Wir alle zahlen Steuern, bei vielen Gelegenheiten, in unterschiedlichen Situationen, in (fast) jedem Alter – manchmal auch, ohne es zu merken. Wer im Café einen Cappuccino trinkt, sieht auf der Rechnung später nur die Umsatzsteuer [umgangssprachlich wird diese auch Mehrwertsteuer genannt, Anm. d. Red.]. Die Kaffeesteuer, die im Preis enthalten ist, wandert unbemerkt aus dem Portemonnaie des Kaffeetrinkers in die Kasse des Fiskus. Und mit jeder verkauften Vape oder Zigarette nimmt der Staat – zusätzlich zur Umsatzsteuer – auch noch Tabaksteuer ein. Der Staat verdient mit, gleich ob wir im Supermarkt einkaufen, unser Auto betanken oder Gehalt für unseren Job beziehen. Und das ist auch gut so, denn der Staat, und damit unsere Gesellschaft, benötigt Geld. Und Steuern sind hierfür die erste und wichtigste Einnahmequelle.
Bund, Länder und Gemeinden entscheiden, wofür die Steuereinnahmen ausgegeben werden, um so ihre Aufgaben erfüllen zu können. Dabei versuchen sie, nicht nur die Steuergelder, sondern auch die Steuerlast möglichst gerecht zu verteilen. Was aber bekommen wir für diese Steuerzahlungen? Und warum müssen wir überhaupt Steuern zahlen?
Definition von Steuern und Funktion im Staat
Steuern sind die Grundlage eines jeden politischen Systems, sie verschaffen dem Staat Geld. So können die staatlichen Ebenen die Aufgaben finanzieren, für die sie zuständig und verantwortlich sind. Dazu zählen die Leistungen, die wir von einem Gemeinwesen erwarten, beispielsweise:
Bildung,
öffentliche Infrastruktur,
Gesundheitswesen, soziale Absicherung oder
die innere und äußere Sicherheit.
Schulen, Straßen, Krankenhäuser und Kindergärten müssen ebenso bezahlt werden wie Aufgaben im Umweltschutz, die Gerichte oder die Polizei. Im Jahr 2024 waren die fünf größten Posten im Bundeshaushalt diese Etats [Stand: Juni 2024]:
Bundesministerium für Arbeit und Soziales: 36,8 Prozent
Bundesministerium der Verteidigung: 10,9 Prozent
Bundesministerium für Digitales und Verkehr: 9,2 Prozent
Bundesschuld: 8,3 Prozent
Allgemeine Finanzverwaltung: 8,1 Prozent
Der größte Einzelposten im Bundeshaushalt ist der Zuschuss zur Rentenversicherung und Grundsicherung im Alter – im Jahr 2024 rund 127 Milliarden Euro.
Steuern dienen also zum einen dazu, die Staatsausgaben zu decken. Zum anderen werden sie aber auch dazu genutzt, Verhaltensweisen zu lenken oder Geld mit Blick auf die soziale Gerechtigkeit umzuverteilen. So ist die Tabaksteuer ein Beispiel dafür, dass der Staat versucht, über Steuern das Rauchen einzudämmen. Und mit dem gestaffelten Einkommensteuertarif will der Staat erreichen, dass Menschen mit einem hohen Einkommen mehr Steuern zahlen als Leute mit wenig Geld.
Was sind eigentlich Steuern?
Steuern sind Zwangsabgaben, die Bund, Länder und Gemeinden den Bürgerinnen und Bürgern auferlegen können. In der Abgabenordnung (AO) ist genau definiert, was Steuern sind:
„Steuern sind Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein.“ (§ 3 Abs. 1 AO)
Steuereinnahmen sind an keinen bestimmten Zweck gebunden. Mit den Einnahmen aus der Kfz-Steuer werden also nicht zwingend Schlaglöcher ausgebessert oder Brücken repariert. Jeder Steuer-Euro fließt unabhängig von der Steuerart in die Staatskasse, aus dem wiederum alle Ausgaben finanziert werden. Denn alle Einnahmen im Haushalt müssen zur Finanzierung aller Kosten dienen.
Steuern sind auch nicht damit verbunden, dass Steuerzahler im Gegenzug direkt eine Leistung erhalten. Umgekehrt gilt: Die Bürgerinnen und Bürger können sich nicht weigern, Steuern zu zahlen, weil sie mit einer bestimmten Staatsausgabe – beispielsweise für den Ausbau einer Schnellstraße in der Nähe eines Landschaftsschutzgebiets – nicht einverstanden sind. Und um beim Beispiel der Kfz-Steuer zu bleiben: Diejenigen, die einen bestimmten „Tatbestand“ – wie es im Finanzamtsdeutsch heißt – nicht erfüllen, müssen die jeweilige Steuer auch nicht bezahlen. Das bedeutet: Wer kein Auto besitzt, muss auch keine Kfz-Steuer entrichten.
Steuern sind also Abgaben, die alle Bürgerinnen und Bürger leisten müssen. Aber obwohl der Staat uns dazu verpflichtet, Steuern zu zahlen, dürfen diese nicht willkürlich erhoben werden. Dass Politikerinnen und Politiker derartige politische Entscheidungen nicht beliebig treffen können, gilt natürlich nicht nur für die Steuern, sondern allgemein für den demokratischen Rechtsstaat: Die Gewaltenteilung zwischen Parlament, Regierung und unabhängiger Justiz schützt die Bevölkerung davor, dass der Staat seine Macht missbraucht.
Unterschied zu anderen Abgaben
Neben den Steuern hat der Fiskus noch weitere Einnahmequellen. So kann der Staat in bestimmten Fällen auch Schulden machen und Kredite aufnehmen. Allerdings gibt es dafür eng gesteckte Grenzen. Diese Schuldenregel – besser bekannt als Schuldenbremse – ist im Grundgesetz verankert. Ausnahmen sind beispielsweise in wirtschaftlichen Krisenzeiten oder bei Naturkatastrophen erlaubt.
QuellentextWo sich der Staat Geld leiht
Der Staat kann sich auch bei Bürgerinnen und Bürgern Geld leihen. Dafür gibt es sogenannte Staatsanleihen. Diese Staatsanleihen sind eine spezielle Form von Krediten. Privatpersonen können diese Anleihen als Wertpapiere bei einer Bank kaufen und leihen dem Staat damit Geld. Die Staatsanleihen haben festgelegte Laufzeiten – im Fall der Bundesanleihen zwischen sieben und 30 Jahren. Am Ende muss der Betrag an den Geldgeber zurückgezahlt werden. Während der Laufzeit erhalten die Inhaber einer Anleihe Zinsen für den gewährten Kredit. Sie müssen das Wertpapier auch nicht bis zum Ende der Laufzeit halten, sondern können es bereits vorher an andere Anlegerinnen und Anleger verkaufen.
Constanze Elter
Weitere Formen öffentlicher Einnahmen sind Gebühren und Beiträge. Diese Abgaben unterscheiden sich von den Steuern vor allem dadurch, dass es für das Geld eine Gegenleistung gibt. Beiträge müssen gezahlt werden, wenn wir die Möglichkeit haben, bestimmte Einrichtungen oder Leistungen zu nutzen. Hier werden Kosten, die einer Bevölkerungsgruppe zugutekommen, auf diese gesamte Gruppe umgelegt. Beispiele dafür sind Straßenanliegerbeiträge oder die Beiträge zur Sozialversicherung. Gebühren fallen nur dann an, wenn wir tatsächlich etwas in Anspruch nehmen – zum Beispiel einen neuen Personalausweis beantragen, an einer Hochschule studieren oder ins Freibad gehen.
Prinzipien der Besteuerung
Es soll gerecht zugehen in puncto Steuern, die Steuerlast soll fair verteilt werden. Aber wie ein gerechtes Steuersystem aussehen soll, darüber streiten Ökonominnen und Ökonomen immer wieder.
Wie soll ein Steuersystem gestaltet werden?
Da Steuern nun einmal notwendig sind, stellt sich die Frage, wie die Steuerlast auf die Bürgerinnen und Bürger verteilt werden soll. Denkbar wäre, dass Steuern für bestimmte Leistungen erhoben werden. Wie viel Steuern der oder die Einzelne zahlt, würde sich dann danach richten, wie hoch der individuelle Nutzen ausfällt, den die Betreffenden aus den verschiedenen Leistungen des Staates ziehen. Wir würden dann nur so viel (oder so wenig) Steuern bezahlen, wie wir auch tatsächlich als staatliche Leistungen in Anspruch nehmen. Dies wird als Äquivalenzprinzip bezeichnet – ein Prinzip, das in der Marktwirtschaft auch als Kosten-Nutzen-Prinzip bekannt ist.
In der Theorie hört sich dies nach einem gerechten Modell an, in der Praxis dürfte es jedoch schwierig werden, einen exakten (Steuer-)Preis zu berechnen. Nicht jede Leistung des Staates ist (ausschließlich) individuell bestimmbar und jedem Einzelnen genau zuzurechnen. Wenn Steuern also nicht nach dem Kosten-Nutzen-Prinzip berechnet werden können, dann vielleicht danach, was der oder die Einzelne in der Lage ist zu zahlen: Das sogenannte Leistungsfähigkeitsprinzip orientiert sich daran, welche wirtschaftlichen Möglichkeiten Steuerzahler haben. Woran aber wird dies gemessen: daran, was wir verdienen, was wir sparen – oder daran, wieviel wir kaufen und konsumieren?
Über diese Fragen zerbricht sich die Wissenschaft schon seit Jahrhunderten den Kopf. Denn eines ist klar: Die Bürgerinnen und Bürger sollen zwar Steuern zahlen, aber nicht durch Steuern ausgenommen werden. Schließlich liegt es im Interesse des Staates, dass die Quelle der Einnahmen nicht versiegt, sprich, dass die Menschen auch langfristig bereit und in der Lage sind, ihre Steuern zu zahlen.
Wie das funktionieren könnte, haben sich schon die Ökonomen des 18. Jahrhunderts überlegt. Adam Smith (1723-1790, Philosoph und Nationalökonom) hat 1776 in seinem Buch The Wealth of Nations („Der Wohlstand der Nationen“) die Grundsätze für ein „gutes“ Steuersystem aufgestellt und gilt als Begründer der Grundlagen moderner Besteuerung. Die Prinzipien mögen heute zum Teil etwas altertümlich klingen, haben aber immer noch Geltung: Gleichheit, Bestimmtheit, Bequemlichkeit, Billigkeit.
Wichtig war für Adam Smith vor allem die Forderung nach der „Gleichheit“ oder auch „Gleichmäßigkeit“ der Besteuerung: Die Bürger sollten steuerliche Abgaben im Verhältnis zu ihren Fähigkeiten und ihrem Einkommen leisten [Zu Smiths Zeiten war das nur die männliche Bevölkerung, Anm. d. Red.]. Was Smith „Bestimmtheit“ nannte, meint nichts anderes, als dass Steuergesetze, Steuerverwaltung sowie die Steuerzahlung selbst so weit wie nur möglich transparent und vor allem nachvollziehbar sein sollten.
Außerdem müsse der Staat die negativen ökonomischen Reaktionen der Bürger in Grenzen halten. Was Smith hier mit dem Begriff „Bequemlichkeit“ bezeichnet, bedeutet im Klartext: Die Besteuerung soll sich möglichst nicht hemmend auf die Wirtschaftstätigkeit auswirken. Die Steuer soll zudem einfach zu entrichten sein. Smith vertrat außerdem die Meinung, dass der Staat bei der Erhebung von Steuern darauf achten muss, dass die Kosten dafür nicht zu hoch werden. Er nannte dies „Billigkeit“ – heute würde man es eher als Effizienz bezeichnen.
Das sind bis heute die Eckpfeiler eines gerechten Steuersystems. Zumindest in der Theorie. Denn in der Praxis werfen diese Grundsätze bis heute immer wieder die gleichen Probleme auf: Ein möglichst individuell gerechtes Steuersystem braucht viele Regeln, damit jeder Einzelfall und jede persönliche Situation so gut wie möglich berücksichtigt werden können. Viele Vorschriften führen aber wiederum dazu, dass das Steuerrecht kompliziert wird. Die dahinterstehenden Gerechtigkeitsprinzipien sind nur noch zum Teil erkennbar, das Dickicht von Paragrafen und Ausnahmen macht das Steuersystem für den Laien nahezu unverständlich.
Ein einfaches, für alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler durchschaubares System kann wiederum nicht jedem Einzelfall möglichst individuell gerecht werden. Daher finden sich diese Besteuerungsprinzipien in unterschiedlicher Ausprägung zwar in allen Steuersystemen weltweit wieder. Die Schwerpunkte werden allerdings unterschiedlich gesetzt.
QuellentextUngerechtes Steuersystem? – Der Ökonom Andreas Peichl im Interview
FOCUS online: Herr Peichl, die Steuererklärung ist für viele ein Ärgernis. Vor allem, weil sie deutlich macht, wie viel Geld jedes Jahr an den Fiskus geht. Viele Deutsche wünschen sich eine „gerechtere“ Besteuerung und fühlen sich benachteiligt. Können Sie diesen Unmut nachvollziehen?
Andreas Peichl: Ja und nein. Wer viel Steuern zahlt, verdient auch viel. Außerdem finanziert der Staat mit diesen Einnahmen auch wichtige öffentliche Güter und stellt zum Beispiel Infrastruktur zur Verfügung. Außerdem ist es oft so, dass man Geld vom Finanzamt zurückbekommt, wenn man eine Steuererklärung macht. Doktoranden und Doktorandinnen von mir haben gezeigt, dass insbesondere Bezieher kleiner Einkommen, die auf eine Steuererklärung verzichten, dem Fiskus so jedes Jahr mehr als eine Milliarde Euro schenken.
Aber individuell ist es natürlich nachvollziehbar, dass man lieber weniger als mehr zahlen möchte. Wenn das alle machen würden, gäbe es jedoch keinen Staat mehr. Wie hoch eine „gerechte“ Steuerbelastung ist, ist eine philosophische oder politische Frage.
Einige Experten argumentieren, dass die Lohnsteuer die Arbeitnehmer zu stark belastet und zu wenig Arbeits- und Leistungsanreize bietet. Wo sehen Sie hier Handlungsbedarf?
Peichl: Die Lohnsteuer an sich ist nicht das Problem. Es ist vielmehr das Zusammenspiel von Lohn- bzw. Einkommensteuer, Sozialabgaben und auch dem Wegfall von Sozialleistungen. Das führt dazu, dass es Einkommensbereiche gibt, in denen es sich kaum noch lohnt, mehr zu arbeiten bzw. mehr zu verdienen, weil man netto nicht viel mehr – oder im Extremfall sogar weniger – zur Verfügung hat, wenn man brutto mehr verdient. Wir haben ein komplexes Gesamtsystem mit vielen, teilweise nur schlecht aufeinander abgestimmten Regelungen.
Wäre es nicht auch gerechter, zum Beispiel die Einkommensteuer danach zu staffeln, wo das Geld verdient wird? Denn jemand, der in München 50.000 Euro verdient, hat ganz andere Kosten als jemand, der in Thüringen auf dem Land lebt und arbeitet und dort auch ganz andere Konsummöglichkeiten hat.
Peichl: Eine regionale Differenzierung gibt es in Deutschland bisher nur beim Wohngeld oder bei den Kosten der Unterkunft im Bürgergeld. Bei der Einkommensteuer wird dies immer wieder diskutiert. Aber so einfach ist das nicht.
Was ist das Problem?
Peichl: Die hohen Wohnkosten in München spiegeln auch die relative Knappheit auf dem Wohnungsmarkt wider. München ist aus verschiedenen Gründen sehr attraktiv – […] weil es einen hohen Freizeitwert aufgrund der Lage gibt, weil es viele attraktive Arbeitsplätze gibt oder auch, weil München viele Konsummöglichkeiten und öffentliche Infrastruktur bietet, die so „auf dem Land“ nicht existieren. Wenn man das jetzt auch noch steuerlich begünstigen würde, würde sich das Problem auf dem Wohnungsmarkt noch verschärfen.
Die Grundidee der progressiven Einkommensteuer ist ja eigentlich einfach: Wer in Deutschland mehr verdient, zahlt auch mehr Steuern. Dennoch heißt es oft, die Steuerlast sei hierzulande nicht gerecht verteilt. Reiche würden bevorzugt. Was wäre die Folge, wenn der Staat sie stärker belasten würde?
Peichl: Wir haben in Deutschland eine sogenannte „synthetische“ Einkommensteuer mit sieben verschiedenen Einkommensarten. Für jede dieser Einkommensarten, wie zum Beispiel „nicht-selbstständige Arbeit“ oder „Gewerbebetrieb“, gilt, dass jemand mit einem höheren Einkommen auch mehr Steuern zahlt als jemand mit einem niedrigeren Einkommen.
Manche Einkünfte werden aber auch gar nicht oder nur teilweise besteuert, z.B. weil es in Deutschland im internationalen Vergleich sehr viele Möglichkeiten gibt, gewisse Dinge abzusetzen, oder weil Verluste in einer Kategorie oder aus Vorjahren mit Gewinnen in einer anderen Kategorie verrechnet werden, so dass zwei Personen mit gleichem Einkommen in einem Jahr unterschiedlich besteuert werden können.
Wie hoch die „gerechte“ Besteuerung der „Reichen“ ist und wo man die Grenze ziehen will, ist, wie gesagt, eine philosophisch-politische Frage. Es gibt aber verfassungsrechtliche Grenzen für die Höhe der Besteuerung und wir wissen aus der ökonomischen Theorie und Empirie, dass Menschen auf Besteuerung reagieren und es daher auch eine ökonomisch sinnvolle Obergrenze gibt. Ist der Steuersatz zu hoch, kann der Fiskus Mehreinnahmen erzielen, wenn die Steuern gesenkt und nicht weiter erhöht werden. […]
Thomas Sabin, „Wut auf ‚unfaires Steuersystem‘ – warum wir uns die Briten genau ansehen sollten“, in: FOCUS Online vom 14. Februar 2024. Online: Externer Link: https://www.focus.de/finanzen/steuern/oekonom-ueber-steuergerechtigkeit-von-wegen-fair-und-gerecht-experte-fordert-komplett-neues-steuersystem_id_259656128.html
Prinzipien der Steuererhebung in Deutschland
Das deutsche Steuersystem basiert auf Leistungsfähigkeit, Transparenz und Fairness. Die Lasten sollen fair verteilt werden, die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler gleichbehandelt und gemäß dem Prinzip der Leistungsfähigkeit besteuert werden. Steuerpflichtige, die sich in der gleichen wirtschaftlichen Lage befinden, sollen auch gleich belastet werden – der Fachbegriff dafür lautet „horizontale Steuergerechtigkeit“. Die „vertikale Steuergerechtigkeit“ besagt, dass Steuerzahlende in unterschiedlichen wirtschaftlichen Situationen auch unterschiedlich hohe Steuern zahlen müssen. Wer sich also in einer besseren wirtschaftlichen Position befindet, muss steuerlich höher belastet werden.
Ein Beispiel für das Prinzip der Leistungsfähigkeit liefert die Einkommensteuer. Auch hier gilt: gleiches Einkommen, gleiche Steuerbelastung – unterschiedliche wirtschaftliche Situation, unterschiedliche Steuerbelastung. Denn Steuerpflichtige befinden sich nur dann in der gleichen wirtschaftlichen Lage, wenn die persönlichen Umstände vergleichbar sind: Ein Single mit einem monatlichen Einkommen von 4000 Euro ist in einer anderen Situation als ein Familienvater, der das gleiche Gehalt bezieht.
Ein Steuersystem, das diese Faktoren berücksichtigt, richtet sich nach den Kriterien der individuellen Belastbarkeit. Demnach werden die unteren Einkommen gar nicht oder nur gering und die Besserverdienenden höher besteuert. Das spiegelt der Einkommensteuertarif wider, der linear-progressiv gestaltet ist. Mit anderen Worten: Der Tarif sorgt zum einen dafür, dass diejenigen, die mehr verdienen, prozentual mehr von ihrem Einkommen abführen müssen. Zum andern ist der Tarif in fünf verschiedene Zonen aufgeteilt, in denen unterschiedliche Steuersätze gelten.
QuellentextDer Einkommensteuertarif
Zunächst bleibt das Einkommen in Höhe des Grundfreibetrags als Existenzminimum steuerfrei. Nach dieser „Nullzone“ folgt jedoch nicht ein durchgehend gleicher Steuersatz, sondern mehrere, steigende Steuersätze, die nach verschiedenen Abschnitten greifen. So fängt die Besteuerung für die ersten Euros über dem Grundfreibetrag (11 604 Euro, Stand: 2024) mit einem Eingangssteuersatz von 14 Prozent an und steigt bis zum Spitzensteuersatz von 42 Prozent und dem Reichensteuersatz von 45 Prozent (Stand: 2024). Dabei teilen sich die Progressionszonen in zwei größere Spannen auf: In der ersten Progressionszone steigt der Steuersatz relativ schnell an; in der zweiten Progressionszone steigt der Steuersatz zwar weiter linear an, aber nicht mehr so stark wie in der ersten Zone. Ab dem Spitzensteuersatz von 42 Prozent (ab einem Jahreseinkommen von 66 761 Euro, Stand: 2024) folgen die Proportionalzonen – so bezeichnet, weil ab diesem Betrag für jeden Euro darüber konstant der gleiche Steuersatz fällig wird. Die zweite Proportionalzone wurde als sogenannte Reichensteuer hinzugefügt: Ab einem zu versteuernden Einkommen von 277 826 Euro (Stand: 2024) beläuft sich der Steuersatz auf 45 Prozent. Die jeweils höheren Steuersätze werden nicht auf die gesamte Summe, sondern nur auf das zusätzlich verdiente Geld berechnet. Daher nennt man dies auch „Grenzsteuersatz“. Im Gegensatz dazu bezeichnet der „Durchschnittssteuersatz“, wie hoch der prozentuale Anteil der festgesetzten Einkommensteuer am gesamten zu versteuernden Einkommen ist.
Constanze Elter
Berechnung der Steuerlast
(© Stiftung Warentest, https://www.test.de/steuerprogression-einfach-erklaert-5813257-0/ vom 19. Februar 2024)
Das deutsche Steuersystem versucht zudem, möglichst viele individuelle Gegebenheiten zu berücksichtigen und die Lebensverhältnisse damit so gerecht wie möglich abzubilden. Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer ist das sogenannte zu versteuernde Einkommen. Dies ermittelt sich aus der Summe aller Einkünfte, von der dann wiederum diverse Vergünstigungen, Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden können. Erst dann wird die Einkommensteuer ermittelt. Aus dieser Systematik ergeben sich auch die zahlreichen Ausnahmen, die das deutsche Steuersystem so komplex erscheinen lassen.
Trotzdem gilt das Prinzip der Transparenz: Steuergesetze, Vorschriften und das Agieren der Finanzverwaltung sollen für alle nachvollziehbar sein. Dies stellen unter anderem die Finanzgerichte und der Bundesrechnungshof sicher. Dass die Steuerbelastung fair bleibt, können Steuerpflichtige aus dem Prinzip der Gleichmäßigkeit ableiten.