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Informationen zur politischen Bildung Nr. 360/2024

Finanzpolitik und Staatsausgaben

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Das Haushaltsrecht gilt als Königsrecht des Parlaments. Dieses entscheidet, wofür und wann Steuergelder ausgegeben werden. Die Staatsverschuldung steigt an, Lösungen dazu werden kontrovers diskutiert.

Eine Karikatur zeigt zwei Personen, die am unteren Bildrand in einem Schlauchboot auf einem durch Hochwasser über die Ufer getretenen Fluss paddeln. Hinter den beiden stehen die Reste einer eingestürzten Autobahnbrücke, sowie rechts und links des Flusses überschwemmte Gebäude in desolatem Zustand. Auf einem herabgesunkenen Banner liest man: „Kilmaschutz investieren jetzt“. Die Frau, die vorne im Boot sitzt, fragt mit ratlosem Blick ihren Mann: „Was denkst du gerade?“, woraufhin er entgegnet: „Die schwarze Null steht“.

(© Thomas Plaßmann/Baaske Cartoons Müllheim)

Der Staat finanziert sich durch Steuereinnahmen. Für jede föderale Ebene – für den Bund, die einzelnen Länder sowie für Städte und Gemeinden gilt dabei: Alle Einnahmen werden für alle Ausgaben verwendet – das nennt man auch das Gesamtdeckungsprinzip. Und alle Einnahmen und Ausgaben eines Jahres müssen in einem Haushalt aufgestellt werden.

Definition und Bedeutung der Finanzpolitik

Die Finanzpolitik umfasst alle staatlichen Entscheidungen, die sich mit Einnahmen oder Ausgaben der öffentlichen Hand befassen, die Steuer- und Ausgabenpolitik betreffen sowie die öffentlichen Schulden und das Vermögen des Staates. Im Idealfall soll der Staat seine Ausgaben dauerhaft danach ausrichten, mit welchen Einnahmen er rechnen kann. Auf diese Weise sollen möglichst wenig Schulden gemacht und möglichst wenig neue Kredite aufgenommen werden. Allerdings geht es häufig nicht ohne Schulden, denn zum einen muss der Staat bestimmte Aufgaben kontinuierlich wahrnehmen. Zum anderen hat jede Regierung eine bestimmte Vorstellung davon, wie sie Politik gestalten will. Finanzpolitik kann zum Beispiel diese Ziele verfolgen:

Eine Grafik zeigt den Anstieg von Subventionen im Zeitraum von 2020 bis 2024, aufgeteilt in Finanzhilfen und Steuervergünstigungen.

(© Bundesministerium der Finanzen © 2023 IW Medien / iwd)

  • soziale Gerechtigkeit durch Umverteilung zu fördern;

  • die Konjunktur anzuregen;

  • das Wirtschaftswachstum zu beleben.

Außerdem geht es darum, Ressourcen effizient zu verteilen, konjunkturelle Schwankungen abzufedern und Krisen zu stabili­sieren. Der Finanzpolitik stehen dazu verschiedene Instrumente zur Verfügung, auf der Einnahmenseite neben der Erhebung von Steuern die Ausgabe von Staatsanleihen oder Einnahmen aus öffentlichen Unternehmen. Auf der Ausgabenseite fokussiert sich die Finanzpolitik auf Investitionen, Sozialleistungen, Subventionen und Transfers.

Aufgelistet werden die 10 größten Posten, an die der Bund Finanzhilfe zahlt. Die Bundesförderung für effiziente Gebäude nimmt dabei mit Abstand den Spitzenplatz ein.

(© Bundesministerium der Finanzen © 2023 IW Medien / iwd)

Sämtliche Steuereinnahmen werden in den öffentlichen Haushalten abgebildet. Zugleich muss aus dem jeweiligen Haushaltsplan hervorgehen, wofür diese Einnahmen benötigt und wofür sie ausgegeben werden. Der Haushaltsplan ist damit auch ein Kontrollinstrument für die Parlamente, die ihn mit einem Haushaltsgesetz verabschieden müssen. An dieses Haushaltsgesetz sind die Ministerien dann gebunden.

Haushalt: Wie plant und verwaltet der Staat sein Budget?

Alle Steuereinnahmen fließen in den Haushalt – je nachdem, wem die Steuer zusteht, in den Etat des Bundes, der Länder oder der Gemeinden. Bis ein Staatshaushalt beschlossen und verabschiedet ist, müssen die Verantwortlichen einen langen Weg beschreiten. In der Öffentlichkeit wird der Bundeshaushalt vor allem im Herbst wahrgenommen. Denn dann wird die Haushaltsdebatte im Bundestag häufig zum politischen Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition genutzt. Im Grunde genommen befassen sich Ministerien, Ausschüsse und Abgeordnete jedoch fast das ganze Jahr mit dem Thema Haushalt. Ist der eine verabschiedet, nimmt das Bundesfinanzministerium bereits die Planung für den Haushalt des darauffolgenden Jahres in Angriff.

Im Bundesfinanzministerium fließen alle Informationen zusammen, die für den Entwurf des Haushalts und den mittelfristigen Finanzplan notwendig sind. Mit der Aufstellung von Eckwerten, die im März eines Jahres vom Bundeskabinett abgesegnet werden, beginnt hier die Arbeit am Haushaltsplan. Anhand der Eckwerte werden für jedes Ministerium sogenannte Grenzbeträge festgelegt. Ziel ist es, die Ausgaben der einzelnen Ministerien von vorneherein zu beschränken und den Finanzrahmen für die kommenden vier Jahre vorzugeben.

Im Mai gibt es zum ersten Mal Zahlen, wenn der Arbeitskreis „Steuerschätzungen“ seine Frühjahrsprognose vorlegt. Denn um den Haushalt realistisch planen zu können, müssen alle Beteiligten über die voraussichtlich zur Verfügung stehenden Einnahmen Bescheid wissen. Daher treffen sich im Arbeitskreis „Steuerschätzungen“ zweimal im Jahr Vertreterinnen und Vertreter

  • der Finanzministerien von Bund und Ländern,

  • der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute,

  • des Statistischen Bundesamts,

  • des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (auch die „Fünf Wirtschaftsweisen“ genannt),

  • der Deutschen Bundesbank und

  • der Bundesvereinigung kommunaler Spitzenverbände,

um die Steuereinnahmen zu schätzen und die gesamtwirtschaftliche Entwicklung zu begutachten.

Im Frühsommer tagt auch der Stabilitätsrat. Der Stabilitätsrat hat die Aufgabe, die föderalen Ebenen bei der Aufstellung der Haushalts- und Finanzpläne zu beraten und die gesamt- und finanzwirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Auge zu behalten. Denn die Einnahmen und Ausgaben der verschiedenen staatlichen Ebenen sollten natürlich aufeinander abgestimmt sein. Zudem achtet der Stabilitätsrat darauf, dass Deutschland seinen Verpflichtungen gegenüber der Europäischen Union im Zusammenhang mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt nachkommen kann.

Da auf der einen Seite jedes Ressort für sich bestimmte Einnahmen beansprucht und dabei kaum zu Abstrichen bereit ist, auf der anderen Seite aber nur begrenzte Einnahmen zur Verfügung stehen, muss verhandelt werden: erst einmal auf Referatsleitungsebene, dann auf Abteilungsleitungsebene und schließlich auch zwischen dem Bundesfinanzministerium und seinen Kolleginnen und Kollegen auf Ministeriumsebene. Können sich die Beteiligten nicht einigen, entscheidet die Bundesregierung.

Im Sommer beschließt das Kabinett den gesamten Haushaltsentwurf und den Finanzplan; im August wird das mehrere tausend Seiten starke Werk Bundestag und Bundesrat übermittelt. Der Haushaltsentwurf gliedert sich in einen Gesamtplan und in Einzelpläne:

  • Im Gesamtplan sind alle Einzelpläne zusammengefasst; in der Haushaltsübersicht werden diese Einzelpläne haushaltssystematisch dargestellt. In der Finanzierungsübersicht wird das Finanzierungssaldo berechnet und im Kreditfinanzierungsplan werden die Einnahmen aus Krediten und die Tilgungsausgaben gegenübergestellt.

  • Die Einzelpläne werden eingeleitet mit einer Übersicht über Gruppierungen, Funktionen, Personal und durchlaufende Posten. In den Einzelplänen wird genau aufgeführt, was im jeweiligen Ressort eingenommen und wofür es ausgegeben werden soll. Außerdem sind hier die Verpflichtungsermächtigungen, also Vorgriffe auf spätere Haushaltsjahre, veranschlagt. Dabei gilt grundsätzlich das Ministerialprinzip, jedem Ressort wird ein Einzelplan zugewiesen.

Im Herbst haben Bundesrat und Bundestag das Wort: Das Parlament berät in erster Lesung über den Haushalt und seine Einzelpläne – in aller Regel in der ersten Sitzungswoche nach der Sommerpause, der sogenannten Haushaltswoche. Diese Debatte wird zu einer Generalaussprache über die Grundzüge der Regierungspolitik genutzt. Eine besondere Stellung nimmt dabei die Beratung über den Etat des Kanzleramts ein. Zwar fällt dieser Einzelplan zahlenmäßig nicht sonderlich ins Gewicht. Da er in der Debatte stellvertretend für die gesamte Regierungspolitik steht, kommt es bei der Aussprache über diesen Etat aber regelmäßig zu einem Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition. Sind die mehrere Tage andauernden Beratungen abgeschlossen, wird der Haushaltsentwurf an den Haushalts­ausschuss des Bundestages verwiesen [Zur Beratung von Fachthemen und zur Vorbereitung der Beschlüsse im Plenum setzt der Bundestag Ausschüsse ein, die nach der Stärke der Fraktionen im Bundestag besetzt werden, Anm. d. Red.]. Hier beginnt die eigentliche Arbeit: Der Ausschuss prüft sämtliche Ansätze, die sich auf mehrere tausend Einnahme- und Ausgabepositionen belaufen, und macht Änderungsvorschläge, wo er es für notwendig hält.

In die abschließenden Beratungen des Haushaltsausschusses im November fließen dann die kurzfristigen Schätzungen und Prognosen aus der Herbstsitzung des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ ein. In der zweiten Lesung im Bundestag werden die Ergebnisse des Haushaltsausschusses vorgestellt – und der geänderte Entwurf beraten. Jeder Einzelplan wird nun beschlossen, in der dritten Lesung wird über den Haushaltsentwurf im Gesamten abgestimmt. Nach diesem Votum kommt noch einmal der Bundesrat zu Wort, der – sofern er mit dem Entwurf nicht einverstanden ist – den Vermittlungsausschuss anrufen kann. Ändert dieser noch einmal etwas am Entwurf, muss der Bundestag darüber entscheiden, ob er diese Änderungen übernimmt.

Schließlich wird das Haushaltsgesetz festgestellt und Ende Dezember – in der Regel im Bundesgesetzblatt – der endgültige Haushalt offiziell verkündet. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bundesfinanzministerium sind zu diesem Zeitpunkt schon wieder damit beschäftigt, das Aufstellungsrundschreiben für den nächsten Haushalt zu verfassen. Dieser lange Weg zeigt: Ein Haushaltsplan ist und bleibt eine Prognose für einen bestimmten Zeitraum. Er gibt lediglich die Ziele für Einnahmen und Ausgaben vor. Der Haushaltsausschuss des Bundestags kontrolliert fortlaufend den Umgang mit den Einnahmen; auch der Bundesrechnungshof prüft Einnahmen und Ausgaben.

Staatsverschuldung und Schuldenbremse

In den vergangenen Jahrzehnten sind sowohl die Einnahmen als auch die Ausgaben kontinuierlich gewachsen – meist überstiegen die Ausgaben die Einnahmen. In einer Phase zwischen 2014 und 2019 erzielte der Fiskus jeweils einen Finanzierungsüberschuss, eine Entwicklung, die durch die Coronapandemie beendet wurde.

Ein Balkendiagramm gibt Auskunft über die Schulden beim nicht-öffentlichen Bereich der einzelnen Bundesländer. Angeführt wird die Tabelle von Bremen mit den meisten Schulden je Einwohner/-in. Das Schlusslicht mit der geringsten Verschuldung bildet der Freistaat Sachsen.

(© Quelle: Statistisches Bundesamt (Destatis), 2024)

Unvorhergesehene Lücken in einem Etat entstehen meist durch höhere Ausgaben, die so nicht geplant waren und an anderer Stelle nicht eingespart werden können. Oder aber die Steuereinnahmen fallen niedriger aus als geschätzt.

In solchen Fällen muss ein Nachtragshaushalt eingebracht werden, der die bereits beschlossene und festgeschriebene Planung verändert. Ein solcher Nachtragshaushalt muss wie der richtige Etat

Ein Balkendiagramm zeigt die Schuldenquoten der EU-Länder an. Angeführt von Griechenland mit 161,9% des BIP, endet die Liste bei der estländischen Quote von 19,6 des BIP. Deutschland landet mit 63,6% im Mittelfeld.

(© Quelle: Statistisches Bundesamt (Destatis), 2024)

  • vom Bundesfinanzminister aufgestellt,

  • vom Kabinett verabschiedet,

  • vom Haushaltsausschuss beraten,

  • vom Parlament beschlossen und,

  • soweit es den Bundeshaushalt betrifft, vom Bundesrat angenommen werden.

Häufig geht es hier auch um zusätzliche Neuverschuldung.

Im Gegensatz dazu kann ein Haushaltsdefizit von einer Regierung toleriert werden, etwa, um in wirtschaftlichen Krisenzeiten den Konjunkturmotor anzukurbeln. Gedeckt werden kann dies nur durch neue Kredite; daher ist der Begriff der Neuverschuldung eng mit dem Haushaltsdefizit verbunden.

Unterschieden wird zwischen der Bruttoneuverschuldung und der Nettoneuverschuldung (Nettokreditaufnahme). Alle neu aufgenommenen Kredite in einem bestimmten Zeitraum werden als Bruttoneuverschuldung bezeichnet. Die Nettokreditaufnahme meint die Bruttoneuverschuldung abzüglich der Verbindlichkeiten, die im gleichen Zeitraum getilgt worden sind.

Um die öffentlichen Haushalte nachhaltig zu sanieren, ist die Aufnahme neuer Schulden allerdings nur begrenzt möglich. 2011 wurde die sogenannte Schuldenbremse im Grundgesetz etabliert.

Seitdem darf der Bund nur noch eine strukturelle Verschuldung in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aufweisen. Ausnahmen sind allein in Notsituationen und bei Naturkatastrophen gestattet – oder dann, wenn die konjunktu­relle Entwicklung „von der Normallage abweicht“. Kredite, die aufgenommen werden, um den Aufschwung anzukurbeln, müssen „konjunkturgerecht“ zurückgeführt werden. Ziel dieser Schuldenbremse ist es, den aufgehäuften Schuldenberg Stück für Stück abzutragen. Schulden müssen also im Einklang mit der Verfassung stehen. Außerdem muss sich Deutschland an europäischen Vorgaben orientieren und den Stabilitäts- und Wachstumspakt einhalten.

Sondervermögen – Schulden außer Sicht?

In der Haushaltsplanung des Bundes haben Sondervermögen in­zwischen eine große Bedeutung erlangt. Allein in den Jahren 2011 (Klima- und Transformationsfonds), 2020 (Wirtschaftsstabi­lisierungsfonds Corona) und 2022 (Sondervermögen Bundeswehr sowie WSF-Energiekrise) errichtete der Bund nach Angaben des Bundesrechnungshofs Sondervermögen im Umfang von 555 Milliarden Euro. Die Prüferinnen und Prüfer betrachten dies kritisch, da nach Auffassung des Bundesrechnungshofs „Zwecke, die zu den Kernaufgaben des Staates gehören, (…) aus dem Kernhaushalt zu finanzieren sind“.

Der Begriff des Sondervermögens ist gesetzlich nicht definiert; Vorschriften der Verwaltung beschreiben dies als rechtlich unselbstständige abgesonderte Teile des Bundesvermögens, die durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes entstanden und zur Erfüllung einzelner Aufgaben des Bundes bestimmt sind. Daher werden Sondervermögen auch als Sonderhaushalte bezeichnet. Das Grundgesetz erwähnt die Möglichkeit für Sondervermögen; da diese aber aus dem Haushalt ausgegliedert sind, unterliegen sie auch nicht den normalen Haushaltsgrundsätzen der Vollständigkeit und Einheit. Gegenwärtig bestehen beim Bund 29 Sondervermögen, die ältesten stammen noch aus den 1950er-Jahren.

Tabellarisch aufgelistet finden sich hier die jeweiligen Sondervermögen des Bundes seit 1951.

(© Quelle: Bundesrechnungshof (Hrsg.): Bericht nach § 88 Absatz 2 BHO an das Bundesministerium der Finanzen über die Sondervermögen des Bundes und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Haushaltstransparenz sowie die Funktionsfähigkeit der Schuldenregel)

Um die Budgethoheit des Parlaments und die Etatplanung über den Kernhaushalt nicht auszuhöhlen, fordern Expertinnen und Experten, dass derartige Sonderhaushalte eine gut begründete Ausnahme bleiben und kein zu großes Ausmaß annehmen sollten.

Ein Urteil mit gewaltigen Folgen

Im November 2023 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das Zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021 nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist: Kredite in Höhe von 60 Milliarden Euro – aus einem Sondervermögen zur Bewältigung der Coronakrise – waren verfassungswidrig in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) umgewidmet worden. Erstes Problem: Solche Sondervermögen sind zweckgebunden. Zweites Problem: Der Nachtragshaushalt verstieß gegen den Grundsatz der Jährlichkeit und Jährigkeit. Danach verfallen Kreditermächtigungen, wenn sie in einem Jahr nicht genutzt werden.

Ein Urteil, das nicht nur erstmalig ausführlich rechtlich ­klärte, wie notlagenbedingte Kredite zu verwenden sind – sondern auch eine Entscheidung, die die Bundesregierung vor gewaltige finanzielle Probleme stellte. Mittel, beispielsweise für die Gas- und Strompreisbremse oder den Wiederaufbau des Ahrtals nach der Flut 2021, waren bereits ausgezahlt und nun rechtswidrig aus Sondervermögen finanziert. Andere Projekte, etwa zum Ausbau der erneuerbaren Energien, drohten zu scheitern. Also mussten äußerst schnell Ersatzfinanzierungen gefunden werden.

Mitte Dezember 2023 wurde zunächst ein Nachtragshaushalt für 2023 beschlossen. Darin wurden bereits ausgezahlte Mittel unter anderem durch das Aufnehmen von Schulden finanziert. Zudem verzögerte sich die Planung für den Bundeshaushalt 2024. Dieser hätte planmäßig im November verabschiedet werden sollen, wurde jedoch erst im Februar 2024 vom Bundestag verabschiedet. Ungedeckte Ausgaben in Höhe von rund 17 Milliarden Euro mussten anders finanziert werden, Einnahmen des Bundes erhöht und Ausgaben eingespart werden. Auch in der Planung für das Haushaltsjahr 2025 sind Lücken aufgerissen.

Das Urteil hat eine Debatte darüber ausgelöst, ob die Schuldenbremse reformiert werden sollte. Auch darüber, auf welche Weise die Haushaltslöcher gestopft werden könnten, herrscht Uneinigkeit in der Politik und unter Expertinnen und Experten. So wird beispielsweise vorgeschlagen, notwendige Kürzungen auf entbehrliche Subventionen zu beschränken. Allerdings haben die Proteste gegen Einsparungen im Agrarbereich deutlich gemacht, dass Subventionskürzungen nur gegen große Widerstände der Betroffenen durchzusetzen sind oder mit langen Übergangsfristen versehen werden müssen.

Auch Steuererhöhungen werden diskutiert, die jedoch private Investitionen hemmen könnten. Weitere kreditfinanzierte Sondervermögen wären eine zusätzliche Möglichkeit, die Ausgaben zu finanzieren – mit dem Risiko, dass noch mehr staatliche Investitionen in Sondervermögen verlagert würden und damit die Gefahr besteht, andere Haushaltsgrundsätze zu verletzen. Letztlich könnte für betroffene Jahre erneut eine Haushaltsnotlage erklärt werden, um Spielraum für neue Kredite zu eröffnen; so ließe sich die Schuldenbremse umgehen.