis zu zwei Euro pro Stück günstiger. Bislang kann man den Herstellern und den Händlern nicht vorwerfen, dass sie die Differenz der niedrigeren Mehrwertsteuer in die eigene Tasche stecken. […]
Trotzdem sind noch nicht alle Periodenprodukte vor dem Finanzamt gleichgestellt. Slipeinlagen werden immer noch mit 19 Prozent Mehrwertsteuer verkauft, weil sie nicht ausschließlich für die Periode benutzt werden können, sondern für Ausfluss jeglicher Art. [Nanna-Josephine Roloff, Mitinitiatorin der Initiative „Die Periode ist kein Luxus!“,] findet das lächerlich: „Es wird uns wieder auferlegt: Das darfst du nutzen während der Menstruation und das nicht. Es wird wieder die Selbstbestimmung beschnitten.“ Die Petitionen haben Politikerinnen und Politiker im Bundestag dazu gezwungen, über den Umgang von Frauen und menstruierenden Personen mit ihrer Periode zu reden – ein wichtiger Schritt zur Enttabuisierung der Monatsblutung. Und das bedeutet letztendlich viel mehr als nur eine trockene Änderung im Umsatzsteuergesetz.
© BR/Puls/Viviane Hamm; in Lizenz der BRmedia Service GmbH. Online: Externer Link: https://www.br.de/puls/themen/leben/periode-binden-tampons-mehrwertsteuer-100.html
Den Mitgliedstaaten verbleibt daher Spielraum für unterschiedliche Steuersätze bei der Umsatzsteuer. Zudem können sie auf viele Waren und Dienstleistungen ermäßigte Sätze anwenden. Auch bei den Verbrauchsteuern – also den Steuern auf Alkohol, Tabak und Energieerzeugnisse – hat man sich auf einige grundlegende Prinzipien einigen können, zum Beispiel, was wie besteuert wird. Außerdem sind im EU-Recht Mindestsätze für Verbrauchsteuern festgelegt, wobei die Mitgliedsstaaten auch höhere Steuersätze festlegen können.
Die EU mischt sich immer dann ein, wenn es (steuerlich) nicht harmonisch zugeht, der Wettbewerb unter den Mitgliedstaaten verzerrt und ein Land gegenüber dem anderen steuerlich übervorteilt ist. In diesem Fall greift die Union ein, versucht, steuerpolitische Ansätze zu koordinieren oder die Doppelbesteuerung zu vermeiden. Manchmal geht es nicht ohne Verbote, zum Beispiel von (steuerlicher) Diskriminierung oder von Beihilfen. Und immer öfter muss der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Sachen Steuern Entscheidungen treffen und Urteile fällen. Diese haben bindende Wirkung für nationales Steuerrecht.
Auch dann, wenn grenzübergreifende Rechte einzelner Bürgerinnen und Bürger betroffen sind, schreitet die Union ein – etwa, wenn es darum geht, Renten oder Pensionsansprüche aus einem anderen EU-Land zu übertragen und zu besteuern. Die EU versucht auch, eine mögliche Steuerflucht ins Ausland zu verhindern. Zwar können die Bürgerinnen und Bürger in der EU ihre Ersparnisse dort anlegen, wo sie die besten Erträge erwarten. Doch sie dürfen die bestehenden Möglichkeiten nicht dazu nutzen, Steuern zu hinterziehen.
Steuerharmonisierung oder Steuervermeidung?
Die einzelnen EU-Länder haben unterschiedliche Prioritäten, wie viele Steuern sie erheben und wie sie diese ausgeben. In einer europaweit verflochtenen Wirtschaft wirken sich Steuern aber nicht nur im eigenen Land aus, sondern auch in anderen Staaten. Zum Beispiel dann, wenn Waren oder Dienstleistungen im Ausland verkauft werden – oder Menschen sich jenseits der nationalen Grenzen eine Arbeit suchen.
(© Smartsteuer Externer Link: https://www.smartsteuer.de/online/steuerwissen/spitzensteuersatz/ )
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Aus diesem Grund gibt es ein internationales Steuerrecht, zu dem nicht nur das Außensteuerrecht gehört. Zahlreiche zwischenstaatliche Vereinbarungen werden getroffen, um die verschiedenen nationalen Bestimmungen voneinander abzugrenzen. Zu diesen Verträgen zählen vor allem Doppelbesteuerungsabkommen. Damit soll verhindert werden, dass ein Steuerpflichtiger in zwei Staaten für die gleiche Sache zweimal besteuert wird.
Ein dichtes Netz von Verträgen soll sicherstellen, dass der grenzüberschreitende Wirtschaftsaustausch von steuerlichen Hindernissen freigehalten wird. Deutschland hat mit zahlreichen Staaten Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen – von Albanien über die Mongolei bis Venezuela. Bei den meisten dieser Vereinbarungen geht es um die Besteuerung von Einkommen, Vermögen und Erbschaften.
Bei einem Doppelbesteuerungsabkommen können folgende Vorgehensweisen vereinbart werden:
(© Smartsteuer Externer Link: https://www.smartsteuer.de/online/steuerwissen/spitzensteuersatz/ )
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Wohnsitzlandprinzip: Eine Person ist in dem Staat steuerpflichtig, in dem sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Quellenlandprinzip: Eine Person ist in dem Staat steuerpflichtig, aus dem das Einkommen stammt.
Welteinkommensprinzip: Der oder die Steuerpflichtige wird mit seinem oder ihrem gesamten Welteinkommen besteuert.
Territorialitätsprinzip: Der oder die Steuerpflichtige wird nur mit dem Einkommen veranlagt, das er oder sie auf dem Territorium des betreffenden Staates erwirtschaftet hat.
In Deutschland gilt für Inländer das Wohnsitzland- und das Welteinkommensprinzip, für alle anderen gilt das Quellenland- und das Territorialitätsprinzip.
Globale Mindestbesteuerung
International agierende Unternehmen können Gewinne in einem Land erwirtschaften, ohne dort vor Ort zu sein. Die Digitalisierung macht es möglich, Gewinne in Länder mit niedrigeren Steuern zu verschieben. Die Einnahmen fehlen der Allgemeinheit am eigentlichen Standort des Konzerns, zudem erscheint es der Gesellschaft als ungerecht, wenn globale Unternehmen Millionen Steuern durch Gewinnverlagerungen sparen können, während Mittelständler und Arbeitnehmer dies nicht können.
Aus diesem Grund soll die internationale Unternehmensbesteuerung reformiert werden. Die globale Mindestbesteuerung soll die Steuern für internationale Konzerne vereinheitlichen und Steuervermeidung bekämpfen. Die Mitgliedsstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und der G20 haben sich 2021 auf die Mindestbesteuerung verständigt. Diese sieht vor, dass multinationale Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 750 Millionen Euro eine Mindeststeuer von 15 Prozent auf ihre Gewinne zahlen müssen. Dies gilt unabhängig davon, in welchem Land der Konzern die Gewinne erzielt.
Die Mindeststeuer dürfte rund 8000 Unternehmen weltweit treffen, die OECD rechnet mit einem Steueraufkommen von mehr als 220 Milliarden US-Dollar. Der internationalen Vereinbarung haben sich inzwischen 141 Staaten angeschlossen. Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union haben sich darüber hinaus auf eine gemeinsame Richtlinie verständigt, die in nationales Recht umgesetzt werden muss. Demnach gilt die Mindestbesteuerung für alle international tätigen Unternehmen und große inländische Gruppen, die einen Umsatz oberhalb von 750 Millionen Euro erwirtschaften.
Reformierung der Unternehmensbesteuerung durch die Einführung einer gobalen Mindestbesteuerung
(© Bundesministerium der Finanzen)
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